Pädagogik aufräumen

Pädagogik lebt von Ritualen, heißt es. Erzieher, Lehrer und *innen machen alles Mögliche, weil es nun mal derzeit üblich oder sogar vorgeschrieben ist. Egal, ob es Sinn hat oder nicht. Sinnvoll ist es aber auf jeden Fall, ab und zu auszumisten. Deswegen stellt diese Rubrik pädagogische Gewohnheiten aufs Tapet und fragt ganz ergebnisoffen: Ist das pädagogische Kunst, oder kann das weg?

Warten lernen

Die Situation nervt alle: Im Morgenkreis wollen alle Kinder gleichzeitig ihr Lieblingstier – Pinguin! Stegosaurus! Komodowaran! – vorstellen. An der Schaukel gibt’s Gedrängel: Ich, ich, ich! Vielleicht, weil das Bändigen der Kinder eine so zermürbende Tätigkeit ist, verwandeln die ErzieherInnen sie ab und zu in ein bedeutsames Lernziel: „Die Kinder lernen zu warten, bis sie dran sind.“

Klingt gut, gerade in einer Welt, wo man dauernd Schlange stehen muss und sowieso auf bessere Zeiten wartet. Aber wie genau vermittelt man die Kunst des Wartens? Sollte man es durch besonders langes Warten trainieren? Wird Warten, wenn man es gelernt hat, angenehmer, der Wartende gar duldsamer? Und falls man als Erwachsener immer noch nicht gut warten kann, gibt es da Kurse oder Tutorials?

Spaß beiseite, man will ja die Lesenden nicht allzu sehr auf seine These warten lassen. Diese lautet, erster Teil: Man kann Warten nicht lernen, höchstens lernen, nicht zu drängeln und zu quengeln. Das hat aber eher mit Gehorchen zu tun. Nur klingt „Gehorchen“ nicht nach wertvollem Lernziel. These, zweiter Teil: Oft müssen Kinder warten (lernen), weil ErzieherInnen den Tagesablauf nicht gut organisieren oder gar zu wenig Betätigungsmöglichkeiten einräumen. Tut Thea das Essen noch selber auf, statt die Kinder machen zu lassen, ist Warten vorprogrammiert. Und je weniger Spielmöglichkeiten und Anregungen es gibt, desto mehr warten Kinder auf die Schaukel, das Ende der Mittagsruhe oder das Abholen. Oder. Oder. Es gibt Kitas, da haben die Kinder so viel zu tun, dass sie einfach nicht zum Warten kommen. (Aber können tun sie’s trotzdem!)

Foto: prospekt-r /photocase.de

Michael Fink ist Autor und Fortbildner.

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