Verurteilt

Falsche Anschuldigungen wegen sexueller Gewalt: Eine Erzieherin wird beschuldigt, Kinder sexuell missbraucht zu haben. Der Verdacht erhärtet sich nicht–in ihr früheres Leben findet die junge Frau dennoch nicht zurück. Weiter lesen

Pipi, Kacka, Pups & Co.

Über solche putzigen „Schmutzwörter“ regt sich heute niemand mehr auf. „Pups, Pups, Pups!“ jubeln die Kleinen, wenn in der Badewanne Blasen aufsteigen. „Pipi“ oder „Kacka“ zeigen an: Bald wird die Windel überflüssig. Ein Grund zur Freude. Das war nicht immer so. In meiner Kindheit waren „Pipi“ und „Kacka“ verpönt – wie alles „untenrum“. Verschämt hieß…

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Dreck im Netz – was tun?

Seit geflüchtete Männer, Frauen und Kinder in Deutschland Schutz vor Krieg und Verfolgung suchen, überschwemmen rassistische und flüchtlingsfeindliche Aussagen und Kommentare die Sozialen Netzwerke: Hate Speech – aggressiv und einschüchternd. Christina Dinar aus der Berliner Amadeu Antonio Stiftung beschreibt das Phänomen und erklärt, was man dagegen tun kann.

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Was genau ist Hate Speech?

Hate Speech ist kein sprachwissenschaftlicher, sondern ein politischer Begriff, den man mit Hassrede übersetzen kann. Das Wort steht für gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, also für die sprachliche Abwertung anderer Menschen aufgrund einer ihnen zugeschriebenen Gruppenzugehörigkeit.

Wie funktioniert Hate Speech?

Es wird eine Gruppe kreiert und abgewertet, um die eigene Gruppe aufzuwerten. Dahinter steckt ein Mechanismus der Ausgrenzung, der bewusst oder unbewusst eingesetzt wird. Kinder und Jugendliche nutzen ihn zum Beispiel, um Mobbingstrukturen zu bilden. Da heißt es von einem Jungen mit dunkler Hautfarbe: „Du stinkst.“ Denn: „Du bist schwarz.“ Dahinter steckt die Strategie des Ausschlusses und der Abwertung, wenn auch noch nicht so bewusst wie bei Erwachsenen. Deshalb ist es wichtig, dass pädagogische Fachkräfte darauf eingehen, bevor aus Cybermobbing Hate Speech wird.

Kennen Sie solche Fälle aus Ihrer Praxis?

Ja, häufig werde ich in Schulen eingeladen. Da ich von außen komme, muss ich erst mal gucken, was vorher gelaufen ist: Hat die whatsapp-Gruppe sich selbst gebildet? Ist das nur die Spitze des Eisbergs, weil in der Schule schon lange etwas gärt? Geht es eher um soziales Miteinander und gegenläufige Ausschlussprozesse?

Menschenfeindliche Haltungen finden sich bei Kindern und Jugendlichen jedoch nur dort, wo schon eine Vorprägung stattfand, zum Beispiel in rechtsextremen Familien. Kinder aus einem solchen Umfeld können es schaffen, Altersgefährten in ihren Bann zu ziehen und mitzunehmen: Weil ich weiß und blond bin, bin ich mehr wert als andere Menschen.

In ländlichen Regionen scheinen das keine Ausnahmen zu sein. In Kitas und Grundschulen dringt, was zu Hause aufgeschnappt wurde: „Wieso kriegen die Flüchtlinge alles und wir nichts?“ Viele Teams sind überfordert, angemessen darauf zu reagieren.
Und sie haben es selten mit Eltern zu tun, die Neonazi-Kader sind, sondern mit dem „alltäglichen“ Rassismus ganz „normaler“ Leute. Also muss die Auseinandersetzung erstmal in den Teams geführt werden.

Genau. Wir haben die Fachstelle Gender und Rechts­extremismus, die sich damit beschäftigt und pädagogischen Fachkräften Handwerkszeug vermittelt, um mit diesen Themen umzugehen, Alternativen zu bieten und zu zeigen, wie Demokratie funktioniert. Schließlich ist es ja keine natürliche Gegebenheit, dass Kinder so denken wie ihre Eltern. Machen sie in ihrem Sozialisierungsumfeld die Erfahrung der Gleichwertigkeit, schützt das vor Vorurteilen, denn Kinder haben noch kein geschlossenes Weltbild.

Inzwischen werden auch auf dem Lande, wo man lange weitgehend unter sich blieb, Flüchtlings­unterkünfte eröffnet. Andersfarbige und anders­sprachige Männer, Frauen und Kinder tauchen plötzlich auf, kommen in den Supermarkt, sind in der Schule und in der Kita anzutreffen – eine ganz neue Erfahrung.

Ja, aber in pädagogischen Einrichtungen jenseits ihres Elternhauses können Kinder und Jugendliche erleben, dass Vorurteile über die People of Colour der Realität nicht standhalten. Die klassische Zuschreibung „Du stinkst“ stimmt ebenso wenig wie Verniedlichungen und andere Rassismen.

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Zurück ins Internet. Seit wann spielt Hate Speech dort eine so wahrnehmbare Rolle?

Sichtbar wurde Hate Speech in den Jahren von 2010 bis 2012 vor allem gegen Feministinnen, die sich mit dem Thema „Gender“ beschäftigen – Stichwort „Gamergate“: Zwei Gamerinnen wurden massiv angefeindet, als sie sich gegen Ungleichbehandlung, Geschlechterstereotype und Diskriminierung von Frauen im Gaming-Bereich äußerten. Danach breitete sich die Hassrede aus, ging von Twitter auf Facebook über und macht heute vor allem rechtspopulistische bis rechtsextreme Positionen sichtbar. Deren Vertreter nutzen die sozialen Netzwerke als raumgreifende Möglichkeit der Propaganda und Rekrutierung, versuchen, eine Gegenöffentlichkeit zu bilden, und dabei stellt sich heraus: Es ist leicht, mit Dreck zu schmeißen, aber aufwändig, dagegen vorzugehen und aufzuklären.

