Pädagogik aufräumen:

Pädagogik lebt von Ritualen, heißt es. Erzieher, Lehrer und *innen machen alles Mögliche, weil es nun mal derzeit üblich oder sogar vorgeschrieben ist. Egal, ob es Sinn hat oder nicht. Sinnvoll ist es aber auf jeden Fall, ab und zu auszumisten. Deswegen stellt diese Rubrik pädagogische Gewohnheiten aufs Tapet und fragt ganz ergebnisoffen: Ist das päda­gogische Kunst, oder kann das weg?

Die Toniebox

Gefragt, ob sie was mit digitalen Medien machen, berichten Erzieherinnen häufig: „Ja, wir haben die Toniebox!“ Und verbreiten Werbepoesie: „Die ist von Kindern intuitiv bedienbar und ermöglicht schon den Jüngsten, selbstgewählte digitale Medien partizipativ zu nutzen.“

Neugierig geworden, schauen wir uns die Box genauer an: Es ist eine Art würfelförmiger Kassettenrekorder 2.0. Statt himmelblaue Benjamin-Blümchen-Kassetten einzulegen, muss man auf die Kiste nur eine der Original Tonie-Figuren stecken, zum Beispiel Original Encanto von Disney, und das Original-Encanto-Hörspiel ertönt. Um von Track zu Track zu „spulen“, reicht ein Hieb an eine Seite der Box. Das können die Kinder hervorragend.

Trainiert man damit den Umgang mit digitalen Medien? Genauso gut könnte man einen ebenfalls digital funktionierenden Fernseher in die Kita stellen und das Umschalten von Toggo auf RTL 2 als partizipativen Akt verkaufen.

Warum aber thront das teure Ding trotzdem in vielen Kitas? Weil Kinder es heute gewohnt sind, dass sie beim Bauen oder auch Bilderbuch-Lesen eine Geräuschkulisse vom plappernden Käptn Sharky umwabert. Weil es ErzieherInnen praktisch finden, dass man unruhige Kinder mit einem solchen Gerät wunderbar ruhigstellen kann: Nimm dir doch die Toniebox! Und weil Bildungs-Experten fordern, die Kita müsse sich digitalem Lernen öffnen, ohne zu erklären, wie und mit welchem Ziel man das tun soll. Da greift halt mancher zur Toniebox, die unser Gewissen und die Kinder gleichzeitig beruhigt.

Tipp: Weg mit dem Ding und analog vorlesen.

 

Foto: Toniebox Starterset

Pädagogik aufräumen:

Pädagogik lebt von Ritualen, heißt es. Erzieher, Lehrer und *innen machen alles Mögliche, weil es nun mal derzeit üblich oder sogar vorgeschrieben ist. Egal, ob es Sinn hat oder nicht. Sinnvoll ist es aber auf jeden Fall, ab und zu auszumisten. Deswegen stellt diese Rubrik pädagogische Gewohnheiten aufs Tapet und fragt ganz ergebnisoffen: Ist das pädagogische Kunst, oder kann das weg?

Hier gibt es das Allerletzte als PDF: Termine_Allerletztes#3_2023

Klangschalen-Kitsch

Wäre es nicht schön, wenn Kinder nicht so wuselig, hibbelig, zerstritten oder chaotisch wären, wie sie sind? Sondern eher so wie Endfünfziger, wenn sie so wären, wie sie gerne wären: zutiefst gelassen, nach Harmonie strebend, ihr Ruhebedürfnis kennend, achtsam?

Diesen Gedanken illustriert die Klangschale. Sie begrüßt Kinder bei uns zum Morgenkreis. Und das geht so: Die Kinder setzen sich, ich schlage das Ding an, ganz sanft … und der wunderschöne Klang breitet sich im Raum aus: Pliiing…

„Hör doch mal zu! Spürt ihr nicht das sanfte Schwingen, bis der Ton verklingt? Und dann die Stille – ist das nicht herrlich?“ Aus meiner Erwachsenen­sicht schon irgendwie.

Kindern mag das so interessant vorkommen wie der Genuss einer besonders sensationellen Olivenpaste aus jener toskanischen Manufaktur, in der ihr uralter Besitzer immer noch… Oder wie der Besuch in jener romanischen Kapelle direkt neben der Manufaktur, in der schon Kaiser Bodo der Zwölfzigste weilte.

