Erkenne mich an!

Ich kenne dich. Ich erkenne dich deshalb wieder. Und ich erkenne etwas an dir.

Vom Wortsinn her kann Anerkennung eine banale Sache sein: Ich erkenne an deinen Mundwinkeln, dass du Spagetti Bolognese gegessen hast.

Anerkennung und ihr Gefährte, das ihr oft vorauseilende Zuerkennen, bedeuten, dass man einen Menschen nicht nur kennt und erkennt, sondern noch etwas an ihm erkennt, das an ihm klebt wie die soßentriefende Nudel im Mundwinkel, nämlich: Er ist mehr als nur er. Er ist quasi Mensch +.

Altbekannte Formen visualisieren die Verteilung von Anerkennung: Der verdiente Militär wird mit Orden dekoriert, Fritzchen Müller erhält ein klitzekleines „von“ als Prädikat, und einem Held werden Eigenschaften zuerkannt, die er gar nicht hat. Auch heute wird gern etwas angeklebt oder verliehen: das Bundesverdienstkreuz, die Haus-der-Kleinen-Forscher-Plakette oder die Anerkennung als staatlich anerkannter Erzieher.

Wie bitte? Verliehen? Bedeutet das etwa, dass Titel, Plakette und Berufsbezeichnung mir gar nicht gehören, sondern…?

Bingo! All diese Anerkennungen kann der Verleiher jederzeit – vielleicht nach festgelegten Regeln – widerrufen. Weil sie verliehen und nicht verschenkt sind, darf man sie auch weder vergeuden noch weiterreichen. Wer das dennoch tut, begeht womöglich den gleichen Fehler wie ein illegaler Untervermieter.

Das heißt: Einer besitzt Anerkennung, der andere erhält sie von ihm verliehen. Offensichtlich setzt Anerkennung in diesen Fällen eine Art Machtgefüge voraus. Ich anerkenne und verleihe, du fühlst dich geehrt, brüskiert oder verpflichtet. Aber: Wehe dem, der Zertifikate verleiht, ohne dazu – wie der Titelhändler auf den Cayman-Inseln – dazu berechtigt zu sein!

Ist dieses Machtgefüge etwa auch eine Voraussetzung für unsere Form des Anerkennens, die sich gern in das Sätzchen kleidet „Das hast du aber gut gemacht!“? Besitzen wir das unbestrittene Recht, Anerkennung zu verteilen? Oder agieren wir wie der Titelhändler, der sich dieses Recht anmaßt?

Tatsächlich steht ein Machtgefüge hinter den meisten Anerkennungen. Ob die Abschlüsse eines Staates anerkannt werden, hängt letztendlich davon ab, ob er als souveräner Staat anerkannt ist. Zwar liegt diesem Schritt oft gegenseitige Anerkennung zugrunde, aber letztlich entscheidet doch das Recht des Stärkeren – wie im Wolfsrudel. Anerkannt wird ein neuer Staat, wenn die starken Staaten ihn akzeptieren und die schwächeren nachziehen. Ob die Ostukraine, Transnistrien oder Palästina anerkannt werden, hängt nicht nur vom Vorhandensein eines funktionieren Staatswesens ab, sondern davon, ob es den Großen in den Kram passt oder nicht. Doch selten kommt unter Staaten vor, was Titelträger, Kurorte und gemeinnützige Vereine befürchten müssen: die Aberkennung. Sie hat auch schon manchen Politiker die flott herbeigeschriebene Doktorwürde gekostet.

Anerkennung wartet überall auf uns: Wer nicht als staatlich anerkannter Erzieher oder Heilerziehungspfleger für einen staatlich anerkannten Jugendhilfeträger tätig ist, hat vielleicht die IHK-Anerkennung als Handwerker, Magister, Krankengymnast oder geht wenigstens in den anerkannten Bildungsurlaub – zum Beispiel in anerkannte Luftkurorte, um sich von einem anerkannten Bergführer mit Jagdgebrauchshund durch ein anerkanntes Biosphärenreservat geleiten zu lassen. Feiert er dort Weihnachten, kann er das Lied „Stille Nacht“ singen, dem erst kürzlich von der UNESCO der Status als immaterielles Kulturgut der Menschheit zuerkannt wurde.

Der Anerkennung als Behinderter und der anerkannten Berufsunfähigkeit könnte allerdings die Aberkennung der Bürgerlichen Rechte folgen, wenn jemand plötzlich behauptet, Deutschland sei gar kein anerkannter Staat, und sich als Bürger des selbst erdachten Reichsstaats „Groß-Germanistan“ betrachtet. Nur der anerkannte Pflegedienst kommt dann noch zu Besuch. Oder die Polizei.

