Für schöne Hafttage: Die selbstklebende Bandage

Teuer muss nicht sein, aber kreativ! Michael Fink inspiziert Ausgesondertes, um nach Dingen zu suchen, die kaum etwas kosten.

Hier gibt es den Artikel als PDF: 1Euro_#4_2022

Ihr Name klingt verrucht. Wer denkt nicht an Knast, Fußfesseln und Verbrecher-Banden, wenn er das Wort „Haftbandage“ hört? Zu Unrecht! Der diesmalige Gast aus dem Billig-Laden, der inzwischen inflationsbedingt „2-Euro-Shop“ heißt, entstammt dem Gesundheitsbereich und will uns „stabilisieren“, gar „stützen“ – Worte, die unser PädagogInnenherz höher schlagen lassen. Zwar ist die Haftbandage ein ganz praktisches Alltagsding, aber trotzdem passt sie zum Heftthema, denn inzwischen beteiligt auch sie sich an dem Trend, möglichst stark aufzufallen.

Bandagen oder Stützverbände gab es schon immer. Beim Anlegen waren sie einst weiß, tendierten bei zunehmender Tragezeit jedoch ins Graubraune. Das war kein Ding, denn ihr Träger war einer dieser Invaliden, die man sowieso nicht wahrnehmen sollte: „Guck da nicht hin, zu dem Mann mit dem Aua!“

Heute sorgt das Aua für „Aha“ und „Oho“. „Zeige deine Wunde!“ war mal ein Motto von Joseph Beuys, das wir nun artig befolgen: Stolz präsentiert Ida ihren Corona-Doppelstrich, und Grete postet mutig ihren grindigen Grützbeutel: Grützbeutel Pride! Die Haftbandage unterstützt diese Zeigefreudigkeit. Es gibt sie in Farben wie Knallblau, Pink, Quietschgelb und Neongrün. Wer da noch Wotans Wadenprellung übersieht, macht das entweder absichtlich oder hat eine ebenfalls gut zum Posten geeignete Sehstörung.

Womit Wotan Wunden wickelt, wollen wir wahre Wunderwerke wagen. Denn die Haftbandage ist ein einzigartiges Kreativmaterial: gleichzeitig Stoffbahn und Naht, selbstklebend und immer wieder auseinandernehmbar.

  

Rätselt nicht über meine Worte, sondern probiert es aus: Man kann die 10 Zentimeter breiten Streifen nebeneinanderlegen und durch Überlappung miteinander verkleben. Hippe Karomuster entstehen, wenn man dünne Haft-Pflasterstreifen aus dem gleichen Material kauft und aufklebt. Umhüllt man plastische Dinge, kann man damit lustig bunte Figuren herstellen, die sich prima mit Teddywolle ausstopfen lassen. Sieht genauso albern aus wie das selbst gehaftklebte Portmonee? Nach Verbüßung der Haft lässt es sich wieder auseinandernehmen und resozialisieren.

Fotos: Michael Fink

Michael Fink ist Autor und Fortbildner.

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