Nicht falsch verstehen: Klangschalen sind super, wenn man selbst draufschlagen und sie an die Stirn halten darf, um die Schwingungen zu spüren. Aber als Intro zum Versammeln sind sie auch nicht besser als der alte Elektro-Schulgong. Dem musste man wenigstens nicht andächtig lauschen. Die Klangschale hingegen gilt als erhaben, als eine Art säkularer Glockenton, den nur Ausgewählte auslösen dürfen. Dabei soll sie eigentlich nur sagen: Jetzt geht’s los.

Aber wie soll man sonst zum Kreis rufen? Na, heute mal mit der Stimme, ganz melodiös: „Wer hat Lust auf Mooorgeeenkreis?“ Morgen mit einer Pappkarton-Trommel: „Rummbummbumm!“ Und übermorgen mit Flüsterpropaganda: „Weitersagen, wir fangen jetzt an!“

 

Foto: Kristina Kokhanova / photocase.de

Pädagogik aufräumen:

Pädagogik lebt von Ritualen, heißt es. Erzieher, Lehrer und *innen machen alles Mögliche, weil es nun mal derzeit üblich oder sogar vorgeschrieben ist. Egal, ob es Sinn hat oder nicht. Sinnvoll ist es aber auf jeden Fall, ab und zu auszumisten. Deswegen stellt diese Rubrik pädagogische Gewohnheiten aufs Tapet und fragt ganz ergebnisoffen: Ist das pädagogische Kunst, oder kann das weg? Weiter lesen

Pädagogik aufräumen:

Hier gibt es den Artikel als PDF: allerletzes+Termine_#1_2023

 

Pädagogik lebt von Ritualen, heißt es. Erzieher, Lehrer und *innen machen alles Mögliche, weil es nun mal derzeit üblich oder sogar vorgeschrieben ist. Egal, ob es Sinn hat oder nicht. Sinnvoll ist es aber auf jeden Fall, ab und zu auszumisten. Deswegen stellt diese Rubrik pädagogische Gewohnheiten aufs Tapet und fragt ganz ergebnisoffen: Ist das pädagogische Kunst, oder kann das weg?

Das Stühlchen

Erwachsenen sitzen so gerne. „Setzt euch erst mal“, sagen sie Gästen zur Begrüßung. Nach einem anstreng­enden Tag des Sitzens im Büro lassen sie sich daheim aufs Sofa fallen. Aus Sicht von Kindern scheinen Erwachsene an ihren Stühlen angewachsen zu sein, wenn sie miteinander reden, essen, trinken oder Karten spielen.

Klar, dass Erwachsene von sich ausgehen und Kindern in der Kita Stühlchen hinstellen, auf denen sie den Tag verbringen sollen. Manchmal sind es regelrechte Sessel aus Holz, schwer und mit Armlehnen. Tatsächlich verbringen kleine Kinder, setzt man sie erst mal rein, viel Zeit im Stühlchen.

Weil sie gerne sitzen? Wohl eher, weil sie sich aus dem Sitzmöbel schlecht befreien können. Beherrschen Kinder die Technik des Stuhlwegschiebens, kann man beobachten, dass sie nur wenig gern im Sitzen machen. Malen, Werkeln, Spielen und Reden macht offenbar mehr Sinn im Stehen. Selbst beim Essen bleiben manche Kinder ungern lange sitzen.

Warum gibt es dennoch in vielen Kitas, vor allem in Krippen, so viele Stühle, dass mancher Raum fast zum Stuhllabyrinth wird? Damit sich Kinder an die Kultur des Zusammensitzens gewöhnen? Seid nicht albern, Sitzen lernt man sowieso. Weil sich Kinder manchmal auch ausruhen mögen? Dafür passt ein Sofa am Rand besser als ein Tisch mit zehn Stühlchen außen herum. Warum dann? Weil es praktisch ist, Kinder auf Stühlchen zu parken, um das unkontrollierte Gewusel im Raum zu minimieren? Weil kleine Kinder auf Stühlchen sich nicht selbst bedienen können, beim Essen nicht zu früh aufstehen und freiwillig Gesellschaftsspiele spielen?

Egal, warum: Weg mit den Stühlen! Nutzt den freien Bodenplatz zum Malen, Toben, Liegen, Stehen und Sitzen. Das geht besser ohne Stuhl.