Eine kleine Liedzeile wartet aber bis heute auf den Status als „staatlich anerkannter Aphorismus“ oder „schützenswertes Jugendlichen-Gröhl­gut“, obwohl sie klare Grenzen für Anerkennung setzt: „Scheiße auf dem Teller­rand wird als Senf nicht anerkannt.“ He ladi ladi lo!

Foto: photocase, tobeys

Zeit, Raum und Zukunft

Ach, du liebe Zeit – die Zeit ist paradox: Jeder besitzt welche, kriegt ständig neue – und murrt doch, keine zu haben. Will man sie jemandem stehlen, muss man sie selbst aufwenden. Zwar gilt sie als ausgesprochen kostbar, sogar als bares Geld – doch dem Erwerbslosen steht sie reichlicher zur Verfügung als dem Vorstandsvorsitzenden. Ihre Superkräfte zeigt sie, indem sie dahinfliegt, alle Wunden heilt, hoffentlich für uns arbeitet, aber den Wettlauf gegen uns immer gewinnt. Dabei verrinnt sie heimlich, still und leise, sodass wir uns fragen, wo sie geblieben ist. Gut, dass jede Zeit zu Ende geht. Und immer folgt eine neue.

Jeder Mensch, der mitten im Leben steht – und wer tut das nicht? – hat eine Beziehung zur Zeit, aber wir PädagogInnen haben eine besonders intensive. Zwar sprechen wir vom Raum als „drittem Erzieher“, aber die Zeit ist der „vierte Erzieher“. Leider lässt sie sich nicht so bedeutungsvoll ausdifferenzieren wie der Raum, den es im Kindergarten als Bau-, Rollenspiel-, Tobe- oder Forscher-Raum gibt und in der Schule gar als Kunst-Raum. Zeit gibt’s nur ganz prosaisch zum Ankommen, Schlafen und Aufräumen.

Interessant ist: Während die Räume fast alle offene Angebote machen wollen, haben die Zeiten klare Vorstellungen über ihre Zwecke: In der Ruhezeit wird geruht, in der Lesezeit gelesen, und bei der Mahlzeit sollen fleißige Zähne Speisen zu Brei zermahlen. Nur eine Zeit macht eine Ausnahme und bestätigt damit die Regel: In der Freizeit muss man nichts tun, aber man kann…

Weil wir so viele Zeiten erfunden haben, müssen wir ständig an deren Vergehen erinnern, denn unser kindliches Gegenüber denkt zwar über alles nach, nicht aber über die Zeit. „Es ist höchste Zeit“, gemahnen wir den ­Nachwuchs beim morgendlichen Bummeln und unterstellen ihm, wenn er verspätet heimkommt, die Zeit vergessen zu haben. „Uns läuft die Zeit davon“, klagen wir als verantwortungsbewusste PädagogInnen, quält uns doch die ­Vorstellung, kostbare Zeit zu vergeuden und womöglich nicht allen Lernstoff ausgekippt zu haben, bevor
sich ein kind­­liches ­Zeitfenster wieder schließt. Kein Wunder, dass wir erst abends bei einer Tasse „Zeit für mich“-Tee zur Ruhe kommen.

Verlassen wir den trüben pädagogischen Alltag, um kurz vorm Ende der für diesen Text veranschlagte Lesezeit zwei weitaus prachtvollere Zeit-Räume – es gibt diese Kombinationen beider Dimensionen tatsächlich – aufzusuchen: Je nach Standpunkt begeistern Vergangenheit und Zukunft manch einen weitaus mehr als die öde Gegenwart, die schon vom Wort her unsympathisch an Haus- oder Zeugwart erinnert. Für den Mittelalter-Freak oder den verbiesterten Reichsbürger ist die Vergangenheit „Zeit für mich“, während Technik-Gläubige sich nach intelligenten, mit der Tapete und allerlei Außerirdischen vernetzten Kühlschränken sehnen und sich in eine Zukunft wünschen, die andere Leute sich ausdenken, um ordentlich Kohle zu machen.

Lassen wir die Narren hoffen und harren. Inzwischen nutzen wir unsere Zeit, um uns eine Zukunft und erst recht eine Gegenwart zu zimmern, die wir gut finden. Es ist an der Zeit – und wir haben zum Glück alle Zeit der Welt.

 

Ohnmacht oder Power-Napping?

Die Macht macht, dass der Wortklauber glitschige Finger bekommt. Man kann sie nicht fassen und sehen, nur spüren. Trotzdem kann man sie ergreifen und besitzen. Obwohl sie immateriell ist, kann man sich ihr nähern, denn sie hat eine Zentrale, in der ihre Schaltstellen sitzen, die den sogenannten Machtapparat bilden, in dem offenbar Macht hergestellt wird….

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Surfen Fliegen im Netz?

