Frau Pipapo

Über die Schwierigkeiten einander zu verstehen

Warum sind wir, wie wir sind? Und warum stoßen wir damit nicht nur auf Gegenliebe? Erinnerungen an missliche Situationen, Erkenntnisse über Verhaltensweisen, Erfahrungen mit Lösungsmöglichkeiten und Umsetzungstipps – Aline Kramer-Pleßke, Supervisorin und Coach, möchte dazu beitragen, dass wir unsere Potenziale entdecken, unsere Ressourcen stärken, emotionale Entlastung finden und souveräner handeln können.

Der Artikel erschien in #wamiki 1/2021, unserer pädagogischen Fachzeitschrift, die Wörter und Phrase zum Thema hatte

Erinnerungen

Als junge Sozialpädagogin war ich in der Schulsozialarbeit tätig. In dieser Rolle nahm ich an einer Hilfekonferenz teil. Die Sozialarbeiterin vom Jugendamt eröffnete die Beratung. Sie stellte alle Teilnehmenden namentlich vor. „Ich begrüße Frau… und Frau …. und den Schüler… und die Eltern… Als sie die Schulleiterin benennen wollte, stockte sie kurz, dann sagte sie: „… und Pipapo.“ Offenbar war ihr der Name der Frau entfallen. Nach dieser Begrüßung ging sie zur Tagesordnung über.

Was für ein Fauxpas! Ich war irritiert. Hatte das denn niemand bemerkt? Nein, keine Regung. Die Hilfekonferenz verlief nach Plan.

Lange dachte ich darüber nach, ob die Menschen nicht zugehört hatten, unaufmerksam und mit sich beschäftigt waren oder Aufregung und Unsicherheit überhand nahmen. Für mich war das ein Schlüsselmoment. Seitdem bereite ich mich möglichst gut vor, versuche, konzentriert zuzuhören, und achte vor allem darauf, meine Worte so achtsam wie möglich zu wählen.

Erfahrungen

Woher soll ich wissen, was ich denke, bevor ich höre, was ich sage? Es gibt ganz schön viel Geplapper:

Wenn ich es recht bedenke, wird in Supervision an und für sich meistens. Manchmal fallen da Ausdrücke im Eifer des und ja, da kann schon mal passieren, wenn man so. Da wird auch um Worte und es werden Phrasen. Es wird einfach durcheinander. Und dann sagt die eine Kollegin und die andere redete ihr sofort. Eigentlich erwiderte sie ständig. Im Endeffekt kommen sie einfach nicht auf den. Das Hauptproblem ist, dass alle aneinander vorbei…

In der Supervision fallen manchmal Worte im Eifer des Gefechts, jemand ringt um Worte, oder aus Worten werden Phrasen Da spricht eine Kollegin, und die andere redete ihr sofort dazwischen. Im Endeffekt kommen beide nicht auf den Punkt oder reden aneinander vorbei. Meine Aufgabe als Supervisorin ist, den Aussagen der Beteiligten zu folgen, um sie zu verstehen, zu übersetzen und zu strukturieren. Was für eine Herausforderung! Manchmal hilft mir, dass ich selbst eine Sprechdenkerin bin.

Das bedeutet: Viele meiner Gedanken entstehen im Gespräch, und ich muss meine Worte während des Sprech­ens konzentriert sortieren.

Oft berichten Supervisionsteilnehmer*innen von dem Gefühl, kein Gehör zu finden, nicht verstanden zu werden. Da kann ich sie beruhigen, denn das liegt in der Natur des Menschen. Wir sind unterschiedlich – im Denken, im Fühlen, im Formulieren und im Sein. Also sind Verständnisschwierigkeiten normal. Dennoch können wir einiges beachten:

• Sprechen wir die gleiche Sprache? Dabei geht es nicht nur um Sprachbarrieren mit Fremdsprachler*innen. Deshalb kann es nützlich sein zu prüfen, ob wir die gleichen Dinge meinen und verstehen. Manchmal spielen auch geschlechtsspezifische Unterschiede eine Rolle.

• Sagen wir deutlich, was wir meinen? Drücken wir uns klar aus? Sprechen wir die Themen direkt an? Nutzen wir Füllwörter und Weichmacher, die unsere Aussagen verschwimmen lassen?