 

Foto: Julia Beautty/ photocase

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Pädagogik lebt von Ritualen, heißt es. Erzieher, Lehrer und *innen machen alles Mögliche, weil es nun mal derzeit üblich oder sogar vorgeschrieben ist. Egal, ob es Sinn hat oder nicht. Sinnvoll ist es aber auf jeden Fall, ab und zu auszumisten. Deswegen stellt diese Rubrik pädagogische Gewohnheiten aufs Tapet und fragt ganz ergebnisoffen: Ist das pädagogische Kunst, oder kann das weg? Weiter lesen

Pädagogik aufräumen

Pädagogik lebt von Ritualen, heißt es. Erzieher, Lehrer und *innen machen alles Mögliche, weil es nun mal derzeit üblich oder sogar vorgeschrieben ist. Egal, ob es Sinn hat oder nicht. Sinnvoll ist es aber auf jeden Fall, ab und zu auszumisten. Deswegen stellt diese Rubrik pädagogische Gewohnheiten aufs Tapet und fragt ganz ergebnisoffen: Ist das pädagogische Kunst, oder kann das weg?

Warten lernen

Die Situation nervt alle: Im Morgenkreis wollen alle Kinder gleichzeitig ihr Lieblingstier – Pinguin! Stegosaurus! Komodowaran! – vorstellen. An der Schaukel gibt’s Gedrängel: Ich, ich, ich! Vielleicht, weil das Bändigen der Kinder eine so zermürbende Tätigkeit ist, verwandeln die ErzieherInnen sie ab und zu in ein bedeutsames Lernziel: „Die Kinder lernen zu warten, bis sie dran sind.“

Klingt gut, gerade in einer Welt, wo man dauernd Schlange stehen muss und sowieso auf bessere Zeiten wartet. Aber wie genau vermittelt man die Kunst des Wartens? Sollte man es durch besonders langes Warten trainieren? Wird Warten, wenn man es gelernt hat, angenehmer, der Wartende gar duldsamer? Und falls man als Erwachsener immer noch nicht gut warten kann, gibt es da Kurse oder Tutorials?

Spaß beiseite, man will ja die Lesenden nicht allzu sehr auf seine These warten lassen. Diese lautet, erster Teil: Man kann Warten nicht lernen, höchstens lernen, nicht zu drängeln und zu quengeln. Das hat aber eher mit Gehorchen zu tun. Nur klingt „Gehorchen“ nicht nach wertvollem Lernziel. These, zweiter Teil: Oft müssen Kinder warten (lernen), weil ErzieherInnen den Tagesablauf nicht gut organisieren oder gar zu wenig Betätigungsmöglichkeiten einräumen. Tut Thea das Essen noch selber auf, statt die Kinder machen zu lassen, ist Warten vorprogrammiert. Und je weniger Spielmöglichkeiten und Anregungen es gibt, desto mehr warten Kinder auf die Schaukel, das Ende der Mittagsruhe oder das Abholen. Oder. Oder. Es gibt Kitas, da haben die Kinder so viel zu tun, dass sie einfach nicht zum Warten kommen. (Aber können tun sie’s trotzdem!)

Foto: prospekt-r /photocase.de

Pädagogik aufräumen

Pädagogik lebt von Ritualen, heißt es. Erzieher, Lehrer und *innen machen alles Mögliche, weil es nun mal derzeit üblich oder sogar vorgeschrieben ist. Egal, ob es Sinn hat oder nicht. Sinnvoll ist es aber auf jeden Fall, ab und zu auszumisten. Deswegen stellt diese Rubrik pädagogische Gewohnheiten aufs Tapet und fragt ganz ergebnisoffen: Ist das pädagogische Kunst, oder kann das weg? Weiter lesen

Pädagogik aufräumen

Pädagogik lebt von Ritualen, heißt es. Erzieher, Lehrer und *innen machen alles Mögliche, weil es nun mal derzeit üblich oder sogar vorgeschrieben ist. Egal, ob es Sinn hat oder nicht. Sinnvoll ist es aber auf jeden Fall, ab und zu auszumisten. Deswegen stellt diese Rubrik pädagogische Gewohnheiten aufs Tapet und fragt ganz ergebnisoffen: Ist das pädagogische Kunst, oder kann das weg?

Der Handabdruck

Kinder erfühlen Farbe oft lieber, als sie mit langen Pinseln zu vermalen. Das ist klar, denn Farben sind einzigartige Sinnesmaterialien: fühlen sich cremig an, riechen interessant, kleckern lustig und sind auch noch bunt. Kinder müssen Farben in die Hände nehmen können, wissen PädagogInnen und bestellen sogenannte Fingerfarben.

