Sonnenscheinzeit? Im Alltag? Mit Kind?

Kommst auch du gelegentlich ins Schwanken, wenn du die Stürme des Alltags meisterst? Menschen mit Kindern – ob als Eineltern-, Patchwork- oder Kleinfamilie – kennen diese Gefühlslagen. Damit bist du nicht allein.

Schluss mit Erziehungsfrust und Hilflosigkeit.

Katrin Putschbach und Daniela Thörner haben die Sonnenscheinzeit für Menschen mit Kindern erfunden.

wamiki im Gespräch mit Daniela Thörner

Hier gibt es den Artikel als PDF: Sonnenscheinzeit_#wamiki_1_2022

Ihr habt die Sonnenscheinzeit für Menschen mit Kindern erfunden. Wie seid ihr darauf gekommen?

Wir waren genervt davon, dass viele Menschen mit Kindern in Büchern und Angeboten rund um Elternschaft immer im Sonderkapitel landen. Ja, es gibt immer noch das Extrakapitel zu alternativen Familienformen. Das ist uns schon früher beim Arbeiten mit Familien aufgestoßen. Als wir dann später Eltern wurden und auf unsere eigenen Familien schauten, fanden wir uns wiederum im Extrakapitel. Jetzt reicht’s aber!, dachten wir und beschlossen: Wir verändern das. Jetzt. Wozu sind wir pädagogische Fachkräfte! Das war das eine.

Und das andere?

Niemand schenkt uns beim Kauf von pädagogischen Büchern die Zeit zum Lesen dazu. Das ist ein weiteres Problem, was mit gelebter Elternschaft daherkommt. Viele Eltern wollen Elternschaft neu denken, Sachen anders machen. Das kennen wir auch. Und plötzlich hören wir unsere eigenen Eltern aus uns sprechen. Wir kriegen einen Schreck! Und wollen es anders machen! Aber wie? Es gibt wenig Vorbilder. Dafür umso mehr Literatur. Der Markt boomt. Und deswegen war uns relativ schnell klar, wir brauchen kein neues Buch auf dem Bücherberg, sondern ein Format, das in den stressigen Familienalltag passt. Wir werden kein Buch schreiben, denn es hat leider niemand Zeit, unser wunderbares Buch zu lesen. Wir schaffen es ja nicht mal, die wunderbaren Bücher der anderen zu lesen. Also suchten wir nach einem Format, das in den stressigen Familienalltag passt.

BIN ICH GENUG? „Ich liebe sie, gebe mein Bestes und trotzdem ist es nie genug!“

Entschieden haben wir uns daher für Online-Kurse mit sehr knackig-kurzen Videolektionen, Audio-Impulsen und prägnant gehaltenen begleitenden Kursmaterialien zum Lesen und Ausfüllen.

Unsere Ansprache, die Beispielsituationen und Erklärungen beachten die Lebensrealitäten aller Familienformen – ob als Eineltern-, Patchwork-, Regenbogen- oder Kleinfamilie oder auch Co-Elternschaften. Also ohne Schuldgefühle, Bewertung o. ä. Für uns ist Familie da, wo Kinder leben! Und die Verbindung zwischen ihnen das A und O. Das ist etwas, wo Elternschaft sich gerade hinbewegt und kaum jemand weiß, wie es im Alltag geht. Wir wollen Menschen mit Kindern dabei unterstützen, in ihre Kraft zu kommen und bindungsorientierte Elternschaft mit Leben zu füllen. Online – zeitlich flexibel – für alle Familien.

Für viele Eltern ist es ziemlich schwierig, sich durch den Ratgeberdschungel zu kämpfen und herauszufinden, was will ich, was wollen wir. Das kriegen wir mit dem Kind nicht automatisch mitgeliefert. Ich bin jetzt ein „Eltern“ und peng! weiß ich, welche Pädagogik ich machen will. Erst mal versuche ich, mich an die neue Situation mit Kind zu gewöhnen und dann pragmatisch zu schauen, wie es weitergeht. Das haben wir oft bei Freund*innen beobachtet.