Neuland betritt der Wortklauber, denn bisherige Zeitschriften-Themen – „Dreck“, „Ton“, Sprache“ – fußten auf Wörtern, deren Geschichte sich locker bis ins Mittelalter, wenn nicht gar bis in die Zeit der germanischen Stämme zurückverfolgen ließ. Logisch, sie beschrieben Dinge oder Tätigkeiten, die der Mensch seit jeher nutzt oder ausführt. Das Thema „Internet“ jedoch kennt keine Vorgeschichte, weshalb der Wortklauber sich mit mühsam zusammengeklaubten Wörtern behelfen muss. Schauen wir mal, ob das Ergebnis überzeugt…

Wild gemixt kommt unser Hauptwort daher: „Inter“ ist Latein und heißt „zwischen“, während „net“ direkt mit unserem „Netz“ verwandt ist und germanische Wurzeln hat. „Das Verknotete“ könnte man die Bedeutung umschreiben, und Urahn ist das Verb „nähen“.

War die Wortwahl klug für unser weltumspannendes Kommunikationsmedium? Nein, definitiv nicht.

Erstens: Weder Spinne noch Germane spannten nämlich Netze auf, um die Dinge zu verbinden. Netze spannt, wer was fangen will, weil er was zu fressen braucht. Eine Anspielung auf die Ziele von Goog- und Apple? Zweitens tappt das vorgeschobene „inter“ voll in die Euphemismus-Falle. Denn: Gibt es Netze ohne ein „dazwischen“? Nein.

Schon von der Wortherkunft merkwürdig ist auch der Begriff „online“, weil er im Gegensatz zum Versprechen von Freiheit steht. „Line“ mag man heute mit „Leitung“ übersetzen, aber das Wort kommt von der Leine: Wer online ist, ist angeleint. Und www heißt bekanntlich „World wide web“, wobei die Verwendung von „Web“ löblich ist, bezeichnet das Wort doch ebenfalls ein Gewebe, aber ein zu unschuldigen Bekleidungszwecken hergestelltes. „Weltweit“ ist dagegen Protzertum, suggeriert das Adjektiv doch eine unbegrenzte Vernetzung zwischen Mars und Mond, Jemen und Jamaica, Ougadougou und Oderbruch. In Wirklichkeit weist unser Gewebe außerhalb prosperierender Zentren allerdings beachtliche Mottenlöcher oder Webfehler auf. Die meisten User pro Einwohnerzahl gibt es wohl in Mitteleuropa – aus dessen Süden übrigens auch der „User“ stammt, denn er kommt vom Latein-Wort „Usus“ für „Gewohnheit“.

Eine besondere Vorgeschichte hat das Programm, das uns den Weg ins Internet ebnet, nämlich der Browser. Vor Netz-Zeiten bezeichnete man mit Browser Menschen, die nach irgendetwas stöbern – wie die Schnäppchenjäger. Wonach aber stöberte der Browser ursprünglich? Weil er vom altfranzösischen „brouster“ abstammt, verzehrte er sich nach Sprossen. Wortwörtlich ist der Web-Browser also ein ausgehungertes Lebewesen, das nach Pflanzensprossen wühlt. Nur selten entdeckt er dabei köstlichen Spargel.

Auch der Raum, den wir dem Internet zumessen, verdient Beachtung. „Warst du heute schon im Internet?“ kann man fragen. Bei „Warst du schon im Buch? Oder in der Zeitung?“ erntet man ebenso irritierte Blicke wie bei „Warst du gestern Abend im Fern­sehen? Oder heute im Radio?“, obwohl all diese Medien aus ähnlichen Materien bestehen: Buchstaben, unbewegte oder bewegte Bilder, gegebenenfalls Töne.

Niemand, der unruhig zappt oder am Sendersuchknopf des Radios dreht, sagt, er „surfe“ Fernseher oder Radio. Selbst wenn wir noch so gebannt auf den Bildschirm starren oder darauf herumwischen – wir sind niemals „drin“ im Netz, sondern immer draußen. Brauchen wir dieses „im Netz“, um das Gefühl zu haben, dazuzugehören?

Sonderbar ist auch, mit welchem Personal wir diese räumliche Welt ausstatten. Plötzlich gibt’s den Youtuber als Bezeichnung für einen Menschen, der irgendwas filmt und das anderen Leuten zeigt. Wer einen mehr oder weniger sinnvollen, aber knappen Satz raushaut, ist kein „Sprücheklopfer“, sondern wird im Netz zum gern zitierten „Twitterer“ geadelt. Wer meldet, eben den Bus verpasst zu haben, kann dieses eher öde Tun zum „Facebooken“ oder „Posten“ hochjazzen. Banalste Tätigkeiten werten wir auf, wenn sie im Netz passieren: Wer nicht beim Bäcker übers Wetter redet, sondern im Netz, betreibt „social networking“. Kein Wunder, dass Deppen und Poser das Netz bevölkern. In dieser Welt fühlen sie sich sprachlich pudelwohl.