Oft hinterlassen Kinder, die in Farben pantschen oder gar herumkrabbeln dürfen, Flecken, die eher unbedeutend aussehen. Aber manchmal sind niedliche Abdrücke von Händen oder Füßen dabei, und irgendwann dachte bestimmt jemand: Das schneide ich aus, häng es auf oder gebe es den Eltern mit. So wurde aus einer guten Idee ein Hype, der sich wie ein Virus in jeder Kinderkrippe und jedem Mutti-Forum festsetzte: der Handabdruck-Kult.

Kinder haben wirklich süße Hände, und es ist geradezu rührend, wie klein sie am Anfang waren. Kleine Kinder allerdings sind von der Größe ihrer Hände nicht ganz so gerührt – sie finden vielleicht eher unsere Riesen­pranken interessant. Was sie vermutlich aber nicht mögen: Wenn diese großen Hände ab und zu die gar nicht kleinen Hände packen, in Farbe tunken und sie danach vorsichtig – jetzt nicht wackeln! – in die Mitte eins DIN-A6-Tonpapiers drücken.

Willst Du wissen, wie pädagogisch sinnvoll es ist, aus den Abdrücken mit ein paar Strichen Abbildungen von Elefanten oder Giraffen anzufertigen, die einfach mega-süß sind? Schau ins Netz! Aber nimm vorher ein Mittel gegen Übelkeit ein.

 

Foto: Pontchen.Photocase

Pädagogik aufräumen

Pädagogik lebt von Ritualen, heißt es. Erzieher, Lehrer und Innen machen alles Mögliche, weil es nun mal derzeit üblich oder sogar vorgeschrieben ist. Egal, ob es Sinn hat oder nicht. Sinnvoll ist es aber auf jeden Fall, ab und zu auszumisten. Deswegen stellt diese Rubrik pädagogische Gewohnheiten aufs Tapet und fragt ganz ergebnisoffen: Ist das pädagogische Kunst, oder kann das weg?

Nach Farben geordnet

Kein Mensch kann aufräumen, wenn der Raum unstrukturiert ist. Also dachten sich Pädagog*innen aus, dass man Spielzeuge oder Kreativmaterial in transparenten Kästen gleicher Art aufbewahren sollte, sodass man sofort erkennt, was hineingehört. Wie so oft, wenn ein Prinzip logisch ist und Ergebnisse zeigt, neigt der Mensch dazu, es auszuweiten. So klebt bald auf jedem Behälter ein Bild: auf der transparenten Stiftebox ein Foto mit Stiften. Damit man weiß, was man mit Stift und Papier (Kasten mit Papier-Foto drauf) tun kann, klebt daneben ein Inspirationsfoto mit Stift, Papier und begonnener Malerei. Was denkt das Kind wohl? „Nie wäre ich darauf gekommen, dass man mit Stiften malen kann!“

Doch die Freude am wohlgeordneten Kindergartenregal führt neuerdings zur Nach-Farbe-Sortiersucht. Wie schön es aussieht, wenn die Tonpapiere nach Regenbogenfarben geordnet sind, wie ordentlich es wirkt, wenn auf jedem Tisch sechs Stiftbecher stehen – einer nur mit gelben, einer mit roten, einer mit blauen… Und auch die Farben stehen im Regal bereit, neben einem Farbpunkt, der signalisiert: Hier kommen fünf rote Flaschen hin, hier fünf gelbe… Sieht schwer nach Instagram aus, so ein Raum. Gibt’s da auch tausendfach – und bei Pinterest.

Aber was bezwecken die Pädagog*innen mit dieser Ordnung, die im Zweifelsfall das Aufräumen eher erschwert, weil man nun jeden Stift in sein jeweiliges Glas tun muss? „Die Kinder beschäftigen sich mit Sortieren, also mit Mathematik“, predigt eine. Ob es wirklich nötig ist, täglich diesen simplen Vorgang mit den immer gleichen Farbstiften zu wiederholen? „Die Kinder lernen dadurch die Farben“, meint die nächste. Ob die Lütten wohl ohne diese Prozedur niemals wüssten, was Rot und Gelb ist? Hm.

