Pädagogik aufräumen:

Pädagogik lebt von Ritualen, heißt es. Erzieher, Lehrer und Innen machen alles Mögliche, weil es nun mal derzeit üblich oder sogar vorgeschrieben ist. Egal, ob es Sinn hat oder nicht. Sinnvoll ist es aber auf jeden Fall, ab und zu auszumisten. Deswegen stellt diese Rubrik pädagogische Gewohnheiten aufs Tapet und fragt ganz ergebnisoffen: Ist das pädagogische Kunst, oder kann das weg?

Menüservice

Wir sind ein superreiches Land. Das merkt man beim Essen in Kita, Hort und Schule: Jedes Kind bekommt jeden Tag von eilfertigen Dienern ein ganzes Menü aufgetischt! Stimmt nicht? Nun ja, im Wortlaut schon. Immer mehr Kindereinrichtung beziehen das Essen vom Menüservice, angefahren vom Menüdienst. Die tiefgefrorenen Menüschalen aus Pappe lassen sich im Heißluftofen erhitzen und ganz ohne Küchenpersonal direkt auf den Tisch platzieren.

Gibt es entsprechend der Definition von Menü mehrere Gänge mit Suppe, Salat und Nachtisch? Wie man es nimmt: Geschnetzeltes mit Stampfkartoffeln verspricht der eine, dann Pizzataler, dann Geflügelhacktaler in Papri­ka­sauce, dann Milchreis mit Kirschen. Ist Milch der erste Gang, Reis der zweite, Kirschen der dritte? Nö, die Kinder können froh sein, wenn in der „Mehrportionenpappe“ die „Menükomponenten“ nicht ineinander suppen.

Wir sind ein superreiches Land: Statt an Hunger leiden wir an Fehlernährung und den Auswüchsen einer hocheffi­zienten Landwirtschaft und Ernährungsindustrie. Was machen wir pädagogisch dagegen? Nix. Stattdessen ersetzen wir überall Küchenfrauen und -männer durch „Menüfahrer“, leeren Thermoporte oder erwärmen Tiefkühl-Gerichte, die vor langer Zeit einmal „frisch gekocht“ waren, wie der Menüdienst anpreist. Als könne man Essen auch unfrisch kochen.

Ja, Essen selber kochen kostet mehr als Menüdienst-Pampe, man muss auf Hygiene achten und Zeit einplanen. Aber Geld und Zeit sind gut investiert! Sie zahlen sich aus, wenn Kinder Lust darauf bekommen, selbst Essen zuzubereiten, weil sie täglich erleben, wie das geht. Wenn sie dadurch Lust auf neue Genüsse kriegen, weil sie aus dem – vielleicht selbst gekauften oder gar geernteten – Brokkoli eine Suppe kochen. Und wenn sie eines Tages vielleicht alle zusammen ein mehrgängiges feierliches Menü kreieren.

Kochen und Essen ist schon immer eines der wichtigsten Dinge im Leben – überlassen wir es nicht dem selbsternannten Menüdienst.

Foto: nonmin, photocase