Hinzu kommt: Es gibt eine große Mitleserschaft, die sich als handlungsunfähig erlebt. In Praxis-Workshops höre ich: Am meisten bestürzt die Leute, dass rassistische Äußerungen gegen Flüchtlinge sich in ihren Facebook-Freundeskreisen finden. Da postet Hans-Peter, mit dem man früher die Schulbank drückte, plötzlich finstere Sprüche. Die Frage ist: Wie geht man damit um? Schmeißt man ihn raus, klärt man ihn auf und postet Fakten zurück? Oder lässt man unkommentiert stehen, was Hans-Peter von sich gab?

Wahrscheinlich handelt die Mehrheit genau so…

…und legitimiert Hans-Peters Äußerungen, lässt sie zumindest als sagbar erscheinen. Definitiv muss Hans-Peter ein Feedback bekommen: „Das ist Rassismus, was du da verbreitest.“

Im Kontext von Rechtsextremismus findet sich neuerdings die Strategie des Themen-Hopping. 15 Themen werden in einem Post angesprochen. Häufiges Fazit, das dem folgt: Die Welt ist schlecht, die Presse lügt, „die da oben“ sind gegen uns. Da empfiehlt es sich, einen Aspekt herauszugreifen, zum Beispiel die Behauptung, dass Flüchtlinge zu viel Geld kriegen, und zu posten, was eine Flüchtlingsfamilie tatsächlich bekommt, nämlich weniger als den Hartz4-Satz. Das setzt aber voraus, sich mit dem Thema zu beschäftigen, sich Faktenwissen anzueignen und das aufzubringen, was wir zivilgesellschaftliches Engagement nennen.

# Zurück ins Grab!

Dabei kann man sich in endlose Debatten verstricken und kommt mit den Meldungen rechtsradikaler Inhalte bei Facebook kaum hinterher.

Facebook und die Initiative „Online Civil Courage“, der auch die Amadeu Antonio Stiftung angehört, sind im Gespräch über effektivere Maßnahmen. Ein Ziel ist zum Beispiel, die Melde- und Löschverfahren solcher Posts zu beschleunigen.

Gibt es neben Twitter und Facebook auch andere Medien, die Hate Speech transportieren?

Kinder im höheren Grundschulalter agieren häufig in geschlossenen whatsapp-Gruppen. In den Chats haben sie einen Raum, der sich elterlicher oder pädagogischer Einflussnahme entzieht und in dem sie sich ausleben können. Das ist zwar gut, aber es sollte schon Regeln geben oder einen Rahmen, in dem Schutz und Prävention möglich sind.

Apps eröffnen Kindern und Jugendlichen alle möglichen digitalen Welten. Neue Wissenshierarchien entstehen, denn Heranwachsende, die sich diese Welten schnell erschließen, sind im Vorteil. Da wären Angebote, die alle mitnehmen, auch die Langsamen, schon sinnvoll. Und Standards des reflektierten Umgangs mit den neuen Medien ebenso.

Auf Twitter und Facebook tummeln sich jüngere Kinder allerdings selten. Sie kennen diese Medien zwar, bringen sich aber noch nicht aktiv ein…

…obwohl man bei Facebook undTwitter anonymer agieren kann als am Handy. Die Mitglieder von whatsapp-Gruppen kennen einander meist gut. Und trotzdem wird gemobbt?

Meine Erfahrungen besagen das. Außerdem gibt es Schul-Chats, in denen Kinder aus verschiedenen Klassen kommunizieren, es gibt Netzwerke und dezentrale Gruppen, in denen man einander nicht unbedingt kennt. Da fragt sich auch, wie wir als Eltern damit umgehen. Mich beunruhigt es, gar nichts darüber zu wissen, was in den Chats abgeht. Außerdem bin ich als Mutter diejenige, die die Rechnung zahlt und letztlich die Verantwortung trägt. Also sage ich zu meinem Sohn: „Wenn dir was komisch vorkommt – rede mit mir darüber.“

Ich finde, dass pädagogische Fachkräfte jede Menge tun können, um sich in den Chats zumindest zu informieren, was läuft, was okay ist, was nicht, und die Auseinandersetzung darüber anzuregen. Hat man keinen Zugriff, ist das natürlich schwierig…

…und erst recht, wenn kein Vertrauensverhältnis zwischen Kindern und Erwachsenen – seien es Eltern, Lehrerinnen oder Sozialarbeiter – besteht. Warum sollten Kinder Menschen, denen sie nicht vertrauen, Zugang zu ihrem Feld der Freiheit gewähren? Außerdem sind viele Kinder und Jugendliche auf diesem Feld erheblich kompetenter als die meisten Erwachsenen.Tut sich jedoch etwas Ungewohntes auf – zum Beispiel die Flüchtlingsunterkunft am Dorfrand oder in der Nachbarschaft –, muss das von Erwachsenen aufgegriffen werden. Im wirklichen Leben und egal, ob sie zu einer whatsapp-Gruppe gehören oder nicht, denn die virtuelleWelt hängt mit der realenWelt zusammen. Bei Kindern gibt es da gute Anknüpfungspunkte. Die meisten haben ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl.

Ja, und Pädagogen müssen das unterstützen. Außerdem können sie aufklären.