Gibt’s denn gar nichts Niedliches im Netz? Doch. Ein kleines Zeichen, das unsere Zugehörigkeit zum heimatlichen E-Mail-Server belegt. In unserem langweiligen Halbanglizismus „Ätt“ erkennen die Russen nämlich ein „Hündchen“ und nennen das Zeichen auch so. Die Slovaken und Tschechen, einig wie selten, sehen im „Ätt“ einen „Rollmops“, also kein „Apenstaartje“ (Affenschwänzchen) wie die Niederländer und auch keine „Schnecke“ wie die Italiener. Die Isländer hingegen finden „Elefantenohr“ passend, und den Israelis macht das Zeichen Appetit. Sie verwenden das deutsche Wort „Strudel“ dafür. Wie niedlich!

Sag schmutzige Wörter zu mir!

Gleich wird’s schmutzig. Eine Schlammschlacht, die sich gewaschen hat, steht zwar nicht bevor, aber Du darfst dreckig lachen oder angeekelt die Nase rümpfen, denn: Der Wortklauber wühlt im Dreck. Was ist Schmutz oder Dreck? Eine echte Materie jedenfalls nicht. Wikipedia konstatiert nüchtern: Schmutz ist da, wo Sauberkeit abwesend ist. Oder: Das Wort bezeichnet jedes Material,…

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Redest du noch oder schwätzt du schon?

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Gibt´s in diesem Heft einen Wortklauber zum Thema Sprache? Selbstredend, sagt der Autor, lächelt vielsagend und hämmert auf die Tasten ein, denen seine Worte entspringen. Denn: Was ist schöner, als wortreich über Wörter zu reden, zu referieren, zu parlieren und zu kommunizieren, zu salbadern und nach Herzenslust zu fabulieren, zu plaudern, zu labern, zu babbeln und zu schwätzen? Obwohl die vielen Wörter eigentlich nur eins bezeichnen, nämlich das Formen von Lauten in der Stimmritze höherer Lebewesen, steckt doch jeweils eine hintergründige Bedeutung darin. Je nachdem, was ich sage, halte ich Reden oder erzähle Märchen.

Das mit dem Sprechen ist wie das mit Sex, Essen, Schlafen und anderen Primärfunktionen des Menschen: Alle tun es. Gerade deswegen reizt es uns, anderen Leuten zu unterstellen, sie täten auf unedle oder sinnlose Art, was wir so weise wie entschlossen verrichten. Ein Blick in alte Wörterbücher – etwa das Standardwerk der Gebrüder Grimm aus der Mitte des 19. Jahrhunderts – zeigt, dass unnützes Reden vor allem Frauen angelastet wurde: Geborene „Plaudertaschen“ und „Schwatztanten“ vergeudeten wertvolle Zeit für Klatsch, Ratsch und Tratsch. Schüler „schwatzen“ und „schwätzen“, statt sich mit klugen Gedanken in den Unterricht einzubringen. Was tut der Mann im Grimm-Buch? Er schweigt, weil das im Gegensatz zum zweitplatzierten Reden Gold ist. Selbst Herr von Goethe, durchaus ein beredsamer Mann, forderte eines Tages ungeduldig: „Der Worte sind genug gewechselt…“

Natürlich, es gibt auch Männer, die in den vergangenen Zeiten „schwatzten“: Demokraten, die im Parlament lange redeten, statt Entscheidungen zu treffen. „Wenn man das Volk gewähren ließe“, behauptete Kaiser Wilhelm, „so würde es die Schwatzbude im Reichstag schließen.“ Wie das Volk diese Maßnahme hätte treffen können, ohne sich – wenigstens kurz – darüber abzusprechen, ließ er offen.

Dem ohnehin als maulfaul geltenden Norddeutschen ist es vermutlich zuzuschreiben, dass das Wort „schwätzen“ als Verunglimpfung gilt. Badener, Württemberger, Pfälzerinnen, Moselfranken und Saarländerinnen benutzen es bekanntlich ganz neutral für sprechen. Und im Luxemburgischen heißt es sogar hochsprachlich „Ech schwätze Letzebuergisch“, wenn sprechen gemeint ist. Aber was sagt man in diesen Gegenden zum „wertlosen“ schwätzen? Babbeln, was die Hessen wiederum ganz wertfrei für das Sprechen verwenden. Radikaler als diese Schwatz-Verschiebung ist wohl nur die Bezeichnung slawischer Völker für Deutsche. Während wir die „Niemecki“ sind, also die „Nicht-Sprecher“, entstammt die Selbstbezeichnung der Slawen dem „Slowa“, das „Wort“ bedeutet. Ob das im Sinne von „Schweigen ist Gold“ gemeint ist?

