Was würdest du tun?

Kinderrechte: Drei Fallbeispiele aus dem Kita-Alltag

Den Artikel gibt es hier als PDF: Was wuerdest du tun – Kinderrechte_#4_2023

1.

Beispiel

Lisa spielt mit dem Auto, statt zu essen.

Lisa sitzt mit Ella, Adil und Dünya am runden Tisch im Gruppenraum. Auf dem Tisch stehen mehrere Schüsseln mit Reis, Gemüse und Soße. Sandro, der Erzieher der Gruppe, bittet die Kinder sich aufzutun. Adil tut sich einen riesigen Berg Reis auf. Die Schüssel wird weitergereicht. Ella schiebt die Schüssel zu Lisa, die sich vom Tisch weggedreht hat und mit einem Auto spielt, was eines der Kinder neben dem Tisch hat liegen lassen.

 

A: Lisa soll an den Tisch kommen.

Ella: „Lisa, schau mal, du kannst dir auftun.“

Lisa spielt weiter. Die Kinder tun sich weiter auf. Sandro und seine Kollegin, Nicole, laufen von Tisch zu Tisch, um den Kindern zu helfen und ihnen noch Fleisch anzubieten.

Sandro: „Lisa, du hast dir ja noch gar nichts aufgetan.“

Lisa antwortet nicht und spielt weiter.

Sandro (etwas energischer): „Lisa, setz dich jetzt bitte mal ordentlich hin und tu dir auf. Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.“

Lisa schaut kurz zu Sandro und spielt weiter mit dem Auto.

Sandro: „Das ist mal wieder typisch Lisa, oder?“

Nicole nickt und setzt sich an den großen Tisch.

Sandro: „So, jetzt reicht’s mir aber. Dann kannst du halt nicht selbst entscheiden. Dann muss ich das auch noch für dich machen.“

Er beginnt Lisas Teller mit Essen zu füllen.

Lisa (leise): „Ich will aber nichts essen.“

Sandro packt noch einen Löffel Möhren auf den Teller.

Lisa (etwas lauter): „Ich will nichts essen.“

Sandro schiebt ihr den Teller hin.

Lisa (schreiend): „Nein. Ich möchte das nicht.“

Lisa schiebt den Teller weg. Der Teller stößt gegen die Kanne Tee, der Tee schwappt über.

Sandro (laut): „Lisa! Jetzt schau mal, was du gemacht hast! Du stehst jetzt sofort auf und holst einen Lappen und dann wird gefälligst gegessen! Weinen brauchst du nun wirklich nicht. Da bist du selbst schuld. Wir wollen hier ganz in Ruhe Mittag essen. Schau dich um, hier sitzen alle und essen. Nur du scheinst mal wieder eine Extrawurst haben zu wollen. Das geht vielleicht Zuhause, aber bei mir hast du da schlechte Karten.“

Lisa dreht sich weg und weint weiter.

Sandro: „So, mir reicht das jetzt und allen anderen auch. Entweder drehst du dich jetzt um und isst oder du kannst nochmal bei den Kleinen üben, wie das geht. Du scheinst es ja nicht mehr zu wissen.“

Lisa wischt sich die Tränen aus dem Gesicht und dreht sich zum Tisch. Sie nimmt die Gabel in die Hand und isst eine Ecke eines Möhrenstücks. Sie schaut auf den Teller und kaut langsam.

Sandro: „Na siehste, klappt doch. Nächstes Mal gleich so, dann haben wir nicht so viel Theater.“

Sandro setzt sich zu Nicole an den Tisch und die beiden reden und essen.

 

Was passiert da?

In dieser Variante werden die Signale von Widerstand deutlich missachtet und die Grenzen des Kindes verletzt. Das Kind wird zudem für seinen Widerstand vor der Gruppe bloßgestellt. Es gibt in der Situation keine akzeptablen Handlungsalternativen für das Kind. Der Druck und Zwang, mit dem der Wunsch der Fachkraft durchgesetzt wird, ist als Form seelischer Gewalt zu werten (1, S. 12).

Was sage ich dem Kollegen?

Der Erzieher spricht in der Situation konkret eine andere Kollegin an. Spätestens in dieser Situation könnte die Kollegin intervenieren. Die Aussage des Erziehers „Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit“, könnte ein Hinweis dafür sein, dass er selbst unter (Zeit-) Druck steht. Das könnte eine außenstehende Kollegin aufgreifen und ihn etwas zur Seite ziehen.

„Du meintest gerade, dass wir nicht den ganzen Tag Zeit haben. Das stimmt, Christoph aus der Küche braucht ja bis 12:30 Uhr das Geschirr zurück. Weißt du was, wenn es heute länger geht, nehme ich das auf meine Kappe. Mach ganz in Ruhe. Ist es okay, wenn ich mal nach Lisa schaue?“

Oder:

„Du hast Recht, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit. Wenn Lisa gerade kein Mittag essen möchte, ist das halt so. Falls sie später noch Hunger bekommt, haben wir ja noch die Notfallbox mit Äpfeln und Knäckebrot. Ich würde gerne nochmal mit ihr reden. Ist es in Ordnung für dich, wenn du hier weiter machst?“

Oder:

„Sandro, sag mal, kann es sein, dass du selbst gerade doll Hunger hast? Bei mir geht es noch. Wie wäre es, wenn du dich einfach an den Tisch dazu setzt, das Fleisch verteilst und schon mal mit den Kindern anfängst? Ich geh nochmal bei den anderen Tischen herum, verteile das Fleisch und schau dann nochmal kurz nach Lisa.“

 

Was stattdessen?

Was würdest du tun?

 

B: Lisa spielt weiter.

