Ich kenne dich. Ich erkenne dich deshalb wieder. Und ich erkenne etwas an dir.
Vom Wortsinn her kann Anerkennung eine banale Sache sein: Ich erkenne an deinen Mundwinkeln, dass du Spagetti Bolognese gegessen hast.
Anerkennung und ihr Gefährte, das ihr oft vorauseilende Zuerkennen, bedeuten, dass man einen Menschen nicht nur kennt und erkennt, sondern noch etwas an ihm erkennt, das an ihm klebt wie die soßentriefende Nudel im Mundwinkel, nämlich: Er ist mehr als nur er. Er ist quasi Mensch +.
Altbekannte Formen visualisieren die Verteilung von Anerkennung: Der verdiente Militär wird mit Orden dekoriert, Fritzchen Müller erhält ein klitzekleines „von“ als Prädikat, und einem Held werden Eigenschaften zuerkannt, die er gar nicht hat. Auch heute wird gern etwas angeklebt oder verliehen: das Bundesverdienstkreuz, die Haus-der-Kleinen-Forscher-Plakette oder die Anerkennung als staatlich anerkannter Erzieher.
Wie bitte? Verliehen? Bedeutet das etwa, dass Titel, Plakette und Berufsbezeichnung mir gar nicht gehören, sondern…?
Bingo! All diese Anerkennungen kann der Verleiher jederzeit – vielleicht nach festgelegten Regeln – widerrufen. Weil sie verliehen und nicht verschenkt sind, darf man sie auch weder vergeuden noch weiterreichen. Wer das dennoch tut, begeht womöglich den gleichen Fehler wie ein illegaler Untervermieter.
Das heißt: Einer besitzt Anerkennung, der andere erhält sie von ihm verliehen. Offensichtlich setzt Anerkennung in diesen Fällen eine Art Machtgefüge voraus. Ich anerkenne und verleihe, du fühlst dich geehrt, brüskiert oder verpflichtet. Aber: Wehe dem, der Zertifikate verleiht, ohne dazu – wie der Titelhändler auf den Cayman-Inseln – dazu berechtigt zu sein!
Ist dieses Machtgefüge etwa auch eine Voraussetzung für unsere Form des Anerkennens, die sich gern in das Sätzchen kleidet „Das hast du aber gut gemacht!“? Besitzen wir das unbestrittene Recht, Anerkennung zu verteilen? Oder agieren wir wie der Titelhändler, der sich dieses Recht anmaßt?
Tatsächlich steht ein Machtgefüge hinter den meisten Anerkennungen. Ob die Abschlüsse eines Staates anerkannt werden, hängt letztendlich davon ab, ob er als souveräner Staat anerkannt ist. Zwar liegt diesem Schritt oft gegenseitige Anerkennung zugrunde, aber letztlich entscheidet doch das Recht des Stärkeren – wie im Wolfsrudel. Anerkannt wird ein neuer Staat, wenn die starken Staaten ihn akzeptieren und die schwächeren nachziehen. Ob die Ostukraine, Transnistrien oder Palästina anerkannt werden, hängt nicht nur vom Vorhandensein eines funktionieren Staatswesens ab, sondern davon, ob es den Großen in den Kram passt oder nicht. Doch selten kommt unter Staaten vor, was Titelträger, Kurorte und gemeinnützige Vereine befürchten müssen: die Aberkennung. Sie hat auch schon manchen Politiker die flott herbeigeschriebene Doktorwürde gekostet.
Anerkennung wartet überall auf uns: Wer nicht als staatlich anerkannter Erzieher oder Heilerziehungspfleger für einen staatlich anerkannten Jugendhilfeträger tätig ist, hat vielleicht die IHK-Anerkennung als Handwerker, Magister, Krankengymnast oder geht wenigstens in den anerkannten Bildungsurlaub – zum Beispiel in anerkannte Luftkurorte, um sich von einem anerkannten Bergführer mit Jagdgebrauchshund durch ein anerkanntes Biosphärenreservat geleiten zu lassen. Feiert er dort Weihnachten, kann er das Lied „Stille Nacht“ singen, dem erst kürzlich von der UNESCO der Status als immaterielles Kulturgut der Menschheit zuerkannt wurde.
Der Anerkennung als Behinderter und der anerkannten Berufsunfähigkeit könnte allerdings die Aberkennung der Bürgerlichen Rechte folgen, wenn jemand plötzlich behauptet, Deutschland sei gar kein anerkannter Staat, und sich als Bürger des selbst erdachten Reichsstaats „Groß-Germanistan“ betrachtet. Nur der anerkannte Pflegedienst kommt dann noch zu Besuch. Oder die Polizei.
Eine kleine Liedzeile wartet aber bis heute auf den Status als „staatlich anerkannter Aphorismus“ oder „schützenswertes Jugendlichen-Gröhlgut“, obwohl sie klare Grenzen für Anerkennung setzt: „Scheiße auf dem Tellerrand wird als Senf nicht anerkannt.“ He ladi ladi lo!
Foto: photocase, tobeys