Heute beginnt Elternschaft tendenziell später. Das bedeutet in der Regel: Menschen, die ihr eigenes Ich bereits entwickelt haben, werden Eltern. Und plötzlich beginnt die Zeitreise ins Gestern: Vielen fällt es schwer, dieses erwachsene Ich auf das neue Eltern-Ich zu übertragen. Ich als selbstbewusste Frau gehe arbeiten, wir teilen uns den Haushalt, dann werden wir Eltern, und – schwupp – rutschen viele von uns in die alten ungeliebten Rollenmodelle. Wir fragen uns: Wie komme ich, wie kommen wir da wieder heraus? Wie lebt es sich als selbstbewusste Frau in der Elternrolle? Viele wissen, was sie auf keinen Fall machen wollen. Sie stehen vorm Kind, das sich seit einer gefühlten Ewigkeit wieder nicht die Schuhe anziehen will. Sie erinnern sich, ich wurde als Kind geschlagen. Schlagen wollen sie nicht. Andere erzählen: Meine Eltern haben mich erpresst oder mit Liebesentzug gedroht. Vielleicht war das damals ihre Alternative zum Schlagen? Will ich aber auch nicht. Und wie krieg ich jetzt mein Kind dazu, die Schuhe anzuziehen?

Und dann gibt es auch noch diese Sprüche, die wir alle so gut kennen: Kannst du nicht einmal konsequent sein? Ein Thema von vielen Eltern, dass sie denken, sie sind nicht konsequent genug, wenn sie nicht mit Strafen drohen. Andere Eltern wiederum verstummen regelrecht, sagen sich: Ok, das will ich alles nicht, dann mach ich einfach gar nichts und warte ab. Sie erstarren in der Situation.

Wir haben es als Eltern meist nicht gelernt, zuzulassen, was Kinder schon können und üben wollen und ihnen gleichzeitig einen Rahmen zu geben. Wir überfordern Kinder oft heillos und nehmen ihnen zugleich aus Zeitmangel Verantwortung weg, die sie gut tragen können, weil sie zum Beispiel ihre Schuhe langsamer oder anders anziehen als wir.

Katrin Putschbach und Daniela Thörner

Wie unterstützt ihr Menschen mit Kindern, in ihre eigene Kraft zu kommen? Was verbirgt sich hinter eurem Angebot mit dem Namen: Sonnenscheinzeit?

Der Druck auf Eltern, es richtig zu machen, ist so hoch wie nie!

Doch gibt es wenig Vorbilder, mit denen wir groß geworden sind, oder die wir mal eben auf dem Spielplatz nebenan beobachten können. Viele Eltern haben jedoch den Wunsch danach, es anders zu machen. Nur wissen die meisten einfach noch nicht wie!

Hier wollen wir Vorbilder sein: Wegbereiterinnen. Gefühlsbegleiterinnen! In den letzten Jahren haben wir beruflich und privat immer öfter gemerkt, dass wir mit einem Ansatz und einer Haltung durch die Welt gehen, die noch kein Standard sind.

Wir leben eine Mischung aus vielen Jahren Wissens- und Praxissammlung, verschiedensten Ansätzen und letztendlich etwas ganz Eigenem, das wir daraus gemacht haben. Und was ist unsere Essenz?

Hinter allen Herausforderungen im Alltag stecken Gefühle – kindliche und erwachsene!

