Die Legende vom Schachspiel

Kinderbuch

Die Mächtigen lassen es oft an Respekt für Menschen fehlen, die ihnen untergeben sind. So beutet ein Kaiser die Menschen in seinem Land gnadenlos aus. Den armen Bauern lässt er nicht genügend Reis zum Überleben. Gierig verlangt er mehr und mehr Abgaben von ihnen. Da überlisten ihn ein weiser Mann und seine Nichte. Sie bringen ihm das eben erfundene Schachspiel und lassen ihn gewinnen. Der begeisterte Kaiser will das Spiel haben und bietet dem Mann eine reiche Belohnung. Der aber will „nur“ ein Reiskorn auf das erste der 88 Spielfelder und für jedes weitere Feld jeweils die doppelte Anzahl der Körner. Doch durch die ständige Verdoppelung entsteht eine Menge, die auch der Kaiser von China nicht aufbringen kann.

Der flächige, elegante Stil der Illus­trationen nähert sich alten chinesischen Malereien.

Klein

Kinderbuch

Lauter kleine Wusel spielen, streiten und kuscheln in der Kita. Klein hat Glück, denn die Erzieherin findet immer wieder Zeit, es hinter den Ohren zu kraulen. Aber als es von STARK abgeholt wird, ist es vorbei mit dem Wohlfühlen. Über dem Kopf von STARK dräut eine tiefschwarze Wolke. Da weiß Klein schon, wie es weitergeht. Es zieht den Kopf ein, lässt die Ohren hängen und trottet hinter STARK her. Zu Hause streiten GROSS und STARK erbittert am Abendbrottisch, so dass Klein vor Angst unter den Tisch kriecht. Später packt GROSS den Koffer und geht „wieder einmal“. Da flüchtet Klein zum Nachbarn JEMAND…

Das Buch ist so klein, dass man es leicht übersieht. Und das minimalistisch hingestrichelte Wesen auf dem Titel ist so klein, dass das Buch groß wirkt. Mit der gleichen Technik gestaltete Stina Wirsén schon ihre Nalle-­Bücher, die in Schweden Kult sind. Auch die Geschichte von Klein ist hinreißend, anrührend und geht unter die Haut.

Wenn Steine lebendig werden

Bilderbuch

“Als wir noch zu Hause wohnten, krähte jeden Morgen der Hahn”, erzählt ein Kind namens Rama von einer Zeit, als seine Welt noch in Ordnung war. Eine Geschichte, wie wir sie heute in vielen Bilderbüchern lesen können, die aber, wie so viele andere Geschichten auch, nicht so schön weiter geht, mit Vater, Mutter und Kind und dem Großvater. Ganz frei waren sie nicht, meinte der Großvater, aber sie waren zusammen und konnten leben – bis der Krieg kam und immer mehr Nachbarn und Freunde wegzogen. Schließlich gingen auch Vater, Mutter, Großvater und die beiden Kinder. Sie haben Glück im Unglück und erreichen einen Ort, wo sie leben können. Sehr einfach und schlicht ist die kleine Geschichte auf Deutsch und Arabisch erzählt. Was sie so besonders macht, sind die Bilder. Gelegt und geklebt aus vielen hundert Kieselsteinen in allen Farben und Größen haben sie eine ganz besondere Ausstrahlung, schwer in Worte zu fassen. Diese Steine können filigrane Blütenstengel darstellen, sie können fliegen. Sie zeigen aber auch, wie das Gepäck wie Felsen auf den Schultern lastet, wie Bomben vom Himmel fallen, wie Menschen in qualvoller Enge eingekerkert sind. Sie geben den Figuren Ausdruck. Ein alter Mann in Syrien malt so mit Steinen und eine in Kanada lebende Niederländerin hat ihn und seine Kunst im Internet entdeckt und ihn über Umwege dazu bringen können, diese Geschichte zu gestalten. Niza Ali Badr hat die Steine zum Reden gebracht, jeder der ausgewählten Steine und Steinchen zeigt, wie genau da jemand hingeschaut hat. Man sieht regelrecht, wie jemand suchte, anfasste und sortierte, schaute und in jedem Steinchen die Geschichte fand. Ein Stein für die Sonne an einem heißen Tag, ein Stein für den Mond, der den Weg weist … Ein Bilderbuch-Kunstwerk, Sie sollten es unbedingt genau anschauen.

Wazn Teez?

