Kitaleiter Trampes Wiederkehr

Aus aktuellem Anlass: Langjährige wamiki-Leser:innen kennen ihn schon: Kitaleiter Trampe, der 2016 die Leitung der Kita „Schneckenhaus“ übernahm, den Kindergarten „wieder großartig“ machen wollte und am Ende kleinlaut von dannen schlich…

 

Und dann war Trampe wieder da. Nicht plötzlich, er lungerte schon monatelang vor der Kita herum und quatschte täglich die Eltern an, wenn sie ihre Kinder brachten. Ob sie ihn nicht vermissen, fragte er scheinheilig. Wenn die dann mit ihrem Keine-Zeit-Blick an ihm vorbei zogen, polterte er oft hinterher: „Das bleibt mein Haus, ich lasse es mir nicht stehlen!“
Bei den jährlichen Elterngesprächen gab er sich als Pate von Miri und Jerri aus. Er bestand darauf, dabei zu sein, auch wenn die Eltern nichts von dieser Patenschaft wissen wollten. Und auf jeder Elternabend-Einladung stand plötzlich mit krakeliger Edding-Schrift: „Punkt 1a: Wiedereinsetzung des rechtmäßigen Kitaleiters Trampe“.
Das war so ein Stress, dass jemand vom Träger sich mit der Elternvertretung ins Benehmen setzte und fragte, was man denn da machen könne. Um Ruhe reinzukriegen, beschloss der Trägerausschuss schließlich schweren Herzens, Trampe die Kita wieder leiten zu lassen. Dagmar, die bisherige Leiterin, war eh durch das Theater im Burnout gelandet. „Vielleicht hilft es“, sagte Prälat Knödler vom Gemeindeausschuss schließlich salbungsvoll, „wenn man solche Leute und ihre Anhänger nicht ausgrenzt, sondern ihnen eine Chance gibt, sich zu beweisen.“


Nun zog Trampe also mit großem Pomp wieder in sein Büro ein und wollte erst mal alles umkrempeln. Dem Raum sah man das schnell an, denn Ordnung konnte Trampe nicht.
Danach kam die Kita dran. Hedda und Hernandez flogen am ersten Tag aus dem Team und wurden durch Trampes Nachbarin Käthe und deren Tochter ersetzt, die er als Babysitter seiner Kinder während eines Kinobesuchs Anfang der Neunziger zu schätzen gelernt hatte. Seine Tochter Imelda setzte er als Erzieherin der Schildkröten-Gruppe ein, mit zusätzlicher Fachberatungs- und Überwachungsfunktion für die Elefanten-Gruppe, denn das seien „ganz unsichere Kantonisten“.
In den ersten Tagen waren die Kinder völlig durch den Wind und ließen sich kaum beruhigen. Imelda kiffte draußen hinterm Klettergerüst, und Trampe versuchte, uns mit markigen Sprüchen zu motivieren.

Eines Tages entdeckte er das Thema Pädagogik und ließ alle Bücherkisten durchforsten: Erst kamen Bilderbücher weg, in denen freche Mädchen die Hauptrollen spielten. Trampe ersetzte sie durch Enid-Blyton-Bücher aus den Fünfzigern. Als wir sagten, dass die Kinder doch noch keine Romane lesen, fragte er patzig: „Soll ich Ihnen Ihren Job erklären?“ Über ein Bilderbuch regte er sich besonders auf: „Ist die jetzt ein Mädchen oder eine Junge? Und wieso verwandelt die sich in einen regenbogenfarbigen Schmetterling? Weg mit der woken Raupe Nimmersatt!“ Wir mussten Abbitte leisten und zur Läuterung mit unseren Gruppen im Morgenkreis tagelang alle Strophen von „Drei Chinesen“ singen. Mit Umlauten und Ypsilon!

