Das Märchen von der Chancen­gleichheit im ­Bildungssystem

Es waren einmal zwei Kindertagesstätten am Rande einer großen Stadt – der „Kindergarten Goldfasan“ und die „Kommunale Kindertagesstätte Kirchenmäuse Römisch Zwei“. Der Kindergarten „Goldfasan“ befand sich in Trägerschaft einer unermesslich reichen Fee. Die Kita „Kirchenmäuse“ unterstand einer armen Fee, die ihre Kinder nichtsdestotrotz genauso lieb hatte. Weiter lesen

In der Ruhmeshalle der Pädagogik

Maria M., Rudolf S. und Ellen K. haben es mit klugen Ideen in die Hall of Fame der Pädagogik geschafft und spätere Generationen inspiriert. Andere ihrer Ideen sind vielleicht etwas in die Jahre gekommen, oder? Weiter lesen…

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Total lost

Eine Online-Fortbildung in drei Akten

Hier gibts den Artikel als PDF: TotalLost_Satire_#3_2021

 

 

1. Akt: Der Seminarstart

Iphone 2 (ohne Bild):

Hallooo? Hallooo?

Der Herr Referent:

Ja, ähem, sind schon alle da? Also, es ist jetzt quasi Neun… Oder konkret viertel nach. Ich begrüße Sie oder besser euch zu diesem Seminar und freue mich, dass doch immerhin fünf von zehn Teilnehmer-Innen da sind und die anderen bestimmt noch dazu stoßen werden…

Die schöne Kira (blickt von schräg oben auf ihre Kamera. Sieht ihr grotesk das Bild dominierende Doppelkinn, erschrickt und positioniert ihr Handy neu, sodass sie nun vorteilhaft von schräg unten in die Kamera blickt, allerdings mit ausgestrecktem Arm)

Vanessa Krüger (tippt mit verstohlenem Gesichtsausdruck im Chat)

Der Herr Referent:

Ähem, Vanessa ist richtig, oder? Also wenn du wirklich um 12.15 Uhr zur Hautarzt-Akutsprechstunde musst, dann geh halt in der Frühstückspause. Man darf diese Pilz-Sachen nicht unterschätzen… Äh, oder war das jetzt intern?

Herta Knäbler (mit kräftiger Altstimme):

Gudde Moie! Isch bin es, Herdda, un des is fer misch es erschde Mol mit dem Onlein. Isch hoff, isch krieg des alles gutt hin und drigg net irschendwo uff de verkehrde Knobb druff.

Der Herr Referent:

Hallo, Manf… Äh, Herta, darf ich erst mal deinen Namen ändern – zack, zack… Äh, hörst du uns noch? Wir sehen plötzlich nur schwarz in deinem Fenster. Wenn du uns noch hörst, drück doch bitte unten links auf „Video starten“, dann müsstest du automatisch…

Herta Knäbler (aus dem Off, sehr laut):

Audomaddisch, herrje! Des is net meins, des Onlein! Ei, jetzt is do nunnoch des Fenschder, wo mer in den Indernet reischreiwe muss, au weia!

Vera und Nora (leider aufgrund erheblicher Nebengeräusche kaum hörbar):

Wir woll… – RSSSCH – nicht rummeckern! Aber wie kommt es… – DSZZZZZZZ, KNÄRZ – wir eine halbe Stunde im Wartebereich vergessen werden, ohne dass… – RRRRSCHT, SCHSCHSCHT…

2. Akt: Eine Stunde später, nach der ersten Arbeitsphase in den Breakout-Rooms

Der Herr Referent:

Danke, Annika, für deine flotte Vorstellung eurer Gruppenergebnisse. Trotz eines technischen Problems haben wir das Wesentliche, ähem, glaub ich, herausgehört. Wer macht weiter? Ah, Herta meldet sich. Bitte, Herta!

Herta Knäbler:

Der Herr Referent:

Einen Moment, Herta, halt. Vergiss bitte nicht, das Mikro einzuschalten.

Herta Knäbler (gestikulierend):

…! … … … …? …!?

Der Herr Referent (wie alle anderen winkend):

Wir hören nichts, wir hööö… Hörst du uns? Du musst das Mikrofon aktivieren! Links unten oder von hier aus rechts unten.

Herta Knäbler (nickt hektisch, sucht durch den Weitsichtigkeits-Bereich ihrer dicken Brille ergebnislos den Bildschirm ab, verschwindet seufzend aus dem Bild. Ihr Kamerafenster zeigt fortan ein behagliches, ländlich-rustikales Wohnzimmer mit Blumenfenster)

Die schöne Kira (erst selbstvergessen die Lippen zum Duckface schürzend, dann erwachend): Äh, sorry, bin ich dran? Also ich bin die Kira aus em Kinnergadde in Maudach…

Vanessa Kröger (lautstark, vom Bildschirm abgewandt):

NEIN, DIE MAMA HAT KEINE ZEIT FÜR DICH! Entschuldigung, mein Sohn hat Homeschooling, der ist leider schon 14. JEROME, DU FÄNGST SOFORT MIT MATHE AN!

Vera und Nora (mit roten Gesichtern gegen das Rauschen anschreiend):

Egal, ob jetzt abst – RRRRRRTTTTTT – nicht! Uns einfach im Breakout-Room zu vergessen, das geht gar nicht! Da möchten wir uns beschw… – KRKKKK, SCHSCHRRRRRRTTTT…

Zoom (aufploppend):

Ihre Internetverbindung ist instabil. Versuchen Sie, Ihren Computer oder Ihr mobiles Gerät näher an den WLAN-Router oder Zugangspunkt zu Hause oder im Büro zu bringen.

Iphone 2 (bei schwarzem Bildschirm):

Hallooo? Hört man mich?

Herta Knäbler (erscheint wieder auf dem Bildschirm, nun jedoch in Form eines älteren Herrn in Freizeitbekleidung aus Ballonseide, dessen rundliches Gesicht bald den kompletten Bildschirm einnimmt, bis nur noch seine buschige, weißgraue Braue zu sehen ist. Unterdrücktes Ächzen):

Ja, unn wo habbe mer jetze des verdammdi Kneppsche fers Miggro?