Egal. Denn längst hat sich der Wind gedreht. In unserer Zeit wird mehr geredet als gehandelt – vielleicht, weil mit den Händen immer weniger zu tun ist. Demzufolge hat ein Wort sich in die vorderste Liga durchgewurstelt, das früher etwas ganz anderes meinte: die Kommunikation. Kommunizieren heißt verbinden. Wurde wer aus einem Verband – zum Beispiel dem guter Katholiken – ausgeschlossen, weil er gegen ein Schweigegelübde verstieß, war er exkommuniziert.

Heute kommunizieren wir, was das Zeug hält, und glauben, dass alltägliche Dinge wertvoller oder moderner werden, wenn wir sie mit abstrahierenden Fachwörtern oder Anglizismen versehen. Deswegen sagen wir „kommunizieren“, wenn wir uns „Feedback“ geben. Schreiben wir jemandem eine Nachricht, ist das ein „Posting“. Oder der Versuch, unserem Geschreibsel eine Bedeutung zu verleihen, die es gar nicht verdient?

Ist es sinnvoll, über den Sinn von Reden, Schwätzen und Schweigen nachzudenken? Die gute alte Bibel beantwortet nicht nur in Bezug auf die Entstehung der Sprache die Frage nach Huhn oder Ei überraschend deutlich: „Am Anfang war das Wort.“ Sie stellt auch klar: „Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: Schweigen hat seine Zeit, Reden hat seine Zeit…“

Da nickt der Mafiaboss maliziös: „Sehe ich auch so, Signore. Meine Klienten muss ich erst zum Reden bringen. Und dann zum Schweigen.“

Foto: Uli Malende

Genossen genießen

Wörter gibt´s, stellt der Wortklauber fest, in denen eigentlich alles steckt. Sie erzählen Geschichten vom nebulösen Beginn der Kultur bis zu den heute erreichten verwirrenden Höhen, drücken das Streben nach Gemeinschaft oder Individualität aus, und man kann mit ihnen man prima über Männer, Frauen und die Zeitläufe schlaumeiern. Vorhang auf für das Power-Wort „Genuss“!

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Eine Reise durch Raum, Platz und Zimmer

Unendlich viele Wörter hat das Deutsche angeblich – aber für die wichtigsten Dinge wird dann doppelt genutzt, was andere Sprachen mit zwei Wörtern differenzieren. Das betrifft den Himmel, bei dem Englischsprachige mit „sky“ und „heaven“ zwischen außer- und überirdischer Sphäre unterscheiden, aber auch den Raum. Meint der Engländer den Raum mit Wänden, sagt er „room“, wohingegen er den unbegrenzten, weiten Raum „space“ nennt.

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Skandieren mit Tieren auf allen Vieren

„Wir protestieren / auf allen Vieren!“ Schon unser erster Demospruch enthält, was dieses Genre ausmacht: das einigende „Wir“ und der Reimzwang, dem zuliebe auch eine eher unsinnige Körperhaltung heraufbeschworen wird. Der Nachsatz konkretisiert, was den Protest rechtfertigt: „Denn wir wissen, / die Schule ist beschissen!“ Der dritte Satz hingegen schildert anschaulich, zu welchen Methoden wir Protestierende zu greifen beabsichtigen: „Die Schule wird gesprengt, / die Lehrer wer´n erhängt!“ Nach diesem wüsten Gewaltszenario scheint die eigentliche Forderung fast zu kleinteilig, denn nach der Feststellung „Die Schule ist ne Schweinerei!“ folgt: „Wir wollen hitzefrei!“

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Wort-Check: Inklusion

Inklusion – do mache mer mit! Aber wir Wortklauber haben die Pflicht, den Begriff in unserer Stiftung Wörter-Test gründlich untersuchen zu lassen. Das taten wir – und hätten ihn beinahe aus dem Verkehr gezogen. Warum?

Inklusion stammt aus dem Lateinischen, der Ex-Lieblingssprache des Schreibtischtäters, ist dem praktischen Pädagogen, seiner Kollegin und dem Gros der Eltern zwar nicht mehr ganz unbekannt, aber was das Wort genau bedeutet, erschließt sich nur einer kleinen, exklusiven Minderheit. Der Rest ist automatisch ausgeschlossen.

Was Inklusion bedeutet, erklärt uns der altsprachlich kompetente Pädagoge so: Den Wortstamm „clus“ kenne man schließlich von der Klausur, der kleinen Klause, der Klaustrophobie und sogar vom Klosett. Einschließen heißt das also. Wir schlucken. Alle ins Kämmerchen sperren – ist das schon Inklusion? Wir grübeln. War die DDR, so gesehen, ein perfekter Inklusionsstaat, der selbst die paar Dissidenten großzügig inkludierte?

