Elternteil und Kita bei der Paarberatung
Klangschalen, Teppiche und Vollholzmöbel prägen den Raum, in dem ein nachdenklicher Strickwestenträger ein abgekämpft wirkendes Paar begrüßt:
Den Artikel gibt es hier als PDF: Satire toxisch_#2_2023
Guten Tag! Mein Name ist Dr. Martin Däschlein, für Sie gerne Martin. Ihre Namen sind Elternteil und Kita, richtig? Sie haben sich dazu entschlossen, sich meinem Partnercoaching anzuvertrauen. Wenn ich es richtig verstanden habe, ergebnisoffen?
Beide Klienten, unsicher: Joa, also, ähem…
Dr. Däschlein: Fein! Sprechen wir zuerst über das, was schön war in Ihrer Beziehung. Oft ist es ja das erste Kennenlernen. Wie war dieser Moment, in dem Sie einander begegneten?
Elternteil, sich erinnernd: Ich hatte am Anfang richtig Herzklopfen. Als ich dich zum ersten Mal sah, Kita, war das Gänsehaut pur. Ich wusste: Das ist die Einrichtung, nach der ich mich immer gesehnt hatte. Ich sehe dich noch vor mir, dein fröhliches Foyer, deine kreative Ausstrahlung, und dann deine, ähem, üppig ausgestatteten Gruppenräume…
Dr. Däschlein: Und bei Ihnen, Kita?
Kita, verlegen: Ganz ehrlich? Am Anfang hatte ich Elti gar nicht so richtig wahrgenommen. Ich steckte da mal wieder im Alltagstrubel…
Dr. Däschlein: Aber dann eroberte Elternteil Ihr Herz?
Kita, langsam auftauend: Also, ich hab natürlich irgendwann dieses Interesse gespürt. Und beim ersten Elternabend lag plötzlich so eine Spannung in der Luft. Elti, du hattest mich angeschaut und gefragt, warum wir kein veganes Essen anbieten. Erst dachte ich: Warum fragt er ausgerechnet mich so was? Aber dann spürte ich plötzlich, dass wir uns unheimlich viel zu sagen haben…
Elternteil, sentimental: Ja, als du über diese ganzen Konzepte sprachst, dachte ich: Wow, was die alles drauf hat! Und noch nie hatte mir jemand so aufmerksam zugehört wie du bei unserem ersten Elterngespräch, als du alles über Noahs Charaktereigenschaften wissen wolltest und ich dir sogar von seinen Kakaproblemen erzählte. Da sagtest du: „Hey, das ist voll normal.“
Dr. Däschlein: Gewiss ein intensiver Moment, der das Drehbuch Ihrer Partnerschaft lange prägte. Aber wann kam der Moment, in dem Sie plötzlich Dissonanzen spürten?
Kita, emotional: Für mich war klar, dass ich alles, was mir wichtig ist, mit dir teilen will, Elti. Also schrieb ich dir immer ausführlich, was ich erlebt und getan hatte, und schickte dir sogar Poster mit Fotos und poetischen Texten, zum Beispiel „Ein Tag im Zoo macht alle froh“. Und selbst mein pädagogisches Tagebuch habe ich dir gezeigt.
Dr. Däschlein: Ein sehr intimer Vertrauensbeweis!
Kita, nachdenklich: Aber irgendwann merkte ich: Dir ging es gar nicht darum, meine Erlebnisse zu teilen und cool zu finden, sondern irgendwie um Kontrolle: War die wirklich mit den Kindern draußen? Und um Bewertung: Ist das sinnvoll, was die da tut? Dieses stän-di-ge Misstrauen irritierte mich.
Elternteil, trotzig: Ich war aber nicht ohne Grund misstrauisch. Irgendwann hatte ich gecheckt, dass ich nicht dein einziger Erziehungspartner bin. Gerade hattest du mir im vertrauten Elterngespräch noch versprochen, dass du meinen Vorschlag unterstützt, endlich Blockflöte zu vermitteln, da erfahre ich, dass du am gleichen Tag ausgerechnet diese fiese Mutter von Sara und ihren Scheiß-Yogakurs supportest, der zur gleichen Zeit stattfinden soll!