Die schöne Kira (blickt verliebt in die Kamera beziehungsweise auf ihr Zoom-Bild, versucht durch Einziehen der Backen ihrer Wangenpartie und dem Mund eine sinnliche Form zu verleihen)

Lucas Stuber (starrt auf den Bildschirm, sendet plötzlich unverkennbare Computerspiel-Schießgeräusche und erschrickt):

Oh, sorry! Da muss mein Computer irgendwie… Also, ich bin voll konzentriert, von mir aus kann es weitergehen…

 

3. Akt:
Nach der Freigabe der Powerpoint-Präsentation „Partizipative Interventionen von Korrelationen zwischen motivationalen Ressourcen und metakognitiven Ko-Kompetenzen“

Katze von Vanessa (streift gefährlich nahe an der Kamera vorbei. Das Bild ruckelt, rasant fährt die Kamera auf den Fußboden zu. Es knallt.
Das Bild verlischt.)

Vera und Nora:

… keiner, dass das absichtlich passiert. Aber es ist schon merkwürdig, dass immer, wenn wir hier etwas sagen, die Verbin… – KRRRRKKKK, GRZRZRZSÜÜÜÜT!

Der Herr Referent (betont optimistisch):

KRKKS – möchte ich angesichts der fortgeKRKtennen Zeit ein Resümee …en. Aus meiner Sicht haben wir alle Sem-KRK-iele erreicht, sodass wir den Tag an diesem Punk … nden können. Einen schö-ö-ö-… eierabend.

Alle (geben Smiley- und Handhebeicons ein, wedeln mit den Händen und verlassen danach die Sitzung)

 

Nachspiel

Frau B. Hölzendorffer (beleidigt auf die vielen schwarzen Fenster starrend):

So, jetzt hat es zwei Neustarts gebraucht, um an Ihrer Sitzung teilzunehmen. Sie haben ja hoffentlich nicht ohne mich begonnen?

Iphone 2 (ohne Bild):

Hallooo? Hallooo? Wer iiist da

 

Text: Micha Fink und Katharina Ochsenhirt

Foto: https://blog.zoom.us/

Miet Huhn!

Immer mehr Kindergärten und Schulen bekommen tierischen Besuch: Bauern leihen ihnen Hühner für ein paar Wochen – klingt gut, oder? Was aber sagen die Beschäftigten dazu? Wer bedenkt schon, dass sich unter dem Sammelbegriff Haushuhn sensible, individuelle Zuchtrassen wie der Bergische Schlotterkamm, das Deutsche Reichshuhn, das Eulenbarthuhn, der Westfälische Totleger oder das Zwergsachsenhuhn verbergen?

Lassen wir die Betroffenen zu Wort kommen – quasi als Beitrag zur Me-Too(-hn)-Debatte!

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I-ah!

Der Phrasen-Song: Konstruktive Konfliktbewältigung mit Kuckuck und Esel

Hier gibts den Artikel als PDF: i-ah_#1_2021

Psst, seid mal leise, da will wer was singen!

Tante Hilde singt ein Lied vor, und Gabriele Göntermann-Schlutzke, diplomierte Fachberaterin und Fachartikel-Fachautorin, ergänzt fachlich. Die beiden Damen, die gleich den Morgenkreisteppich der Zwergbananengruppe rocken werden, sind total verschieden, aber – wie eine der beiden sagen würde – trotz oder gerade wegen ihrer Heterogenität eine willkommene Berei…

Mist, ich muss aufhören, es geht gleich los. Die beiden singen einen Song, halb klassisch und halb in feinstem Fachbuchpädagogisch.

 

„Der Kuckuck und der Esel, die hatten…“

„… weil Konflikte im Alltag als Moment des gegenseitigen Aushandelns von Bedürfnissen Teil der Lebenswirklichkeit von Kuckuck und Esel, im Folgenden KuE, sind, eine mit sprachlichen Mitteln ausgetragene Auseinandersetzung…“

 

„… wer wohl am…“

„… beziehungsweise innerhalb der Zweiergruppe in der Qualitätsdimension ‚Gesang ‘ bei einer Evaluation höhere Zustimmungswerte auf die Frage ‚Empfinden Sie unseren Gesang als sehr, mäßig, teilweise, wenig oder gar nicht ansprechend?‘ erreichen würde…“

 

„… zur schönen Mai-….“

„… zu einer Jahreszeit, die vielfältige Anlässe bietet, das Wachsen und Gedeihen von Pflanzen in unterschiedlichen Bildungs- und Erfahrungsangeboten zu thematisieren, um den Kindern die eigenen Wachstumsprozesse einschließlich der damit einhergehenden körperlichen Veränderungsprozesse erleb- und erfahrbar zu machen…“

 

„… der Kuckuck sprach: Das ka-…“

„… beziehungsweise: Ich verfüge über die Kompetenz des Gesangs und erfahre eines hohes Maß an Selbstwirksamkeit beim gesanglichen Ausdruck…“

 

„… und fing gleich an zu schrei-…“

„… durch nicht-sprachliche Lautäußerungen seine geringe Frustrationstoleranz und das eventuelle Vorliegen einer Selbstregulationsstörung zu offenbaren…“

 

„… ich aber kann…“

„… treffender gesagt: Ich möchte mich – typisch für KuE in der Gruppe – spielerisch mit einem anderen Esel oder Kuckuck im musikalischen Wettstreit messen…“

 

„…fiel gleich der Esel aahaa-hein, fiel gleich der Esel ein. Das klang so…“

„… sofern hier trotz des bewussten Verzichts auf eine Bewertung vonseiten der Erwachsenen eine wertschätzende Beschreibung des Gehörten angebracht ist…“

 

„… schön und lieb-…“

„… vor allem eröffnet der Gesang einen Zugang zu unterschiedlichen Ausdrucksformen der Gedanken und Emotionen, ermöglicht ästhetisch-klangliche Erfahrungen und damit einen ganz eigenen Zugang zur Welt. Zusätzlich zu ihrem ureigenen ästhetischen Selbstwert kann der Umgang mit Musik die gesamte Persönlichkeit der EuK stärken…“

 