In den Sozialen Netzwerken wird gegenwärtig oft mit Desinformation gearbeitet: Wir sehen ein Bild von einer völlig zugemüllten Wiese und lesen: So hinterlassen Geflüchtete ihre Plätze. Mit dem Bild werden also rassistische Stereotype verknüpft und Behauptungen aufgestellt. Forscht man dem Bild nach, stellt sich heraus, dass es von einem Festival in Roskilde stammt, dass 2011 stattfand. Oder es heißt: Die Schwester meiner Freundin arbeitet bei Lidl und hat gesehen, dass Geflüchtete ihre Tüten vollpackten und nichts bezahlen mussten. Um diese Behauptung zu legitimieren, wird eine Beziehung zu der Person erfunden, von der man die Information erhalten haben will.

# Geh sterben!

Wenn Unwissenheit und Verunsicherung herrschen, breiten sich rechtspopulistische Einstellungen aus: Misstrauen in die Demokratie und ihre Institutionen, Ressentiments gegenüber Fremden und dem Islam werden miteinander verknüpft und sind in Hass-Mails sichtbar wie die Spitze eines Eisbergs, der aus all diesen diskriminierenden Vorurteilen besteht. Werden sie legitimiert und findet keine kritische Prüfung der Informationen statt, verstärken sie sich. Dies ist ein Teil der Strategie der Rechtspopulisten, und dazu nutzen sie die sozialen Netzwerke, die ja eine Art Beziehungsnetzwerke sind und Vertrauen vorgaukeln, wenn zum Beispiel der Klassenkamerad von früher etwas postet. Hier wird sichtbar, was die Wissenschaft schon lange belegt – cirka 20 Prozent der Mitglieder unserer Gesellschaft vertreten rechtspopulistische Positionen.

Hinzu kommt: Die Positionen der Geflüchteten findet man in diesen Netzwerken nicht. Es wird lediglich über sie gesprochen. Zwar gibt es Initiativen, die sich für die Geflüchteten engagieren, und die Willkommenskultur sorgt für entsprechende Erzählungen, aber es ist schwieriger, positive Geschichten zu verbreiten, und es geht auch nicht so schnell. Einfache Lösungen für komplexe Pro­bleme anzubieten – das kommt hingegen leichter an, wie man inzwischen europaweit sehen kann. Hate Speech ist ein Teil davon, aber einer, der sichtbar macht, vor welchen Problemen wir stehen.

Kann man dem juristisch begegnen?

Es gibt folgende Möglichkeiten: löschen, melden, anzeigen. Die Frage ist auch, welche Beziehung man zum Absender hat. Man kann nachfragen, wie der Absender zu seiner Äußerung kommt, kann die Äußerung öffentlich machen, kann ihn anzeigen. Es gibt viele Formen, sich zu wehren.

Ich finde, die Zivilgesellschaft muss das Problem aufgreifen, denn es geht uns alle an. Wenn wir die Sozialen Netzwerke als gesellschaftlichen Raum wahrnehmen, dürfen wir nicht weggucken, sondern müssen uns einbringen und positive Geschichten erzählen. Wir müssen uns fragen: In welcher Kommunikationskultur wollen wir leben? Um das deutlich zu machen, können wir Kommentare liken, die uns gefallen, so dass sie weiter oben gelistet werden, über den hässlichen Sprüchen. Mit einem Klick kann man Menschen unterstützen, die versuchen, sich zu engagieren.

Da wären wir bei der Frage:
Was hat das alles mit mir selbst zu tun? Warum soll ich mich engagieren?

Manchen Leuten aus dem klassischen pädagogischen Bereich ist „all das mit dem Internet“ viel zu viel. Trotzdem können sie etwas tun. Sie können die Probleme in ihrer pädagogischen Praxis aufgreifen, mit Kindern und Jugendlichen an Beispielen arbeiten, einen Chatverlauf ausdrucken und die Situationen besprechen: „Was ist da eigentlich passiert? Wir schauen uns die Situation an, gucken nicht weg, sondern machen die Menschen hörbar, die diskriminiert werden oder sich gegen Diskriminierung aussprechen.“ In dem Moment sind alle betroffen und können sich positionieren, solidarisch und unterstützend.

Man kann auch selbst eine Chat-Gruppe aufmachen, als Alternative zu anderen Gruppen: „Hier bin ich, eure Lehrerin, und ich bin ansprechbar. Montags bis freitags erreicht ihr mich nach 15.00 Uhr.“ Das ist ein Beziehungsangebot.

Es gibt auch die harte Variante: Alle Handys einsacken, sich offline mit dem Problem beschäftigen und die klassischen Anti-Diskriminierungsstrategien nutzen: mit der Gruppe arbeiten, sich weniger auf die Täter fokussieren, die positiven Kräfte stärken und vereinbaren, wie man künftig mit dem Problem umgehen möchte.

Die dritte Variante: Ich gehe in die Chat-Gruppe und bin stille Mitleserin. Was ich online mitbekomme, spreche ich offline an: „Ich habe gesehen, dass du so düstere Bilder gepostet hast. Ist alles in Ordnung bei dir?“ Viele Kinder und Jugendliche nutzen Emoticons, um Gefühle darzustellen. Daran kann ich Gesprächsangebote knüpfen. Werden jedoch Grenzen überschritten, greife ich ein. Und das muss ich fairer Weise vorher ankündigen: „Ich freue mich, dass ich in eurer Chat-Gruppe bin, werde mich aber einmischen, wenn ich etwas lese, das gegen die abgemachten Gruppenregeln verstoßen könnte.“

Ich denke, so ein Angebot kann für alle Beteiligten als Übungsfeld sinnvoll sein, denn: Online kann uns wie im realen Leben alles Mögliche begegnen. Es ist gut, wenn wir darauf vorbereitet sind.

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Interview: Lena Grüber, Erika Berthold
Fotos: photocase, Lena Grüber

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Christina Dinar studierte Soziale Arbeit, Theologie, Kulturwissenschaften und Gender Studies in Berlin. In der Amadeu Antonio Stiftung beschäftigt sie sich im Projekt no-nazi.net mit pädagogischen Ansätzen der Präventionsarbeit gegen Rechtsradikalismus in den sozialen Netzwerken.

