Und die Welt, sie fliegt hoch

Jugendbuch

Draußen, wo Juri nicht ist, ist Sommer. Die anderen sind im Freibad oder im Eiscafé. Er fürchtet sich vor der Welt. Wie ein Komet schlägt da eine Whatsapp-Nachricht ein. „Hallo, ist da jemand?“, fragt Ava. Ava und er kennen sich aus der Grundschule, jetzt hat Ava Hausarrest, „wegen einer Sache“. Die eine darf nicht raus – der andere will nicht. Zwischen diesen Polen entwickelt die Autorin Sarah Jäger ein exzellentes Spiel aus Selbstdarstellung und Selbsterkenntnis. Dafür bedient sie sich einer Form, die so jugendnah und zeitgemäß wie ungewöhnlich ist: Der Roman besteht ausschließlich aus Kurznachrichten. Bald sprechen Ava und Juri immer offener an, was sie umtreibt. Sie nehmen ihren Abflug ins eigene Leben in Angriff. Ab zwölf Jahren.

Aaah, diese Menschen!

Bilderbuch

In der aktuellen Flut von Rettet-die-Welt-Büchern für Kinder und Jugendliche fällt ein Buch durch Witz auf: „Aaah, diese Menschen!“ von Miro Poferl. Darin diskutiert eine Vogelfamilie die Frage: Sind alle Menschen nur schädlich und unnütz? Oder machen sie auch etwas gut? Während die Vogeleltern noch schimpfen und dem Vogelkind schlecht wird, beginnt Menschenkind Mika einen Dachgarten anzulegen … Miro Poferl zeigt uns die Welt der Menschen aus umgekehrter Sicht. Sie regt an, den Blick auch auf Positives zu wenden und Stärken zu nutzen. Ab vier Jahren.

Ich bin hier!

Bilderbuch

Als ein Fluss die Stadt unter Wasser setzt, wird Jona, die gerade im Bürogebäude ihres Vaters spielt, dort vergessen – mehrere Tage lang sitzt sie fest, zwischen Aktenschränken und Drehstühlen. Aber Jona verfällt nicht in Panik und auch nicht in Selbstmitleid, im Gegenteil. Ihr Entdeckergeist verwandelt das graue Hochhaus in einen Ort voller Überraschungen. Mit Jona hat Joke van Leeuwen eine Figur geschaffen, die mit ihrem Mut, ihrer Neugier und ihrer besonderen Art zu denken an Pippi Langstrumpf und Ronja Räubertochter erinnert. Weniger frech vielleicht, aber mindestens genauso tapfer. Das Buch ist eine Heldenreise, die Kindern, und vor allem jungen Mädchen, Mut macht. Ab acht Jahren.

Das Klugscheißerchen

Kinderbuch

Ein echtes Klugscheißerchen weiß immer am besten Bescheid!

Tina und Theo Theufel sind geschlagen mit Eltern, die keinen Hund haben, aber ständig Rote Beete essen wollen. Außerdem wissen sie immer alles besser. Also die Eltern. Die Kinder auch. Der Apfel fällt schließlich nicht weit vom Stamm. Aber Theo und Tina geben wenigstens zu, dass sie Klugscheißer sind. Mama und Papa streiten es ab. Das ist natürlich absolut lächerlich. Vor Kurzem sind die Theufels umgezogen in ein altes Haus mit einem Dachboden voller Abenteuer. Obwohl Spielen auf dem Dachboden nicht gerne gesehen ist, machen Tina und Theo nichts lieber als das. Und außerdem machen die Kinder auf dem Dachboden eine seltsame Entdeckung: In einer Bücherkiste haust ein kleines Männchen mit großer Klappe. Ein waschechtes Klugscheißerchen, das behauptet, nur für seinesgleichen sichtbar zu sein! Und eines ist sicher: „Ein wirklich echter Klugscheißer zu sein, ist harte Arbeit! Man muss Bescheid wissen, man muss auf Zack sein, man muss sich unerbittlich der Korrektheit verpflichten.“ Ab sechs Jahren.