„… von fern und auch von nah…“

„… also sowohl innerhalb der anregenden Umgebung im Innenbereich als auch im durch vielfältig strukturierte Orte zum Erfahren, Erleben und gemeinsamen Agieren einladenden Außengelände. Um hier anzuschließen: So entwickelt sich gemäß dem Grundgedanken der Ko-Konstruktion ein partizipativer und kreativer musikalischer Prozess, nach eigenen musikalischen Vorstellungen, in den jeder seine individuellen Stärken, Vorlieben, Eigenheiten und Charaktereigenschaften einbringen kann. Und um der Praxis das letzte Wort zu geben…“

„i-ah!“

Der Tag, an dem Mutti zurückkam

Hier gibts den Artikel als PDF: Satire_Mutti_#6_2020

Es war eigentlich ein ganz normaler Donnerstag. In den Schulen zankten sich die Kinder vor und mit den Lehrern. In der WhatsApp-Gruppe der Erdmänncheneltern zerriss man sich das Maul über die Gel-Nägel der neuen Kollegin Yasemin. Im REWE versuchte man geschickt, seine Waren auf das Band der neu eröffneten Kasse zu legen, ohne jemandem zu nahe zu kommen. Im Bundestag predigte der Abgeordnete Curio über den Zusammenhang zwischen Corona, Migration und Mannhaftigkeit. Und im Leserforum der Hessischen Allgemeinen Nachrichten beschimpften sich Gegner und Befürworter der Sanierung des Abwasserkanals in Hessisch Oldendorf erbittert. Doch dann, etwa gegen halb Elf, machte ein federleichtes Gerücht die Runde, aus dem bald panische Gewissheit wurde, bestehend aus jenen zwei Worten, die in jedem Klassenraum kurz vor Ende der Fünf-Minuten-Pause mit Lehrerwechsel zu hören sind: „Sie kommt!“

Mutti erschien. Packte den ersten – vielleicht einen von zwei Streithähnen – sanft, aber sicher an der Schulter. Machte ein Gesicht, das keinen Widerspruch duldete, und sprach: „Ich will nicht wissen, wer anfing. Ich will, dass ihr aufhört.“ Sah uns zu, bis wir alle Waren zurück in den Korb gelegt hatten, denn: Man drängelt nicht vor. Und entschied: „So, jetzt könnt ihr weitermachen.“

Mit Mutti war überall zu rechnen. Diktator Abrumski aus irgendeinem schwer zu merkenden Nachbarland wirkte plötzlich ganz kleinlaut, als Mutti ihm sagte: „Du weißt selbst, was du verkehrt gemacht hast, Freundchen!“ Expräsident T. sah mit waidwunden Augen zu Boden, weil Mutti die Sache mit dem schlechten Verlierer beinahe noch ein zweites Mal erklären musste – und das will man doch nicht. Abgeordneter Curio aber spürte entgeistert, wie Mutti ihm vor dem Hohen Haus am Rednerpult mit ihrem riesigen, nach uralter Spucke riechenden Taschentuch einen vergessenen Ei-Rest aus dem Mundwinkel entfernte: „So geht man aber nicht vor die Leute, mein Junge!“

Der Verkehr stockte, weil plötzlich alle bang auf die Temposchilder achtgaben. SUV-Fahrerin Martina verschlug es die Sprache, als Mutti sie fragte, was sie mit so einem Angeber-Auto wolle und woher sie denn überhaupt das ganze Geld dafür habe? Studienrat Raimund versprach stotternd, seinen Unterricht fortan besser vorzubereiten. „Bei den Hausaufgaben warst du früher auch immer so schlampig, mein Freund!“ Und im ICE klappte Mutti, resolut durch die Reihen schreitend, alle Laptop­deckel zu: „So, meine Lieben, genug in die Kästen geguckt! Wir spielen jetzt Halma, macht jeder mit?“

Natürlich versuchte mancher, Mutti zu entkommen – vergebens. Wenn Mutti allgemeine Schlafenszeit ausgerufen hatte und man trotzdem noch durch die dunklen Straßen zum Spätkauf hastete, fragte sie tückisch, wo man denn hinwolle und ob man nicht schlafen könne. In den Kantinen, in Gaststätten und selbst in den vornehmsten Restaurants konnte es passieren, dass der Kellner beim Abräumen unterbrochen wurde: „Stopp! Ich sehe gerade: Da liegt noch Kalbsbries. Barbara, wenigstens ein Kostehäppchen probierst du. Und dann noch eins… Bis dein Tellerchen blank ist.“ Dazu riss Mutti Augen und Mund auf, als wolle sie Barbara verschlucken.

Am ärgsten war es, wenn Mutti sich für jemanden einsetzte. „Sofort entschuldigst du dich, dass du Cemile diskriminiert hast!“ fuhr sie den Jung-Nazi Kai-Uwe an. Und weil er allzu leise sprach, ertönte ein aufmunterndes „Ich höre nichts!“ Ja, Mutti hatte viele Kinder, die sich bei­einander entschuldigen mussten. „Es tut mir leid, dass meine Beiträge im Leserforum immer wieder so unfreundlich klangen, ich bin eigentlich ein ganz Netter“, diktierte sie und befahl: „Das schreibst du jetzt – und zwar sofort!“ Zum Schluss ermahnte sie uns alle: „Und jetzt vertragt ihr euch!“ Wir nickten und sahen zu Boden, aber sogleich hieß es: „Seht euch an! Gebt euch die Hand!“

Manch einer versuchte, aufzubegehren, und zeterte: „Ich bin groß! Ich habe erfolgreich mehrere Pubertäten absolviert! Ich kann allein auf mich aufpassen!“ Dann fragte Mutti nur süffisant: „So?“ Da fiel das Großmaul in sich zusammen und schämte sich für seine unbedachten Worte.

Später tauchte auch Vati auf, sozusagen als zweite, deutlich flachere Welle. Er wiederholte, was Mutti angeordnet oder befohlen hatte, und wir ließen ihn gewähren. Denn wir wussten längst: Jederzeit kann Mutti zurückkommen. Und sie sieht uns zu, von wo auch immer…

 

Das Lied von der Ausnahme

Hier gibts den Artikel als PDF: Das Lied von der Ausnahme_#5_2020

Der kleine Fritz aus Trusetal

verschmähte einst beim Mittagsmahl

im Eintopf alle Möhren.

Der Rest der Elefantengruppe

löffelte eifrig seine Suppe,

ließ sich davon nicht stören.