MACHE ICH ALLES FALSCH? „Kein Wunder! So, wie du das Kind seit der Geburt verwöhnst!“

Wenn ich es schaffe zu entdecken, welche Gefühle es sind und wie ich eine Haltung zu den unterschiedlichen Gefühlen und zu meinem Umgang damit entwickeln kann, werde ich handlungsfähig. Handlungsfähig heißt noch nicht: handlungssicher. Aber ich weiß immerhin, was ich tun kann. Wir möchten, dass Eltern unabhängig von uns agieren. Deshalb arbeiten wir nicht mit kleinteiligen Situationen an sich, sondern mit den Gefühlen der Beteiligten und dem Umgang damit. Das lässt sich auf viele mögliche Alltagssituationen übertragen! Wir bieten eine Art von Schirmen für den Alltag, die kann ich in herausfordernden Situationen aufspannen. Wenn die Wut stürmt… stellen wir uns drunter – mit Kind bzw. Kindern. Das symbolisiert auch unser Logo. Es geht uns nicht um das Extraangebot, sondern darum, wie ich in tendenziell eher herausfordernden Alltagssituationen eine gute Zeit mit meinen Kindern verbringen kann. Es geht um die Basis! Also um die Situationen, die wir sowieso haben. Für Mehraufwand fehlt ohnehin die Zeit. Unsere Sonnenscheinzeit ist also nicht das Supermalangebot, bei dem dein Kind einen Superwutanfall kriegt, weil der Stift die falsche Farbe hat und du die ganze Zeit denkst: Aber wir wollten doch so schön malen. Wir kommen aber nie dort an, weil dein Kind schon vorher aussteigt. Unsere Sonnenscheinzeit ist dieser Wut-Sturm! Ja, genau! Wie können die Schirme aussehen? Darum geht es in unseren Kursen. Wir schauen uns an: Was passiert bei Wutstürmen eigentlich bei den Kindern und mit welcher Haltung, welchen Tools kannst du dein Kind durch diese Stürme begleiten? Wie kann es gelingen, dass sich das für dich verbindend und nicht nur deine letzten Kräfte aussaugend anfühlt? Die Temperamente von Kindern sind verschieden, einige haben täglich neun Wutstürme, manche 20, andere zwei pro Woche. Zu verstehen, was passiert da eigentlich mit dem Kind, hilft manchen sehr, ihr Herz für das Kind gegenüber wieder zu öffnen. Denn wir kennen das auch: „Das machst du nur, um mir den Tag zu verderben“. Dieser Gedanke schleicht sich manchmal bei Erwachsenen ein, weil sie diese Botschaft als Kind vernommen haben. Andere brauchen was Anderes, sie wollen aktiv werden, sie müssen was tun… Deshalb bieten wir die Mischung an. Es geht auch um Selbstfürsorge. Wo bleibe ich da eigentlich? Was brauche ich in diesem Moment? Warum raste ich aus, warum reagiere ich so stark? Oder: Warum schalte ich mich weg? Das Kind hängt schreiend an meinem Fuß. Und meine bisher einzig gefundene Handlungsoption ist es, mich weg zu beamen, aus der Situation zu flüchten. Was passiert bei mir, was beim Kind? Und was brauchen ich und das Kind jetzt?

Bleiben wir beim Beispiel Wut – was kann das konkret sein?

Wut ist ein wichtiges Grundgefühl, was zum Leben dazugehört. Im Leben eines Kindes gibt es auch Phasen, in denen wir Erwachsenen die Kinder eher zur Wut treiben: Sie wollen selbst lernen, Wasser von einen Gefäß ins andere zu schütten und verfolgen, wie das Wasser drei-, fünf- oder zehnmal hintereinander im Becher überschwappt. Da habe ich als Erwachsene vielleicht wenig Lust darauf, mit dem Lappen im Galopp hinterher zu rennen. Und schon gibt es Stress.

KANN ES SICH NICHT MAL LEICHT ANFÜHLEN? „Na toll, DA gab es wieder eine Spaßwoche und ICH darf alles ausbaden…!“

Wir erklären, was passiert eigentlich im Gehirn, wenn die Wut da ist, damit wir gut verstehen können, warum Kinder sich so verhalten und in welche Not sie geraten können. Wir unterdrücken nicht die Wut, denn sie ist Teil der Psychohygiene. Nicht ok ist es, wenn dabei alles kurz und klein gehäckselt wird. Die Frage ist: Wie kann ich eigentlich kompetent in meiner Wut werden? Was macht kindliche Wut mit mir? Wie äußert sie sich? Fühle ich mich unsicher? Woran erinnert mich diese Wut? An mein Kindsein? Ich war nie wütend, jetzt bist du wütend, warum kannst du das? Ich kann das nicht, warum darfst du das? Ich durfte das nie… Wie gehen wir mit unseren eigenen Gefühlen um? Wie können wir Kindern helfen, kompetent mit ihren Gefühlen umzugehen? Wie können wir Kinder dabei begleiten, diese Selbstregulation zu lernen? Das ist Teil unserer Kursangebote und bezieht sich auf alle Gefühle.