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Literatur
Hetze gegen Flüchtlinge in Sozialen Medien – Handlungsempfehlungen:
https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/onlinehetze/

Viraler Hass: Rechtsextreme Kommu­nikationsstrategien im Web 2.0
www.netz-gegen-nazis.de/files/Viraler-Hass-Final.pdf

Zwischen Propaganda und Mimikry – Neonazi-Strategien in Sozialen Netzwerken:
www.netz-gegen-nazis.de/files/Netz%20gegen%20Nazis2.0%20Internet.pdf

Neonazis im Web 2.0: Erscheinungsformen und Gegenstrategien:
www.netz-gegen-nazis.de/artikel/neonazis-im-web-20-erscheinugsformen-und-gegenstrategien-1212

Liken. Teilen. Hetzen. Neonazis-­Kampagnen in sozialen Netzwerken:
www.no-nazi.net/wp-content/uploads/2013/04/Liken.Teilen.Hetzen.pdf

Die Brandstifter.
Rechte Hetze gegen Flüchtlinge:
www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/broschuere_brandstifter_internet.pdf

Das Bild des „übergriffigen“ Fremden. Warum ist es ein Mythos? Wenn mit Lügen über sexualisierte Gewalt Hass geschürt wird:
www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/gender_und_rechtsextremismus.pdf

Nachfragen, klarstellen, Grenzen setzen – Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der AfD:
www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/afd-handreichung.pdf

Pro Menschenrechte.
Contra Vorurteile.
Fakten und Argumente zur Debatte über Flüchtlinge in Deutschland und Europa:
http://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/broschuere_pro_contra_internet.pdf

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Wer unterstützt?

Netz gegen Nazis
Auf der Plattform werden rechtspopulistische Gesprächsstrategien analysiert und Hinweise dazu gegeben, wie man ihnen argumentativ begegnen kann. Darüber hinaus gibt es eine Liste von Beratungsnetzwerken gegen Rechtsextremismus. Beratungsteams vor Ort bieten häufig auch Fortbildungen und Workshops an.
Kontakt: www.netz-gegen-nazis.de

Netzwerk für Demokratie und Courage e. V.
Das Netzwerk bietet Argumentations- und Handlungstrainings gegen Rechts an, um die Auseinandersetzung mit menschenverachtenden Einstellungen zu fördern. Trainiert wird die Fähigkeit, solche Einstellungen zu erkennen und argumentativ zu widerlegen. Zielgruppe sind Mitglieder und Verantwortliche in Vereinen, Verbänden, Parteien, Gewerkschaften und Verwaltungen.
Kontakt: Tel.: 0351 481 00 64, E-Mail: turid@netzwerk-courage.de, Internet: www.netzwerk-courage.de

Projekt no-nazi.net
Das Projekt der Amadeu Antonio Stiftung widmet sich rassistischer Hetze im Internet und in Sozialen Medien. Es unterstützt Menschen, die sich für demokratische Werte, gegen hasserfüllte Ideologie und gegen Hetze einsetzen wollen.
Kontakt: Tel.: 030 240 886 24, E-Mail: nonazinet@amadeu-antonio-stiftung.de, Internet: www.no-nazi.net

ju:an – Praxisstelle antisemitismus- und rassismuskritische Jugendarbeit
Die in Berlin und Hannover ansässige Praxisstelle entwickelt Konzepte und Instrumente, um Antisemitismus und Rassismus zu bearbeiten, berät, schult und coacht Multiplikator_innen der Kinder- und Jugendarbeit bei der Umsetzung nachhaltiger antisemitismus- und rassismuskritischer Praxis.
Kontakt in Berlin: Tel.: 030 240 886 15, E-Mail: praxisstelle@amadeu-antonio-stiftung.de, Internet: www.projekt-ju-an.de
Kontakt in Hannover: Tel.: 0511 8973 4333, E-Mail: praxisstelle-hannover@amadeu-antonio-stiftung.de, Internet: www.projekt-ju-an.de

Fachstelle Gender und Rechtsextremismus
Die Fachstelle der Amadeu Antonio Stiftung bündelt Erfahrungen aus Wissenschaft und Praxis und bietet geschlechterreflektierende Beratung und Fortbildung für pädagogische und sozialpädagogische Fachkräfte in Kitas und Jugendzentren an. Unter anderem werden Fragen zu Geschlechterstereotypen, traditionellen Familienbildern und zum Umgang mit rechtsextremen Eltern behandelt.
Kontakt: Tel.: 030 240 886 12, E-Mail: heike.radvan@amadeu-antonio-stiftung.de, Internet: www.gender-und-rechtsextremismus.de

Regionale Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie (RAA)
Die Arbeitsstellen setzen sich für mehr Bildungsgerechtigkeit ein, fördern die Chancengleichheit von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund und eine demokratische Kultur in Schule und Gesellschaft – unter anderem unterstützen sie die Sprachförderung mit Hilfe von Sprachpaten und das Handeln gegen Ressentiments.
Kontakt: Tel.: 030 240 45 100, E-Mail: andres.nader@bag-raa.de, Internet: www.bag-raa.de

Projekt „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“
Das Projekt fördert ein Schulklima, das von gegenseitiger Achtung und der Anerkennung individueller Eigenheiten geprägt ist, dem verbindende Normen zugrunde liegen. Zu diesem Zweck werden Materialien erarbeitet, die Handlungsansätze, Themenfelder, Methoden und Arbeitsweisen enthalten. Bundesweit bietet das Projekt Fachtagungen, Qualifizierungsseminare und Vernetzungstreffen an.
Kontakt: Tel.: 030 2145 860, E-Mail: schule@aktioncourage.org, Internet: www.schule-aktioncourage.org

Kinder vergleichen?