Doch die Erzieher krähten:

„Ja, wenn das alle täten?“

 

Die Annabell aus Haselünne

sprach ernst: „Ich bleib heut lieber drünne.“

Zur schönsten Rausgehzeit!

„Ich glaube wohl, ich hör nicht recht“,

sprach schwer erzürnt Frau Lieberknecht:

„Mein Fräulein, tut mir leid!

Denn wenn das alle machten,

wer wär dann noch im Gachten?“

 

Die Karolin aus Lüntenbeck,

die lief auf Socken ziemlich keck

durch’s Außenspielgelände.

Die andren Kinder dachten sich:

Das wäre höchstens was für mich,

wenn mir ein Schuh verschwände.

Doch die Erzieher bellten:

„Soll jeder sich erkälten?“

 

Der Adalbert aus Bacharach

verkündete: „Ich bleibe wach,

statt mittags stets zu schlafen.“

Doch Dörte knurrte: „Sei jetzt brav,

und mache deinen Mittagsschlaf.

Zwar will ich ungern strafen,

doch weiß ich, wohin’s führte,

wenn ich’s erlauben würde:

Am Ende wär ganz Bacharach

mittags ständig wach!“

 

Ein Praktikant in Byhleguhre

sprach zu den Kindern: „Hier im Flure

bau’n wir ein Haus aus Pappen.“

Die Kinder waren fix dabei.

„Momentchen“, sagte Hauswart Frey,

„det dürfte so nich klappen.

Wat, wenn sich jeda traute

und auf dem Fluchtweg baute?“

 

Die Isabel aus Iserlohn,

saß in der Schule manchmal schon

ganz gerne unterm Tisch.

Die andren Kinder riefen: „Cool!“

Und saßen lieber auf dem Stuhl.

Frau Nolte sprach: „So nich!“

Und murmelte, dass Inklusion

auch Grenzen hat in Iserlohn.

 

 

Dem Kinderhaus in Mechernich

gönnte man einen Neuanstrich.

Ausschließlich in Pastell.

Die Meisengruppe sagte sich:

„Das ist uns viel zu puschelig.

Wir hätten’s lieber grell.“

Der Bürgermeister sprach: „Ihr spinnt!

Auch eure Räume werden mint.

Setz ich jetzt keinen Riegel vor,

würd unsere Welt multi-color!“

 

Die Cosima aus Santewitt,

die brachte in die Kita mit

zwei eigne Teddybären.

Sprach Kerstin: „Was, wenn jeder käme,

und sich sein Kuscheltier mitnähme?

Da müssen wir uns wehren.

Wenn wir nicht konfiszieren,

ersticken wir in Tieren!“

 

Foto: Miss X, Photocase

Der Verschwörungstheorien- Generator

Es gibt keine dummen Fragen.

Hier gibts den Artikel als PDF: verschwoerungsgenerator_#4_2020

Besonders weise sind die typischen Corona-Nachfragen, denen wir uns alle immer mal wieder widmen: Kann es sein, dass diese ganze Corona-Nummer nur ein Trick von denen da oben, da hinten oder da drüben ist, um uns pädagogische Fachkräfte in erzwungener Kurzarbeit fett werden zu lassen, damit wir im nächsten Schritt zu nahrhaften Menschenfleisch-Burgern für die nächste Generation Reptiloide verarbeitet werden können? Stecken die Islaminsten hinter der Maskenpflicht – Rache für das Kopftuchverbot? Oder waren es diese pädagogischen Gutmenschen, die uns durch ganzjährige Maskierung den Fasching verleiden wollen, damit sich keiner mehr als Indianer mit und ohne *In verkleidet?

Was früher die Fernreise für das soziale Prestige bedeutete, gilt heute für die Verschwörungstheorie: Man braucht eine, um mitreden zu können.

wamiki bietet allen Leuten, die vor lauter Hohmschuling und Notbetreuung keine Zeit zum Irrlichtern hatten, einen präventiven Service: Mit unserem Generator erhalten Sie handgefertigte pädagogische Verschwörungs­theorien frei Haus.

So geht’s:

In jeder Spalte ein Feld aussuchen, vorlesen und fürchten.

Auf Datenschutzjagd nach DSGVO

Ganz Deutschland hat ein bisschen Bammel, seit die neue DSGVO erlassen wurde. Also, die Datenschutz-Grundverordnung. Besonders im Kindergarten macht sich Angst breit, denn wo viele Menschen sind, sind leider auch deren Daten. Gut, dass es Kindergärten wie die „Dallgower Datenzwerge“ gibt, die rechtzeitig Vorsichtsmaßnahmen ergriffen und sich jetzt sogar „Haus der gesicherten Daten“ nennen dürfen. Grund genug, die rührige Leiterin des Hauses, Frau Danuta Dathe, zu Wort kommen zu lassen. Bitte, Frau Dathe, berichten Sie über Ihren Weg ins DSGVO-Glück!

Der Artikel als PDF zum Herunterladen: Datenschutzsatire_#3_2020

„Guten Tag, Herr Redakteur! Gerne erzähle ich Ihnen, wie wir das mit dem Datenschutz praktizieren. Eine Kita-Führung kommt natürlich nicht in Frage, aber hier im Vorraum steht es sich ja gut. Leider kann ich ihnen auch keine Bilder der Räume zeigen, denn da wären Kinder drauf oder deren persönliche Sachen. Oder per Kunsturheberrecht geschützte Bauwerke. Und fragen Sie mich nicht nach Details! Stellen Sie sich einfach vor, wie es bei uns aussieht, aber bitte nicht zu konkret. Wer weiß denn, ob diese Bildrechte nicht auch für Vorstellungsbilder gelten …

Ein stressiger Schritt auf unserem Weg zur datenschutzgerechten Pädagogik war natürlich die Sache mit den Portfolios. Herrje, was da an persönlichen Daten über jedes Kind zusammenkommt! Wir hatten zunächst nur bei Fotos, auf denen andere Kinder sind, deren Gesichter geschwärzt. Das sah aber doof aus – lauter geschwärzte Kinder neben dem einen ungeschwärzten Portfolio-­Besitzer! Also haben wir das Portfolio-Kind gleich mitgeschwärzt. Beziehungsweise für die People-of-colour-Kinder geweißt, das wäre ja sonst unfair.

