Pädagogik aufräumen:

Pädagogik lebt von Ritualen, heißt es. Erzieher, Lehrer und *innen machen alles Mögliche, weil es nun mal derzeit üblich oder sogar vorgeschrieben ist. Egal, ob es Sinn hat oder nicht. Sinnvoll ist es aber auf jeden Fall, ab und zu auszumisten. Deswegen stellt diese Rubrik pädagogische Gewohnheiten aufs Tapet und fragt ganz ergebnisoffen: Ist das pädagogische Kunst, oder kann das weg?

Gesellschaftsspiele

In Familienfilmen sehen Kindergärten meistens so aus: Die Kleinen sitzen am Tisch, eine freundliche junge Frau sitzt dabei – und in der Mitte liegt „Tolle Torte“, „Mensch-ärgere-dich-nicht“ oder das uralte Angelspiel. Es gibt viele Kitas, in denen dieses Klischee lebt, erkennbar am wuchtigen Regal für Gesellschaftsspiele. Und Pädagog*innen wären keine solchen, könnten sie nicht viele gute Gründe für Gesellschaftsspiele als wichtige Bildungsarbeit anführen, zum Beispiel: „Die Kinder lernen dabei zu verlieren.“ Dass man eher dabei zu gewinnen lernt, sagt niemand – das ist den Päda­gog*innen wohl zu egoistisch. „Sie lernen, dass es Regeln gibt“, hört man auch, aber das lernt man ja überall.

Was lernt man nun wirklich als Kind bei Gesellschaftsspielen? Hören wir mal zu, wie Erwachsene Kindern Spiele erklären. Immer wieder heißt es: „Wenn man hier…, muss man da…“ „Darf man…?“ fragen die Kinder vielleicht zurück. Meistens „muss man“ aber – ziehen, laufen, warten, aussetzen.

„Ja, genau das ist das Tolle an Gesellschaftsspielen“, erklärt eine Pädagog*in. „Die Kinder lernen, dass solche Mussmans, also die Spielregeln, wichtig sind, um Spaß am Spiel zu haben.“ Tja, klingt gut. Aber merken die Kinder nicht, dass ihnen freies Spiel ohne verordnete Regeln mehr Spaß macht?

Warum spielen manche Großen so häufig Gesellschaftsspiele mit Kindern? Bestimmt, weil es schon immer so war. Vielleicht, weil man „Tolle Torte“ schneller aufräumt als 300 Bausteine und die Regeln für Ruhe sorgen. Möglicherweise auch, weil viele Erwachsene arge Muss-Leute geworden sind. Man merkt’s, wenn sie mit Kindern mal frei spielen wollen und im Kaufmannsladen ängstlich fragen: „Muss ich die gekauften Holzäpfel jetzt essen?“

Man muss wenig. Aber man könnte was: Viele Spiele aussortieren.

 

Foto: misterQM/photocase.de

Michael Fink ist Autor und Fortbildner.

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