Bilderbuch

Auf moosigem Grund treffen neugierige Libellen auf chaotische Käfer und ein zartes Pflänzchen.Und können sie damit ein Baumhaus bauen? Die ausgezeichnete amerikanische Illustratorin Carson Ellis hat in ihrem zweiten Bilderbuch eine zauberhaft fantastische Welt erschaffen, die sie absolut charmant mit einer eigens für dieses Buch entwickelten Kunstsprache untermalt. Der bekannte deutsche Kabarettist und Autor Jess Jochimsen hat, zusammen mit der Kölner Theaterregisseurin Anja Schöne, den Text mit viel Feingefühl und Witz ins Fantasiedeutsche übertragen. Eine witzige kleine Geschichte, in einem sehr dekorativen, ästhetisch gelungenen Stil gehalten, mit jeder Menge zu entdecken: Jahreszeitenbuch einmal anders.

Warten auf Goliath

Bilderbuch

Bär wartet an der Bushaltestelle auf Goliath. Er ist sich völlig sicher, dass sein Freund kommen wird, wenn auch der Tag zur Nacht wird, der Frühling zum Sommer und das Rotkehlchen in seinem Nest Zweifel am Kommen des Freundes äußert. Als der erste Schnee fällt, vergisst Bär vor Freude über die tanzenden Flocken fast, dass er wartet. Dann rollt er sich nach Bären-Art ein und schläft tief, bis im Frühling – der Kirschbaum blüht – ein sanftes Geräusch die Ankunft von Goliath anzeigt. Goliath ist eine Schnecke. Er entschuldigt sich für die Verspätung. Aber für Bär macht das nichts: Er war sich immer sicher, dass Goliath kommen wird.

Die Geschichte lebt von der erwartungsvollen Spannung darauf, wer dieser Goliath wohl sein wird, auf den Bär voller Urvertrauen wartet. Etwas so Riesiges wie der angsteinflößende Goliath, den David einst besiegt hat? Aber dieser Goliath ist stark durch seine Ausdauer und seiner Unbeirrtheit und beide Freunde sind es durch ihre unerschütterliche Freundschaft.

Wieder verwendet Antje Damm ihre in »Der Besuch« erprobte Technik des Bauens und Fotografierens: In ihrem neuen Buch hat sie eine kleine Bühne aus Pappe gebaut: mit Haltestelle, Kirschbaum und einem Stück Natur, in dem wir den Tageslauf, den Wechsel von Tag und Nacht und der Jahreszeiten entdecken können. Die einfache Technik verlockt zur Nachahmung: Kinder können ihre eigenen Pappkisten-Bühnen erfinden und Geschichten erzählen.

Alle Zeit der Welt

Bilderbuch

Antje Damm hat 2007 ein kleines, dickes, rechteckiges Buch gestaltet: Alle Zeit der Welt. Anlässe, um miteinander über Zeit zu sprechen. Hier hat sie schon alles gesagt und gezeigt, was es zu diesem Thema mit Kindern ab etwa fünf Jahren zu besprechen gibt: Von den Jahreszeiten über die Tageszeiten, die Zeit in einem Menschenleben, die Vergänglichkeit und vielen anderem mehr. Jedes Ding, jede Pflanze, jedes Tier hat seine Zeit. Das Buch ist ein Ideengeber und Philosophie-Anreger zum Thema Zeit sondergleichen. Auf jeder Seite ist mindestens ein Hinweis versteckt, der den Betrachter zu weiteren Fragen und Antworten animiert.

Ein Kinderbuch, das immer noch ein Muss für alle ist, die mit Kindern „Zeitfragen“ erörtern. Viele der Fragen und Bilder sind auch für noch jüngere Kinder interessant und ältere Kinder und Erwachsene können sowieso profitieren.

Bilderbuch: Im Land der Fabelwesen

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Ein Land voller Dämonen, Ungeheuer und fantastischer Geschöpfe tut sich vor dem kleinen Hieronymus auf, der aus großer Höhe ins Wasser fällt. Bei seinem Sturz verliert er Rucksack, Kappe und Ball, die von den seltsamen Wasserwesen sofort geklaut werden.

Wieder hat der Illustrator Thé Tjong-King ein Wimmel-Buch ohne Worte geschaffen. Man kann den drei Gegenständen und dem Jungen folgen, darf deren Spuren nicht verlieren, muss alle Hinweise richtig deuten und kann abenteuerliche Szenerien voller Details entdecken. Der erwachsene Mitschauer bemerkt schon bald, dass die Wesen der auch nach 500 Jahren noch rätselhaften Bildwelt des Hieronymus Bosch entstammen. Kinder kennen sie noch nicht, begegnen ihnen aber später vielleicht wieder, und dann fällt ihnen auf, dass es solche Wesen schon gab, lange bevor sie die Bildwelten der fantastischen Literatur oder der Videospiele bevölkern.

Zu hoffen ist, dass Erwachsene sich nicht davon abhalten lassen, dieses Buch voller Fabelwesen gemeinsam mit Kindern zu bestaunen. Verraten sei: Die Guten siegen – wie in den alten Märchen.