Fünf Organisationen – die Bundesarbeitsgemeinschaft Elterninitiativen, die Bundes­eltern­vertretung, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, das Institut für den Situations­ansatz in der INA gGmbH und der Pestalozzi-Fröbel-Verband – verfassten im April 2016 eine Stellungnahme zum Vorhaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), mit der internationalen Studie „Early Learning Assessment“ Lern­ergebnisse in frühkindlichen Bildungs­prozessen zu erfassen, zu vergleichen und zu bewerten. Dr. Christa Preissing erklärt, welche Gründe es gab, vor der Beteiligung Deutschlands an dem OECD-Vorhaben zu warnen.

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Bild: Quint Buchholz

Dr. Christa Preissing: Mit den Stellungnahmen wollten wir Einfluss auf die Entscheidung der Ministerin Manuela Schwesig nehmen. Wir wollten verhindern, dass Deutschland sich an dieser Studie beteiligt. Das ist gelungen.
Welche Länder sich an der ersten Phase der Studie beteiligen, wissen wir noch nicht. Wenn die Ergebnisse veröffentlicht werden, rechnen wir damit, dass ein ähnlicher Prozess einsetzt wie nach der PISA-Studie. Auch an dieser Studie beteiligte sich Deutschland anfangs nicht. Nachdem die ersten Ergebnisse veröffentlicht wurden, trat Deutschland bei und beteiligte sich an den Folge-Phasen. Deshalb befürchten wir, dass mit „Kindergarten-PISA“ Ähnliches passieren wird.

Weshalb bezweifeln Sie den Sinn dieser Studie?

Dr. Christa Preissing: Ich habe grundsätzliche Bedenken, die Leistungen von Kindern zum Gegenstand internationaler Vergleichsstudien zu machen. Das hat mehrere Gründe.
Der Hauptgrund: Ich bin der Auffassung, dass man Kinder nicht miteinander vergleichen sollte, denn das setzt ja voraus, dass man eine Norm hat, an der die Kinder gemessen werden. Solch eine Norm enthält eine Vorstellung von Normalität, die ich grundsätzlich in Frage stelle, wenn wir davon ausgehen, dass jedes Kind unendlich viele Potenziale in sich trägt. Die pädagogischen Fachkräfte, aber auch die Familien haben die Aufgabe, Kinder zu stärken, damit sie möglichst viele dieser Potenziale entfalten können. Bei Messungen von Leistungen nach einer bestimmten Norm wird immer nur ein sehr reduzierter Ausschnitt in den Blick genommen. Das geht aus methodischen Gründen auch gar nicht anders. Man greift immer auf Kompetenzen zurück, die von außen definiert sind und Kindern mit ungewöhnlichen Potenzialen nicht gerecht werden. Solche Potenziale kommen gar nicht in den Blick. Aus methodischen Gründen wird zudem von oben herab definiert, was Kinder in einem gewissen Alter können oder welche Kompetenzen sie aufweisen sollen. Verräterisch ist für mich in diesem Zusammenhang der Begriff der „Vorläuferfähigkeiten“.

Was ist damit gemeint?

Dr. Christa Preissing: Damit sind Fähigkeiten gemeint, die Kinder in der Schule oder im Beruf brauchen. Es wird also immer von oben herab definiert, was Kinder in einem bestimmten Alter können sollten, damit sie in späteren Lebensphasen erfolgreich sind. Der Erfolg wird an den Leistungen in der Schule gemessen. Also nicht daran, wie viel kritisches Potenzial Kinder haben, welche eigenwilligen Vorstellungen oder Alternativen zu gängigen Regeln sie entwickeln, wie fantasievoll sie sind. Die Norm presst die Kinder in eine Form, die ihnen nicht gerecht wird. Und meinem Bild vom Kind – vom Menschen überhaupt– auch nicht.
Mein zweiter grundsätzlicher Einwand: Es handelt sich um eine internationale Vergleichsstudie. In solchen Studien dominieren immer nord-westlich gesetzte Normen. Von vornherein kann man prognostizieren, dass Kinder aus süd-östlichen Regionen dieser Welt schlechter abschneiden werden, denn soziokulturelle Komponenten werden nicht berücksichtigt. Es wird ein universales Bild vom Kind konstruiert – über Entwicklungspsychologie und Testapparate –, das Kindern, die nicht in nord-westlich geprägten Mittelschichtkulturen aufwachsen, in keiner Weise gerecht wird.
Diese Debatte um die sogenannte kompensatorische Erziehung führen wir im Westen der Republik schon seit den 1960er Jahren und fragen: Geht es darum, alle Kinder mittelständischen Normen anzupassen? Das war und ist eine fachpolitische Debatte. Inwiefern widerspricht die OECD-Studie auch fachpolitischen Positionen, die sich mittlerweile hierzulande herausbildeten und seitdem Gegenstand der hiesigen Bildungspläne und -programme sind?
Dr. Christa Preissing: In unserer Stellungnahme verweisen wir darauf, dass unser Bildungsverständnis – es variiert zwar regional, besitzt aber eine große Schnittmenge – besagt: Bildung ist mehr als die Ausprägung bestimmter kognitiver Fähigkeiten, umfasst die Entwicklung der Persönlichkeit und ihr Vermögen, soziale Gemeinschaften zu bilden und die Welt eigenverantwortlich umzugestalten.
Das Vorhaben, die Messung kind­licher Kompetenzen ins Zentrum einer Vergleichsstudie zu stellen, ignoriert dieses umfassende Bildungsverständnis. Zwar wird es nicht generell in Frage gestellt, aber es wird ausgeblendet, wenn es um die Auswahl der Messmethoden geht, die Literacy, frühe mathematische Grunderfahrungen und die Fähigkeiten der Kinder, sich selbst zu regulieren und sich in ein formales Bildungssystem einzupassen, erfassen sollen.

