Kittel an, Schutzmaske und Schutzbrille auf! Seit es das Wort MINT für den Kindergarten gibt, ist verantwortungsvollen Kita-Teams mit und ohne Plakette klar: Jede Woche muss ein Experiment stattfinden, weil Deutschlands Kinder sonst die Zukunft verschlafen, den Exportstandort Deutschland gefährden und uns alle zum Agrarvolk machen.
Leicht gesagt, schwer getan, denn: Das Experiment mit dem Vulkan aus Essig und Backpulver haben Sie ja bereits durchgeführt. Gibt es etwa noch was?
Jawohl, und zwar hier!
Das Experiment mit den GummiBärchen im Wasserglas
So geht’s:
Kinder auf Stühlchen, Gummibärchen in Schälchen setzen. Schälchen auf Wasser setzen, den frechen Jim wieder aufs Stühlchen setzen. Becher drüber stülpen – über das Bärchen, keine Angst, Jim! Becher hinunterdrücken. Darüber sprechen, dass man sieht, dass das Gummibärchen jetzt nach unten gedrückt wird, ohne dass es nass wird, was zumindest Sie theoretisch ja anders erwartet hätten und auf jeden Fall hoffentlich die Kinder – auch du, Jim! Dazu erklären, dass damit bewiesen wurde, dass Luft ein gasförmiger Stoff ist, der schwerer –oder leichter? – als Wasser ist und somit von oben auf das Gummibärchen drückt, das, um den Druck, der auf es einwirkt, keine andere Wahl hat, als… äh… Tja, wenn man jetzt Fachmensch wäre…
Das können Sie beobachten:
Kurz nach Beginn Ihrer Erklärungsversuche entfernen sich die anwesenden Kinder sternförmig vom Experimentiertisch. Nur der freundliche, allerdings taubstumme Eginhardt bleibt bei Ihnen stehen.
Erklärung:
Kinder sind flüchtige Stoffe, die auf Wortblasen aller Art stark reagieren, indem sie ihr Interesse-Atom auf andere Dinge, zum Beispiel das Legozeugs, ausrichten.
Das Experiment mit den Gummibärchen im Wasserglas auf dem Elternabend
So geht’s:
Setzen Sie die Eltern auf die Stühlchen. Informieren Sie die Eltern, dass sie nun einen Einblick in das Lernen ihrer Kinder erhalten. Führen Sie das Experiment durch, indem Sie – siehe oben.
Das können Sie beobachten:
Anders als die Kinder verfolgen die Eltern das Experiment mit großem Interesse. Schon nach wenigen Minuten fragen die Eltern: „Ähem, ist das Gummibärchen denn auch vegan? Was machen Sie, Gundi, wenn die Kinder das Bärchen anschließend essen wollen? Konterkarieren Sie damit nicht das von uns Eltern erarbeitete zuckerfreie-Kita-Konzept? Isch das etwa koi Spiel mit Läbänsmittel, wo in unsre Gemoinde verbode isch? Furchtbar! Sie setzen das niedliche Gummibärchen der Bedrohung durch Ertrinken aus! Kein Wunder, dass Sören-Gustaf nach jedem Experimentiertag nicht einschlafen kann!“
Erklärung:
Eltern sind super darin, Dinge genau zu beobachten und Folgen zu analysieren, wenn auch leider nicht auf naturwissenschaftlichem Gebiet.
Das Experiment mit dem Pinterest-Pin
So geht’s:
Suchen Sie auf Pinterest nach „Marvellouse Hands-on Sensory Experiments For Kids“. Klicken Sie das schönste Bild an. Nutzen Sie für die Anleitung Google Translator („Bilden Sie magischen Schlamm von einer Kartoffel in drei easy Schritten!“). Bestellen Sie die Zutaten im US-Amazon-Store. Legen Sie ohne Vorwarnung mit dem Experiment los, indem Sie eifrig Johnston’s Puffy Corn Starch mit Elmer’s Glue und Goo Gone Original Liquid Safe Remover sowie zwei Dosen Car Scents Cherry Flavour mixen.
Das können Sie beobachten:
Anders als auf dem Foto von Samatha Fashion Life aus dem Mittleren Westen entsteht kein beindruckender pinkfarbener Schaum mit Glitzer-Eruptionen, sondern die Flüssigkeiten vermischen sich träge zu einer grau-beigen Pampe, die nach Reinigungsmitteln riecht. Erst beim Säubern der Töpfe bemerken Sie eine schwache, wenn auch intensiv juckende Rotfärbung Ihrer Hände – auf den Händchen des freundlichen Eginhardts ebenfalls sichtbar.
Erklärung:
Da hat was nicht hingehauen, klaro. Zum Glück passen die meisten Zutaten auch zum Spooky-Jelly-O-Glow-In-The-Dark-Experiment. Oder war es der Quick Foam Home & Toilet-Cleaner? Egal, weitermachen!
Das Experiment mit dem Kindergarten für Bildungspolitiker
So geht’s:
Stopfen Sie 70 kleine Kinder und 10 Erzieherinnen in ein Gefäß aus Beton und stabilem Glas, zum Beispiel in ein modernes Kita-Gebäude, Modell „Architektentraum“. Gut durchschütteln! Beobachten Sie das entstehende Gemisch. Dann fügen Sie in kleinen Mengen Kinder hinzu und verringern gleichzeitig die Menge der Erzieherinnen, bis ein Verhältnis von 1 Teil Erzieherin zu 35 Kindern entstanden ist.
Das können Sie beobachten:
Nach einiger Zeit lösen sich einzelne Mitglieder aus dem Team heraus, bis schließlich nur noch ein bleiches Weiblein mit deutlich sichtbaren Abnutzungserscheinungen übrig bleibt.
Erklärung:
Zunächst findet in den Teammitgliedern die sogenannte Auslaug-Reaktion statt. Dann kommt es zum optisch gut wahrnehmbaren Vorgang des Ausbrennens, bis durch eine spektakuläre Kettenreaktion ein landesweiter Personalengpass entsteht. Beeindruckend!
Das Experiment mit dem Erfolg
So geht’s:
Gründen Sie mit einigen Aktienriesen und desinteressierten Ministerinnen eine Stiftung. Geben Sie ihr einen Namen, der irgendwie forsch, aber vertraut klingt. Erfinden Sie ein weltumfassendes Fortbildungssystem. Geben Sie ein paar Heftchen heraus. Lassen Sie ein paar Experimente (Tipp: Backpulver-Essig-Vulkan) in Kitas regelmäßig durchführen. Dazu laden Sie ein paar ältere Professoren ein. Informieren Sie die Ministerin und die Aktienriesen über diese grandiosen Erfolge.
Das können Sie beobachten:
Man schlägt Sie für das Bundesverdienstkreuz vor.
Erklärung:
Lieber keine.
Foto: aufrecht/photocase