Auf diesen Seiten geht es um eine Situation, die man aus verschiedenen Perspektiven betrachten kann. Was ist Deine Perspektive? Und was sagt Dein Team?
Die Dilemmata gibt es auch als PDF: Dilemmata_#2_2024
Peng, Peng, Ratatataaa!
Lea hat sich aus Lego eine Art Knarre gebaut und tut so, als würde sie sich den Weg zum Bauraum freischießen. „Das darfst du gar nicht“, schimpft Malte, „wir haben Waffenverbot im Kindergarten. Und wenn du dagegen verstößt, dann… Dann bau ich mir auch ne Knarre und schieß dich tot!“
Zwei ernste Verstöße gegen das Kita-Kriegswaffen-Kontrollgesetz – oder nur ein typisches Kinderspiel?
Frieda fordert: „Frieden schaffen ohne Legowaffen!“
Die Welt wird immer militanter, immer aggressiver und brutaler. Da ist es gut, wenn man wenigstens im Kindergarten erlebt, dass sich Konflikte auch ohne Waffen lösen lassen. Natürlich tun sich die Kinder mit den Waffen nicht wirklich weh. Aber sie bedrohen einander! Und wenn es kein Problem wäre, jemandem die selbst gebaute Waffe an den Kopf zu halten, dann würde sich auch keiner beschweren. Doch genau das tun immer wieder viele Kinder und zeigen damit, dass sie genau verstehen: Waffen dienen dazu, jemanden zum Schwächeren zu machen und ihm die eigene Meinung aufzuzwingen.
Bei uns im Kindergarten soll man lernen: Damit kommt man hier nicht durch. Es gibt andere, zwar anstrengendere, aber gerechtere und friedlichere Wege, um der eigenen Meinung Nachdruck zu verleihen. Und selbst wenn die Welt draußen im Krieg versinkt: Wir erfahren hier jeden Tag, dass es auch anders geht. Deshalb: Keine Waffen in der Kita!
Spiridoula interveniert: „Kinder brauchen schlimme Spiele.“
Konflikte mit Waffen austragen? Geht gar nicht. Aber dass Kinder Konflikte lösen möchten, wenn sie mit Lego-Pistolen aufeinander „schießen“, glaubt doch keiner hier. Das ist einfach nur ein Spiel und hat wenig damit zu tun, dass die Kinder Gewalt ausüben möchten. Vielmehr wissen sie, dass in der Kultur der Erwachsenen Waffen vorkommen, und wollen herausfinden, wozu sie dienen und was man mit ihnen macht. Gerade jetzt, wo es überall um Krieg geht, können die Kinder das Thema nicht umgehen, sondern müssen es bearbeiten – und das machen sie im Spiel.
Ich fände es auch cool, wenn die Kinder ausschließlich gewaltfreie Konfliktlösungen und Verhandlungsdiplomatie nachspielen würden. Aber das bewegt und ängstigt sie nun mal nicht so wie Waffen – mit all den Fragen um Gut und Böse, um Leben und Tod. Wenn wir uns mit solchen Fragen auseinandersetzen wollen, müssen wir sagen: Spielwaffen sind ok.
Aaron appelliert: „Auch an individuelle Ängste denken!“
Klar, Kinder brauchen Spiele, um Dinge zu verarbeiten, die sie aus den Medien oder aus Geschichten kennen. Ich finde das total logisch, wenn es um Geschichten von Rittern oder Indi…, äh, First Nations und um die Kriegsberichte bei Logo geht. Um das zu verstehen, wäre Nachspielen ok.
Aber nun ist es leider nicht so, dass alle Kinder in der Kita von Gewalt-Erfahrungen mit und ohne Waffen verschont geblieben sind. Für geflüchtete Kinder aus Kriegsgebieten ist das eben nicht Fiktion, sondern Erinnerung! Ähnlich sieht es bei Kindern aus, die innerfamiliäre Gewalt erleben. Was meinst du, was die fühlen, wenn sich zwei Kids mit „Ich mach dich tot“ bedrohen? Habt ihr vergessen, wie verängstigt unsere syrischen Kinder beim Sommerfeuerwerk guckten? Sorry, aber ich gehe davon aus, dass Waffen in der Kita diese Kinder re-traumatisieren.
Waltraut wiegelt ab: „Waren wir nicht alle Waffennarren?“
Also jetzt mal stopp! Ihr tut ja alle so, als wäre es für euch völlig unvorstellbar, mit imitierten Knarren aufeinander zu zielen und das lustig zu finden. Vielleicht erinnert ihr euch bitte mal an eure Kindheit!
Als euer Oldie habe ich auch noch gut vor Augen, wie du, Friedachen, bei der Fassenachtsfeier 1998 im Cowboyoutfit durch die Mehrzweckhalle geballert hast, bis es keine Zündplättchen mehr gab. Und beim letzten Sommerfest haben wir versucht, Playmobilfiguren mit den Wasser-Pumpguns umzuschießen.
So sehr wir alle für den Frieden sind, ein kleines bisschen Rumgeballer gehört wohl immer mal dazu. Auch und gerade für die Mädchen, von denen wir unterschwellig gern verlangen, vernünftig zu sein und so was zu lassen… Also, ich sag mal: Gebt jedem Kind seine fünf Minuten Piffpaff.
Wie seht Ihr die Sache?
Foto: Sebastian Treytnar