Das NetzWerk Bildung

…. ist ein Arbeitskreis von Fachleuten aus Praxis, Fortbildung, Ausbildung und Forschung im Bereich der Pädagogik früher Kindheit. Zu Beginn des neuen Jahrtausends schloss sich dieser Kreis zusammen, um gegen die Vermessung von Kindern, die Test- und Förderwut sowie gegen schlechte Rahmenbedingungen in Kitas und Grundschulen einzutreten. Ein Positionspapier.

Wofür wir stehen

Wir gehen davon aus, dass Menschen jeden Alters aus eigenem Antrieb lernen – und zwar unter allen Umständen. Bildung ist ein individueller Prozess, den jeder Mensch auf seine Weise durchläuft.

Alle Menschen haben von Geburt an Möglichkeiten und Kräfte, sich den Zugang zu ihrer Umwelt zu erschließen. Von Anfang an interessieren sie sich für ihre soziale und kulturelle Umgebung und bringen ihre eigenen Vorstellungen und Wünsche ein. Wenn Kinder dies gemeinsam mit anderen Kindern tun und dabei von zugewandten Erwachsenen begleitet werden, stärkt das ihre Motivation und ihr Selbstvertrauen.

Von diesem Bildungsverständnis ausgehend,

• respektieren wir den Willen, die Sichtweisen und
die Fähigkeiten der Kinder;

• räumen wir Kindern freie, unverplante Zeit und möglichst viele Gelegenheiten ein, damit sie ihre Welt handelnd erforschen;

• folgen wir den Impulsen der Kinder, greifen wir ihre Fragen, Ideen oder Themen auf und unterstützen sie bei der Umsetzung, stellen unsere Erfahrungen zur Verfügung und bemühen uns, die Kinder weitgehend in Ruhe zu lassen, sie also nicht ständig zu stören und ihnen nichts aus der Hand zu nehmen;

• achten und beachten wir die offenen Lernprozesse, die durch die Neugier der Kinder in Gang gehalten werden;

• erleben wir mit Vergnügen auch unsere eigenen Lernprozesse, insbesondere in der Auseinander­setzung miteinander. Unser Credo: All das, was
für Kinder gilt, gilt auch für Erwachsene.

 

Damit Kinder ein Bewusstsein von sich selbst, ihrem Handeln und Denken gewinnen, brauchen sie hinreichende Resonanz von anderen Menschen auf das, was sie tun und denken. Resonanz unterscheidet sich von einer Antwort dadurch, dass sie sich auf die Sichtweisen der Kinder einlässt, ihren Gedanken und Hypothesen folgt und zu Gast im Reich ihrer Fantasie ist.

Was Kinder tun

Kinder gestalten soziale Beziehungen vom ersten Tag an und experimentieren fortwährend mit der sie umgebenden Welt. Dafür brauchen sie die Interaktion mit anderen Kindern ebenso wie das gemeinsame Erleben mit Erwachsenen.

Kinder zeigen uns, was für sie von Bedeutung ist.

Wenn Erwachsene das wahrnehmen und respektieren, machen Kinder gute Beziehungserfahrungen.

Kinder entdecken Bedeutung in ihrer Umgebung.

Wenn Erwachsene ihnen vielfältige Weltzugänge eröffnen und ihnen ein Umfeld bieten, das ihre Neugier erhält und ihren Mut herausfordert, stärkt das ihr Selbstvertrauen.

Kinder gestalten Kultur.

Wenn Erwachsene ihnen Zugang zur Natur und zu kultureller Vielfalt eröffnen, können die Kinder sich erproben und ihre individuellen Ausdrucksformen entfalten. Im Austausch und im gemeinsamen Handeln inspirieren Erwachsene und Kinder einander.

Kinder leben im Hier und Jetzt; sie denken handelnd.

Wenn Erwachsene Kindern Zeit lassen, sich Zeit für ihre Belange nehmen und sie mit Wohlwollen begleiten, kann die Kita ein Ort unbeschwerter Kindheit sein.

Kinder denken in Bildern und Geschichten.

Wenn Erwachsene die kindlichen Fantasien und Deutungen der Welt würdigen, fühlen Kinder sich ernst genommen und anerkannt. Daraus erwächst ein positives Selbstbild.

Kinder suchen nach Sinn.

Wenn Erwachsene die Sinnfindungsprozesse der Kinder herausfordern, ertragen und gelassen reagieren, dann haben Kinder die Chance, eigene Weltbilder zu entwerfen.

Kinder wollen entscheiden und wirksam sein.

Wenn Erwachsene den Kindern zugestehen, sich einzumischen, Bündnisse zu schmieden, Geheimnisse zu haben, Umwege zu gehen, Widerstand zu leisten – notfalls mit List und Tücke –, bleiben Kinder stark.

Was wir wollen

Nach unserem Verständnis wird pädagogische Professionalität am Handeln der Menschen erkennbar, die mit Kindern arbeiten:

• Professionalität beginnt damit, die Welt-Sicht der Kinder wahrzunehmen.

• Professionalität zeigt sich im Nachdenken über die eigenen Biografien, die Lernerfahrungen und die gemeinsame Reflexion darüber.

• Professionalität zeigt sich, wenn Fachwissen und Qualitätsansprüche an der eigenen Praxis kritisch überprüft werden.

• Professionalität zeigt sich, wenn Teams mutig ­verändern, was sie ändern können, und sich nicht von dem entmutigen lassen, was sie nicht ändern können.

• Professionalität zeigt sich, wenn pädagogisches Handeln sich am Erleben jedes einzelnen Kindes ­orientiert.

• Nur wo das Grundrecht des Kindes auf Unantast­barkeit seiner Würde in Krippen, Tagesstätten und Schulen umgesetzt wird, kann Professionalität Wurzeln schlagen.

Sinnvoller, als darauf zu warten, dass sich Rahmenbedingungen und die Politik zum Besseren wenden, ist es, selbst zu beginnen – dort, wo wir arbeiten und mit Kindern leben. Die Freude und der Genuss, Kinder auf ihren verschlungenen und überraschenden Lernwegen zu begleiten und ihnen zu folgen, sind auf unserer Seite.

Foto: tobeys, photocase