Mal ein böses Wort verlieren

Über das Böse wurden schon viele Worte verloren. Lasst sie uns aufsammeln, um dem Wesen des Bösen auf die Spur zu kommen!

Hier gibt es den Artikel als PDF: Wortklauber+Gedicht_#wamiki_1_2022

Hart aber herzlich. Frau leckt an scharfem Messer

„Da kam die böse Fee herein…“

Unzählige Märchen kennen neben guten und heldenmütigen Charakteren Figuren, jene, die grundlos und unbelehrbar böse sind: „Die böse Stiefmutter aber war eine Hexe und hatte wohl gesehen, wie die beiden Kinder fortgegangen waren“, heißt es in „Brüderchen und Schwesterchen“. Übrigens sind es in den Märchen oft Frauen, die in Patchwork-Familien Böses tun, siehe „Schneewittchen“ und „Aschenputtel“.

Wenn Figuren so eindeutig böse sind, legitimiert das sadistische Bestrafungen wie in „Die zwölf Brüder“: „Die böse Stiefmutter ward vor Gericht gestellt und in ein Fass gesteckt, das mit siedendem Öl und giftigen Schlangen angefüllt war, und starb eines bösen Todes.“ Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, zum Beispiel an Hexenverbrennungen und Pogrome.

„Böse Zungen behaupten…“

Zahlreiche Redewendungen verorten das Böse in bestimmten Körperteilen böser Menschen. Hinter „Das gibt böses Blut“ steckt die antike Vorstellung, das venöse – also böse! – Blut sei verantwortlich für Hass und Schlechtigkeit. Wahrscheinlich der älteste Volksglaube der Menschheit ist der an den „bösen Blick“: Schon auf sumerischen Keilschrift-Tafeln wird vor IG-HUL, übersetzt „Auge böse“, gewarnt. Was hilft dagegen? Dreimal auf den Tisch klopfen, toi, toi, toi sagen und bösen Menschen nicht in die Augen schauen. Oder böse Menschen meiden.

Aber woran erkennt man sie? Johann Gottfried Seume vermutete: „Böse Menschen haben keine Lieder“, doch viele Songs auf der „Liste der indizierten Tonträger“ sprechen gegen dieses Unterscheidungsmerkmal.

„Jenseits von Gut und Böse“ sagt man heute, wenn man Maßlosigkeit meint:

„Der Preis ist jenseits von…“

Wer weiß noch, dass diese Redewendung auf den Titel eines Buchs von Friedrich Nietzsche zurückgeht, der wiederum auf das erste Buch Moses anspielt? Laut Bibel sind Gut und Böse für uns unterscheidbar, seit die Schlange – schon wieder eine böse weibliche Figur! – Eva im Paradies den Apfel anbot: „An dem Tage, da ihr davon esst, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.“

Fortan gibt es höheren Ortes Ärger, weil der Mensch diese Unterscheidungsfähigkeit nicht einsetzt: „Aber der Herr sah, dass der Menschen Bosheit groß war auf Erden“ und möchte sie per Sintflut mitsamt ihren unschuldigen Tieren „vertilgen“, was nach Bosheit aus Rache klingt. Überhaupt scheint sich der Herr unlauterer Tricks zu bedienen, um die Immunität gegen das Böse zu prüfen, beten die Christen doch nach Luthers Übersetzung: „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen…“

„Jetzt werde ich aber richtig böse!“

Böse Menschen sind an sich böse, gute Menschen können manchmal böse werden. Friedrich Schiller und Roland Kaiser verorten die Ursache im Haus nebenan: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ Ein polnisches Sprichwort nennt eine andere Ursache: „Ist der Pole hungrig, wird er böse, wenn er satt wird, faul.“ In China weiß man: „Das Böse lernt sich leicht, das Gute schwer.“ Ein deutsches Sprichwort hingegen lässt hoffen: „Böse Eltern machen fromme Kinder.“

Dem hält Wilhelm Busch entgegen: „Das Gute – dieser Satz steht fest – ist stets das Böse, was man lässt.“ Leonardo da Vinci glaubt eher nicht an Einsicht und fordert: „Wer das Böse nicht bestraft, befiehlt, dass es getan werde..

Glücklicherweise sehen modernere Denker Gut und Böse als Verhaltensoption: „There ´s good and bad in everyone“, sangen Stevie Wonder und Paul McCartney. Da mögen sie wohl Recht haben.

 

Foto: getwhatyoucan / photocase.de

Michael Fink ist Autor und Fortbildner.

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