• In welcher Verfassung befindet sich unser Gegenüber? Sind Angst oder andere störende Emotionen im Raum? Könnten schlechte Erfahrungen das Gespräch negativ beeinflussen? Unerfüllte Grundbedürfnisse wie Müdigkeit, Hunger, Durst, aber auch Schmerz oder ein Leistungstief können die Kommunikation ebenfalls stören.

• Hinderliche Einflüsse und Rahmenbedingungen wie Lärm, Raumtemperatur oder Störungen durch Tele­fonate sollten wir ausschließen, wenn möglich.

 

Darüber hinaus nutze ich in der Arbeit gern das „Dilemma der Kommunikation“. Besonders in missverständlichen Situationen hilft dieses Modell, sich auszutauschen und gemeinsam herauszufiltern, wann eine Unklarheit entstanden ist.

Experimente

1.
Dilemma der Kommunikation

Sicher wissen Sie, dass das, was Sie sagen, und das, was Ihr Gegenüber hört, zwei verschiedene Dinge sein können. Es gibt keine Garantie, dass Sie verstanden werden. Wurden Sie verstanden, heißt das noch lange nicht, dass Ihr Gegenüber einverstanden ist. Außerdem besteht ein Unterschied zwischen „einverstanden sein“ und „danach handeln“. Wird danach gehandelt und dieses Handeln wiederholt, könnte Beständigkeit entstehen. Das sind schon etliche Schritte, nicht wahr? Versuchen Sie, gemeinsam ausfindig zu machen, an welcher Stelle es klemmt.

1. Gedacht ist noch nicht gesagt.

2. Gesagt ist noch nicht gehört.

3. Gehört ist noch nicht verstanden.

4.Verstanden ist noch nicht einverstanden.

5. Einverstanden ist noch nicht getan.

6. Getan ist noch nicht beibehalten. (Nach Konrad Lorenz)

 

2.
Sagen Sie, was Sie meinen, dann bekommen Sie, was Sie wollen

Beobachten Sie sich: Wie drücken Sie sich aus? Welche Wörter sind überflüssig? Je konkreter und klarer Sie formulieren, desto verständlicher und wirkungsvoller ist die Aussage.

3.

Umgang mit Füllwörtern

Ein Beispiel: Es ist Montagmorgen. Sie wollen basteln, aber Ihr Klebeband ist alle. Deshalb fragen Sie eine Kollegin danach. Ein typischer Satz könnte sein: „Entschuldigung, aber könntest du mir bitte vielleicht ein bisschen Klebeband leihen?“ Was bedeutet das „aber“ in dem Satz? Es wirkt wie eine zweite Entschuldigung: Es tut mir leid, dass ich störe, aber es muss sein, weil ich unbedingt Klebeband brauche. Der Satz wird klarer, wenn Sie das „aber“ streichen. „Entschuldigung, könntest du mir bitte vielleicht ein bisschen Klebeband leihen?“

Durch das „vielleicht“ wird die Aussage abgeschwächt, „vielleicht“ harmonisiert… Ohne dieses Wort klingt es so: „Entschuldigung, könntest du mir bitte ein bisschen Klebeband leihen?“

Dieses „ein bisschen“ können Sie auch weglassen: „Entschuldigung, könntest du mir bitte Klebeband leihen?“

Um Ihre Bitte zu betonen, haben Sie das Wort „könntest“ eingefügt. Lassen Sie auch diesen letzten Weichmacher weg: „Entschuldigung, kannst du mir bitte Klebeband leihen?“ Die Aussage ist verständlich und hat nicht an Bedeutung verloren, klingt weder grob noch unhöflich. So wirken Sie klar und selbstsicher.

 

Übung

Formulieren Sie die folgenden Sätze um, indem Sie Wörter streichen:

Ich sag mal, im Prinzip ist es ja so, dass im täglichen Sprachgebrauch viele Wörter sozusagen ihr Unwesen treiben. Tatsächlich sollten ehrlicherweise unnütze Floskeln verbannt und durch andere Wörter ersetzt werden. Das ist halt nicht leicht.

So könnte es klingen:

Im täglichen Sprachgebrauch treiben viele Wörter ihr Unwesen. Unnütze Floskeln können verbannt und ersetzt werden. Das ist nicht leicht.

Foto: kallejipp/photocase.de

arbeitet als Coach für Persönlichkeitsentwicklung und Supervisorin in eigener Praxis in Berlin-Pankow.

Einen Kommentar schreiben

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht. Pflichtfelder sind mit einem * markiert.