Kita, aggressiv: Ich hätte was versprochen? Mir war deine Flötenvermittlung genauso piepegal wie dieser Yoga-Quatsch!
Dr. Däschlein, betont sanft: Ich erinnere an unsere Regel: Keine wertenden Ausdrücke, keine Schimpfwörter.
Elternteil, aufgebracht: Du interessierst dich überhaupt nicht dafür, was dein Gegenüber will, sondern sagst immer nur jajaja, weil du konfliktscheu bist! Ich dachte, wir gehören zusammen, erziehen Noah gemeinsam und teilen unsere Überzeugungen! Aber als du merktest, dass ich mal einen anderen Pädagogen zu Rate zog, warst du sofort eifersüchtig.
Dr. Däschlein, nachbohrend: Kita, wissen Sie, welchen Moment der Eifersucht Elternteil meint?
Kita, echauffiert: Na, klar! Das war die Sache mit diesem Jäääsper. Vorher hatte ich das Gefühl, Elti liebt meine pädagogischen Ansichten und findet es sexy, wenn ich über teiloffene Arbeit oder partizipative Projekte rede. Und auf einmal hieß es: „Jesper sagt aber… Jesper traut den Kindern viel mehr zu.“
Elternteil, angefressen: Statt dich damit auseinanderzusetzen und argumentativ um mich zu kämpfen, hast du mich angeschrien: „Dann geh doch zu deinem Jesper Juul!“ Dabei lebt der gar nicht mehr! Das war für mich der absolute Downer. Trotzdem habe ich weiter an unsere Beziehung geglaubt und dir jeden Tag mehrere lange Mails geschrieben, um dir zu zeigen, wie wichtig du mir bist.
Dr. Däschlein, mit maximaler Empathie: Wie ging es Ihnen in dieser Zeit?
Kita, ernüchtert: Ich hatte plötzlich das Gefühl, mir wird das alles zu eng. Dieses ständige Flehen in Eltis Augen: Darf ich bei deinem Adventsbasar den Waffelstand betreuen? Dieses Geklammere beim Bringen oder Abholen, und abends kilometerlange Mails mit Vorschlägen, das Hausschuhregal zu optimieren. Irgendwann konnte ich das nur noch als SPAM markieren.
Elternteil, mit gebrochener Stimme: Ich hatte geglaubt, jemanden gefunden zu haben, der sich auch für das interessiert, was mir im Leben am wichtigsten ist: Mein, unser Noah! Aber jetzt weiß ich, dass er nur ein x-beliebiges Kind für dich war. (Rauscht raus, schmeißt die Tür zu.)
Kita, betroffen: Elti! Du weißt genau wie ich, dass das nicht stimmt! Jedenfalls nicht ganz… Soll ich hinterher gehen?
Dr. Däschlein, beruhigend: Lassen Sie Elternteil Zeit, seine Enttäuschung muss abklingen. Darf ich Ihnen derweil einen Momente-der-Zuversicht-Tee anbieten? Ein Mix aus… (blickt aufs Etikett) … Litschischale, frischem surinamesischem Ingwer und tibetanischer Katzen-Kardamomminze.
Beide konsumieren verstört den offensichtlich unaromatischen Tee und schweigen höflich. Da kehrt Elternteil mit rotgeränderten Augen und Schniefnase, aber resolut in den Raum zurück.
Elternteil, barsch: Für mich ist jetzt alles klar. Wir beenden die Sache heute und hier. Mir ist nur noch wichtig, dass wir das mit Noah hinkriegen. Der soll nicht darunter leiden, dass seine Erziehungspartner sich nicht mehr lieben.
Dr. Däschlein: Da habe ich einen Vorschlag für Sie: das Wechselmodell. Es funktioniert bei vielen meiner Klienten. Einen Teil des Tages verbringt das Kind bei dem einen Erziehungspartner, den anderen beim zweiten. Die Übergabe ist kurz und knapp, und statt langer Mails gibt es nur Botschaften wie „Windeln nachfüllen“ und „Hausschuhe fehlen“.
Beide Klienten: Und das klappt?
Dr. Däschlein: Besser als Sie denken.
Foto: Kelly Sikkema / unsplash