Damit wir uns nach der Wahl von Kanzlerin Frauke Petry und dem Amtsantritt von Bildungsminister Höcke nicht allzu sehr umstellen müssen, informierte sich Micha Fink schon mal in AfD-Parteiprogrammen, Reden und Interviews, was die neuen Rechten in Bezug auf die Bildungspolitik eigentlich tun – und vor allem lassen – wollen.
Alle finden Kinder wichtig, aber nur einer sagt, warum: „In unseren Kindern leben Familie, Volk und Nation fort“, heißt es in der „Magdeburger Erklärung“ der AfD. Das stellt klare Anforderungen an junge Paare: „Ich würde die Drei-Kinder-Familie zum politischen und gesellschaftlichen Leitbild machen“, erklärt Björn Höcke. Wie man dieses Ziel technisch umsetzt, steht in der „Magdeburger Erklärung“ – leider biologisch ungenau: „Jeder Mensch auf dieser Welt ist von Mann und Frau gezeugt.“
Schwamm drüber, ermöglichen uns die Forderungen doch eine neue Kultur des Anbaggerns: „Hast du Lust, dich mit mir gegen den Volkstod zu engagieren?“
„Bei mir oder bei dir?“
Fröhlich krabbelt alsbald die erfolgreich erweiterte Nation durch unsere Stube – reif für die Krippe? Nein! „Erziehung ist zuvörderst Aufgabe der Eltern, nicht des Staates“, mahnt AfD- Landtagsabgeordneter André Wendt aus Sachsen. „Kitas sind immer nur die zweitbeste Lösung“, weiß Björn Höcke. Warum denn? „Staatliche Institutionen wie Krippen, Ganztagsschulen, Jugendämter und Familiengerichte greifen zu sehr in das Erziehungsrecht der Eltern ein“, steht im Leitantrag für das Grundsatzprogramm der AfD. Und dass „ein falsch verstandener Feminismus (…) einseitig Frauen im Erwerbsleben, nicht aber Frauen, die ‚nur‘ Mutter und Hausfrau sind, (…) schätzt“.
Weil das mindestens im Osten nicht immer mehrheitsfähig ist, wurde Ex-AfD-Ratsherr Richard Mol in Münster für seine Überzeugung abgekanzelt, „der Bau von Kindergärten“ sei „ein Angriff auf die Verfassung“. Schade, dass er nicht auch die Beobachtung von Kitas durch den Verfassungsschutz forderte.
Unnötig sind für viele Landesverbände auf jeden Fall Krippen, weil „die beste Frühförderung (…) in intakten Familien“ stattfindet. „Nur im Falle familiärer Vernachlässigung sollte der Staat mit organisierten Frühförderungsmaßnahmen eingreifen“, schlägt die AfD Berlin vor. Was gute Familien besser vermitteln können als obskure Krippen und Kindergärten, erklärt wiederum Björn Höcke: „Es werden dort Werte vermittelt, Gemeinschaftsorientierung“ und „eine positive Unterordnungsfähigkeit.“ Wer nicht auf Papa hört, muss in die Krippe.
Arbeiten Sie täglich daran, „das klassische Rollenverständnis von Mann und Frau (…) durch staatlich geförderte Umerziehungsprogramme in Kindergärten und Schulen systematisch“ zu korrigieren? Lassen Sie die Kinder unter dem Vorwand von Gesundheitserziehung etwa bei „Zwangsdoktorspielen“ mit „Gratiskondomen und Dildos“ „homosexuelle Praktiken nachstellen“? Fortan ist Schluss mit dem Unterricht in „frühkindliche(r) Masturbation mithilfe von Doktorspielen“, von dem die baden-württembergischen AfD-Frauen Carola Wolle und Christina Baum gehört haben, vermutlich von guten Bekannten. Erbittert kämpft der Leipziger Fraktionsvorsitzende Tobias Keller gegen den Kita-Koffer „Sexuelle Vielfalt“, dessen Inhalt – „Bücher und pädagogisches Begleitmaterial“ – er zwar nicht kennt, aber weiß, dass „bestimmt auch Dildos“ drinstecken. Verdanken sich solche Assoziationen zu Homosexualität vielleicht seinem Konsum von Informationskanälen wie Youporn? Das wäre bedenklich, fordert seine Partei doch in der „Magdeburger Erklärung“, dass der „Schulunterricht auch die Botschaft vermittelt, dass nicht Triebbefriedigung, sondern eine intakte Familie primäres Lebensziel sein sollte“.
