Spielzeug- und Medienschund – für Kinder ungesund?

In dieser Rubrik diskutiert Micha Fink mit sich selbst – mit offenem Ausgang.
Wer recht hat, entscheidet der Leser. Oder die Leserin.
Die Redaktion interessiert sich für Meinungen und Erfahrungen — Stichwort: Micha vs Achim

micha

Sexistische Barbiepuppen, gewaltverherrlichende Star-Wars-Figuren, dumpfe Disney-Moral oder albernes Casting-Show-Gezappel: Medialer Schund und Spielzeugindustrie-Müll dringen mehr denn je in ­Kinderzimmer, Gruppenraum oder Schulhof. „Gehört heute halt dazu, sich damit auseinanderzusetzen“, sagen manche achselzuckend. Wie bitte? Ist es ein Naturgesetz, sich mit Produkten zu befassen, die sich gewissen- und niveaulose Produzenten erdenken, um Geld damit zu machen?
Zugegeben, ich komme aus einer dieser „Gute-­Bücher-auswähl-Familien“, in denen Kästner und Lindgren, Lego oder Holzbaukästen die Kinderzimmer beherrschten. Geschadet hat’s mir nicht, sondern mich zum Nachdenken angeregt und auf kreative Ideen gebracht. Mit dem Schund, den es damals gab, hätte ich mir die Zeit auch vertreiben können – aber ohne solche Ergebnisse.
Mir tun Kinder leid, die mit Konsolenspielen, stereotypen role models und Beautytipps belästigt werden. Und ich finde es unfair, sie aus falsch verstandenem Partizipationsbemühen in diesen Schlamassel plumpsen zu lassen, statt ihnen Orientierung durch bewusstes Fernhalten von Schund zu geben. Oder, Achim?

achim

Erstens, Micha: Verdränge mal all die Schund-Spielzeuge und Müll-Medien nicht, die du mit oder ohne Billigung deiner Eltern voller Begeisterung bespielt hast. Zum Beispiel deine Sammlung von Matchbox-Angeber-Autos, die du ab und an mit Uhu gefüllt hast, um Explosionen nachzustellen, und die aufgebohrten Colts. Denk daran, wie du dir die damals als hoch­idiotisch geltende „Paulchen Panter“-Sendung ertrotzt und Mitschüler zum Comic-Tausch beschwatzt hast.
Erinnere dich zweitens, dass damals – wie heute – hinter dem Ausschließen bestimmter Medien oft auch das Bedürfnis steckte, sich von „niedrigeren Klassen“ abzugrenzen. Ganz davon abgesehen, dass es all den Maries und Adams durchaus wichtig sein könnte, mit Chantal und Justin über die gleichen Filme und Videospiele reden zu können.
Rechne drittens bitte mal zusammen, wie oft du heute Medien konsumierst, die du eigentlich viel zu seicht oder moralisch anrüchig findest – und trotzdem hast du Spaß daran.
Frag dich viertens, ob man überhaupt guten Geschmack entwickeln kann, wenn man keinen Schund erleben durfte und den Unterschied zu Dingen besserer Qualität nicht kennt.
Nein, Kinder brauchen Schund, weil er Spaß machen kann, nicht wehtut – und um ihn als solchen identifizieren zu können.

Michael Fink ist Autor und Fortbildner.

Einen Kommentar schreiben

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht. Pflichtfelder sind mit einem * markiert.