Wir sind nicht allein. Mit und neben uns gibt es zahlreiche andere Lebewesen. Manche sind ständig bei uns, manche tauchen nur als Besucher auf. Aber sie sind da – oder könnten schon bald wieder kommen, nach Hause, in die Kita oder in die Grundschule.
Stechmücken sind äußerst unbeliebte Tiere, denn etliche Arten dieser Insekten können gefährliche Krankheiten übertragen. Zudem weist einiges darauf hin, dass die Tiere künftig auch in Mitteleuropa verstärkt auftreten. Grund genug, sich näher mit ihnen zu befassen.
„…ganz dicht an deinem Ohr…“ 1
Wilhelm Busch goss seinen Ärger über die Stechmücken in ein heiteres Gedicht, doch diese ironische Gelassenheit haben nur die wenigsten von uns. Weder das hohe Sirren, das wir plötzlich kurz vor dem Einschlafen hören, noch die geröteten und juckenden Spuren einer Blutmahlzeit lassen das geringste Verständnis aufkommen. Im Gegenteil – immer sind es die gleichen Fragen, die uns nach solchen Attacken beschäftigen: Warum muss es diese Biester überhaupt geben? Und: Wie kann man sie am besten töten?
Biologen – und Kinder – sind von den Tieren allerdings auch immer wieder fasziniert, denn bei näherer Betrachtung zeigt sich Erstaunliches. So gehören Stechmücken zu den Tieren, die ihre Position auf dem Planeten seit Millionen von Jahren nahezu unverändert behaupten können. Ein rund 79 Millionen Jahre altes Fossil enthält eine in Bernstein eingeschlossene Stechmücke, die sich kaum von ihren heutigen Verwandten unterscheidet.
Auch die weltweite Verbreitung spricht für die Widerstands- und Anpassungsfähigkeit dieser Insekten. Man findet sie in den unterschiedlichsten Lebensräumen der Erde. Nur die vereisten Polarregionen und extrem trockene Wüstengebiete sind davon ausgenommen.
Und dann ist da die Sache mit ihrer Ernährung: Stechmücken sind absolute Nahrungsspezialisten. Während ihres Larvenstadiums, das sie in einem Gewässer oder Feuchtbiotop verbringen, ernähren sie sich von Algen und Kleinsttieren. Als fertige Insekten saugen sie pflanzliche Säfte und – Blut.
Am besten eine Blutmahlzeit
Die weiblichen Stechmücken, und nur sie, benötigen nach der Begattung durch die Männchen eine Mahlzeit aus dem Blut von Säugern und Vögeln, um Eier bilden zu können. Zwar können manche Stechmückenweibchen ein Eigelege auch ohne diese besonders proteinhaltige Nahrung produzieren, aber dann ist die Anzahl der Eier stark reduziert.
Zur Aufnahme des Blutes nutzt das Insekt seinen Stechrüssel – ein ungewöhnlich komplexes Instrument. Mit dem aus verschiedenen Mundwerkzeugen gebildeten Stechborstenbündel durchbohrt es die Haut des Wirts, injiziert über einen Kanal des Rüssels Speichel in die Wunde und zapft parallel über einen zweiten Kanal Blut ab. Der Speichel unterstützt den Saugvorgang, denn er reizt das Gewebe, wodurch sich die Blutgefäße erweitern. Außerdem hemmt das Sekret die Blutgerinnung.
Die Tatsache, dass menschliches Blut nur eine von vielen vergleichbaren Nahrungsquellen ist, erklärt die weite Verbreitung der Stechmücken. Wenn wir uns wundern, wovon Stechmücken in den fast menschenleeren Regionen Nordeuropas leben, übersehen wir die großen Bestände von Kleinsäugern wie Lemminge oder Wühlmäuse und die Sumpflandschaften, in denen die Insekten ideale Lebensbedingungen finden – auch ohne Menschen.
Um einen geeigneten Wirtsorganismus zu finden, nutzt das Stechmückenweibchen seinen Wärmesinn, mit dem es die von den Säugern erwärmte Luft wahrnehmen kann. Auch sein Geruchssinn ist sehr gut entwickelt. Labor- und Freilandexperimente zeigten, dass Stechmücken vor allem durch ausgeatmetes Kohlenstoffdioxid und bestimmte Körperdüfte angelockt werden. Vermutlich können die Mücken einen Wirt und seine Entfernung bereits an der Art und Intensität des Geruchs gut bestimmen.