Manches kannten wir schon von früher. Wie bei Corona gab es wieder geschlossene Gruppen, die sich nur trafen, wenn sie bei den „Kitajugend-Spielen“ wöchentlich gegeneinander antraten, um den Wettbewerb zu stärken. Auf einem riesigen Display konnte man lesen, dass die „Kampfbereiten Bussarde“ gerade gegen die „Mächtigen Adler“ – scheiß neue Gruppennamen! – mit 256 Punkten führten. Wenn man denn lesen konnte…

Die Kinder waren verwirrt. Zwar gab es keine Verbote mehr, aber sie verstießen dauernd gegen irgendwelche Regeln. Doch manche checkten schnell, dass das neue System neue Möglichkeiten bot: Zum Beispiel konnte man als Gruppenführer der „Mächtigen Adler“ nicht nur über die Gruppenmitglieder bestimmen, sondern sich beim Essen auch die besten Stücke rausfischen und den Tischspruch auswählen: „Zickezacke Kinderkacke!“

Zunehmend wurde es ungemütlich bei uns. Ewige Bauarbeiten nach dem unbedachten Abriss tragender Wände unter der Turnhalle, und trotz „strengster Haushaltssperre“ wurden täglich neue Möbel angeschafft, die dann unausgepackt die Räume füllten.
Der neu installierte „Stabsstellenleiter für die pädagogische Koordination“, vorher als Gemeindearbeiter Fritz bekannt, nervte uns mit unklaren Anweisungen, die er am nächsten Tag auf Befehl von Trampe wieder zurücknahm und angeblich nie geäußert hatte. Schuld waren immer wir, erfuhren wir in täglichen Personalgesprächen, in denen es nicht nur zu Abmahnungen kam, sondern auch zu Spontan-Entlassungen ganzer Gruppen-Teams, die Trampe kurz darauf aufhob und höchstselbst ins Telefon flötete: „Könnten Sie sich vorstellen, trotz Ihrer Entlassung wieder für uns tätig zu werden?“

Aber es war nicht alles schlecht. Als unsere Kita den Kitapreis bekam, waren die Eltern und Kinder überglücklich. Obwohl ein bisschen Schmu dabei war. Wegen des Turnhalleneinsturzes mussten wir das Bewerbungsvideo im Nachbarkindergarten drehen.

Doch dann, das muss man sich mal vorstellen, stürzte unser Chef über seinen eigenen Erfolg. Das war der Tag, an dem Trampe uns befahl, alle Kapla-Steine wegzuwerfen, weil der Bruder seines Schwagers uns selbst­erfundene dreieckige Legosteine aus der Insolvenzmasse seiner Firma verkauft hatte. Für 65.000 Euro! Aber Trampe hatte nicht bedacht, dass die Gruppenführer der „Mächtigen Adler“ ihre gewaltigen Verteidigungsburgen ausschließlich aus Kapla-Steinen bauten. Als Trampe in den Bauraum kam und die Steine von seinem „Stabsstellenleiter“ Fritz wegkarren lassen wollte, attackierten ihn die Kinder mit ­scharfen Kapla-Schüssen. Seit der Abschaffung des Waffenverbots in der Kita bauten sie nämlich immer bessere Zwillen.
Trampe griff sich schmerzerfüllt ans Ohr und brüllte: „Kämpft, kämpft!“ Das verstanden zwei Mädchen als Aufforderung und warfen ihm das Buch „Nesthäkchens Backfischzeit“ in den Nacken. Trampe ging hinter Fritz in Deckung und jaulte: „Mit euch spiel ich nie wieder!“ Danach drehte er sich um und rannte davon, immer weiter weg, bis man nur noch ganz hinten ein orange­rotes Pünktchen erkennen konnte. Seitdem ist Ruhe.

Lernziel Deutschness

Ja, Deutschland ist kein easy-peasy-Land, sondern eines, dessen sperrigen Charakter die Eingewöhnung erschwert.

Gut, dass der deutsche Kindergarten seinen Auftrag ernst nimmt und die jüngsten Landeskinder darauf vorbereitet, was es heißt, deutsch zu sein.

Die folgenden pädagogischen Instrumente erleichtern es, das Lernziel Deutschness zu erreichen. Weiter lesen

Unterwegs in Autokratien

Michael Fink besucht die pädagogischsten Mini-Diktaturen der Welt. Weiter lesen…

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Demokratie in ­Kinderhausschuhen

Hier gibt es Satire in PDF-Form: Satire Demokratie_#3_2024

Es ist neun Uhr. Im demokratischen Kindergarten in Svenjas und Birgits Okapigruppe geht um diese Uhrzeit die Partizipation so richtig los, denn es beginnt der Morgenkreis, wo sich alle Kinder zum Kreis versammeln … möchten, dürfen – und für euch zwei dahinten auch sollen! Möchtest du, lieber Leser, daran freiwillig teilnehmen – oder brauchst du dafür ne Extraeinladung?