Hat der Kindergarten nach von „Genderwahn“ und „Hypersexualisierung“ befreiten Bildungsplänen überhaupt noch was zu melden? Gut, dass die AfD Berlin sich an früher erinnert: „Wir fordern die Wiedereinführung der Vorschule, in der Kinder grundlegende Fähigkeiten einüben können und so optimal auf den Einstieg in das Schulsystem vorbereitet werden.“ Andere Konzepte lehnt die Partei ab – zum Beispiel die ja nun tatsächlich grün-versifften Waldkindergärten. Ein baden-württembergischer Landtagsabgeordneter stellt ihretwegen tatsächlich eine Kleine Anfrage im Landtag: „Können sich Kommunen (…) durch das Anbieten von absichtlich unattraktiven Kindergartenplätzen vor dem Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz drücken (…) ?“ Entrüstet fährt er fort: „Die quasi Zwangseinweisung in eine bestimmte Art von Kindergarten (in dem Fall ein Waldkindergarten) greift zudem massiv in Wahlfreiheit und Erziehungsrecht der Eltern ein.“ Waldkita-Knast – schlimmer geht’s nimmer!
Doch, es geht schlimmer, denn wir kommen zum Schulsystem. In den lange zurückliegenden Tagen unserer Kindheit gab es ein allgemein akzeptiertes, erfolgreiches Bildungssystem, „bis die ideologisch motivierten links-grün-roten Abrisstrupps mit ihrer obskuren Agenda daherkamen, die da lautete: Ideologie statt Verstand, Gemeinschaftsschule statt Gymnasium, Einheitsbrei statt Dreigliedrigkeit, Kuschelpädagogik statt Fachwissen“, klagt Jörg Meuthen. Deshalb schlägt die AfD vor, das Rad zurückzudrehen: „Statt Binnendifferenzierung müssen wir zum dreigliedrigen Schulsystem zurückkehren, um echte individuelle Förderung zu ermöglichen.“ Das Niveau wird dann natürlich steigen.
„Wir befürworten uneingeschränkt das Leistungsprinzip“, verlautbart die AfD und stellt klar: „Die Wissensvermittlung (Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Lernstrategien) muss zentrales Anliegen der Schule bleiben.“ Sie weiß auch, welche Prioritäten zu beachten sind: „Kompetenzen“ sollen „Bildungsinhalten (…) untergeordnet bleiben.“ Entfallen soll das Teufelszeug des fächerverbindenden Unterrichts. Die „klare Fächertrennung“ wird in Thüringen gefordert, statt unguter eingetragener Partnerschaften zwischen Erdkunde und Geschichte. Aus Verzweiflung über all die „Binnendifferenzierung“ an den rechten Rand gerutschte Lehrer tröstet die Partei in Rheinland-Pfalz folgendermaßen: „Außerdem wollen wir ein Ende der Lehrerüberbelastung durch ineffektive und vorbereitungsintensive Unterrichtsformen.“ Vormittags recht(s), nachmittags frei – der alte Traum vom (frontal unterrichtenden) Lehrer kehrt zurück!
„Wir fordern die Beibehaltung eines transparenten Notensystems anstatt der Verwässerung und Nivellierung von Leistungsunterschieden“, klingt es markig aus den Reihen der AfD. Das bedeutet, „jedes Schuljahr Versetzungsentscheidungen treffen zu können“. Sitzenbleiben soll „nicht als ‚Schande‘ negativ, sondern als Notwendigkeit der Entwicklung persönlicher Reife im Sinne einer zweiten Chance positiv begriffen werden“. Das hat Qualität: Eine politische Forderung, die direkt vom sitzenbleibenden Schüler umgesetzt werden soll.