Man verstehe ihn wohl absichtlich miss, erwidert der Latein-Pädagoge. Einschließen sei schließlich im übertragenen Sinne gemeint, und Inklusion bilde den Gegensatz zu Exklusion, weil keiner mehr ausgeschlossen werden solle. Wir nicken.

Es gehe übrigens um eine Präzisierung von Integration, erklärt der Pädagoge. Das heiße zwar übersetzt auch, jemanden zum Teil einer Gruppe zu machen. Aber der Unterschied sei: Bei Inklusion müsse niemand mehr zum Teil der Gruppe gemacht werden, denn er sei bereits inbegriffen.

Wir sind entzückt. Nach all den Jahren des Bemühens um Integration sind nun tatsächlich alle Teil der Gruppe. Doch: Ist das vielleicht der Grund, warum viele Verantwortliche wenig finanzielles Engagement für Inklusion zeigen? Weil das Ziel längst erreicht ist? Der Pädagoge rümpft die Nase und lässt uns wissen: Inklusion sei eine Vision von einer Gesellschaft, in der man niemanden mehr integrieren müsse, weil sowieso jeder inkludiert sei. Diese Vision müsse man leben…

…indem man Menschen nicht mehr integriere, sondern inkludiere? Jetzt schaut uns der Pädagoge genervt an: Inkludieren sei keine aktiv zu betreibende Tätigkeit, sondern ein passives Geschehen-Lassen. Entweder sei man inkludiert oder nicht. Man könne sich nicht selbst inkludieren. Außer auf dem Klo. Kinder mit besonderem Unterstützungsbedarf benötigten gewiss besondere Hilfe oder Förderung – aber eben ganz anders als in den alten Sonder-, Hilfs- und Förderschulen. Deswegen spreche man heute auch nicht mehr vom Integrationskind, denn – wenn überhaupt – seien alle in der Gruppe Inklusionskinder.

InklusionWortklauber

Aha. Da fällt uns die Annonce ein, die wir kürzlich im Netz fanden: „Wir suchen Menschen mit Beeinträchtigung für unsere Inklusions-Prunksitzung“, verlautbarte ein Gymnasium. Braucht man für eine glaubwürdige Inklusions-Prunksitzung denn überhaupt Menschen mit Beeinträchtigung, wenn auch Menschen ohne Beeinträchtigung inkludiert sind? Ist es möglicherweise okay, wenn man in der Grundschule um die Ecke erleichtert feststellt: „Bei uns klappt Inklusion prima, weil wir bisher keine behinderten Kinder aufnehmen mussten.“ Und was sollen wir von der Erzieherin Bärbel halten, die ihre Gruppe ermahnte: „Ab morgen kommt die Lotti zu uns, die sabbert manchmal. Aber dann sagt bitte keiner Iiih, denn die kann nichts dafür. Die ist ein I-Kind.“

Wahrscheinlich muss man dem Begriff Inklusion ein Motto als Erklärung voran- oder nachstellen, zum Beispiel: Vielfalt als Chance. Andererseits: Bei jedem Fußballspiel erlebt man, wie viele Chancen ungenutzt bleiben. Und heißt der Aktienfond, dem man sein sauer Erspartes anvertraut hat, „Chance“, dann kann man sicher sein, dass das Geld bald weg ist. Hätte man doch bloß das Modell „Garant“ genommen!

Ach, wir wollen nicht negativ denken, sondern „Chance“ so verstehen: Wir probieren jetzt Vielfalt aus, und wenn es damit nicht klappt, nehmen wir als nächstes Einheitlichkeit oder Einfalt.

Beliebt ist auch der Slogan „Gemeinsam sind wir stark“. Klingt gut in Kinderohren, aber nicht immer: „Gemeinsam fühlt ihr euch stark? Pfui! Drei gegen einen – das ist unfair!“

Dem Motto „Es ist gut, verschieden zu sein“, das ein Ex-Bundespräsident unter die Leute brachte, stimmen wir hingegen vorbehaltlos zu – auch weil es darüber hinwegtröstet, dass der Mann in diesem Jahr selbst verschieden ist.

Wir wägen ab: Inklusion ist letztlich ein Begriff voller Nachteile. Kaum jemand versteht ihn, und vermutlich wird er es neben den vielen anderen Fachwörtern schwer haben, sich durchzusetzen. Es sei denn, wir inkludieren den armen Begriff sofort.

 

 

Regeln auf allen Wegen

Ohne Regeln kommt kein Mensch aus. Nachdem du mit regelgerechter Schädellage auf die Welt gekommen bist, erwartet dich im Regelfall ein geregelter Tagesablauf – vielleicht mit regelmäßiger Brustmahlzeit.