Luise

Bilderbuch

In seinem Bilderbuch „Luise“ verflüssigt der Illustrator Nikolaus Heidelbach die Grenze zwischen Tier- und ­Menschenwelten. Als Luise, ein kleiner Oktopus, eines von 55 Kindern ihrer Krakenmutter, nach den Sommer­ferien aus dem Meer zu ihrem menschlichen Freund Louis in eine ziemlich rheinisch aussehende Stadt zieht, macht sich die Mama Sorgen. Und verlässt ebenso nonchalant die See, um sich auf die Suche zu machen. Die gravitätische Oktopusdame reist durch Heidelbachs majestätisch gemalte Landschaften, in denen sie gelegentlich mit den Wolken verschwimmt. Als sie bei Louis zu Hause am Kaffee­tisch sitzt, fragt Louis‘ Mutter: „,Haben Sie eigentlich einen Mann?‘ ,Nein‘, sagt Luises Mama, „und Sie?‘ ,Nicht mehr‘, sagt Louis‘ Mama, ,er ist mit einer Robbe durchgebrannt.'“ Da sage noch jemand, die Übergänge zwischen den Tier- und Menschenwelten seien nicht fließend. Nichts ist ohne Hintersinn in Heidelbachs Welt. Weshalb es nur einleuchtet, dass die je acht Arme von Luise und ihrer Mutter nicht nur zum Schwimmen und Kuchenessen gut sind. Sie eignen sich auch hervorragend zum Händchenhalten. Ab vier Jahren.

Boris, Babette und lauter Skelette

Kinderbuch

Temporeich und mit viel Humor erzählt dieser knallig-bunte Kindercomic vom Selbstfindungsweg einer kurios charmanten Ausnahmefigur. Babette, vor Jahren als Haustier gekauft, entzieht sich jeder Zuordnung. Sie hat Kleinkindgröße, gelbes Fell, kann sprechen, liebt Quizshows, Erdnussflips und alles Gruselige. Als ihre 16-jährige Besitzerin für ein Jahr verreist, übernimmt der jüngere Nachbar Boris die Verantwortung für sie. Bei seinen Bemühungen, Babette vor seinen Eltern geheim zu halten und ihr gleichzeitig ein geborgenes Zuhause zu schaffen, gerät er in einen fröhlich-chaotischen Trubel anstrengender Fürsorgearbeit. Insbesondere Babettes ausgeprägtes Bedürfnis, sich zu gruseln, bereitet ihm viel Mühe. Vor allem aber ist es ihre ungestillte Sehnsucht nach Zugehörigkeit, die Boris und damit die Lesenden tief anrührt und herausfordert. Ab 8.

Hier gibt es alle Medientipps als PDF: Medien_#5_2023

Pizza Randale

Bilderbuch

Warum können sich Eltern eigentlich nie benehmen? Essen sie zu wenig Pizza? Fehlen ihnen wichtige Lolli-Vitamine? Oder schauen sie einfach zu viele Nachrichten?

Dieses Buch weiß es auch nicht, aber es tröstet alle, die eigene Erwachsene zu Hause haben. Ab 3.

 

Hier gibt es alle Medientipps als PDF: Medien_#5_2023

Kind in der Kiste

Bilderbuch

Wenn man seine Eltern immer für sich hatte, ist es die reinste Zumutung, sie mit einem neuen Geschwisterkind teilen zu müssen. So geht’s dem Mädchen in „Kind zu verschenken“. Das Baby sehe aus wie ein Äffchen, findet das Mädchen, schreie und kacke nur herum. Was für eine Gemeinheit, dass die Eltern es den ganzen Tag betutteln! Das Kind beschließt, sich neue Eltern zu suchen, und setzt sich in eine Kiste, auf die es „Kind zu verschenken“ schreibt.

Was nun folgt, kann man seitenlang beobachten: wie es sich da auf der Straße feilbietet; wer nach und nach mit in die Kiste zieht – und sich wieder verabschiedet.

Das emotionale Wechselspiel des Kindes aus Wut, ­Traurigkeit und Zuversicht fängt Hiroshi Ito mit wenigen Strichen ausdrucksstark ein. Berührend und witzig zugleich! Ab 5.

Hier gibt es alle Medientipps als PDF: Medien_#5_2023

Dunkel war’s, der Mond schien helle

Bilderbuch

Ihr könnt hier die vermutlich längste Fassung des berühmten Kindergedichts entdecken:

Neue, unbekannte Verse von zehn Dichter*innen, darunter Heinz Janisch und Paul Maar, bringen frische Energie und jede Menge Spaß. Ein unterhaltsames Buch, das von Lyrikexperte Uwe Michael Gutzschhahn zusammengestellt und mit viel Sinn für Humor von Jens Rassmus illustriert wurde. Ab 4.

