Pädagogik aufräumen

Pädagogik lebt von Ritualen, heißt es. Erzieher, Lehrer und Innen machen alles Mögliche, weil es nun mal derzeit üblich oder sogar vorgeschrieben ist. Egal, ob es Sinn hat oder nicht. Sinnvoll ist es aber auf jeden Fall, ab und zu auszumisten. Deswegen stellt diese Rubrik pädagogische Gewohnheiten aufs Tapet und fragt ganz ergebnisoffen: Ist das pädagogische Kunst, oder kann das weg?

Lobverbot

„Das hast du toll gemacht, Elisa“. Der Nächste bitte: „Richtig super gemacht, Elias!“ Nein, es ist bestimmt nicht sinnvoll, jedes Kind immer und ewig zu loben, auch wenn es gar nichts Besonderes gemacht hat. Etwa, wenn Elisa das dreißigste Prinzessinnen-Ausmalbild präsentiert, Elias hingegen das Blatt mit drei markanten Strichen gefüllt hat.

Aus dieser Selbstverständlichkeit leiten wohlmeinende Pädagog*innen eine generelle Forderung ab: Man solle Kinder gar nicht loben, denn damit bewerte man sie ja. Denn auch bei positiven Bewertungen stelle man sich ja damit als „Bewertender“ über sie. Stattdessen, erklären die wohlmeinenden Pädagog*innen, sende man bitteschön Ich-sehe-Botschaften, die das Wahrgenommene beschreiben: „Ich sehe, dass du ganz lange an deiner Sonne gemalt hast. Ich mag Sonnen.“;„Ich sehe dich, wie du den Baum hochgeklettert bist.“

Mal überlegen: Fühlt sich das Kind unterdrückt, wenn es uns um unser Feedback bittet und das Bild zeigt? Natürlich nicht, es will ja sogar unser Lob einheimsen. Fühlt es sich auf unangemessene Weise gebauchpinselt oder hält sich für die Superkünstlerin, weil wir es bisweilen auch für Kleinigkeiten loben? Nein, jedes Kind spürt, ob da ein Erwachsener total begeistert ist oder nur ein bisschen nett sein will. Und: Kann das Kind auf dem Baum etwas mit unserer pädagogisch wasserdichten Neutral-Aussage anfangen, wir sähen es? Was soll es antworten – außer „Ich sehe dich auch!“

Übertriebenes Lob für Nichtigkeiten ist unauthentisches Getue, klar. Aber gedrechselte Worthülsen als Antwort auf den alltäglichen Wunsch, wahrgenommen zu werden, sind ebenso unauthentisch. Statt über die passende Worthülse nachzudenken, sollten wir besser danach streben, in solchen Momenten echtes Interesse zu zeigen und damit Nähe zu entwickeln: „Hey, klasse! Wie bist du darauf gekommen, gibt es einen Trick? Ist die Aussicht gut?“

Foto: Knallgrün, photocase