Da beißt die Maus keinen Faden ab

Warum sind wir, wie wir sind? Und warum stoßen wir damit nicht nur auf Gegenliebe? Erinnerungen an missliche Situationen, Erkenntnisse über Verhaltensweisen, Erfahrungen mit Lösungsmöglichkeiten und Umsetzungstipps – Aline Kramer-Pleßke, Supervisorin und Coach, möchte dazu beitragen, dass wir unsere Potenziale entdecken, unsere Ressourcen stärken, emotionale Entlastung finden und souveräner handeln können.

Hier gibts den Artikel als PDF: Supervisorin_#2_2021

Erinnerungen

Wurden Sie als Kind auch beim Neptunfest getauft? Im Sommerferienlager wohnten wir früher diesem Ritual bei. Wurde man von seinem Gruppenleiter als Täufling ausgewählt, musste man vor den Häschern fliehen, einen widerlich schmeckenden Trunk zu sich nehmen, erhielt von Neptun einen neuen Namen und wurde am Ende in die Ostsee geworfen. Nach dieser Prozedur war man in Neptuns Welt aufgenommen und hieß nun „glitschige Qualle“, „mutiges Seepferdchen“ oder „feuerrote Tiefseemuschel“.

Einmal hatte mein Gruppenleiter mich ausgewählt. Meine Güte, was war ich aufgeregt! Als mein Name aufgerufen wurde, lief ich um mein Leben. Obwohl ich wendig und flink war, fingen mich die Häscher, und am Ende bekam ich den Taufnamen „Häschen“. Ich war verwirrt. War ich wirklich so ängstlich? Später fragte ich den Gruppenleiter, warum ich diesen Namen bekommen hatte. Da erzählte er mir von Meister Lampe, der flink über das Feld flitzen kann und kaum einzufangen ist. Er sagte: „Und außerdem sind Häschen lustig und liebenswert, nicht wahr?“ Ich nickte.

Ein Gespräch in Tier-Metaphern

P 1: Ist hier jemandem eine Laus über die Leber gelaufen?

P 2: Ich möchte ja nicht unken und sage das extra in Gänse­füßchen: „Ich hüte lieber einen Sack Flöhe, als mich noch einmal so zum Affen zu machen.“

P 3: Du Spaßvogel! Ich trage hier doch den Löwenanteil, und die anderen sitzen wie die Maden im Speck. Ach, ich habe sowieso den Eindruck, dass alles für die Katz ist.

P 2: So, so… Du kannst wohl keiner Fliege was zuleide tun? Gibst an wie eine Tüte Mücken, bist aber störrisch wie ein Esel und führst dich auf wie ein Hausdrachen.

P 3: Pah, da lachen ja die Hühner!

P 1: Na, na, immer langsam mit den jungen Pferden. Bindet euch doch keinen Bären auf! Ihr geht auf­einander los, wie die Aasgeier. Vielleicht bemühen wir mal unser Elefantengedächtnis: Wann haben wir uns wie Fische im Wasser gefühlt?

 

Stille. Niemand schwätzt wie eine Elster. Da sitzt allen wohl ein Frosch im Hals. Und dann… Nachtigall, ick hör dir trapsen.

P 2: Es kräht kein Hahn danach, was wir tun. Für die paar Kröten…

P 3: Genau, wer ist schon interessiert? Irgendwie kriegen wir nie den richtigen Fisch an die Angel.

P 1: Das stimmt, man kann eben keine Hunde zum Jagen tragen. Dann lasst uns doch jetzt den Stier bei den Hörnern packen.

P 3: Was für eine gute Idee! Du Fuchs!

P 2: schweigt.

P 1 zu P 2: Komm, lass mal deinen Dackelblick, das wird schon. Wer sich zum Schaf macht, den fressen die Wölfe. Also nicht den Kopf in den Sand stecken.

P 2: Wahrscheinlich hast du Recht. Man wird alt wie eine Kuh und lernt immer noch dazu.

P 1: Na dann… Auf, auf sprach der Fuchs zum Hasen….

Erfahrungen

Da wir in gewisser Weise verwandt sind, ist es naheliegend, dass wir Tiere als Metaphern nutzen. Eigenarten und Reaktionen werden menschlichem Verhalten zugeordnet. Bewusst eingesetzt, können diese Beschreibungen erleichtern, trösten und Druck nehmen.

Der Biologe und Unternehmensberater Dr. Arthur Shelley forschte über den Einfluss von Verhaltensweisen in der Arbeitsumgebung. In „The Organizational Zoo“ ordnete er menschliche Verhaltensweisen in ein Tier-­Alphabet und beschrieb, wie man Tier-Metaphern für wirksame Interaktionen und konstruktive Gespräche nutzen kann. Beispielhaft nenne ich hier den Adler, der für Weitblick steht, Visionen entwickeln kann und das Wesentliche sieht. Die Bienen – von der Königin und den Drohnen abgesehen – arbeiten teamorientiert und fleißig. Das Chamäleon mit der schnellen Zunge hat seine Augen zwar überall, wird aber, obwohl es anpassungsfähig ist, nicht sehr gemocht, denn es ist unbeständig und entscheidungsschwach. Die Dinosaurier lieben Traditionen, mögen aber keine Veränderungen. Die Eulen sind weise, ruhige, nachdenkliche Mitarbeiterinnen und werden als kompetente Beraterinnen geschätzt. Das bedächtige Faultier ist wegen seiner minimalistischen Art nicht sehr beliebt, aber immerhin ist es nie aggressiv.