Dann mussten wir aber noch die Lernbeweise im Portfolio verändern, weil die viel zu viele datenschutzrelevante Infos über jedes Kind enthalten. Nicht auszudenken, wenn jemand erfährt, dass Kind X am soundsovielten irgendeine Kompetenz erworben hat! Also haben wir auch das Datum geschwärzt und die Kompetenz so abstrakt formuliert, dass keine Rückschlüsse auf die Person möglich sind. Schauen Sie, so sieht das dann aus. Ich lese es mal vor: ‚Lernbeweis 3-17, erbracht Mitte 2018. Kind A kann jetzt R. Herzlichen Glückwunsch und weiter so!‘

Nicht so einfach war die Sache mit den Gruppenfotos. Da geht es ja auch um Emotionales! Deshalb fanden unsere Muttis und Vatis diese schwarzen Balken vor den Augen der anderen Kinder aus der Gruppe doch zu düster. Sandy, unser Teamküken, hatte dann die rettende Idee: Warum nicht einfach die Kinder auf dem Bild durch genauso niedlich guckende Kuscheltiere ersetzen? Sehen Sie mal, hier ist die Igelbabygruppe. Schauen die nicht niedlich? Ich bin übrigens der rosafarbene Plüschhahn. Süß, oder?

Mit unseren Foto-Regeln war es natürlich nicht getan, Datenschutz steckt ja überall drin. Unsere Kita hat nämlich – leider, sage ich aus heutiger Sicht – solche Riesenfenster. Da kann jeder Krethi und Plethi reinschauen. Und wer weiß schon, wer das tut und warum? Also haben wir beschlossen, die Fenster mit Folie zu verkleben, um die Kinder zu schützen. Das funktioniert auch andersrum: Die Kinder können die Leute draußen nicht anstarren oder gar knipsen. Zum Verkleben haben wir übrigens Milchglasfolie genommen, obwohl Hannelo… äh, eine Kollegin, gleich krähte: ‚Das kann ich doch alles mit meinen alten Window Colours zumalen, da gibt’s sooo schöne großflächige Motive!‘ Aber das Milchglas sieht einfach cooler aus und hat den Vorteil, dass sich die Kinder beim Rausgucken gleich an eine verpixelte Welt gewöhnen. Christian – der Kindername ist natürlich geändert – sagte gestern: ‚Die Häuser draußen sehen jetzt genauso aus wie unser Haus bei Google Maps!‘ Und Liese fand, dass bei ihrer Oma, wenn sie nach dem Bringen von draußen reinzugucken versucht, gar keine Falten mehr zu sehen sind. ‚Wie bei Instagram ‘, freute sie sich.

Als wir dachten, das Wichtigste geschafft zu haben, fiel unserm Praktikanten zum Glück noch eine superwichtige Sache ein: ‚Hey, was ist mit den Ausflügen? Da kann doch jeder die Steppkes sehen, sich die Gesichter einprägen und sie später aus dem Kopf nachmalen?‘ Gut, dass es im Mäcgeiz gerade diese schwarzen Schlafbrillen gab. Wir haben gleich vier Zehnerpacks gekauft. Seitdem sind die Ausflüge nicht nur viel DSGVO-gerechter, sondern auch ruhiger. Und weil immer mal jemand stolpert, nehmen die Kinder das Anfassen in Zweiergruppen endlich ernst.

Dann fiel uns plötzlich die Sache mit den Geburtstagen auf. Geburtstag feiern ist toll, vor allem für das betroffene Kind.Was nicht so toll ist: Alle Kinder in der Gruppe kriegen dabei ausgesprochen sensible Daten mit, und manche merken sie sich ewig. Ich weiß zum Beispiel den Geburtstag von Ilse Linnekogel, meine Banknach­barin in der dritten, immer noch. Ach, Gottchen! Bitte vergessen Sie den Namen gleich wieder. Man hat ja heute ratzfatz eine Anzeige wegen Datenverraten an der Backe.

Zurück zum Thema: Wir haben dann jedem Kind einen neuen, neutralen Geburtstagstermin zugewiesen. Ist erstens einfacher, weil man die Feiern besser mit den anderen Kitaterminen abstimmen kann. Zweitens hat jedes Kind reihum mal im Sommer Geburtstag.

Kurz bevor wir uns zum Wettbewerb ‚Datenschutzgerechteste Kita Deutschlands ‘ angemeldet hatten, war Irene noch eingefallen, an die Namensanonymisierung zu denken. Offen gestanden war es auch bei uns üblich, die Eltern mal mit Vor-, mal mit Nachnamen anzusprechen und auch die Namen der Kinder ganz unbefangen zu erwähnen. Da konnten Mithörer sofort zwei und zwei zusammenzählen und hatten den kompletten Datensatz gehackt! Seit uns das klargeworden ist, sprechen wir die Eltern nur mit ‚Liebe Mutter ‘, ‚Lieber Vater ‘ oder bei Bedarf mit ‚Liebes Diverses ‘ an. Zu uns sagen sie weiterhin: ‚He, Sie da!‘

Die Kinder sprechen wir natürlich erst recht nicht mit Namen an, weil ja sonst alle in der Gruppe automatisch jeden Namen lernen. Wir verwenden konsequent Kosenamen. Das klappt gut. Wenn niemand in der Gruppe Malte als Malte kennt, aber alle als „Unser Kamuffelchen“, ist Datenmissbrauch kaum mehr möglich. Zumal wir ab dem nächsten Monat vorhaben, die Namen regelmäßig rotieren zu lassen.“

Ich bin beeindruckt und möchte mich verabschieden: „Vielen Dank, liebe Frau Dat… äh?“

„N. N. Oder bloß N., wir sind ja beim Du“, antwortet die Leiterin charmant.