So, Kinder, setzt euch mal! Na komm, Jonas, da sind noch viele Plätze frei. Und du darfst entscheiden, wo du sitzt! Ach, Moment … neben Lewis bitte nicht, das klappt nicht. Neben Marvin auch nicht, wegen vorhin … Also, tja, du darfst entscheiden, ob du neben Adalbert sitzt oder … äh, ähem, … du darfst entscheiden, DASS du neben Adalbert sitzt.

Svenja schiebt Lewis neben Gloria und Jonas neben Sara – jetzt haut es hin. Sie setzt den hibbeligen Marvin neben sich und umfasst ihn mit festem Griff, um sein Bedürfnis nach festem Griff zu erfüllen.

So, Kinder, wir beginnen! Wer weiß, womit wir immer unseren gemeinsamen Kreis beginnen wollen? Nein, ganz bestimmt nicht damit, Lewin. Wir wollen den Kreis mit unserem gemeinsamen Ritual anfangen: mit dem Datum! Wir wollen doch wissen, was für ein Tag heute ist! Wie bitte, Svea, dir ist das egal? Entschuldigung, das ist gemein für die anderen Kinder, die sich schon darauf freuen, das Kalenderblatt heute abziehen zu dürfen und zu erfahren, dass heute Mittwoch … Wie, dir ist es auch egal und sowieso dir und dir auch? Tja, ich und Birgit und sicher auch ein oder zwei Kinder finden es aber auch spannend, gleich den Wochentag zu erfahren. Stimmt es, Anna-­Luisa, du willst das auch wissen, oder? Damit sind wir dann schon drei, Ihr seid mehr – aber auch eine Minderheit hat Rechte, jawohl!

Anna-Luisa zieht mit nervösen Fingern ein Kalenderblatt ab und versucht es mit – oder trotz? – Unterstützung von Birgit an die Magnetwand zu heften. Nach Aufforderung von Ramona lässt sie ein leises Flüstern vernehmen, das die Erzieherin mit „Richtig, es ist Mittwoch, der fünfte Oktober!“ übersetzt.

So, Kinder! Wer ist heute unser Lied-Aussuche-Kind, wer meldet sich? Du, Greta? Na, aber du warst doch schon gestern dran. Du kannst höchstens bestimmen, wer heute Lied-Aussuche-Kind wird. Ach so, du warst vorgestern Lied-Aussuche-Bestimmer-Kind…? Nee, dann macht das Joris, Joris war lange nicht mehr dran. Wen bestimmst du als Lied-Bestimmer-Kind? Joris, was? Du schlägst Greta vor? Hm, möchtest du nicht vielleicht ein anderes Kind auswählen, was lange nicht mehr dran war mit Liedauswählen, zum Beispiel unsere Lisa? Wen nimmst du, sprich doch bitte lauter, damit wir dich besser verstehen? Lisa? Fein! Lisa, du darfst das Lied aussuchen!

Lisa, du möchtest „Der Plumpsack geht um“? Hm, das hatten wir ja nun gerade gestern. Ich glaube, die anderen Kinder und ich auch würden sich freuen, wenn heute mal ein anderes Lied drankommt, zum Beispiel „Was machen wir hier so gerne im Kreis“! Nein, Marija, du bist heute nicht dran, du kannst NICHT „Rummelbummel“ wünschen. Rummelbummel kommt nur dran, wenn Lisa sich das wünscht. Lisa, magst du dir „Was machen wir hier so gerne im Kreis“ wünschen? Ooch, doch lieber „Rummelbummel“? Nun gut, das ist Demokratie, ich akzeptiere das. Obwohl ich das Lied nicht mag…

Es ist 9:50. Gewissenhaft führt Torben als heutiger Rummelbummel die mit dieser Rolle verbundenen Gesten aus und marschiert um den Kreis, aus dem leider, leider einige Kinder immer wieder auszubrechen versuchen, aber im Interesse des amtierenden Rummelbummels von Birgit mit sehr bestimmtem Griff davon abgehalten werden. Ramona notiert derweil, wer heute an welchem Spiel partizipativ beteiligt war, um morgen auch anderen Kindern den Wunsch nach Einnahme der Rolle des Rummelbummel gewähren zu können – gelebte Demokratie!