Hier gibt es alle Medientipps als PDF: Medien_#5_2023

Bis Eins zählen

Bilderbuch

Dass „Wie man bis eins zählt“ innerhalb des Genres Zählbuch etwas Besonderes ist, deutet sich bereits im Untertitel an. Die Warnung: „Und fang erst gar nicht mit größeren Zahlen an!“ ist Programm. In verschmitzter Unterforderungsgeste verlangt der Erzähler auf allen Doppelseiten das Zählen bis eins. Zu sehen ist zunächst ein roter Apfel auf weißem Grund. Es folgt ein grauer Elefant. Noch ist die Zählsituation klar. Aber dann wird es seitenfüllend bunter, gegenständlich komplexer und immer wieder auch skurril. Zu sehen sind etwa zwei große blaue Wale, aber gezählt werden darf nur das Würstchen auf der Fontäne des einen – woher das Würstchen kommt, wird nicht erklärt. Vielmehr geht es nun um das Spiel, um den Bruch mit Erwartungen. Es ist der Reiz des Verbotenen, von dem eine erzählerisch raffinierte Animation zum Zählen ausgeht. Humorvoll wiederholt der Text in immer neuen Wendungen, dass keinesfalls weiter als bis eins gezählt werden darf. Zugleich ist die Paradoxie dieses Verbots offensichtlich, denn auf jeder einzelnen der farbenfrohen Doppelseiten ergreift der vorauseilende Blick spontan Zählbares in zunehmend größeren Mengen. Für die Verschmitztheit des Erzähltons in direkter Leser*innenansprache findet die Übersetzung von Uwe-Michael Gutzschhahn Wörter und Sätze, die die spielerische Gesamtanlage aufs Beste unterstreichen. Ab 4.

Fuchs und Ferkel

Nominiert für den Deutschen Jugend- Literaturpreis 2023

Kinderbuch

Dieses Erzähl-Bilderbuch gestaltet den Spaß am Rollenspiel voller Fabulierlust aus. Fuchs spielt Arzt und Ferkel ist Patient. Statt mit einer Grillzange möchte Ferkel lieber mit Schokoküssen und Limonade therapiert werden. Um beides zu bekommen, wird die Pünktchenkrankheit erfunden. Diese bringt dem Ferkel zwar keine Schokoküsse, wohl aber Marzipantorte ein. Zugleich spricht sich die Therapiekunst des selbst ernannten Fuchs-Arztes bei den Tieren des Waldes herum und Behandlungswillige kommen in Scharen. An ein gemütliches Tortenessen ist erst wieder zu denken, als die schmerzhafte Büffelspritze ins Spiel gebracht wird und das Wiesenwartezimmer sich schlagartig leert.

Witzig und frech wird hier ein kunstvoll komponierter kleiner Lügenschwank erzählt. Die anthropomorphisierten Tiere laden zur Identifikation und zum Wiedererkennen eigener Spielerfahrungen ein. Autor Bjørn F. Rørvik gelingt ein erfrischend antipädagogischer Blick auf kindliche Spielpraktiken. Gekonnt verwischt er die Grenze zwischen erzähltem Spiel und spielerischer Fiktion. Der dialogreiche Text in der Übersetzung Meike Blatzheims ist ganz nah an kindlichem Sprachhandeln in Rollenspielen. Die colorierten Zeichnungen von Claudia Weikert ergänzen Witz, Schwung und Spritzigkeit des Textes kongenial. Ab 5 Jahren.

Mehr Nominierungen und ausgezeichnete Bilder-, Kinder- und Jugendbücher unter:
https://www.jugendliteratur.org

Schneelöwe

Nominiert für den Deutschen Jugend- Literaturpreis 2023

Bilderbuch

… entfaltet die poetisch-metaphorische Idee des inneren Wesens. „Ich bin ein weißer Schneelöwe“, verkündet ein kindlicher Ich-Erzähler zu Beginn des Buches und lädt die Lesenden ein, nach- und mitzuvollziehen, was es bedeutet, außen ein Kind und innen ein Tier zu sein. Das Schneelöwen-Ich des Erzählers bewegt sich geschmeidig durch Räume, hört die leisesten Töne und kann – wenn Unrecht geschieht – gefährlich knurren. So wie dem jungen Erzähler der Schneelöwe zum Spiegelbild und zur Projektionsfläche des Selbst wird, spricht er auch allen anderen Menschen innere Tiere zu. Werden sie entdeckt und in ihrer Vielschichtigkeit wahrgenommen, erhalten Selbst- und Fremdsicht neue Dimensionen und achtsame Tiefen.

Die direkte Ansprache der Lesenden verleiht dem leicht fließenden Text Nähe und Vertrautheit. Wo er Fragen stellt und Geheimnisse andeutet, schlagen die ganz in Blau-Weiß gehaltenen, mit Kugelschreiber gezeichneten Bilder Antwortmöglichkeiten vor und schaffen Räume für Magie und Phantastik. In einem Wechselspiel verschiedener Blicke nähern sich Heinz Janisch und Michael Roher den komplexen Fragen der Identität an.

Schneelöwe ist ein geheimnisvoll-selbstbezügliches Bilderbuch, das auf kunstvolle und vielschichtige Weise zu Entdeckungen im Buch, in sich selbst und in anderen einlädt. Ab 5 Jahren.

Mehr Nominierungen und ausgezeichnete Bilder-, Kinder- und Jugendbücher unter:
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