Vom Ei zum fertigen Insekt
Feuchtigkeit und Wärme sind die beiden Hauptfaktoren in der Entwicklung der Stechmücken. Insbesondere Wasser ist unerlässlich, aber bereits kleinste Mengen genügen. Ohnehin legen die Weibchen der meisten Mückenarten ihre Eier am liebsten in stehende, ruhige Gewässer, in denen die Eier, zusammengeklebt wie kleine Schiffchen, auf der Oberfläche schwimmen. Neben kleineren und größeren Pfützen sind Regentonnen und andere mit Wasser gefüllte Gefäße, Gräben, Tümpel und kleine Teiche häufig genutzte Brutstätten. Auch feuchte Felsmulden und Baumhöhlen bieten ausreichend Entwicklungsraum.
Nach wenigen Tagen schlüpfen Larven aus den Eiern. Während ihres Wachstums häuten sie sich vier Mal, bevor sie sich verpuppen. Larven wie Puppen leben im Ruhezustand an der Wasseroberfläche, da sie keine Kiemen besitzen, sondern sich über Atemrohre mit Luft versorgen. Bei Gefahr tauchen sie rasch ab, je nach Art in Form ruckartiger oder strudelnder Bewegungen. Das Puppenstadium ist kurz. Schon nach wenigen Tagen schlüpft die fertige Stechmücke. Insgesamt dauert die Entwicklung bei sommerlichen Temperaturen nur etwa zwei Wochen.
Stechmücken sind nicht nur lästig
Ginge es nur um ein bisschen Blut, könnten wir der Stechmücke halbwegs gelassen begegnen: Die Menge, die uns im Einzelfall abgezapft wird, ist nicht der Rede wert. Zudem verursacht eine Mücke, die uns hierzulande sticht, im Normalfall keine gesundheitlichen Schäden. Aber wir wissen längst, dass dieses Insekt Krankheitserreger übertragen kann, darunter so gefährliche wie den des Dengue-Fiebers und der Malaria. Allerdings wird der Malaria-Erreger ausschließlich durch die Arten der besonders in Südeuropa verbreiteten Fiebermücke (Mückengattung Anopheles) übertragen. Doch es ist kein gutes Zeichen, dass die in Deutschland heimische Stechmückenart Anopheles plumbeus ihr Brutverhalten geändert hat. Wegen ihrer Fähigkeit, den Malariaerreger zu übertragen, ist diese Art gefürchtet. Früher nutzte sie nur Baumhöhlen als Brutplätze. Heute sind ihre Larven nicht selten auch in Regentonnen zu finden. Das heißt: Dieses Insekt hält sich häufiger in menschlicher Nähe auf. 2
Hinzu kommen seit einigen Jahren Stechmückenarten aus subtropischen und tropischen Ländern. Ihr Zuzug wird als Zeichen des Klimawandels gedeutet, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie sich nun auch in Mitteleuropa etablieren. Eine dieser Arten ist die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), die von Fachleuten zu den 100 invasivsten Arten weltweit gerechnet wird. Seit einigen Jahren ist sie bereits in ganz Italien zu finden und breitet sich auch an der französischen und spanischen Mittelmeerküste aus. Allein sie kann 26 verschiedene und teils gefährliche Viren übertragen. Für die Ausbreitung dieses Insekts ist wohl vor allem der Mensch verantwortlich. Forscher fanden heraus, dass Eier und Larven der Asiatischen Tigermücke mit gebrauchten Reifen – beispielsweise von Militärfahrzeugen – nach Italien gelangten. Der umfangreiche Handel mit Altreifen, die fast immer im Freien gelagert werden, verschafft den Stechmücken ideale Brutplätze.
Eine andere Art, die seit kurzem in Europa auftaucht, ist die Japanische Buschmücke (Aedes japonicus), die auch bei uns als Krankheitsüberträger problematisch werden könnte. Weitere Erkenntnisse und einen Überblick über die Verbreitung blutsaugender Mücken in Deutschland soll ein bundesweites Stechmückenmonitoring 3 ermöglichen. Auf www.mueckenatlas.de gibt es ein Mitmachforum – zum Einsenden und Bestimmen von Mücken – sowie regelmäßig aktualisierte Informationen über die Verbreitung bestimmter Arten in Deutschland.