„Endlich herrscht Ordnung bei den Malsachen“, schreibt eine Mutti-Bloggerin, und wir unken: „Vielleicht ist es das – Ordnung und Herrschen.“

 

Foto: Eliza, Photocase

Pädagogik aufräumen:

Pädagogik lebt von Ritualen, heißt es. Erzieher, Lehrer und Innen machen alles Mögliche, weil es nun mal derzeit üblich oder sogar vorgeschrieben ist. Egal, ob es Sinn hat oder nicht. Sinnvoll ist es aber auf jeden Fall, ab und zu auszumisten. Deswegen stellt diese Rubrik pädagogische Gewohnheiten aufs Tapet und fragt ganz ergebnisoffen: Ist das pädagogische Kunst, oder kann das weg?

Menüservice

Wir sind ein superreiches Land. Das merkt man beim Essen in Kita, Hort und Schule: Jedes Kind bekommt jeden Tag von eilfertigen Dienern ein ganzes Menü aufgetischt! Stimmt nicht? Nun ja, im Wortlaut schon. Immer mehr Kindereinrichtung beziehen das Essen vom Menüservice, angefahren vom Menüdienst. Die tiefgefrorenen Menüschalen aus Pappe lassen sich im Heißluftofen erhitzen und ganz ohne Küchenpersonal direkt auf den Tisch platzieren.

Gibt es entsprechend der Definition von Menü mehrere Gänge mit Suppe, Salat und Nachtisch? Wie man es nimmt: Geschnetzeltes mit Stampfkartoffeln verspricht der eine, dann Pizzataler, dann Geflügelhacktaler in Papri­ka­sauce, dann Milchreis mit Kirschen. Ist Milch der erste Gang, Reis der zweite, Kirschen der dritte? Nö, die Kinder können froh sein, wenn in der „Mehrportionenpappe“ die „Menükomponenten“ nicht ineinander suppen.

Wir sind ein superreiches Land: Statt an Hunger leiden wir an Fehlernährung und den Auswüchsen einer hocheffi­zienten Landwirtschaft und Ernährungsindustrie. Was machen wir pädagogisch dagegen? Nix. Stattdessen ersetzen wir überall Küchenfrauen und -männer durch „Menüfahrer“, leeren Thermoporte oder erwärmen Tiefkühl-Gerichte, die vor langer Zeit einmal „frisch gekocht“ waren, wie der Menüdienst anpreist. Als könne man Essen auch unfrisch kochen.

Ja, Essen selber kochen kostet mehr als Menüdienst-Pampe, man muss auf Hygiene achten und Zeit einplanen. Aber Geld und Zeit sind gut investiert! Sie zahlen sich aus, wenn Kinder Lust darauf bekommen, selbst Essen zuzubereiten, weil sie täglich erleben, wie das geht. Wenn sie dadurch Lust auf neue Genüsse kriegen, weil sie aus dem – vielleicht selbst gekauften oder gar geernteten – Brokkoli eine Suppe kochen. Und wenn sie eines Tages vielleicht alle zusammen ein mehrgängiges feierliches Menü kreieren.

Kochen und Essen ist schon immer eines der wichtigsten Dinge im Leben – überlassen wir es nicht dem selbsternannten Menüdienst.

Foto: nonmin, photocase

Pädagogik aufräumen

Pädagogik lebt von Ritualen, heißt es. Erzieher, Lehrer und Innen machen alles Mögliche, weil es nun mal derzeit üblich oder sogar vorgeschrieben ist. Egal, ob es Sinn hat oder nicht. Sinnvoll ist es aber auf jeden Fall, ab und zu auszumisten. Deswegen stellt diese Rubrik pädagogische Gewohnheiten aufs Tapet und fragt ganz ergebnisoffen: Ist das pädagogische Kunst, oder kann das weg?

Lobverbot

„Das hast du toll gemacht, Elisa“. Der Nächste bitte: „Richtig super gemacht, Elias!“ Nein, es ist bestimmt nicht sinnvoll, jedes Kind immer und ewig zu loben, auch wenn es gar nichts Besonderes gemacht hat. Etwa, wenn Elisa das dreißigste Prinzessinnen-Ausmalbild präsentiert, Elias hingegen das Blatt mit drei markanten Strichen gefüllt hat.