 

Fotos: Lena Grüber

Der Rechtsruck bei den ­Braunbären

„Ich finde schlümm…“, sagt John, „dass die Schüldkrötenkinder einfach zu uns rüberkommen und unsere Spielsachen wegnehmen. Das dürfen die nicht!“ Erzieherin Sarah erklärt geduldig, dass der Kindergarten nun schon eine Weile offen arbeitet, weshalb alle Kinder aus allen Stammgruppen außerhalb der Morgenkreiszeit in alle Räume dürfen. Davon profitieren auch die Braunbären und können bei den Schild…

„Die kommen aber nur zu uns“, ereifert sich Joscha, „weil wir das schönste Spielzeug haben!“

„Wir könnten denen was abgeben“, schlägt Cora vor. Als die anderen die Augen verdrehen, greift der kleine Kurt vermittelnd ein: „Ich finde gut, dass andere Kinder zu uns dürfen. Aber nicht die Schildkröten! Da sind richtig böse dabei! Eine große Kröte klaut sogar Sachen aus unseren Garderobenfächern!“

„Hey, stoppi!“ ruft Sarah. „Selbst wenn das stimmen sollte – dann sind doch längst nicht alle Schildkrötengruppenkinder Diebe.“

„Aber fülleicht fast alle“, jammert John.

„Kinder, wenn die Schildkröten nicht mehr zu uns dürften“, simuliert Sarah Nachdenklichkeit, „dürften wir noch in den Schildkrötenraum?“

„Iiih, keiner will zu denen! Die haben sooo doofes Spielzeug!“ krakeelen die Braunbären.

„Heute muss ich was ganz Schlümmes erzählen“, berichtet John anderntags bei der Braunbären-Kinderkonferenz. „Einer aus der Krötengruppe hat Baby Anna voll fies geschubst. Jetzt kommt die nie mehr in die Kita! Die ist verletzt!“

„Schubsen darf keiner, weder ihr noch die Schild…“, will Sarah intervenieren, aber die Kinder sind nicht zu bremsen: „Alle Kröten sind Klopper!“ „Die können richtig zwicken, Sarah! So!“

„Aua, Malte, das tut weh!“

„Frau Meister soll die alle aus dem Kindergarten rausschmeißen“, schluchzt Annika hemmungslos.

„Macht doch eine Demo“, schlägt Sarah vor. „Für friedliches Miteinander!“

Die Kinder sind begeistert und skandieren lautstark: „Bärenraum für Braunbären, Krötengruppe raus!“ Jemand malt eine Schildkröte auf eine Pappe, streicht sie schwungvoll durch, und das Demo-Poster wird im Triumph durch den Raum getragen. Ein Heidenspaß! Nur Sarah bekommt Hektikflecken.

Derweil widmen sich ein paar Demo-Teilnehmer schon den Details. „Die Kröten sehen hässlich aus“, findet Lara. „Eine heißt Babett und ist fett, sooo fett!“ Mit beiden Händen deutet Lara einen riesigen Bauchumfang an.

„Das sagt man aber nicht!“ ruft Sarah tadelnd.

„Soll ich etwa sagen, die ist sooo dünn?“ kontert Lara und markiert einen Strich. „Soll ich etwa lügen?“

„Man darf nicht Kaka und Pipi sagen, nicht Fett-Babett und Scheiß-Krötengruppe!“ empört sich Malte. „Darf man nur sagen, was die Azia erlauben?“

„Wir müssen ganz klar dagegen steuern. Das geht ja gaaar nicht!“ verkündet Ilona Meister, die Leiterin, bei der Teambesprechung, und Sarah verspricht sofort: „Morgen oder spätestens übermorgen rede ich Klartext mit den Kindern, ein richtiges Donnerwetter. Danach holen wir die Schildkrötengruppe rüber, feiern ein Jeder-ist-hier-willkommen-Fest und überreichen allen Schildkröten selbstgemachte Freundschaftsbändchen.“

„Realistisch bleiben, Sarah“, mahnt die Leiterin. „Ein kleines Dönnerchen tut es auch. Und um den Druck aus der Sache zu nehmen, sollten wir die offenen Zeiten etwas verkürzen. Wir könnten zum Beispiel festlegen, dass die Gruppen während des Angebots und des Morgenkreises unter sich sind. Mittags und beim Ruhen sind sie es ja ohnehin. Früh- und Spätdienst lassen sich auch gruppenweise gut organisieren. Während der Freispielzeit bleibt zwar alles offen wie gehabt, aber es gibt die glasklare Regel, dass man vor Betreten des Raums fragen muss, ob die Nachbargruppe besucht werden will. Und natürlich müssen die Besucher, also zum Beispiel die Schildkröten, bei den Bären nachfragen, ob sie das Spielzeug benutzen dürfen – und welches. Denn die Braunbären haben in ihrem Heimatraum natürlich glasklar Vorrang. Wär das was?“

Sarah nickt erleichtert, und Ilona spricht das Schlusswort: „Wir schaffen das.“

 

Foto: Julia Kuzenkov/Unsplash

Jahresvorschau 2020

Februar

Die Umsetzung des Gute-Kita-Gesetzes beginnt, und die 5,5 Milliarden werden verteilt. Während Organisationen in der Nähe der kräftig sprudelnden Geldquelle frohlocken – „Seit Tagen schwimmen wir hier in Geld! Der Keller unseres Bürohauses ist schon überflutet!“ – erwartet man weit draußen auf der sogenannten Praxisebene den Geldfluss sehnsüchtig. Leider kommt es infolge lang­anhaltender finanzieller Trockenheit unterwegs zu erheblichen Versickerungsprozessen, sodass es nur ein bis zwei Geldtröpfchen bis in die pädagogische Provinz schaffen. „Das geben wir aber nicht gleich für eine Plastikschaufel aus“, beschließt das Team der „Mäusekiste“ in Flöha einstimmig.

März

Im März eröffnet die didacta ihr Pforten, aber der Zustrom lässt nach. Offenbar fühlen sich viele Menschen durch die zahlreichen Digital-Mottos der vergangenen Messen veranlasst, einer Real-life-Veranstaltung fernzubleiben. Wahrscheinlich fürchten sie, als zu analog zu gelten. Nach kurzer Beratung beschließt das didacta-Präsidium, beim nächsten Mal Neuland zu betreten und die Messe nur noch digital stattfinden zu lassen, also per Besuch im Netz. „Eine Schlüsselrolle wird unser digitaler didacta-Assistent mit dem Namen DiDi Dackta spielen, der das Publikum durch die virtuellen Hallen geleitet“, erläutert Präsident Froschmann. Als besonderes Highlight sei eine App vorgesehen, die – vorausgesetzt, die Besucher verfügen über 3D-Drucker – das Ausdrucken der beliebten Sport-Thieme-Poolnudel erlaubt. Druckzeit: 37, 5 bis 264 Stunden, je nach Datenverbindung.