Schutz vor Stechmücken – Behandlung von Mückenstichen
Trotz der Schwierigkeit, verschiedene Mückenarten unterscheiden und genau bestimmen zu können, sollten wir bedenken: Längst nicht jedes kleine zweiflügelige und vielleicht nur mückenähnliche Insekt ist eine Stechmücke. Schon die allgemeine Benennung ist problematisch. Allzu leicht werden Stechmücken mit anderen Zweiflüglern wie Zuckmücken, kleinen Fliegen oder Wiesenschnaken verwechselt, die völlig harmlos sind, kein Blut saugen und auch sonst eine ganz andere Lebensweise haben. Besonders die langbeinigen Schnaken werden zu Unrecht oft für Stechmücken gehalten. Hinzu kommen die regional unterschiedliche Benennungen. So heißen diese Tiere in Teilen Österreichs Gelsen, in manchen Regionen der Schweiz und Süddeutschlands hingegen Staunzen. Der aus dem Spanischen und Portugiesischen stammende Begriff Moskito (kleine Fliege) ist hierzulande auch oft zu hören. Um Verwechslungen zu vermeiden, sollte generell der Begriff Stechmücke verwendet werden. Damit lassen sich Mückenarten zusammenfassen, die tatsächlich auf eine Blutmahlzeit angewiesen sind und auch sonst eine ähnliche Lebensweise haben. 4
Allerdings gibt es bei uns noch andere Mückenarten, die die Haut durchstechen und Blut saugen, aber eher winzigen Fliegen ähneln. Dazu gehören die Kriebelmücken und die Gnitzen. Auf feuchten Wiesen und Weiden treten sie manchmal massenhaft auf und können vor allem Rindern und Pferden stark zusetzen.
Um uns gegen Stechmücken zu schützen, sollten wir vorbeugende Maßnahmen bevorzugen und darauf achten, dass es im Garten, auf Balkonen und Terrassen möglichst kein stehendes Wasser gibt: Gießkannen sollten wir nach der Verwendung leeren und Planschbecken regelmäßig säubern. Mückengitter oder Moskitonetze halten insbesondere Schlafräume frei von Stechmücken.
Im Freien hilft die richtige Kleidung. Da Mücken dunkle Farben bevorzugen und eng anliegende Stoffe durchstechen können, empfiehlt sich helle, eher locker geschnittene Kleidung, in der wir auch weniger schwitzen – und damit für Mücken weniger attraktiv sind. Zur gezielten Abschreckung der Insekten können wir bestimmte Duftstoffe einsetzen: Gerüche von Geranien, Zitronenmelisse, Zitrone, Rosmarin, Eukalyptus und Lavendel sind den Stechmücken unangenehm. Deshalb sind diese Duftstoffe in verschiedenen Antimücken-Sprays zu finden. Ihre Wirkung hält zwar nicht lange an, aber wenn sie zusätzlich keine künstlichen Insektenschutzmittel enthalten, eignen sie sich für (Klein-)Kinder. Bewährte chemische Mittel gegen Stechmücken sind Icaridin (Autan) und Diethyltoluamid oder DEET (Brum-Brum). Doch bestimmter Nebenwirkungen wegen sollte vor allem Letzteres von schwangeren Frauen, Müttern während der Stillzeit und Kindern unter drei Jahren nicht angewendet werden.
Und wenn es doch zum Stich kommt? Gegen den Juckreiz hilft rasche Kühlung mit einem Eiswürfel oder einer Aloe-Vera-Salbe. Auch Zitronensaft, Essig oder ein Stück zerquetschter Küchenzwiebel lindern die Symptome. Zudem besitzt der Saft der Zwiebel antientzündliche Eigenschaften. Ähnliches gilt für Spitzwegerichblätter.