Bald schon fährst du im nach Normen und Regeln gebauten Kinderwagen über Pflaster mit Regelquerschnitt. Auf der Regelschule lernst du die Regelfunktion, diverse unregelmäßige Verben und die Rechtschreibregeln kennen. Im Sportunterricht lernst du Spielregeln für verschiedene Ballspiele, wenn du nicht gerade nach Einsetzen der Regel mit bedauerlichen Regelschmerzen zu Hause bleibst. Steht nach der Schulzeit ein Studium an: Besser, du absolvierst es in der Regelstudienzeit, um den BAFöG-Regelsatz zu erhalten. Nimmst du irgendwann eine schöne Tätigkeit mit der Regelarbeitszeit von 38,5 Stunden auf, dürften es laut Faustregel noch etwa 40 Jahre dauern, bis du die Regelaltersrente einstreichst. Wahrscheinlich wohnst du dann – Höhepunkt deines geregelten Lebens – schon lange in einem Reihenhaus mit Regeldachneigung.

Vielleicht möchtest du aber lieber zu den Menschen gehören, die die Regeln bestimmen – in der Politik oder im Top-Unternehmen. Pass auf, dass du nicht in der Regelinsolvenz landest oder bei Verstößen gegen die Spielregeln – im Bankenwesen war kürzlich häufig davon die Rede – ertappt wirst, denn auf die Regelverjährung wartet man bei einigen Straftaten lange.

Himmel mit Blumen

Du hast keine Lust auf eine regelmäßige Beschäftigung? Kriegst das einfach nicht geregelt? Weist du den Hartz-4-Regelbedarf nach, wird dir vielleicht der Regelhöchstsatz gezahlt, einschließlich des Regeltarifs deiner Krankenkasse. Aber nicht lange. Dir egal – du pfeifst sowieso auf jede Benimm-, Anstands-, Verkehrs- und Grundregel? Sei gewarnt: Jemand wie du landet bisweilen im Maßregelvollzug!

Ob mit Regelmaß oder in Regellosigkeit gelebt: Jedes Leben geht mal zu Ende. Vielleicht blühen dir noch einige Jahre mit Regelsatz Pflegestufe 2, bevor sich bei der Bestattung die Frage stellt: Nach abendländischer (mit Sarg) oder islamischer Regel (ohne)? Wie dem auch sei – schließlich stehst du vor einem Rauschebart, der dich streng fragt: „Hast du auch nach meinen Regeln gelebt?“

Woher kommt das Wort „Regel“? Regula sagten die Römer zur Richtschnur – nicht der moralischen, sondern der, die dem Maurer zeigt, ob die Wand gerade ist. Die frühen Christen übertrugen die Bedeutung, als sie beschlossen, nicht allein weltlichen Gesetzen zu gehorchen, sondern „inneren Regeln“ zu folgen – besonders
im Kloster mit seinen strengen Ordensregeln.
Nach wie vor sind Regeln keine vorgegebenen Vorschriften, sondern selbst gefundene Vereinbarungen, die sich negativ („Das lassen wir!“) oder positiv („Dieses Verhalten wollen wir einüben!“) auswirken können. Verkehrsregeln nützen genauso wenig wie Schulregeln, wenn sie nicht gemeinsam diskutiert, beschlossen und eingehalten werden. So ist das auch mit den Regeln, „die Kinder brauchen“. Oder waren eigentlich Grenzen gemeint?

In der (un)moralischen Fickmühle

„Wo habt ihr bloß diese schlimmen Wörter her?“ Die Nachfrage wäre durchaus angebracht, wenn Mama oder Papa es mit dem Erklären ernst meinten: „…und dann tut Papa seinen Pipimann in Mamas Muschi…“ Vaters aufs Urinieren reduziertes Geschlechtsteil, Mutters Äquivalent mit Katzen-Kosename, verbunden durch „Reintun“? Gerade die „unschuldigsten“ Versuche der Benennung führen beim Thema „Sex“, geht man der Wortherkunft auf den Grund, in die Vorstellungshölle: Heißt Sex, dass Papa niedliche Kätzchen anpisst?

„Ich sage lieber Vagina und Penis“, weichen Leute aus, die das Große Latinum abgelegt haben. Da erkennt man die Wortherkunft nicht gleich. Sex zum Beispiel kommt von sexus, also von Geschlecht, das wiederum von secare abstammt: teilen oder abschneiden. „Wir machen Sex“ heißt also „Wir machen Abschnitt“. Auch der Koitus erweist sich als geradezu schülerhaftes Sex-Wort: Co = zusammen, und itus kommt von ire = gehen, so dass wir das zusammengesetzte Wort mit „Miteinander gehen“ übersetzen dürfen. Gähn.

Aus all den braven Wörtern ragt ausgerechnet der Penis hervor, der mit Schwanz übersetzt wird, ursprünglich im Sinne von Tierschwanz, was Cicero gar nicht gefiel: „Einen Schwanz hießen die Alten Penis, aus welchem Worte, der Ähnlichkeit wegen, das Wort Pinsel entstanden. Aber heutigen Tages ist das Wort unflätig“, echauffierte er sich über „junge Mannspersonen“, die „dem Penis ergeben seien“ – nicht ahnend, dass ausgerechnet dieses zotige Römer-Wort bei uns Karriere als neutraler Fachausdruck machte.

