Demokratie ist ein Kinderspiel

Ist Demokratie immer nur freitags? Wenn es vorher schlimmen Streit gab und auf der Kinderkonferenz – bitte schön – besprochen werden soll, wie man den vermeiden kann?

Das wäre etwas wenig. Probiert die folgenden Momente für Demokratie aus und testet, ob die Kinder es zufällig genauso richtig finden, wie ihr es immer macht – oder ob sie Lust haben, Veränderungen zu entwickeln und auszuprobieren.

Hier gibt es den Artikel als PDF: Spielwiese_#3_2024

Beim Morgenkreis

Wollen wir jeden Tag das Datum und die Bilder der anwesenden Kinder irgendwohin pinnen? Oder wäre es auch mal toll, den Planeten oder das Tier des Tages vorzustellen, den Witz des Tages zu erzählen oder als Begrüßung von allen gemeinsam einen großen Turm bauen zu lassen, der dann unter großem Bohei wieder umgeschmissen wird? Praktiziert gemeinsame Rituale, die ihr euch gemeinsam ausgesucht habt und nicht nur deswegen macht, weil sie alle anderen auch praktizieren.

Beim Mittagessen

Gabel links, Messer, rechts, Löffel oben? Erst Salat, dann Hauptgericht, dann dein Nachtisch? Beim Essen scheint es vielen Erwachsenen besonders wichtig zu sein, es genauso zu machen, wie man es schon immer gemacht hat. Weil man angeblich sonst nicht lernt, dass man es nur so und nicht anders macht!

Ein guter Moment für Demokratie ist es, jeden Tag neue Ideen für das gemeinsame Essen zu testen. Essen wir heute mal nur mit Fingern, den Nachtisch verpflichtend zuerst? Morgen vielleicht auf Decken im Spielraum, auf dem Spielplatz unterm Baum? Ohne ein Wort? Ohne Licht? Mit Vorleserin? Bei lautstarker Musik? Nicht jede Idee ist so gut, wie sie zunächst klingt: Weiß man aber erst, wenn man es probiert hat.

Beim Raumkonzept

Der Raum ist der dritte Erzieher – und der erste und zweite Erzieher legen fest, wie er auszusehen hat. Ist das demokratisch? Ein cooler Moment für Demokratie ist es, mit den Kindern, die Raumgestaltung zu checken. Welche Ecke mögt ihr gerne, welche nervt euch? Habt ihr eine richtig verrückte oder auch nur ein bisschen ungewöhnliche Idee, was es noch für eine Ecke im Kindergarten geben könnte? Probiert mal, ob es möglich ist, auch fragwürdige Konzepte wie die Barbie-Spiel-Ecke oder die mit Matsch-an-die-Wand-werfe-Ecke für eine gewisse Zeit und in sozial kompatibler Form umzusetzen, um zu zeigen: Ein Raum ist wandelbar und kann ganz unterschiedlich sein – genau wie der erste und der zweite Erzieher auch.

Bei der Übergabe­situation

Kind und Elternteil rein, Streit beginnen, weinen, vertrösten – und nachmittags drängeln, Zeit für Spiel gewinnen, Eis versprechen, heulen? In vielen Kitas besteht die Übergabesituation aus Ritualen, die niemand eingeführt hat, die aber trotzdem zur unveränderlichen Tradition zu gehören scheinen …

Wie wäre es, demokratisch zu checken: Wie würdest du gerne verabschiedet und begrüßt werden? Mit langem Theater in der Garderobe oder kurz und knapp vorm Tor? Mit direktem Gang zum Frühstück am Morgen und zum Eis am Nachmittag? Mit langem Trösten oder schnellem Tschüss sagen? Mit Pusten an der Fensterscheibe, Luftkuss oder einem knackigen Ich-schmeiß- dich-raus-Ritual? Es gibt genug Ideen, die Kinder entwickeln können, um sie in den nächsten Tagen auszuprobieren …

In der so genannten Ruhephase

Jeder Mensch hat mal das Bedürfnis nach Ruhe. Mancher mag seines stillen, indem er gemeinsam mit Vielen in einem Raum auf Matratzen liegt, nur flüstern darf, auf Kommando die Augen zu macht. Andere bevorzugen eher, sich im Garten in eine Hängematte zu legen, in eine dunkle Ecke zurückzuziehen oder wie Erwachsene bei ein paar kleinen Leckereien und Getränken miteinander zu quatschen. Die Ruhe-Situation ist ein guter Moment, um darüber zu sprechen: Wie brauchst du es, um gut abzuschalten und ruhig zu werden, brauchst du es überhaupt? Wer hat Lust, mal die Ausruh-Technik von jemand anderem auszuprobieren?

Foto: suschaa, photocase

Michael Fink ist Autor und Fortbildner.

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