Es geht also letztlich um die Fähigkeit der Kinder, sich in die Systeme einzupassen, die in den jeweiligen Teilnehmerländern herrschen?

Dr. Christa Preissing: Ja. In unserer Stellungnahme kritisieren wir auch unser formales Bildungssystem Schule, denn wir sehen, dass die soziale Herkunft immer noch der Hauptvoraussagefaktor für den Bildungserfolg in der Schule ist. Die Schule ist eben nicht in der Lage, soziale Benachteiligung aufzugreifen und auszugleichen. Unser formales Bildungssystem setzt immer noch darauf, dass Eltern viel tun, um ihre Kinder in der Schule zu unterstützen. Mütter und Väter, die diese Möglichkeit nicht haben, weil sie keine hohen Bildungsabschlüsse und keine Partizipationsmöglichkeiten haben, sind dazu nicht in der Lage. Ihre Kinder werden deshalb immer schlechter abschneiden als andere Kinder. Deshalb finde ich es diskriminierend, solche Normen zu setzen.

Ist ein Untersuchungsansatz denkbar, der diese Art der Diskriminierung ausschließt?

Dr. Christa Preissing: In Berlin, aber auch andernorts haben wir den Weg eingeschlagen, nicht die Kompetenzen der Kinder zu messen, sondern die Qualität des pädagogischen Handelns derer, die Verantwortung dafür tragen, dass Kinder ihre Potenziale entfalten können. Man darf nicht verschleiern, wer diese Verantwortung trägt. Nämlich wir – als Vertreter der Mehrheitsgesellschaft, die in der Lage sind, sich an der Definition von Normen zu beteiligen. Dafür haben wir Qualitätsansprüche und -kriterien entwickelt.

Was müsste dem Entwurf eines Forschungsdesigns vorausgehen, das solche Ansprüche erfüllt?

Dr. Christa Preissing: Eine Debatte, die Fragen der Inklusion und Partizipation beinhaltet, wurde in Ansätzen geführt – auch vor dem Start dieser OECD-Studie. 2015 gab es ein halbes Jahr lang die Möglichkeit, sich an der Entwicklung des Forschungsdesigns zu beteiligen, und Deutschland machte mit. Aber es war klar, dass das aus forschungsökonomischen Gesichtspunkten scheitern musste, denn in sechs Monaten lassen sich keine Forschungsmethoden entwickeln, die geeignet sind, Unvorhergesehenes bei Kindern einzubeziehen. Von vornherein war klar: Man wird auf Forschungsmethoden zurückgreifen, die bereits erprobt und validiert sind. Interessanterweise sind das Tests aus den späten 1960er bis 1970er Jahren, die in den USA, in Kanada und Großbritannien entwickelt wurden. Schon während meiner Studienzeit wurden sie kritisiert.

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Kontakt

Dr. Christa Preissing ist Direktorin
des Berliner Kita-Instituts in der
Internationalen Akademie Berlin.

Link
www.bevki.de/internationaler-leistungsvergleich-in-der-fruehkindlichen-bildung-eine-stellungsnahme dazu/

Wortlaut der Stellungnahme des Instituts für den Situationsansatz, der Bundeselternvertretung, des Pestalozzi-Fröbelverbands, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und der Bundes­arbeitsgemeinschaft Elterninitiativen vom 16. 4. 2016

Wer wagt, gewinnt

Offene Arbeit im Krippen-Garten   Die Vision, Kindern mehr Wahlmöglichkeiten und Entscheidungsfreiheit bieten zu können, hatten wir schon lange im Kopf. Vor ungefähr sechs Jahren saßen wir bei einer Großteam-Beratung an einem langen Tisch in unserer frisch sanierten Kita „Bienenkorb“ und läuteten das neue Kindergartenjahr ein. Unsere damalige Leiterin, Ulrike Hinz, berichtete von Veranstaltungen über…

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Kathedralen der Zukunft!

In Hamburg soll jede dritte evangelische Kirche in den kommenden zehn Jahren geschlossen werden. Die Leute bleiben weg. Und auch die Euros aus der Kirchensteuer. Sinkende Einnahmen wegen sinkender Nachfrage. Also, sagte jetzt die Synode:  Kapazitätsabbau. So platt würde keine Geschäftsleitung von Supermärkten und Drogeriemärkten reagieren. Sie würde um Kunden werben.

Wie der „dm-drogerie markt“. Dort wurden die Abstände zwischen den Regalen nicht verkleinert, sondern vergrößert. Die Räume wurden heller, offener, einladender. Die Kunden sollen sich wohl- und willkommen fühlen. Auszubildende in den dm Märkten spielen Theater. „Abenteuer Kultur“ ist ein wichtiger Teil ihrer Ausbildung. Die Lernlinge, so heißen die Azubis dort, sollen dadurch selbstbewusster und gestaltungsfreudiger werden. Sie sollen sogar lernen Nein zu sagen. Nicht zu den Kunden. Zu den Oberen.

Mit diesen Ideen des dm Gründers Götz Werner, der heute vor allem mit seinem Plädoyer für das bedingungslose Grundeinkommen unterwegs ist, wurde dm Marktführer. Es wurden keine Filialen geschlossen. Es werden dauernd welche eröffnet.

