Ton und Ton

Beim Klauben stößt man oft auf etwas Überraschendes: Ton und Ton haben nicht nur verschiedene Bedeutungen, sondern auch verschiedene Wurzeln.

Der klangvollere der beiden Zufalls-Zwillinge leitet seinen Namen direkt aus dem Lateinischen ab und nannte sich einst „Tonus“. Wer ihn nicht trifft, hat mit negativen Folgen zu rechnen. Er – und niemand sonst – macht die Musik, was sich im Französischen übrigens reimt: C’est le ton qui fait la chanson. Wer sich in ihm vergreift, dem hört man besser nicht mehr zu. Ihn gibt an, wer was zu sagen hat: „Tonangebend“, und das auch im Brustton der Überzeugung. Kein Wunder, dass der Herr Ton einst mit dem schmückenden Vorsatz „Der gute…“ Generationen ängstlicher Kleinbürger erklärte, wie man sich zu benehmen habe, um nicht als Prolet enttarnt zu werden.

Der andere Herr Ton ist das absolute Gegenteil. Matschig, pampig, klebrig und oft braungrau kommt er daher. Die alten Germanen nannten ihn auch Than, Dhähe oder Danhon, perfekte Wörter für Matsche. Er hat nie „die Musik gemacht“. Wer sich bei ihm „im Ton vergriff“, hatte höchstens klebrige Finger. Und was bei ihm „guter Ton“ heißt, weiß nur der Töpfer, denn er bringt keinen Ton heraus. Höchstens ein vulgäres Schmatzen beim Kneten.

Früher war der Ton das Lieblingsmaterial zum Dingemachen, bis der Mensch etwas Besseres erfand. Seit der Bronzezeit haftete dem Ton zunehmend der Ruf des „Materials von gestern“ an. Einer, der das so ähnlich sah, war Gott: Nach seiner ersten Töpferarbeit, einem Selbstbild, den er mit den hebräischen Namen für Lehm „Adam“ taufte, war Gott die Töpferkunst leid. Beim Modell II erprobte er einen besseren Werkstoff: die Rippe. Bekanntlich zeigten beide Modelle leider erhebliche Steuerungsprobleme, die sich unter anderem im Verzehr von verbotenem Obst äußerten, und so verordnete Gott: „Aus Lehm bist du gemacht – und zu Lehm sollst du werden.“

Da lag der Ton wieder dumm rum, wurde verformt, gebrannt und zerbrach. Nichts als Scherben – ob beim Tontaubenschießen oder bei dieser bekannten Musikgruppe mit Rio Reiser. Bis ihm ein Zauberer das Be- vorn anklebte, um ihn hart zu machen? Nein, auch Beton hat eine andere Wurzel als Ton. Es ist zum Steinerweichen!

Michael Fink ist Autor und Fortbildner.

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