Offensichtlich deftig kommen die deutschen „Vulgärausdrücke“ daher, die selbst Wiktionary züchtig in einen Extra-Absatz versammelt und warnt, die Ausdrücke seien „obszön betrachtet und verdeutlichen die mechanische, nicht emotionale Beteiligung beim Geschlechtsverkehr“. Errötend nähert man sich und wird nach eifrigem Studium der Wortherkünfte auf den Boden der Tatsachen geworfen: Egal ob „ficken“, „bürsteln“, „pudern“ oder „poppen“ – überall verstecken sich biedere Handwerkstätigkeiten. „Gefickt“ wurde früher dort, wo man durch schnelle Hin-und-her-Bewegung Reibung erzeugte, zum Beispiel beim „Wichsen“. „Poppen“ sagte der Kölner für „stopfen“, „pimpern“ kommt vom Pümpel, mit dem man Grobes zerkleinerte und heute noch – mit „ö“ – das Klo traktiert. Und „pudern“ hat nichts mit dem sinnlich riechenden Körperpflegemittel zu tun, sondern beschreibt die Herstellung von Butter, auch „buttern“ genannt. Pate für die Übertragung ins Sexuelle stand offenbar die erforderliche Stoßbewegung. Deftigkeit pur? Hm, das hätte die Butterfrau um 1500 vielleicht pragmatischer gesehen.

Wenn sowieso keiner mehr weiß, was „pimpern“ und „ficken“ ursprünglich meint, verliert das Sprachbild an Ausdruckskraft, oder? Wäre es nicht höchste Zeit, statt dieser überkommenen Sprachbilder neue Sex-Synonyme zu erfinden, passend zu den Tätigkeiten im digitalen Zeitalter? Versuchen wir es:

„Schatz, magst du meine Gefällt-mir-Buttons ganz doll drücken?“

„Gnä´ Frau, wie gerne würde ich mich mit ihnen synchronisieren und in den Datenübertragungsmodus gehen!“ (Wäre auch biologisch korrekt formuliert.)

Oder, nur leicht zotig: „Wieder übel drauf, der Hausmeister! Dem gehört mal der Flash-Player aktualisiert. Aber gründlich!“

Zurück zur kritischen Anmerkung von Wiktionary: Was wären denn Begriffe, mit denen sich die „emotionale Beteiligung beim Geschlechtsverkehr“ ausdrücken ließe? „Schmusen“ klingt Mechanik-frei, kommt aber vom jiddischen Wort für „miteinander reden“ im Sinne von klatschen oder tratschen und ist eng mit dem Schmu verwandt, den man nicht machen soll. Und das nette „Kuscheln“? Das kommt von „collocare“, was „hinlegen“ bedeutet. Auch wenn man das gemeinsam tut, bleibt der Vorgang Mechanik.

Bei den saubersten Lösungen, Begehren auszudrücken, scheinen hingegen Missverständnisse vorprogrammiert. War nicht abzusehen, dass der junge Mann, den die Freundin einlud, „mit ihr zu schlafen“, nach kurzem Gezappel in tiefen Schlaf verfällt? „Lass uns Liebe machen“, sagte ein anderer Jüngling und fühlte sich dabei wie ein romantischer Kavalier. „Ich dachte, deine Liebe sei endlos. Und jetzt kommt heraus, dass wir erst noch welche machen müssen“, antwortete seine Herzdame desillusioniert.

Gibt´s ein Fazit? Wie er oder sie „es“ nennt, müssen beide selbst wissen. Wenn Kinder sich der als obszön, vulgär oder mechanisch empfundenen Ausdrücke bedienen, haben sie im Grunde recht: Ihnen ist das erwachsene Tun peinlich, unfassbar und allerhöchstens mechanisch vorstellbar. Da passt „ficken“ besser als „miteinander schlafen“, obwohl Kinder sich darunter durchaus etwas vorstellen können. Aber das falsche.

PS: Und was hat es mit der „(un)moralischen Fickmühle“ aus der Überschrift auf sich? Jedenfalls nicht das, was Du, männlicher Erzieher, und Du, weibliche Erzieherin, wahrscheinlich dachtest. Wassermühlen, die mit einer Pleuelstange die Dreh- in eine Stoßbewegung umlenkten, wurden aufgrund der ursprünglichen Wortbedeutung von „ficken“ so genannt. Später, als das Wort allzu vulgär klang, ersetzte man das f durch ein zw – und die Zwickmühle entstand, in die man gerät, wenn man die Ursprungsversion der Korrektheit wegen passender findet.