So, Kinder! Jetzt seid ihr gefragt! Morgen ist doch wieder unser Ausflugtag, und deshalb besprechen wir – Norman, wenn dir das egal ist, dann störe nicht die, die das wissen wollen! – besprechen wiiiir – leg das mal weg, Rick! – besprechen wiiiiir – hört das mal auf, Lara? – welchen Ausflug wir morgen machen wollen.

Wer eine Idee hat, der… ja, Lara, du meldest dich? Nach was – Florida? Laralein, das ist ja ein lustiger Vorschlag, aber Florida ist ganz, ganz weit weg! Rick, wer sich nicht meldet, darf nicht mitentscheiden, nehme ich lieber unseren Dani dran. Dani, du möchtest – zu Burger King? Also, ich weiß ja nicht, das kannst du mit deiner Familie…Wisst ihr was, ich hab einen besseren Vorschlag für euch: Wir können zum Kindertheater gehen, da gibt es morgen den „Gestiefelten Kater“! Wer ist dafür – stopp, stopp, frage ich es anders: Wer hat einen sinnvollen Gegenvorschlag? Also das heißt, ihr habt entschieden, und wir gehen ins Theater. Ich habe zum Glück auch rechtzeitig Karten gekauft, vorgestern …

Zehn Uhr. Es beginnt die partizipative, gleitende, frei wählbare Frühstückspause mit offenem Frühstücksbüffet.

So, Kinder, es ist Frühstückszeit! Schaut, was für ein herrliches Büffet Irina, unsere Köchin, für euch aufgestellt hat! Mmmh, mit Obst und Marmelade und Käsebrot, da weiß man ja gar nicht, was man sich zuerst nehmen soll, stimmts, Kinder?

Oh. Moooooment, stopp, Malte! Wir haben eine Verabredung: Erst nehmen wir uns ein Käsebrot oder eins mit Kinderstreich-Tomate, und erst danach gibt es Schoko­creme. Du willst beides gleichzeitig, Lisa? Nur, wenn du versprichst, erst das salzige Brot zu essen und dann die Schokokreme, sonst bleibt am Ende der leckere Käse übrig. Nora: Was ich zu Schokocreme gesagt habt, gilt auch für Marmelade!

Zehn Uhr 15. Um den Kindern der anderen Gruppen die Chance zu geben, den Platz der Elefanten- und Giraffen­gruppe am partizipativen, gleitenden, frei wählbaren Frühstücksbüffet einnehmen zu können, motiviert Birgit die Kinder, möglichst zügig die Cafeteria zu verlassen.

So, Kinder, jetzt ist Freispielzeit! Alle Kinder können jetzt spielen, wooo sie wollen! Aber, Moment, die großen Okapis gehen jetzt bitte ALLE in den Garten, weil die ja nachmittags beim Sport sind, und eure Eltern wollen schon, dass ihr einmal pro Tag draußen seid! Moooomentchen, Sara, du gehst bitte nicht raus, du musst zu Förder, und Jakomo geht auch nicht raus, der bleibt bei mir, bei dir klappt das heute nicht. Moooooment! In den Hecken wird aber nicht gespielt, und wenn ihr das nicht hinkriegt, dass jeder mal auf die Schaukel darf, stell ich mich mit der Stopp­uhr dahin!