Mai

Im Elterninitiativkindergarten „Billy n’Gual…“ in Berlin-Prenzlauer Berg kommt es zu einer Massenvergiftung. Ein offenbar völlig verpeilter Vater hatte anlässlich des vierten Geburtstags seines Sohnes Jörg-Björn-Thorben einen Kuchen mitgebracht, der sowohl Milch, Eiweiß, Butter, Zucker und möglicherweise sogar Spuren von Mehl enthielt. Diese Ingredienzien lösten schwere Symptome von Glutenunverträglichkeit, Weizenallergie, laute Zöliakie-Furze und zuckerinduzierte Hyperaktivität aus. Auch Verschmutzungen auf einem hochwertigen Biofilzmarkenpulli blieben nicht aus.

Zur gleichen Zeit vertilgen 40 Kinder im benachbarten Wedding reichlich aus Amerika importierten Marshmellowfluff in rosa, pink und glow-in-the-dark-phosphor­grün. Ohne wahrnehmbare Folgen.

Juli

Neue Plagiatsvorwürfe gegen Franziska Giffey: Im Juli wird offenbar, dass die Familienministerin in ihrer Broschüre „Das Gute-Kita-Gesetz – gute Bildung gemeinsam weiterentwickeln“ zahlreiche Textstellen aus anderen Werken benutzt hat, zum Beispiel „KitaPlus: Weil gute Betreuung keine Frage der Uhrzeit ist“, „Gut ist Kita, wenn die Kleinsten eine Rolle spielen“ und „Kita-Einstieg: Brücken bauen in frühe Bildung“. Insbesondere die inflationäre Verwendung von Worten wie „gut“, „frühe Chancen“ oder von Satzbausteinen wie „Gut ist Kita, wenn sie alle stark macht“ hatte die Plagiatsjäger auf die Spur gebracht. Zu ihrer Entschuldigung verweist die Ministerin darauf, dass die Sätze – teils noch von Ursula von der Leyen stammend – nach wie vor Gültigkeit haben, denn „umgesetzt wurde ja seit cirka 1975 von all den Forderungen eh nix“.

September

Der Fachkräftemangel treibt immer schlimmere Blüten. In Siegburg gelingt es Kindern aus dem Kindergarten „Steppenstrolche“, einen den Gehweg fegenden Mitarbeiter einer Reinigungsfirma mit einem Schwungtuch zu fesseln, ins Haus zu zerren und tagelang unbemerkt als Erzieher im Bau-Raum schuften zu lassen.

Rechtskonformer ist die Idee eines der verarmten norddeutschen Bundesländer, Kinder im Vorschulalter einen „Krippi-Führerschein“ erwerben zu lassen, der sie zur Tätigkeit als Hilfserzieherlein in der Krippe berechtigt. Voraussetzung: ein mindestens Zweijähriger assistiert ihnen. Eine kleine Prüfung, die fröhlich-bunte „Ernennungsurkunde“ und ein Miniatur-Erzieherschreibtisch für die neuen U3-Pädagöglein können übrigens komplett aus Mitteln des Gute-Kita-Gesetzes finanziert werden, stellt die zuständige Ministerin in Aussicht.

November

Kitaleiter Trampe ist zurück. Der teils verschriene, teils bewunderte Pädagoge hat nach seinem Verschwinden – „wamiki“ berichtete – die Amtsgeschäfte in seinem Kindergarten urplötzlich wieder aufgenommen. „Ich habe mir nichts vorzuwerfen“, erklärt er auf der Elternversammlung und fügt drohend hinzu: „Und Sie mir sowieso nichts!“

In den nächsten Tagen agiert Trampe wie gewohnt: Erst überrascht er den Ortsbürgermeister mit der Offerte, den S-Bahnhof und die City-Arkaden als Zusatzbauraum für 3.000 Euro Spielgeld kaufen zu wollen. Dann bietet er dem stets gehänselten Außenseiter August aus der Ameisengruppe an, ihn vor den rüden Vorschulkindern zu beschützen, falls August sich bereit erklärt, belastendes Material gegen seine Gruppenerzieherin Elke zu liefern.

Dezember

Weihnachten steht vor der Tür – und damit der mittlerweile traditionelle Vorweihnachts-Shitstorm, in dem die zünftigen AfD-Trolle wieder einmal den Untergang des christlichen Abendlandes anprangern, weil irgendeine Kita „Lichterfest“ oder „Laternenfest“ feiert. Erst nach Wochen aufgeregter TV-Diskussionen und BILD-Zeitungs-Berichte können einige Vorwürfe entkräftet werden:

Erstens hieß Berlin-Lichterfelde wirklich niemals Weihnachtsfelde.

Zweitens wurde der Dresdener Weihnachtsmarkt tatsächlich umbenannt. Aber das geschah schon um 1500, als man ihn anlässlich der Erfindung des Stollens Striezelmarkt nannte.

Drittens hatte PeKita-Leiter Rico Rätzsch aus Roitzsch tatsächlich die Bezeichnung „Weihnachtsfeier“ untersagt, aber damit wollte der des Gutmenschentums völlig unverdächtige Volkspädagoge lediglich dagegen protestieren, dass „von dieser aus dem Morgenland eingewanderten christlich-römischen Mischreligion ja unsere schöne germanische Jul-Weihe-Kultur verdrängt wurde“.

 

Illustration: Tasche

Hurra, wir experimentieren!

Kittel an, Schutzmaske und Schutzbrille auf! Seit es das Wort MINT für den Kindergarten gibt, ist verantwortungsvollen Kita-Teams mit und ohne Plakette klar: Jede Woche muss ein Experiment stattfinden, weil Deutschlands Kinder sonst die Zukunft verschlafen, den Exportstandort Deutschland gefährden und uns alle zum Agrarvolk machen.

Leicht gesagt, schwer getan, denn: Das Experiment mit dem Vulkan aus Essig und Backpulver haben Sie ja bereits durchgeführt. Gibt es etwa noch was?

Jawohl, und zwar hier!