Aus Berlin-Spandau tönt es: „Wir postulieren: Der Lehrer ist der Schmied des Geistes der Jugend.“ Zwar ist die „Erziehung der Schüler (…) in erster Linie Aufgabe der Eltern.“ Doch „das entsprechende Verhalten der Schüler kann nur durchgesetzt werden, wenn den Lehrern die dazu geeigneten Maßnahmen zur Verfügung stehen und deren Durchsetzung nicht ständig hinterfragt wird. Schulverweigerung, Null‐Bock‐Mentalität, Disziplinlosigkeit, Mobbing und Gewalt in der Schule sind nicht zu tolerieren und unter Einbeziehung der Erziehungsberechtigten angemessen zu ahnden.“ Im Zweifelsfall schickt man unbelehrbare Schüler laut eines Positionspapiers aus Sachsen in „Kurse zur Verhaltenserziehung (‚Benimmkurse‘). Werden diese geschwänzt, wird sofort das Kindergeld gekürzt und Jugendarrest von einem Wochenende bis maximal vier Wochen angedroht und nach einer Warnung auch tatsächlich verhängt.“ Knackig – aber wer zahlt das? „An der Finanzierung dieser Kurse müssen sich die Eltern beteiligen, denn schließlich ist die Unterstützung bei der notwendigen Nacherziehung sozialer Kompetenzen, die die Eltern selbst bei ihren Kindern bisher nicht ausbilden konnten, eine ‚Dienstleistung‘ für das ganze Leben dieser jungen Menschen; sie kann daher in ihrem Wert kaum hoch genug veranschlagt werden. Arbeitslose oder Geringverdiener können sich in der Schule auf andere Weise nützlich machen.“ Das hört sich gut an! Falls es doch nicht klappt, hat Volker Olenicak aus der AfD-Fraktion Sachsen-Anhalt einen Tipp, mit dem er den Youtube-Film eines wüst prügelnden Lehrers kommentiert: „Sieht hart aus, aber ermöglicht in Zukunft sicher einen erträglichen Schulalltag.“ Sein Mitstreiter Hans-Thomas Tillschneider formuliert es eleganter: „Der Unterricht muss (…) mit Erziehung einhergehen, die wie jede Erziehung nicht weich und kalt sein darf, sondern hart und warm sein muss.“
Gegen Integration – in der von ihr bevorzugten Form – hat auch die AfD nichts: „Die Forderung, behinderten Kindern Teilhabe am Bildungssystem zu garantieren, ist bereits umfassend und erfolgreich erfüllt. Die ideologisch motivierte Inklusion ‚um jeden Preis‘ verursacht erhebliche Kosten und behindert Schüler in ihrem Lernerfolg. Die AfD setzt sich deshalb für den Erhalt der Förder‐ und Sonderschulen ein.“ Coole Idee. Und warum inkludieren wir die Störenfriede nicht da, wo sie nicht stören? In Hildesheim ist man schon auf dem Weg: „Diese Zusammenlegung von Talentierten und Lernschwachen in einer Klasse lehnt die AfD ab.“
Was ist eigentlich mit der Integration von Kindern nichtdeutscher Herkunft? Gute Frage. Die überraschend einfache Antwort lautet: Das interessiert die blauen Jungs wenig. „Auf dem Schulhof deutsch sprechen“ fordert Berlin und will dafür sorgen, dass die Teilnahme am Schwimmunterricht für muslimische Kinder verbindlich wird. Eigentlich inkonsequent – wenn deren Eltern das aus Angst vor „Hypersexualisierung“ vermeiden wollen.
Auch für den Freizeitbereich haben die neurechten Freunde tolle Ideen, etwa in Sachsen: „Wir setzen uns dafür ein, dass jedes Kind und jeder Jugendliche an jedem Wochentag unter fachlich qualifizierter Anleitung aktiv Sport treiben kann.“ Darüber, dass die Sportart zur deutschen Kultur passen muss, denkt die AfD Berlin-Spandau nach: „Das Betreiben der Sportarten, wie etwa Wassersport, Angelsport und auch die Ausübung der Jagd, ist durch den Bezirk zu fördern und zu schützen. Sie stellen einen besonderen Anteil an der Kultur unseres Stadtbezirks dar.“ Hm. Schießen lernen – AfD-Freunde treffen?
Was könnte man mit dem geschossenen Wildbret – zum Beispiel einer schönen Sau – anfangen? Den Kindern vorsetzen, die – wie die AfD fordert – in Offenbach oder Hamburg um unser essbarstes Stück Identität gebracht werden, nämlich das Schweinefleisch. Das tut nicht nur Kindern gut, wie AfD-Lady Christel Weißig aus Mecklenburg-Vorpommern in neu-altdeutscher Rechtschreibung vorschlägt: „Schweinefleisch essen gehört zu unsere Kultur und sollte bei Grenzübertritt im Rahmen der Intigration zum Pflicht-Essen gehören.“ Mahlzeit!
Bewerten wir, was wir vorgefunden haben: Wirre Theorien von neurechten Spinnern? Nein, im Gegenteil! Fantasie, die den Spinner auszeichnet, fehlt nämlich. Und neu? Die AfD beglückt uns mit dem wohlvertrauten Bild aus dem Land unserer Kindertage: mit der guten Mutti daheim – im Westen. Und mit dem übergriffigen Pseudo-Sozialstaat – im Osten. Hüben wie drüben mit strengen Lehrern, straffen Noten, keinen oder unsichtbaren Migrantenkindern. Dafür mit Tabus, die über alles verhängt werden, was nicht ins einfältige Weltbild passt.
So gesehen, könnte man sagen: Als echter Mitreiter auf der Retro-Welle gibt uns die AfD die Welt der Kindheit zurück. Wie nennt man das noch mal, wenn etwas wieder hochkommt, das längst runtergeschluckt und verdaut war?
Richtig: Kotzen!