Pädagogik aufräumen

Pädagogik lebt von Ritualen, heißt es. Erzieher, Lehrer und *innen machen alles Mögliche, weil es nun mal derzeit üblich oder sogar vorgeschrieben ist. Egal, ob es Sinn hat oder nicht. Sinnvoll ist es aber auf jeden Fall, ab und zu auszumisten. Deswegen stellt diese Rubrik pädagogische Gewohnheiten aufs Tapet und fragt ganz ergebnisoffen: Ist das pädagogische Kunst, oder kann das weg?

Hier gibt es den Artikel als PDF: DasAllerletzte_#3_2022

Zuckersüße Gruppennamen

„Ich bin studierte Kindheitspädagogin und derzeit Leiterin der Erdmännchen-Gruppe.“ Eigentlich reicht der Satz, um einen kritischen Blick auf den Brauch des Kitagruppennamens zu werfen. Aber weil solche Namen schon ein bisschen Tradition sind, ist es angebracht, sich argumentativ damit auseinanderzusetzen.

„Kinder lieben es nun mal, solche Rollen einzunehmen.“ Tatsächlich sind Kinder gern mal Erdmännchen und -weibchen oder Pippi Langstrumpf. Aber sie wechseln diese Rollen schnell. Doch Mitglieder der Schildkröten-Gruppe sind sie jahrelang, obwohl sie längst nicht mehr krabbeln.

„Der Name ist ja nicht von uns, sondern demokratisch von den Kindern gewählt.“ Partizipation ist zwar prima, aber beim Thema Gruppennamen nicht unbedingt angesagt. Oft setzen sich Vorschläge dominan­terer Kinder durch, und der Rest muss sich damit abfinden, nun zu den Fleischfresserdinos oder Waldfeen zu gehören. Partizipativ wäre, wenn der Name wöchentlich wechselte, damit alle mal dran sind. Will man das?

„Aber wie sollen wir die Gruppen sonst rufen – Gruppe 1, bitte kommen?“ Wie wäre es, wenn Ute ruft: „Meine Gruppe, bitte kommen!“? Noch besser wäre es, Gruppen nur selten gemeinsam aufzurufen, denn eigentlich mag das keiner: „So, 10a, ich habe euch etwas zu sagen!“ klang schon immer unangenehm. Deshalb empfiehlt sich der Trick mit den Namen: „Oskar, Lene, Hussein, es gibt Essen! Sagt den anderen bitte Bescheid.“

„Alles Quatsch! Gruppennamen sind einfach süß, und niedliche Gruppennamen machen Institutionen menschlich!“

Hm, das klingt gut. Aber finden Kinder die Bezeichnung „Häschen-Gruppe“ wirklich niedlich – oder eher die Erwachsenen? Finden Kinder sich selbst niedlich, insbesondere die in den putzig benannten Krippengruppen? Menschliche Institutionen sind wunderbar – wie auch immer sie heißen. Niedliche Namen sind höchstens Kosmetik.

Foto: AntonioGravante / photocase.de

Michael Fink ist Autor und Fortbildner.

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