Elf Uhr. Die Kinder partizipieren am Freispiel in Garten und den Spielräumen. Birgit summt gedankenverloren beim Aufräumen ihr Wunschlied „Was machen wir so gerne hier im Kreis? Dreht euch, dreht euch …“ Ramona schaut ihr zu – und äußert einen Geistesblitz:

Demokratie wäre so toll, wenn die Kinder von sich aus täten, was richtig ist …

 

Illustrationen: Tasche

Frühsex zum Lichterfest

DIE IRRE WELT DER KITA-FAKENEWS „Mettbrötchen, Schweineschnitzel und nicht-halal Gummibärchen sind normal in Deutschland – alles andere ist nicht normal und wird auch mit der AfD niemals die Norm werden.“ Mit diesem kämpferischen Originalzitat von Beatrix von Storch möchte ich Dich, lieber Leser – nix Innen, nicht -endeR, wo kämen wir denn da hin! –,…

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Lost in Mikro-­Transition

Lieber Leser oder liebe Leserin,

herzlich willkommen in diesem Text! Ich hoffe, dass Du viel Freude mit den von mir ausgewählten Buchstaben, Wörtern und Sätzen hast. Mach es Dir einfach gemütlich beim Lesen und erfahre, was ich über Mikro-Transitionen zu berichten habe. Das Wort klingt vielleicht kompliziert. Aber hinter dem Begriff verbirgt sich etwas ganz Einf…

Moment! Jetzt muss ich kurz mal unterbrechen und zu einem anderen Text wechseln. Aber mein Kollege Autor 2 übernimmt und macht das auch ganz toll. Also, packe bitte Deine Gedanken oder Fragen ein und geh runter zum nächsten Absatz.

Hey, LeserIn, wie geht’s? Du willst lernen, was Mikro-Transistoren sind, sagte mein Kollege, der Autor 1. Das sind die winzigen Bauteile, die in moderne Radios eingebaut werden und dafür sorgen, dass…

Ah! Sorry! Mikrotransitionen, nicht Transistoren, ok! Das habe ich in der Hektik der Übergabe falsch verstanden. Aber kein Problem, über Mikrotransitionen weiß ich auch Bescheid. Warte bitte… So, gleich! Wenn Du drängelst, geht es auch nicht schneller.

Jetzt bin ich soweit! Ich habe Dir hier lauter Wortbausteine bereitgelegt, mit denen Du spielend und selbst­tätig erforschen kannst, was Mikrotransitionen sind und welche Bedeutung sie für Kinder haben. Schau, da liegt der blaue Baustein „Aktivitäten“, daneben der rote „Stress­potential“, dann gibt es noch den gelben „Raum“, „Der abrupte Wechsel von“ ist grün und lila sind „Spielpartner“ und „Bezugspersonen“. Außerdem liegen da noch Kommata und ein langes „verursacht bei Kindern erhebliches…“. Ha, ich sehe, Du fängst bereits an, den ersten Satz zu bauen…

Was? Ist mein Einsatz als Autor 2 schon zu Ende?

Moin, liebeR LeserIn! Räum mal diese Satzbausteine beiseite, wir brauchen jetzt Platz.

Also, ich bin Autor 3 und möchte Dir etwas über die Gestaltung kindgerechter Mahlzeiten erzählen: Nach Ansicht von Evolutionsbiologen lehnen Kinder Gemüsesorten wie Brokkoli und Rosenkohl ab, weil deren grüne Farbe evolutionär als giftig empfunden wurde, während knallrote Früchte wie Erdbeeren, Tollkirschen oder Fliegenpilze…

Wie bitte? Du möchtest lieber wissen, was Mikrotransitionen sind? Die sind jetzt aber nicht dran. Unser Thema ist die farbsensible Gestaltung von Kindermahlzeiten im interpartizipativen Subkontext nonformeller Ko-Konstruktion. Also, das ist so…

Moment, warte kurz, LeserIn 2, 3 und 4 melden sich gerade an.

Setzt euch bitte zusammen und freundet euch gleich ein bisschen an, dann lernt es sich besser. Wir bilden Gruppen: LeserIn 1 und LeserIn 4, findet bitte durch gründliches Lesen heraus, warum violette Früchte wie Auberginen bei Kindern besonders beliebt sind. LeserIn 3 und 2 erkunden inzwischen…

Halt, ich muss kurz was klären! Wer ist alles abgeholt? Ok, für LeserIn 2 endet jetzt die Lesezeit, und LeserIn 4 liest bitte drüben im „Lebensmittel-Kurier“ weiter, und zwar den Text auf Seite 4 über den pink-grün gestreiften Hybridkürbis „Elvira“.

