Gerhard Rühm: lied

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etwas knistert

etwas stirbt

etwas grämt sich

etwas zirpt

etwas ist unbeschreiblich schön

und muss ohne grund zugrunde gehen

 

 

Gisela Steineckert: Mach doch

Gisela Steineckert

 

Mach doch

 

Lach nur, mein Leben

schüttle dein Haupt

an Aufgeben hab ich

bisher nie geglaubt

 

Lach nur, mein Leben

rück alles heraus

lösch mir die Kerzen

noch lange nicht aus

 

schlag mir die Trommeln

kein taubes Gestein

aber schlag endlich drein

 

Mach doch, mein Leben

noch einmal von vorn

das Herz braucht den Anfang

und sei es aus Zorn

 

 

Bettina von Arnim: Gedicht

Auf diesem Hügel überseh ich meine Welt!

 

Auf diesem Hügel überseh ich meine Welt!

Hinab ins Tal, mit Rasen sanft begleitet,

Vom Weg durchzogen, der hinüber leitet,

Das weiße Haus inmitten aufgestellt,

Was ist’s, worin sich hier der Sinn gefällt?

 

Auf diesem Hügel überseh ich meine Welt!

Erstieg ich auch der Länder steilste Höhen,

Von wo ich könnt die Schiffe fahren sehen

Und Städte fern und nah von Bergen stolz umstellt,

Nicht ist’s, was mir den Blick gefesselt hält.

 

Auf diesem Hügel überseh ich meine Welt!

Und könnt ich Paradiese überschauen,

Ich sehnte mich zurück nach jenen Auen,

Wo Deines Daches Zinne meinem Blick sich stellt,

Denn der allein umgrenzet meine Welt.

 

Rainer Maria Rilke: XVIII

 

Hörst du das Neue Herr,
dröhnen und beben?
Kommen Verkündiger,
die es erheben.

Zwar ist kein Hören heil
in dem Durchtobtsein,
doch der Maschinenteil
will jetzt gelobt sein.

Sieh, die Maschine:
wie sie sich wälzt und rächt
und uns entstellt und schwächt.

Hat sie aus uns auch Kraft,
sie, ohne Leidenschaft,
treibe und diene.

sie sagen

Selim Özdogan

sie sagen
der Zweck heiligt die Mittel
leuchtet mir genauso ein wie
Dreck reinigt den Kittel

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Kein Heft ohne Gedicht.
Ausgesucht hat es Marie Sander.
Gefunden hat sie es auf:
www.nthposition.com/gedichte.pdf

Rainer Maria Rilke Der Knabe

 

Ich möchte einer werden so wie die,

die durch die Nacht mit wilden Pferden fahren,

mit Fackeln, die gleich aufgegangnen Haaren

in ihres Jagens großem Winde wehn.

Vorn möchte ich stehen wie in einem Kahne,

groß und wie eine Fahne aufgerollt.

Dunkel, aber mit einem Helm von Gold,

der unruhig glänzt. Und hinter mir gereiht

zehn Männer aus derselben Dunkelheit

mit Helmen, die, wie meiner, unstät sind,

bald klar wie Glas, bald dunkel, alt und blind.

Und einer steht bei mir und bläst uns Raum

mit der Trompete, welche blitzt und schreit,

und bläst uns eine schwarze Einsamkeit,

durch die wir rasen wie ein rascher Traum:

Die Häuser fallen hinter uns ins Knie,

die Gassen biegen sich uns schief entgegen,

die Plätze weichen aus: wir fassen sie,

und unsre Rosse rauschen wie ein Regen.