Lego-Verzicht und Farbfasten?

Erwachsene lieben so etwas: Ich mach jetzt Detox, verkünden sie und versuchen,
vier Wochen ohne Smartphone auszukommen – was daran scheitert, dass sie das Gerät brauchen, um ihre Digital-Detox-Erfahrungen zu posten. Oder sie verzichten zu Jahresbeginn auf Tierisches, weil Veganuary so hip klingt.

Was könnten Kinder vier Wochen, vier Tage oder auch nur vier Stunden ­weglassen, um zu erfahren, ob sie es brauchen? Überlege mit den Kindern, was sie jeden Tag genauso wie immer machen, und beschließe mit ihnen:
Das fällt jetzt mal aus.

Den Artikel gibt es hier als PDF: Spielwiese_#2_2024

Lego-Detox

Mit Lego kann man jeden Tag bauen – und viele Kinder tun das auch. Die Noppenteilchen beweisen schließlich, dass man jedes Detail der Welt nachbauen kann, wenn man über die richtigen Steine verfügt: den runden gelben Eimer, den grünen Tannenwipfelstein…

Dass auch tolle Bauwerke entstehen, wenn man nur Ideen und Grips hat, aber keine dänischen Supersteine, kann man beim Lego-Detox erfahren. Mit echten Steinen, Holzstücken, Plastikmüll, Tetrapaks oder Putzschwämmen lassen sich nämlich auch Bauwerke errichten, die beweisen: Zum Bauen braucht man keine Noppen.

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Sprech-Detox

Kinder haben hundert Sprachen, sagt die Reggio-Pädagogik. Aber die eine verwenden sie schon überaus häufig, sagen unsere Ohren. Eine Stunde Sprech-Detox ermöglicht es, nur mit Händen und Füßen, mit Mimik und Gestik, mit Bild und Tanz zu kommunizieren. Sprech-Detox macht Spaß – und sensibel für das Erkennen von Gefühlslagen und Bedürfnissen am Gesichtsausdruck.

­Morgenkreis-­Detox

Jeden Tag beginnen wir im Kreis, verspricht so manche Kita-Konzeption. Tatsächlich können sich viele Kinder kaum vorstellen, dass Tage ohne Sitzen auf dem kleinen Teppich, das Aufsagen des Datums und eine Runde Plumpsack anfangen.

Könnte ein Tag auch anders starten? Das erfährt man, wenn man eine Weile Morgenkreis-Detox macht. Dass sich jedes Kind begrüßt und willkommen fühlt, kann man nämlich auch anders erreichen. Vielleicht macht Zusammensitzen in der Gruppe mehr Spaß, wenn man sich mittags, zum Planen konkreter Vorhaben oder statt im Kreis mal im Viereck trifft.

­Bücher-Detox

Bücher weglassen, darf man denn so etwas? Gewiss – wenn die Leseecke in dieser Zeit zur Erzählecke wird. Ein Erzählstein und Erzählkarten werden Ausgangspunkte für selbsterfundene Stories. Liegen Stifte und Blätter bereit, am besten auch Blanko-Hefte, entstehen vielleicht mit der Zeit Geschichten, die die vertrauten Bilderbuchhandlungen – X sucht einen Freund, findet ihn erst nicht, dann aber doch – vergessen lassen.

­Strom-Detox

Den ganzen Tag muss man irgendwas anknipsen: Licht, Herd, Tonie-Box… Nicht so am Strom-Detox-Tag, an dem die Sicherung nicht nur sprichwörtlich rausfallen darf: Strom ist verpönt! Es macht Sinn und Spaß, den Tag vorher gründlich zu planen: Wie ersetzen wir nötiges Licht? Brauchen wir im Garten einen Kocher für warmen Tee?

­­Kostüm-Detox

Ich nehme heute die Polizei-Uniform! Nein ich, nein ich! Wo ist das dritte rosa Prinzessinnenkleid? Verkleidungen lassen uns in jede Rolle schlüpfen, sagt man gerne, aber wenn die Kostüme nur in geringer Anzahl vorhanden und festgelegt sind, ist die Auswahl sehr überschaubar.

Beim Kostüm-Detox ist die Verkleidungstruhe ganz leer, aber dafür gibt’s Stoffreste, Plastikfolie und Papierbögen aller Art, bis hin zu Schredderpappe, um mit Schere und Klebeband völlig neue Kostüme zu erfinden. So kann Vielfalt entstehen.

Gefahren-Werden-Detox

Wir machen einen Ausflug, wo fahren wir hin? Von wegen fahren: Beim Bus-und-Bahn-Detox probieren wir aus, wie weit wir mit unseren Füßen kommen. Das garantiert Erlebnisse direkt um die Ecke. Wichtig: Spätestens nach der Hälfte der vereinbarten Ausflugzeit sollte man umkehren. Beim Gefahren-Werden-Detox erfährt man Wege auf ganz neue Art und spürt: Den Weg, den wir hinter uns gebracht haben, haben wir aus eigener Kraft bewältigt.

Eltern-Rein-Detox

Morgens bleibt Papa noch ein bisschen da, nachmittags wartet Mama, bis ich fertig gespielt habe? Überraschenderweise schätzen es viele Kinder, wenn das Zusammentreffen aller ErziehungspartnerInnen in der Kita mal Ausnahme ist. Also: Was spricht dagegen, das Mit-Reinkommen für eine begrenzte Zeit gegen „Vor der Tür begrüßen und verabschieden“ zu tauschen?

Spielplatz-­Detox

Ein ideales Gehege für junge Gewohnheitstierchen sind viele Spielplätze: Erst schaukle ich immer zehn Mal, dann geht’s auf den Balancierbalken, danach ist Wasserpumpen dran, und dann stöhnen die ersten: „Mir ist langweilig!“ Was täte man wohl, wenn man stattdessen im Wald, im Park oder im nahegelegenen Baumarkt wäre? Probieren wir es zwei spielplatzfreie Wochen lang aus, in denen man überall hingehen kann, um sich als ehemaliges Gewohnheitstier von der Vielfalt der Versteck-, Spiel-, und Tobemöglichkeiten überraschen zu lassen.

­­Farben-Detox

Ganz schön bunt hier! Wie wäre es mal mit einem oder zwei Tagen Farb-Detox? Dafür kommen alle Kinder und die Erwachsenen in Schwarz-weiß, essen Milchnudeln mit Mohn oder Risotto Nero. Im Atelier liegen nur Kohle, Kreide und graues Papier zum Malen… Ein paar Schwarzweißfotos halten die entfärbten Momente fest, bevor es wieder bunt wird. Erst beim Farb-Detox merkt man, wie Farben auf uns wirken.

Foto: Simon Horn /photocase

Michael Fink ist Autor und Fortbildner.

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