Dafür bekommst Du, LeserIn 1, jetzt LeserIn 3 als PartnerIn. Außerdem kommen noch LeserIn 14 und LeserIn 46 aus der anderen Gruppe dazu. Die kennt Ihr nicht, aber das sind zwei ganz Nette…, glaub ich zumindest. Macht es Euch auf dem Teppich gemütlich und fangt an.

Wenn Ihr Fragen habt: Autor 4 passt gleicht auf Euch auf. Ich bin raus – tschau Kakao!

Darf man erfahren, was hier los ist, Leute? Bei mir, dem Autor 4, wird anständig am Tisch gelesen und nicht rumgequatscht! Holt Eure Hefte raus und schreibt Eure Erkenntnisse aus dem Text von letzter Woche nieder, dem über Makro-Traktoren. Dabei möchte ich keinen Mucks hören!

 

. . . . . . . . . . . . . . . . . Psst! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

 

Wie bitte, farbsensible was? Das ist gerade nicht das Thema, LeserIn 1! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . So, abgeben bitte! Ihr drei kommt mit mir, und LeserIn 1 bleibt noch kurz hier.

Hej! Hier bin ich wieder, dein Autor 1! Wie ist es Dir ergangen seit dem ersten Absatz? Hast Du herausgefunden, warum Mikrotransitionen einfühlsamer Gestaltung bedürfen?

Was ist denn los? Du bist ja heute ganz durcheinander! Hektisch, rappelig, unkonzentriert, regelrecht nervig! Und über Mikrotransitionen hast Du nichts herausgefunden? Sorry, aber Ihr LeserInnen werdet immer anstrengender, als ob Ihr ADHS, Autismus oder beides zusammen habt. Das können wir Autoren nicht mehr allein stemmen, da brauchen wir professionelle Hilfe. Bitte warten, Kollege kommt gleich.

Guten Tag! Ich darf mich vorstellen: Autor 5, tätig als LeserInnenpsychologe! Lassen Sie mich raten, was Sie zu mir führt: Mikrotransitionsbewältigungsprobleme?

Foto: Mathias Arlund/unsplash

Mit halber ­Fachkraft voraus:

Neue Wege gegen Personalmangel

Vitamin-C-Mangel, Heißmangel, mangelhaft. Wörter mit der Buchstabenfolge „mangel“ sorgten schon immer für Angst und Schrecken. Jetzt hat sich der Fachkräftemangel wie ein Schatten über unsere sonnige Kitawelt gelegt, und Experten fragen sich, wie es plötzlich dazu kommen konnte. Wurden als Kinder getarnte feindliche Agenten in unsere Kitas geschleust, um durch explodierende Gruppengrößen für Chaos zu sorgen? Haben Ideologen unseren Frauen ausgeredet, in Jobs zu arbeiten, in denen man knappe Gehälter durch üppiges freiwilliges Engagement kompensieren kann? Egal, jetzt ist das Kind in den – wegen Fachkräftemangel schlecht beaufsichtigten – Brunnen gefallen und kann auch nicht mehr herausgeholt werden. Also zählen technologieoffene Lösungen wie die folgenden aus verschiedenen deutschen Bundesländern.

Hier gibt es den Artikel als PDF: Fachkraft Satire_#4_2023

 

Auf Erziehungstour durchs Erzgebirge

Im überalterten und dünn besiedelten Landkreis Ohrenhau kann man auf erprobte Lösungen aus der Seniorenbetreuung zurückgreifen: „Dybisch füo ünzre Reckjön…“
– Moment, schnell den Google-Dialect-Translater anstellen – „… sind ja diese Mini-Autos vom Pflegedienst, die oft für die letzte Bewegung über Land und von Omi zu Opi sausen. Wir haben das Prinzip erweitert und sogenannte Kinderbetreuungsstützpunkte eingerichtet. Hier werden jeweils drei bis vier Kinder gesammelt, die dann mehrmals täglich vom Pflegedienst besucht werden. Manche Leistungen wie Apetito-Happen erwärmen oder kämmen ähneln den in der Altenpflege üblichen; dazu kommen neue Zusatzaufgaben wie drei Minuten Morgenkreisgespräch pro Kind und zweieinhalb Minuten Feinmotorik-Training…“

Aber reichen denn dreimal fünf Minuten Betreuungszeit für ein Kind? „Für die Durchschnittskinder schon. Kinder mit höherem Bedarf, etwa wegen schwierigem Sozialverhalten, können bis zu sechs Besuche a 10 Minuten pro Tag bekommen. Das ist fast mehr Aufmerksamkeit als in der klassischen Kita! Voraussetzung ist natürlich der ermittelte Bedarf. Wir sprechen da von den Kategorien Flegelstufe I und II…“

Moni oder Tonie?