Obwohl Forscher auf der ganzen Welt an der Bekämpfung der Stechmücken arbeiten, gibt es kaum Erfolgsmeldungen. In den meisten Ländern wird noch immer DDT eingesetzt, ergänzt durch Insektizid-imprägnierte Moskitonetze. Eine der wenigen Nachrichten, die aufhorchen lassen, stammt aus dem Labor des niederländischen Insektenexperten Bart Knols. Finanziert von der Gates-Stiftung, startete er in Dörfern der Elfenbeinküste ein Experiment: Insekten werden in spezielle Röhren in den Wänden der Wohnhäuser gelockt und dort getötet.5 Ob sich diese Technik der eave tubes bewährt und in größerem Maßstab eingesetzt werden kann, lässt sich noch nicht sagen. Angesichts der Tatsache, dass Stechmücken vor allem in wärmeren Ländern die Tiere sind, die die weitaus meisten Todesfälle verursachen6, aber gegen Gifte wie DDT vielfach resistent wurden, sind neue Ideen und Techniken jedoch unverzichtbar.
Übrigens: Hierzulande sterben die Stechmückenmännchen im Herbst, während begattete Weibchen an kühlen, feuchten und geschützten Stellen überwintern – nicht nur in Höhlen, sondern auch in Kellerräumen, Gartenhäusern und Viehställen. Spätestens damit werden sie zu richtigen Mitbewohnern…
Anmerkungen:
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Wilhelm Busch: Die Mücken
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Vgl. Pressemitteilung der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, 19. 11. 2012
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Träger dieses Monitorings sind die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung (SGN), das Biodiversität und Klima Forschungszentrum (BiK-F), das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg (BNI) und die Kommunale Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage e.V. (KABS)
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Sie alle gehören zur Zweiflüglerfamilie Stechmücken (Culicidae) innerhalb der Unterordnung der Mücken (Nematocera), die mit der Unterordnung der Fliegen (Brachycera) die große Insektenordnung der Zweiflügler (Diptera) bildet.
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Vgl. Beitrag von Kai Kupferschmidt. In: Süddeutsche Zeitung, 28. 5. 2016
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Nach Angaben der WHO sterben weltweit jährlich rund 725 000 Menschen an den Folgen von Mückenstichen. Zum Vergleich: Krokodile töten nach dieser Erhebung etwa 1000 Menschen jährlich, Haie etwa 10 Menschen.
Der SWR4 hat im Juni 2016 ein paar hilfreiche Tipps zum Umgang mit Mückenstichen veröffentlicht.
Foto: pixabay
Steckbrief Stechmücke
Die Stechmücken (Culicidae) bilden eine eigene Familie in der Insektenordnung der Zweiflügler. Weltweit kennt man über 3 500 verschiedene Arten, auch wenn die Unterscheidung häufig auf kleinsten Details beruht. In Mitteleuropa gibt es rund 100 Arten, davon je nach Autor etwa 25-50 in Deutschland.
Größe und Aussehen: je nach Art 4-14 Millimeter lang, schlanker Körper mit langen Beinen, zwei schmalen, häutigen Flügeln und zwei Schwingkölbchen (= ein auf kurze Stummel reduziertes Flügelpaar).
Sinnesorgane: ausgeprägter Geruchssinn, Wärmesinn, guter Hörsinn.
Lebensdauer: Im Sommer dauert die Entwicklung von der Eiablage über Larven- und Puppenstadium bis zum fertigen Insekt 2 Wochen. Als fertige Mücke leben die Weibchen etwa 6 Wochen lang, die Männchen meist nur einige Tage. Begattete Weibchen können auch überwintern.
Ernährung: zuckerhaltige Pflanzensäfte (Weibchen und Männchen), Blut von Säugern und Vögeln (nur Weibchen). Die Larven leben von Algen und Kleinsttieren.
Natürliche Feinde: Spinnen, Wespen und Hornissen, Raubfliegen, Eidechsen, Fledermäuse, Igel, Insekten fressende Vögel; bei den Larven der Stechmücke auch Fische, Frösche und Kröten, Libellenlarven.
Fortpflanzung: Paarung oft in Schwärmen in der Abenddämmerung, wobei sich die Tiere am Flügelschlagton der möglichen Partner orientieren. Für die Eireifung braucht das Weibchen eine „Blutmahlzeit“. Eiablage einzeln oder in kleinen Eipaketen in stehende Gewässer, wo sich die Larven entwickeln. Die Verpuppung findet an der Wasseroberfläche statt, wenige Tage später schlüpft die fertige Mücke. Insgesamt ist die Dauer der Entwicklung sehr temperaturabhängig.