 

Valentin

 

 

Man hört den Sound von Planwirtschaft

Wie die Kirchen sollen in Hamburg auch die Schulen schrumpfen. Solche mit überflüssigen Quadratmetern gemäß der Bemessungsnorm, die „Musterflächenprogramm“ heißt. Man hört den Sound von Planwirtschaft, die letzte verbliebene, die Bildungsplanwirtschaft. 12 Quadratmeter stehen einem Schüler zu. Flure, Fachräume, auch Turnhallen sind mit gerechnet. Bereits 34 Hamburger Schulen mussten Flächen abgeben. Jetzt trifft es weitere 17 . Die Finanzverwaltung  vermietet oder verkauft dann die Gebäude. Einzelne Klassenräume werden „abgemietet“. Das trifft jetzt auch die Grundschule „Moorflagen“. Sie ist „Schwerpunktschule für Inklusion“. Aber für Inklusion bekommt sie keinen zusätzlichen Platz. Das fordert den Widerspruch der Eltern heraus. Behinderte Kinder brauchen mehr Raum. Für die drei Autisten sollte es Platz für Auszeiten geben. Kinder mit Orthesen, brauchen Ecken mit Teppichen um zwischendurch auf dem Boden zu krabbeln. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein. Ist es aber nicht.

 

Schulen sollten die Kathedralen unserer Zukunft werden

Als die Eltern jetzt Krach schlugen, bekamen sie zu hören, die Räume seinen bereits „abgemietet“ und dass es auch möglich sei, „mit weniger Raum den Ansprüchen der Inklusion gerecht zu werden.“ Vielleicht den Ansprüchen der Inklusion, aber nicht denen der Kinder. Immer wieder diese Camouflage in der Funktionärssprache. Sie reden zum Beispiel von den „Schwierigkeiten der Schulen im Umgang mit Heterogenität“. Nein, die Schulen haben Schwierigkeiten mit den Kindern, die alle verschieden (heterogen) sind. Aber die Heterogenität? Wer hat sie je gesehen außer in den Texten aus Behörden und anderen Ideologiefabriken.

Es geht darum dieser Sprache und dieser wirklichkeitsabgewandten Haltung eine andere Haltung und konkrete Vorstellungen entgegen zu setzen. Die Kinder zu sehen, wie sie sind und wer sie sind, und sie nicht auf Abstraktionen wie Heterogenität, Inklusion und Co. zu reduzieren. Nicht auf die Quadratmeter in „Musterflächenprogrammen“ zu starren, sondern zu überlegen wie die Räume Welt öffnen können. Wie wäre es denn, wenn es in Schulen Ateliers gäbe, in denen Erwachsene ihren Passionen nachgehen und Kinder dafür interessieren und damit anstecken? Zum Beispiel für Schriftsetzer eine ausgemusterte Druckerei? Ateliers für Künstler? Werkstätten für Handwerker? Übungsräume für Bands? Eine Küche für die Poeten der neuen Kochkompositionen? Und ähnliches. Wir brauchen Raum für die wunderbare analoge Welt, in der und mit der man so viel machen kann. Nur so lässt sich dem Fastfood aus den Simulationen, die auf den Handys landen, etwas entgegen setzen! Nichts gegen die Computer, diese Universalmaschinen, wenn wir lernen sie als Werkzeuge zu benutzen. Auch dafür brauchen wir Labore in Schulen.

Wie wäre es denn, wenn es in Schulen Ateliers gäbe?

Also viele verschiedene produktive Räume. Räume zur Produktion! Räume für viele Stoffe und für verschiedenes Material!  Für passende Techniken und Künste, um aus dem Material was zu machen. Dafür brauchen wir in Schulen noch viel mehr Räume.

Auch die arbeitslos gewordenen Kirchen könnte man dafür gut nutzen. Ihre Chance wäre so etwas zu werden wie die Kathedralen im Hochmittelalter. Darin gab es Märkte. Da wurde Karneval gefeiert. Selbst Prostitution war in diesen Räumen der großen Inklusion geduldet. Man lese das große Buch von Georg Duby, Die Zeit der Kathedralen – Kunst und Gesellschaft 980 bis 1420 (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 1011).

Ja, vor allem die Schulen sollten die Kathedralen unserer Zukunft werden. Orte, die verkörpern was uns gut und wichtig ist. Was auch ein bisschen größer ist als ein noch so schönes Privatleben. Die Kirchengebäude bieten dafür natürlich in vielen Fällen bessere Voraussetzungen als die kleinteilige und engherzige Schularchitektur vergangener Tage und neuerlicher Sparprogramme.

 

Max

 

Aber wer soll das bezahlen?

Machen wir nicht gleich den Staat haftbar, klagen wir ihn nicht an, dass er sollte und müsste und überhaupt. Da wird nichts draus. Bilden wir Bündnisse zur Finanzierung einiger Kathedralen. Bilden wir Bündnisse für Bildung. Und dazu gehört erst mal das building, der jeweils besondere Ort. Ein zugleich öffentlicher und doch geschützter Ort. Verschwenderisch und schön! Mit Werkstätten, Übungsräumen, Ateliers, Laboren, Räumen der Stille und zum Toben, mit Unterrichtsräumen und Lernbüros. Ein ganz und gar diesseitiger Tempel für erwachsen gewordene Erwachsene und für Kinder voller Neulust!

Übrigens: Götz Werner, der dm – Gründer, sagte auf dem letzten Kongress des Netzwerks Archiv der Zukunft in Bregenz, jedes Unternehmen, das voran kommen will, braucht Leute, die ab und zu einen Schreikrampf bekommen, wenn die Verhältnisse einzufrieren drohen. Und er fasste sein Plädoyer für das bedingungslose Grundeinkommen in diesem Satz zusammen: Damit jeder die Freiheit hat, Nein zu sagen.

 

Illustrationen: Valentin und Max

Kostehappen

PÄDIAWIKI: Vom Sinn und Unsinn pädagogischer Gewohnheitswörter Weiter lesen…

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Wer bestimmt, was Kinder bestimmen dürfen?

Ein Elternabend zum Thema „Partizipation“ Weiter lesen…

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Sollen Kinder lernen was sie wollen?