Experimente

Ich nutze Tier-Metaphern gern als Übersetzer für Gefühls­lagen und Lieblingstiere als Türöffner, denn mit ihnen lässt sich etwas über den jeweiligen Persönlichkeitstyp aussagen. Zumindest zeigen sie an, welche Eigenschaften einem Menschen zusagen.

In Teamentwicklungsprozessen erleichtern es Tier-­Metaphern, den eigenen Konflikttyp näher zu beleuchten. Die folgende Übung kann als Brücke dienen, um bei dem eher unangenehmen Thema „Konflikte“ ins Gespräch zu kommen. Selbst- und Fremdbilder werden verglichen, und das ist oft so interessant wie unterhaltsam.

Konflikttiere

Kärtchen mit Tieren und deren Kurzcharakteristik werden im Raum oder auf dem Tisch ausgelegt. Es wird nicht gesprochen.

Aufgabenstellung:

Lies die Charakterisierung der Tiere. Überlege: Wie fühlst du dich in Konfliktsituationen? Welches Tier passt am besten zu deiner Art, in Konflikten zu reagieren?

Wähle das Tier, das am besten zu dir passt.

Danach wird erzählt, verglichen, gestaunt und gefragt, aber niemals abgewertet. Es geht nur darum, einander besser kennenzulernen und unterschiedliche Wahrnehmungen zu beleuchten.

Am Ende können alle Teammitglieder sich darüber austauschen, was das Ergebnis für die Bewältigung von Konfliktsituationen bedeutet, wer was braucht und wie man im Team mit Konflikten umgehen könnte.

 

Folgende Eigenschaften lassen sich den verschiedenen Konflikttieren zuordnen:

 

LÖWE

Positiv: dynamisch, großzügig, kann sich entschuldigen, lösungsorientiert, kann Sichtweisen ändern, Angriff nicht ohne Vorwarnung, ehrlich, schnell, spontan, kumpelhaft, lacht gern, ausdrucksvolle Mimik und Gestik, hohes Selbstbewusstsein.

Negativ: angriffslustig, knurrt, brüllt, plustert sich auf, im Zorn taub für Argumente oder Entschuldigungen, eisenhart, überzogen, arrogant, gebieterisch.

 

TIGER

Positiv: wagemutig, kämpferisch, dynamisch, zackig, schöpft aus dem Vollen, gibt immer alles, braucht Action, humorvoll, unerschrocken, leidenschaftlich, im Zweiergespräch offen, beobachtet, kontrolliert.

Negativ: unzugänglich, Angriff ohne Vorwarnung (eventuell mit freundlichem Lächeln), cholerisch, nicht zimperlich, misstrauisch, ungestüm, rebellisch.

 

HASE

Positiv: feinfühlig, sanft, sensibel, kultiviert, ruhiges und friedliches Wesen, kontaktfreudig, unaufdringlich, Harmonie, Schönheit und Anstand liebend, erstaunlich starker Wille.

Negativ: unergründlich, feige, verschwenderisch, empfindlich, melancholisch, konfliktscheu, lösungsscheu, kritik­empfindlich, nach außen oberflächlich und gleichgültig.

 

SCHLANGE

Positiv: klug, tiefgründig, intuitiv, aufmerksam und freundlich bei respektvoller Begegnung, einfühlsame, gute Beobachterin, vorsichtig und zurückhaltend, unabhängig, gelassen, humorvoll.

Negativ: launisch, eifersüchtig, manipulativ, ängstlich, misstrauisch, erträgt Grobheit und Streit nicht, nachtragend, Rückzug bei direkter Konfrontation oder unerwartetes Zubeißen. Achtung: Der Biss ist giftig und kann äußerst schmerzhaft sein.

 

SCHNECKE

Positiv: klug, gründlich, zielstrebig, unbeirrt, zufrieden, bescheiden, besonnen, gemächlich, bedächtig, sensibel, vorsichtig, beharrlich, konstant.

Negativ: töricht und unverständig, träge, phlegmatisch, empfindlich, zieht sich schnell zurück, konfliktscheu, mag keinen Streit, erträgt Unhöflichkeit nur schwer, verbissen.

 

NASHORN

Positiv: kraftvoll, stabil, standhaft, sprintet, ohne sich völlig zu verausgaben, kann innehalten, Gemeinschaftssinn, gutmütig, gemütlich, gelassen, weise und willensstark.

Negativ: wild, dickköpfig, unaufhaltbar, scheu, aggressiv, unsensibel, depressiv, geht oft mit dem Kopf durch die Wand, eigensinnig und unflexibel.

 

Foto: Paolo Bendandi/unsplash

arbeitet als Coach für Persönlichkeitsentwicklung und Supervisorin in eigener Praxis in Berlin-Pankow.

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