Es naht der Morgen,
aber noch ist es Nacht
Ich bin vergiftet, schwimme in den Gischten,
ein zäher Unrat spült mich hoch hinaus,
und ganz allmählich unter mir erlischt schon
die böse Kohlenglut, mein Höllenhaus.
Und an der Pfütze, wo sich Räder winden,
singt eine Diva im Fabrikgeviert,
wie schwer es ist, den rechten Mann zu finden,
wie früh man doch sein schönes Haar verliert.
Über dem Bach voll Hallen und voll Leichen
posaunt die Hupe ungestüm und schrill,
des Abends Bannertuch, das rötlich bleiche,
vom Himmelsfrost ins Album kommen will.
Und im Verglühen des Dezembersommers
ist aus dem zähen Wasser voller Gift
ein riesiges Skelett emporgekommen,
das wachsend sieche Gärten übertrifft.
Kein Heft ohne Gedicht.
Diesmal aus: Der Selbstmörder-Zirkus. Russische Gedichte der Moderne
Reclam, Leipzig 2003, S. 174
Ausgesucht hat es Marie Sander.
Foto: Screeny/photocase