„Die machen wieder was sie wollen…“ Wird dieser Satz einer Lehrerin oder eines Lehrers über seine Schüler wie eine Klage betont? Klingt er gar wie ein Hilferuf am Rande des Chaos? Oder aber sagt der Erwachsene voller Erstaunen und mit Respekt: „Diese Kinder machen, was sie wollen. Sie wollen tatsächlich etwas“. Weiter lesen…

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Der Elternkurs „Nur Mut!“

Die Zusammenarbeit mit Eltern ist für pädagogische Fachkräfte ein ebenso wichtiges wie schwieriges Gebiet. Christian Fazekas berichtet, welche Erfahrungen er auf diesem Gebiet machte. Weiter lesen…

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Demokratie – jein danke!

Ich begann mein Lehramtsstudium hauptsächlich, weil ich als Lehrer etwas anders machen wollte. Ich wusste nicht so genau was, aber irgendetwas musste wohl in meiner Schulzeit gründlich schief gelaufen sein. Ich hätte ja vielleicht ADHS gehabt, aber das gab’s damals noch nicht, wir mussten ja mit so wenig auskommen. Ein kleiner Teil von mir wusste zwar noch, dass ich nicht so falsch sein konnte, wie mir die Schule immer weismachen wollte, aber ein größerer Teil fühlte sich immer unwohl in meiner Haut.

Meine Dozenten bemängelten dann in meinen Studienpraktika meine „kumpelhafte“ Haltung den Kindern gegenüber. Ich wollte ihnen damit zeigen, dass ich auf ihrer Seite stehe. Meine naive Theorie war, dass man nur netter zu den Kindern sein müsste, dann würden sie sich auch schon nach Lehrerwunsch verhalten. Da hielt ich Schule noch für etwas grundsätzlich Wünschenswertes. Das änderte sich dann, als ich Literatur zu anarchistischen Schulversuchen der Vergangenheit in die Hände bekam. Auch die Entschulungsdiskussion der 70er und 80er lebte ich mit Ivan Illich und Everett Reimer in abgegriffenen rororo- Bänden noch einmal nach. Ich lernte eine ganze Reihe Freier Schulen kennen und schloss mit mir folgenden Kompromiss: Wenn schon Schule, dann mit ganz viel Freiheit und Gleichberechtigung, eben liberté und egalité und über kurz oder lang würde sich dann auch die fraternité über einer Tasse Kamillenté einstellen.

An meiner ersten Stelle – einer freier Schule im Aufbau – hatte ich schon ein wenig Gelegenheit, meine neuen Ideen einzubringen. Und ich konnte mich prima gegen meine Kollegen abgrenzen, diese bourgeouisen Reaktionäre! Als die Kinder dann mal im von mir installierten Kinderrat vorhatten, Verstöße durch eine Art Prangersystem im Käfig zu ahnden, musste ich leider eingreifen. Bevor aber mein Weltbild wanken konnte, hatte ich natürlich schon eine Erklärung parat: Die armen Kinder waren natürlich durch ihre bisherige Schulkarriere – alle waren vorher schon auf anderen Schulen gewesen – verdorben. Die unnatürliche, patriarchale Erziehung der Eltern tat ihr Übriges. So dachte ich wirklich, wenn mir auch viele Denkstrukturen erst im Nachhinein bewusst wurden.

aufzu1 Fazekas

Dann aber kam meine Chance: Nach dieser Stelle durfte ich eine Schule mitgründen und von Anfang an die Bedingungen schaffen, in der sich Kinder in Freiheit normalisieren. Ich musste nur die Ketten der kapitalistischen Verwertungsmaschine von ihnen nehmen und sie würden lernen und sich vertragen und eine neue Rasse von Homo sapiens sapiens sapiens bilden. Nietzsches Übermensch schien zum Greifen nah. Während ich natürlich ein wenig übertreibe, war ich doch wirklich überzeugt, dass Demokratie der entscheidende Faktor des Bildungserfolges dieser Kinder war. Zum Glück ist Realität die härteste Wand, gegen die man laufen kann. Die Kinder erzogen mich wirklich prima. Ich weiß nicht, welche Maßeinheit für den Verschleiß von Nerven angewandt wird, aber ich habe ordentlich Federn gelassen.

Eine Weile nach meinem Ausscheiden aus der Schule begann es dann aber auch mir zu dämmern, was Jesper Juul so treffend in seinen Büchern schreibt: Demokratie beschreibt eine Methodensammlung zur Entscheidungsfindung, nicht mehr und nicht weniger. Sie ist als Bezugssystem zwischen Menschen ungeeignet. Man kann keine demokratische Beziehung zueinander haben. Beziehungen können gut sein oder schlecht, liebevoll oder kalt, zärtlich oder grob.

In der Beziehung liegt der Gestaltungsspielraum des Pädagogen. Aber einfach netter, so wie ich mal vor Jahren dachte, reicht einfach nicht. Man muss umfassend und bewusst eine Beziehung aufbauen, die das Kind genau in seiner Bedürfnislage sieht und unterstützt. Das kann auch bedeuten, dass man gar nicht nett ist und deutliche Worte finden muss, wenn ein Kind Orientierung sucht. Für mich war gerade das sehr schwer, da ich oft Schelte von meinen Lehrern aushalten musste. Es hat mich viel Arbeit an mir gekostet, zu verstehen, dass man sich persönlich abgrenzen kann, ohne einen anderen zu begrenzen.

Zu guter Letzt will ich aber doch noch der Demokratie eine Lanze brechen. Wenn man einmal den Boden der Beziehung vorbereitet hat und der gegenseitige Respekt gegeben ist, dann ist Demokratie das schönste Sahnehäubchen, dass man sich auf seinen Schwarzwaldbecher tun kann. Und je direkter sie ist, desto mehr Kirschen kommen noch drauf. Und die Schokostreusel der Herrschaftsfreiheit erst… mmmh! Guten Appetit!

Foto: Lena Grüber