Vanessa kommt heute nicht? Was früher für Eltern­panik und verunsicherte Kinder gesorgt hätte, wird heute in der Kita Okapigehege in Berlin-Hopsenrade souverän bewältigt: dank des Konzeptes der KI-Ki-Ta. Natürlich steht das erste KI für künstliche Intelligenz. Die Kita, Fan der Tonie-Box1, ließ für alle Kolleginnen Toniebox-­Figuren herstellen. Fehlt eine Kollegin, wird die entsprechende Figur auf die Tonieboxen der Kita gesteckt und übernimmt nun akustisch deren Aufgaben. Zwar konnte anfangs nur die für den Hortbereich zuständige Hildegard glaubwürdig ersetzt werden, deren Satzrepertoire im Wesentlichen aus „Jeh da ma’ fix runta“ und „Mütze uff, aba dalli“ bestand. Doch heute arbeitet man mit ChatGPT, was schon nach dem ersten Elterngespräch mit der Toniebox-Figur von Sonja für Begeisterung sorgt: „Im Prinzip waren es nur Floskeln – aber wunderbar beruhigend…“

Personalersatz mit Herz und Schnauze

Digitale Erzieherinnen? Nichts für uns, findet Steffi Stremel aus dem Jugendamt Warmemüde: „Kinder brauchen Erzieherinnen aus Fleisch und Blut!“ Begeistert berichtet sie vom Visionsworkshop der Gemeinde, bei dem die Teilnehmenden sich nicht von den schlechten Bedingungen herunterziehen lassen, sondern sich erst mal auf ein Bild ihrer idealen Kita-Fachkraft einigen sollten. Bald war klar: „Ein Freund für die Kinder soll sie sein, trotzdem natürliche Autorität haben, gut ausgebildet, dem Arbeitgeber treu und in hohem Maße einsatzbereit sein.“ Sofort war klar: Freie Erzieherstellen werden ab sofort durch Hunde besetzt, natürlich mit Hundeschulausbildung. „Sie können sich nicht vorstellen, wie das flutscht“, strahlt Steffi Stremel. „Wenn Erzieherin Gabi beim Morgenkreis was vorsingt und die Kinder reinquatschen, dann knurrt Kollege Bello kurz, und schon sind alle mucksmäus­chenstill. Corona hatte für einen Mangel an Personal und gleichzeitig für einen Überschuss an Haustieren gesorgt. Warum nicht eins und eins zusammenzählen?“

 

Zoom für alle!

Auch Fachberaterin Margot Ahlers vom Kreisjugendamt Vorderwülbekke versucht, aus der Pandemie positive Lehren im Sinne guter Personalbesetzung zu ziehen. Insbesondere „dieses Zoomen“ hat es ihr angetan. Auf einer riesigen Monitorwand zeigt sie, wie das Anti-Personalmangel-Konzept des Kreises aussieht: „Von diesem ehemaligen Isolationsraum der Kita Zwergplaneten aus kann sich unsere Zoom-Erzieherin Bärbel bei Bedarf in bis zu 32 von Personalausfall betroffene Kitagruppen zuschalten, um für fachgerechte Beaufsichtigung zu sorgen. Hallo, Bärbel!“ Etwas ruckelnd grüßt die Erzieherin mit einem herzlichen „Ha-a-lllooo!“ zurück.

Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit, so Margot Ahlers, sei es durchaus sinnvoll, die Kinder wieder – wie bei Corona hervorragend eingeübt – in klassischen Gruppenräumen zu versammeln. Zweitens sorge es natürlich für die Entlastung der am Bildschirm agierenden Erzieherin, wenn sie nicht 32 unterschiedliche Aktionen animieren müsse. „Um die Bildschirm-Kollegin nicht durch Überlastung auch noch zu verlieren, gibt es ein nach wissenschaftlichen Kriterien optimal ausgewähltes Standard­angebot für alle 32 Bildschirmgruppen. Heute ist das zum Beispiel, Bärbel, helfen Sie mir auf die Sprünge…“

„Sommerliches Bügelperlenbasteln!“

Schlafwache statt Strafsache

„Keine Lust auf Kita? Viele Menschen…“, erklärt Dr. Gneißlhofer vom Bayerischen Bildungsministerium gesten­reich, „… würden sofort im Kindergarten anfangen, wenn es diese hohen, allzu hohen bürokratischen Hürden nicht gäbe. Muss man zum Beispiel wirklich Kindheitspädagogik studiert haben oder eine Fachausbildung zur Erzieherin machen, um Kinder betreuen zu können? Meine Frau zum Beispiel hat unsere Großen auch ohne Ausbildung hervorragend erzogen, unseren – na, wie heißt er noch…“ Nach kurzem Stottern kommt Gneißlhofer wieder auf den Punkt und stellt sein Ausbildungskonzept vor, die sogenannte 22-Stunden-Umschulung zum Erzieherhelfer-Ersatzhelfer mit Kinderpflegerinnen-Unterstützungs-Hilfsfunktion. Weil der reguläre Arbeitsmarkt auch dafür wenig Kapazitäten bietet, hat das Land eine neue Quelle erschlossen, die der verurteilten Straftäter. Das Konzept setze, so Gneißlhofer, an persönlichen Vorerfahrungen und Kompetenzen an, die der Umzuschulende mitbringt: „Ronny zum Beispiel ist ein verurteilter Stalker – ideal geeignet für die lückenlose Beaufsichtigung und detaillierte Beobachtung von Kindern. Und wer wie Eberhard Menschen zu illegalem Glücksspiel verleiten kann, hat doch das ideale Knowhow, um Kinder für das Halmaspiel zu begeistern, oder?“ Besonders freue er sich auf die bald in großen Mengen verurteilten Mitglieder der letzten Generation, denn „wer sich mit dem Kleben auskennt, ist am Basteltisch gerade recht“.

Foto: Susann Städter / Photocase

Yoga fürs Kita-Personal

Der Beruf ErzieherIn gibt uns unendlich viel: Dieser dankbare Blick aus Kinderaugen! Dieses liebevoll verpackte Wellness-Set mit den Teesorten „Hol dir Kraft“ und „Die Ruhe selbst“, für das jedes Elternpaar einen Euro beigesteuert hat! Diese herzliche Anerkennung durch den Träger, die man nicht mit Gold aufwiegen kann – schon gar nicht mit dem mickrigen Tabellengehalt der Gruppe E8a.

Trotzdem brauchen auch ErzieherInnen Zeit, um wieder zu sich zu kommen. wamiki, das Kümmer-­Magazin für geschundene PädagogInnenseelen, lädt hiermit zum gemeinsamen LeserInnen-Yoga ein!

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I ´ll be watching you

9 Fragen zur Kindersmartwatch Früher war der Mensch das intelligenteste Wesen der Welt. Heute tritt er seinen Platz gerne ab – an den intelligenten Kühlschrank oder den pfiffigen Saugroboter. Und seinem Nachwuchs bindet er zum Ausgleich für dessen Beschränktheit eine hochintelligente Uhr um. Fragen wir mal einen Experten, was so eine Smartwatch für Kids alles…

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Erzieher*innenwitze

Über fast jede Berufsgruppe gibt es Witze: über Jäger („Treffen sich zwei Jäger, beide tödlich“), über Beamte („Unterschied zu Holz? Das arbeitet!“), über Elektriker („Unterschied zu Milchreis? Der mit Zucker und Zimt, der im Zimmer und zuckt.“), und wir kennen alle mindestens zwei uralte Lehrerwitze.

Nur über Erzieher*innen gibt es im ganzen Netz keinen vernünftigen Witz. Das muss anders werden! Hier sind, frisch aus der wamiki-Witzmanufaktur, die ersten Produkte mit der munteren Erzieherin Grete.

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