Lena Grüber von wamiki sprach mit Marco Spaggiari, Atelierista aus Reggio/Emilia, der die Aufbauarbeiten in Berlin und Köln begleitete.
Das Interview gibt es auch als PDF: Hundert Sprachen PingPong_3_2024
Welche Grundidee steht hinter Bordercrossings?
Es ist großartig, dass in diesem Jahr Bordercrossings durch Deutschland reist. Besonders das Atelier steht im Mittelpunkt, da es für Erwachsene und Kinder den Raum für Forschung und Kreativität bietet. Diese Ausstellung soll die wichtige Forschung aus den Kinderkrippen und Kindergärten in Reggio Emilia weitertragen.
Der Gedanke dahinter ist, dass wir den Zusammenhang zwischen Architektur, Werkzeugen, Lebewesen und Materialien verstehen – der Mensch ist schließlich Teil der Natur. Nachhaltigkeit und Empathie sind dabei entscheidend. Vor allem im Umgang mit Pflanzen, Bäumen und Tieren ist es wichtig, einen systemischen, empathischen Blick auf all diese Lebewesen zu entwickeln.
Du hast mit uns gemeinsam die Ausstellung aufgebaut, wie hast du dich gefühlt?
Es war fantastisch! Wir hatten einen offenen Kreis, in dem jeder seine Ideen und Gedanken teilen konnte. Es war ein echter Dialog – ein kreatives Ping-Pong, was wir immer weitergespielt haben.
Was ist der Kern des Ateliers?
Das offene Material spielt eine Schlüsselrolle. Unterschiedliche Materialien bieten verschiedene Zugänge und wecken Neugier. Manche sind durchsichtig, andere haben eine bestimmte Struktur oder Form. Sie alle ermöglichen verschiedene Arten, mit ihnen in Beziehung zu treten. Deshalb ist es so wichtig, dass diejenigen, die Lernumgebungen gestalten, gut vorbereitet sind und frei arbeiten – mit der Liebe zum Detail.
Unsere Gruppe war sehr heterogen – von Pädagoginnen über Künstler bis hin zu Schauspielerinnen. Diese Vielfalt passt perfekt zum Atelieransatz, der auf Inklusion und Vielfalt setzt.
Welche Rolle spielen die Atelieristi?
Die Atelieristi arbeiten nicht allein, sondern als Teil eines Teams aus Erzieherinnen, Lehrkräften und anderem Personal. Sie bringen ihre Erfahrung, besonders aus der Kunst, ein, um Kindern neue Ausdrucksformen zu eröffnen – die „Hundert Sprachen“ nach Loris Malaguzzi. Dabei geht es darum, die verschiedenen Sprachen der Kinder zu fördern und miteinander zu verbinden – sei es durch Grafik, Fotografie, Videos oder andere kreative Wege.
Was ist das Besondere an Lernumgebungen?
Eine Lernumgebung ist vielseitig. Alles – von der Architektur über das Licht bis hin zu den Materialien – kann Verbindungen schaffen. Das Atelier ist ein Ort, der Überraschungseffekte bietet. Kinder können spielerisch mit Materialien und Objekten umgehen, die sie zum Forschen und Entdecken anregen.
Wie können wir Empathie in einer polarisierten Welt wieder stärken?
Wir müssen wieder lernen, mit den Händen zu denken und Dinge nicht nur oberflächlich zu betrachten, sondern in die Tiefe zu gehen. Es ist wichtig, sich mit Unterschiedlichem auseinanderzusetzen und Respekt für andere Ansichten zu entwickeln. Wir sollten den Mut haben, unsere Meinung zu ändern und daran glauben, dass wir die Welt verändern können – jeder auf seine Weise.
Die Sehnsucht nach einer besseren Welt ist tief in uns allen verwurzelt – sie ist universell. Auch wenn es heute oft schwerfällt, das auszudrücken, sollten wir gerade die Grenzbereiche aufsuchen. Dort, wo verschiedene Lebenswelten aufeinandertreffen, entsteht Neues. Genau an diesen Orten sollten wir viel öfter verweilen – vielleicht ist es sogar dort, wo wir wirklich hingehören.
Ich bedanke mich für die Gastfreundschaft und Offenheit. Es ist die Liebe zum Detail, die unsere Arbeit hier so besonders macht.
Fotos: Team Bordercrossings Göppingen / wamiki-Archiv