 

 

Bilderbuch: Die Flucht

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Ein Kind erzählt, wie der Krieg über seine Welt hereinbricht und schließlich den Vater mitnimmt. Die Mutter flieht mit dem Kind und seinem Bruder, verliert unterwegs immer mehr von ihrer Habe und versucht, die Kinder auf der Reise in ein fernes Land vor den Schrecken des Krieges zu beschützen. Als die kleine Familie an den Mauern einer Grenze und den Wächtern zu scheitern droht, rettet ein unbekannter Helfer sie. Später überqueren die drei unter großen Gefahren ein Meer. Das erzählende Kind beobachtet die Zugvögel am Himmel, die alle Grenzen überwinden können, und hofft, eines Tages mit seiner Familie eine neue Heimat zu finden.

Ein Buch voller wunderschöner Bilder, ästhetisch gestaltet – bis hin zu dem schweren, matten Papier. Ein Kunstwerk.

Bilderbuch: Wenn ich groß bin…

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Bei ihren Spielen im Sandkasten träumen ein kleines Mädchen und seine Freunde, drei Schweinchen, von der Zukunft: Wenn sie groß sind, wollen sie Feuerwehrfrau, Polizist, Bauer und Zauberer werden. Dann werden sie den großen bösen Wolf nass spritzen, piksen und verschwinden lassen. Plötzlich hören sie den kleinen Wolf nebenan erbärmlich heulen. Als er sich beruhigt hat, droht er, dass er sie alle fressen wird, wenn er groß ist.

„Wenn wir groß sind“ ist die Geschichte von einem, dem alle nur Böses wollen. Kein Wunder, dass er schließlich ein großer böser Wolf wird! Diejenigen, die wissen, dass der Wolf Rotkäppchen fressen will und kleine Schweinchen besonders lecker findet, könnten sich fragen, ob es nicht die klassischen Vorurteile und Drohungen sind, die aus dem netten kleinen Wolf, der Kekse liebt, ein großes böses Untier machen.

Das witzig gestaltete, quadratische Papp-Bilderbuch erzählt seine Geschichte auf zwei Ebenen, bietet viel Gesprächsstoff und fordert die kindlichen Zuhörer auf, sich zu entscheiden, zu wem sie halten. Gar nicht so leicht…

Bilderbuch: Die Macht des Schwarms

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Der berühmten Klassiker „Swimmy“ von Leo Lionnie – viele kleine Fische verlieren ihre Angst vor den großen Fischen – hat einen Nachfolger. In dem Papp-Bilderbuch „Der König der Meere“ fühlt sich ein Fisch als König: „Blubb blubb.“ Solche Geräusche sind die einzigen „Worte“ im Buch. Doch plötzlich kommt ein größerer Fisch und verschluckt den König. Dann naht ein riesiger Fisch, der den großen schluckt. Diesen Fisch holt ein gewaltiger Schwarm kleiner Fische ein und „verschlingt“ ihn.

Die Umrisszeichnungen der Fische auf weißem Untergrund sind extrem schlicht. Originell ist die Idee so lange nach Lionnis Bilderbuch zwar nicht mehr, aber immer noch überzeugend.

Das Leben buchstabieren

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Zettel mit Wörtern und Buchstaben führen Anna und Morkel zusammen, die schon eine ganze Weile keine Buchstabier-Anfänger mehr sind. Der Junge Morkel ist selten in der Schule. Mit Anna trifft er sich oft in seinem Baumhaus. Sie schreiben Zettel, erzählen Geschichten und teilen sich vieles entlang der Buchstaben mit. Assoziativ reihen sie Wörter mit denselben Anfangsbuchstaben aneinander: Unheil, Unglück, unhöflich, undankbar, Untergang.Morkel versteht etwas von Tieren. „Der Fuchs ist ein Hund, der sich wie eine Katze benimmt“, sagt er. Plötzlich verschwindet er und bleibt während des langen, kalten Winters unauffindbar. Obwohl Anna Spuren für ihn legt, antwortet er nicht. Im Frühling gibt es endlich ein Zeichen von ihm. Schließlich liegen Anna und Morkel Kopf an Kopf unter dem blühenden Baum, sehen zu, wie die Vögel ihre Nester bauen, und können ihr Leben weiter buchstabieren. Vielleicht ist das eine Liebesgeschichte für Kinder.

Die Bilder von Stian Hole sind faszinierende Collagen mit malerischen Elementen. Manchmal übersieht man sie fast, wie beim Baum im Frühling, der aus vielen Bäumen in verschiedenen Phasen des Ergrünens besteht. Man muss sich eigentlich keine Gedanken über das richtige Alter für dieses Buch machen. Wer es interessiert betrachtet, ist alt oder jung genug.