Das Experiment mit den GummiBärchen im Wasserglas

So geht’s:

Kinder auf Stühlchen, Gummibärchen in Schälchen setzen. Schälchen auf Wasser setzen, den frechen Jim wieder aufs Stühlchen setzen. Becher drüber stülpen – über das Bärchen, keine Angst, Jim! Becher hinunterdrücken. Darüber sprechen, dass man sieht, dass das Gummibärchen jetzt nach unten gedrückt wird, ohne dass es nass wird, was zumindest Sie theoretisch ja anders erwartet hätten und auf jeden Fall hoffentlich die Kinder – auch du, Jim! Dazu erklären, dass damit bewiesen wurde, dass Luft ein gasförmiger Stoff ist, der schwerer –oder leichter? – als Wasser ist und somit von oben auf das Gummibärchen drückt, das, um den Druck, der auf es einwirkt, keine andere Wahl hat, als… äh… Tja, wenn man jetzt Fachmensch wäre…

Das können Sie beobachten:

Kurz nach Beginn Ihrer Erklärungsversuche entfernen sich die anwesenden Kinder sternförmig vom Experimentiertisch. Nur der freundliche, allerdings taubstumme Eginhardt bleibt bei Ihnen stehen.

Erklärung:

Kinder sind flüchtige Stoffe, die auf Wortblasen aller Art stark reagieren, indem sie ihr Interesse-Atom auf andere Dinge, zum Beispiel das Legozeugs, ausrichten.

Das Experiment mit den Gummibärchen im Wasserglas auf dem Elternabend

So geht’s:

Setzen Sie die Eltern auf die Stühlchen. Informieren Sie die Eltern, dass sie nun einen Einblick in das Lernen ihrer Kinder erhalten. Führen Sie das Experiment durch, indem Sie – siehe oben.

Das können Sie beobachten:

Anders als die Kinder verfolgen die Eltern das Experiment mit großem Interesse. Schon nach wenigen Minuten fragen die Eltern: „Ähem, ist das Gummibärchen denn auch vegan? Was machen Sie, Gundi, wenn die Kinder das Bärchen anschließend essen wollen? Konterkarieren Sie damit nicht das von uns Eltern erarbeitete zuckerfreie-Kita-Konzept? Isch das etwa koi Spiel mit Läbänsmittel, wo in unsre Gemoinde verbode isch? Furchtbar! Sie setzen das niedliche Gummibärchen der Bedrohung durch Ertrinken aus! Kein Wunder, dass Sören-Gustaf nach jedem Experimentiertag nicht einschlafen kann!“

Erklärung:

Eltern sind super darin, Dinge genau zu beobachten und Folgen zu analysieren, wenn auch leider nicht auf naturwissenschaftlichem Gebiet.

Das Experiment mit dem Pinterest-Pin

So geht’s:

Suchen Sie auf Pinterest nach „Marvellouse Hands-on Sensory Experiments For Kids“. Klicken Sie das schönste Bild an. Nutzen Sie für die Anleitung Google Translator („Bilden Sie magischen Schlamm von einer Kartoffel in drei easy Schritten!“). Bestellen Sie die Zutaten im US-Amazon-Store. Legen Sie ohne Vorwarnung mit dem Experiment los, indem Sie eifrig Johnston’s Puffy Corn Starch mit Elmer’s Glue und Goo Gone Original Liquid Safe Remover sowie zwei Dosen Car Scents Cherry Flavour mixen.

Das können Sie beobachten:

Anders als auf dem Foto von Samatha Fashion Life aus dem Mittleren Westen entsteht kein beindruckender pinkfarbener Schaum mit Glitzer-Eruptionen, sondern die Flüssigkeiten vermischen sich träge zu einer grau-beigen Pampe, die nach Reinigungsmitteln riecht. Erst beim Säubern der Töpfe bemerken Sie eine schwache, wenn auch intensiv juckende Rotfärbung Ihrer Hände – auf den Händchen des freundlichen Eginhardts ebenfalls sichtbar.

Erklärung:

Da hat was nicht hingehauen, klaro. Zum Glück passen die meisten Zutaten auch zum Spooky-Jelly-O-Glow-In-The-Dark-Experiment. Oder war es der Quick Foam Home & Toilet-Cleaner? Egal, weitermachen!

 

Das Experiment mit dem Kindergarten für Bildungspolitiker

So geht’s:

Stopfen Sie 70 kleine Kinder und 10 Erzieherinnen in ein Gefäß aus Beton und stabilem Glas, zum Beispiel in ein modernes Kita-Gebäude, Modell „Architektentraum“. Gut durchschütteln! Beobachten Sie das entstehende Gemisch. Dann fügen Sie in kleinen Mengen Kinder hinzu und verringern gleichzeitig die Menge der Erzieherinnen, bis ein Verhältnis von 1 Teil Erzieherin zu 35 Kindern entstanden ist.

Das können Sie beobachten:

Nach einiger Zeit lösen sich einzelne Mitglieder aus dem Team heraus, bis schließlich nur noch ein bleiches Weiblein mit deutlich sichtbaren Abnutzungserscheinungen übrig bleibt.

Erklärung:

Zunächst findet in den Teammitgliedern die sogenannte Auslaug-Reaktion statt. Dann kommt es zum optisch gut wahrnehmbaren Vorgang des Ausbrennens, bis durch eine spektakuläre Kettenreaktion ein landesweiter Personalengpass entsteht. Beeindruckend!

Das Experiment mit dem Erfolg

So geht’s:

Gründen Sie mit einigen Aktienriesen und desinteressierten Ministerinnen eine Stiftung. Geben Sie ihr einen Namen, der irgendwie forsch, aber vertraut klingt. Erfinden Sie ein weltumfassendes Fortbildungssystem. Geben Sie ein paar Heftchen heraus. Lassen Sie ein paar Experimente (Tipp: Backpulver-Essig-Vulkan) in Kitas regelmäßig durchführen. Dazu laden Sie ein paar ältere Professoren ein. Informieren Sie die Ministerin und die Aktienriesen über diese grandiosen Erfolge.

Das können Sie beobachten:

Man schlägt Sie für das Bundesverdienstkreuz vor.

Erklärung:

Lieber keine.

 

Foto: aufrecht/photocase