Für die Regulation unserer Gefühle lassen wir uns als Erwachsene einiges einfallen: Sex gehört dazu, Essen ist beliebt, usw. usf. An Kinder verteilen wir Nuckel oder Lutscher. Viele dieser Regularien sind nicht konstruktiv. Die Selbstregulation, über die wir sprechen, ist eine andere, nämlich: Wie wir unsere Gefühle – also auch die Wut – liebevoll begleiten können. Wie gehen wir kompetent zum Beispiel mit der Wut um? Das haben die wenigsten von uns in ihren ersten zwanzig Jahren gelernt, deshalb ist es auch so herausfordernd, Kinder darin zu unterstützen.

Menschen zeigen in herausfordernden Situationen mindestens drei Verhaltensmuster von Ohnmacht: kämpfen, flüchten, sich tot stellen. Wie unterstützt ihr Eltern, selbstwirksam zu werden, aus der Ohnmacht zu kommen?

Wenn wir in den Notfall-Modus geraten, reagieren alle Menschen – ob jünger oder älter – ähnlich. Unser Gehirn kann dann noch drei Dinge: kämpfen, flüchten, sich tot stellen. Auch Eltern können in diesen Modus geraten: Mein Kind tritt mich, beschimpft mich. Ich will nicht kämpfen – Variante 1 – , mein Kind weder schlagen noch beschimpfen, das kostet mich sehr viel Kraft.

Mein Kind wirft sich vor Wut mitten auf die Straße. Wegrennen – Variante 2 – funktioniert nicht in dieser Situation. Bevor ich etwas mache, was ich nicht tun möchte, mache ich lieber nichts und halte extreme Gefühlslagen aus. Damit ich das aushalte, gehe ich in die Starre – Variante 3.

Unser Thema ist: Wie kannst du es schaffen, aus dieser Situation herauszukommen? Besser: Wie kannst du es schaffen, dass du gar nicht erst in den Notfall-Modus des Gehirns, gerätst? Man kann sich das wie bei einer Ampel vorstellen. Rot bedeutet also Notfall-Alarm. Was sind die Anzeichen, diesen Zustand zu erkennen? Das ist aktive Prävention, denn bei Rot kann dein Körper nicht mehr denken. Dann brennst du durch. Wie kannst du ausloten, wie dein gelber Bereich aussieht? Woran erkennst du, dass du von grün auf gelb wechselst? Fängst du an, die Teller auf den Tisch zu knallen? Verengen sich deine Augen? Fängt deine Stimme an zu kippen? Manchmal erkennen wir die Marker für die gelben Bereiche unserer Kinder und Kolleginnen besser als unsere eigenen. In unseren Kursen schauen wir auf uns. Woran merken wir, dass wir uns dem gelben Bereich nähern? Wenn ich im Rot bin, dann geht erst mal gar nichts mehr. Sicher gibt es ein paar Strategien, wie ich mich zurückholen kann, aber unser Ansatz ist: Wir versuchen das Davor, den gelben Bereich, auszuloten, weil wir uns damit selten gut auskennen. So werden wir wieder handlungsfähig. Bei Kindern ist es ähnlich, nur Kinder kommen aus dem Rot sehr viel schwerer allein wieder heraus. Sie brauchen unsere Hilfe. Und für Kinder im Rot ist es gefährlich, eine erwachsene Person im Rot als Gegenüber zu haben. Deshalb ist es wichtig, dass wir gar nicht erst ins Rot geraten.

 

 

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