Aus dieser Selbstverständlichkeit leiten wohlmeinende Pädagog*innen eine generelle Forderung ab: Man solle Kinder gar nicht loben, denn damit bewerte man sie ja. Denn auch bei positiven Bewertungen stelle man sich ja damit als „Bewertender“ über sie. Stattdessen, erklären die wohlmeinenden Pädagog*innen, sende man bitteschön Ich-sehe-Botschaften, die das Wahrgenommene beschreiben: „Ich sehe, dass du ganz lange an deiner Sonne gemalt hast. Ich mag Sonnen.“;„Ich sehe dich, wie du den Baum hochgeklettert bist.“

Mal überlegen: Fühlt sich das Kind unterdrückt, wenn es uns um unser Feedback bittet und das Bild zeigt? Natürlich nicht, es will ja sogar unser Lob einheimsen. Fühlt es sich auf unangemessene Weise gebauchpinselt oder hält sich für die Superkünstlerin, weil wir es bisweilen auch für Kleinigkeiten loben? Nein, jedes Kind spürt, ob da ein Erwachsener total begeistert ist oder nur ein bisschen nett sein will. Und: Kann das Kind auf dem Baum etwas mit unserer pädagogisch wasserdichten Neutral-Aussage anfangen, wir sähen es? Was soll es antworten – außer „Ich sehe dich auch!“

Übertriebenes Lob für Nichtigkeiten ist unauthentisches Getue, klar. Aber gedrechselte Worthülsen als Antwort auf den alltäglichen Wunsch, wahrgenommen zu werden, sind ebenso unauthentisch. Statt über die passende Worthülse nachzudenken, sollten wir besser danach streben, in solchen Momenten echtes Interesse zu zeigen und damit Nähe zu entwickeln: „Hey, klasse! Wie bist du darauf gekommen, gibt es einen Trick? Ist die Aussicht gut?“

Foto: Knallgrün, photocase

Pädagogik aufräumen

Pädagogik lebt von Ritualen, heißt es. Erzieher, Lehrer und Innen machen alles Mögliche, weil es nun mal derzeit üblich oder sogar vorgeschrieben ist. Egal, ob es Sinn hat oder nicht. Sinnvoll ist es aber auf jeden Fall, ab und zu auszumisten. Deswegen stellt diese Rubrik pädagogische Gewohnheiten aufs Tapet und fragt ganz ergebnisoffen: Ist das pädagogische Kunst, oder kann das weg?

 

Bastelsageverbot

Laternen aus nachgemachten Käseschachteln, fein geschnibbelt aus Tonpapier: Braucht kein Mensch, mag kaum ein Kind herstellen, genau wie all die Muttertags-Herzchen aus per Serviettentechnik kaschiertem Styroporrohlingen aus dem Hobby-Shop. Zu Recht fordern PädagogInnen seit langem, Kinder zu Bauvorhaben und Gestaltungsprozessen zu inspirieren, statt sie nach schrittweisen Anleitungen unnützen Deko-Kram herstellen zu lassen. Diese sinnvolle Diskussion führte dazu, dass das Wort „Basteln“ für moderne PädagogInnen zum Unwort wurde.

Doch es passiert wieder einmal, was so oft passiert, wenn man das Tun der Menschen über neue Wörter verändern will: Es bleibt beim Alten, nur mit anderen Worten. Dass man nicht mehr Hilfsschüler sagt, sondern vom Sonder-, Förder- und Integrationsschüler zum Integrationskind gelangte, hat an der Ausgrenzung wenig geändert. So ist es auch bei unserem B-Wort: Keiner erzählt mehr davon, diese Käseschachtel-Laternen zu basteln. Sie entstehen stattdessen beim Bauen oder Gestalten im Kreativbereich, gleichen einander aber wie eh und je.

Gibt es noch jemand, der „Basteln“ sagt? Ja – fast alle Kinder. Wenn man sie fragt, ob sie Lust auf Basteln haben, sind sie begeistert, schleppen Material und Werkzeug herbei und freuen sich auf das, was wir Gestaltungsprozesse nennen. Sie haben mit der Wortwahl völlig recht: „Gestalten“ ist das, was der Erwachsene tut, der sein Werk vor Augen hat. Basteln bedeutet laut Lexikon: „sich mit kleinen Handwerksarbeiten aus Liebhaberei beschäftigen“ oder „etwas handwerklich herstellen, ohne in einer Zunft zu sein“. Wer bastelt, hat Lust auf das Tun, nicht auf das Ergebnis.

Hört auf, die Kinder Käseschachteln zu Laternen verarbeiten zu lassen. Aber lasst sie basteln – sie wissen, wie das wirklich geht!

Foto: REHvolution/ photocase.de