 

Sandro: „Hallo Lisa, jetzt ist Essenszeit. Kommst du? Wir fangen schon mal an.“

Lisa sagt nichts und spielt weiter.

Sandro: „Ich sehe, du bist gerade am Spielen…

Wenn du fertig mit Spielen bist, komm einfach dazu, ja? Wir freuen uns, wenn du auch dabei bist.“

Die Kinder tun sich weiter auf. Sandro und seine Kollegin, Nicole, laufen von Tisch zu Tisch, um den Kindern zu helfen. Sandro schaut zur Uhr. Nicht mehr lange und die Zeit zum Mittagessen ist vorbei. Lisa hat sich die Parkgarage aus dem Schrank geholt und lässt mehrere Autos hinunterflitzen. Sandro setzt sich wieder zu ihr und lässt auch ein Auto flitzen.

Sandro: „Hm, das macht Spaß, oder? Lisa, ich habe gerade auf die Uhr geguckt und es ist jetzt schon ganz schön spät. Das Mittagessen ist bald vorbei. Ich mach mir ein wenig Sorgen, weil du noch nichts gegessen hast. Hast du nicht Hunger? Magst du mit an den Tisch kommen? Heute gibt es Reis, Erbsen und Hähnchen mit Soße.“

Lisa nimmt ein weiteres Auto und lässt es runter flitzen. Sandro bleibt kurz neben ihr sitzen und schaut nochmal zu den Tischen und dann zur Uhr.

Sandro: „Hm, ich habe eine Idee. Ich werde dir ein bisschen was beiseitelegen, falls du später probieren magst. Ansonsten machen wir später auch noch ein wenig Obst, Gemüse und Brote für die Vesper. Ich geh mal wieder zu den anderen. Mein Bauch grummelt nämlich schon. Hörst du das? Du meldest dich einfach, wenn was ist, ja?“

Lisa schaut kurz hoch und lächelt Sandro an. Dann spielt sie weiter mit den Autos. Sandro setzt sich zum Essen zu Nicole und den anderen Kindern an den Tisch.

 

Auflösung

So geht’s:

Wahrnehmen, Würdigen, Wunsch herausfinden, Handlungen erklären und Handlungsrahmen abstecken, Lösung entwickeln.

 

1. Wahrnehmen und verbalisieren

Die Fachkraft nimmt den stillen Protest als Widerstand wahr. Sie spiegelt, was das Kind tut „Du bist gerade am Spielen.“

2. Würdigen

Die Fachkraft würdigt den Widerstand, indem sie dem Kind den Raum und die Zeit zugesteht, den es scheinbar gerade braucht. „Wenn du fertig mit Spielen bist, komm einfach dazu.“ Sie signalisiert dem Kind damit, dass es in Ordnung ist, diese stille Beschwerde zu äußern.

3. Wunsch herausfinden

Die Fachkraft versucht durch Fragen herauszufinden, was das Kind gerade möchte und braucht. Das Kind wiederum signalisiert nonverbal, dass es gerade lieber spielen statt essen möchte.

4. Handlungen erklären und Handlungsrahmen abstecken

Die Fachkraft macht den Handlungsrahmen, ihre Gedanken und Gefühle für das Kind transparent und deutlich. Das Kind hat somit alle Informationen, die es braucht, um ein klares Bild von der Situation zu entwerfen und sich darin einzuordnen. „Lisa, ich habe gerade auf die Uhr geguckt und es ist jetzt schon ganz schön spät. Das Mittagessen ist bald vorbei. Ich mach mir ein wenig Sorgen, weil du noch nichts gegessen hast.“

5. Lösung entwickeln, ggf. Unterstützung anbieten

Da das Kind in dieser Situation scheinbar nicht reden möchte, macht die Fachkraft einen Vorschlag für eine Lösung der Situation: „Hm, ich habe eine Idee. Ich werde dir ein bisschen was beiseitelegen, falls du später probieren magst. Ansonsten machen wir später auch noch ein wenig Obst, Gemüse und Brote für die Vesper. Ich geh mal wieder zu den anderen. Mein Bauch grummelt nämlich schon. Hörst du das? Du meldest dich einfach, wenn was ist.“ Das Kind signalisiert durch ein Lächeln, dass es einverstanden ist.

 

2.

Beispiel

Matteo macht in die Hose.

Matteo sitzt auf dem Teppich im Gruppenraum und packt konzentriert die bunten Formen in die Spielzeugkiste. Er schaut sich den Stern ganz genau an, zeichnet mit den Fingern jeden Zacken, lässt ihn dann in die Kiste fallen und nimmt das Dreieck in die Hand. Seine Erzieherin Linda sitzt am Tisch und legt die Wäsche zusammen. Plötzlich rümpft sie die Nase.

 

A: Matteo wird gewickelt.

Linda steht auf und sieht Matteo an.

Linda: „Puh! Hier riecht es ja streng. Matteo, mein kleiner Pupsbär, warst du das etwa schon wieder?“

Matteo erschreckt sich und schaut zu ihr hoch.

Linda: „Oh, oh, da müssen wir doch mal schauen, ob du nicht Kacki gemacht hast.“

Linda greift hinten in Matteos Hose und zieht ihn zu sich, um in seine Windel zu schauen. Matteo zieht sich weg.

Linda: „Matteo Maus, ich glaube, du hast gekackert. Nächstes Mal aber in die Toilette. Komm, wir gehen jetzt einmal ins Bad und danach machen wir dich sauber.“

Matteo geht an das andere Ende des Raums und schüttelt seinen Kopf.

Linda: „Matteo, auweia, du kannst doch hier nicht in deiner Stinkewindel bleiben. Die armen Kinder. Das macht doch auch Aua am Po.“

Linda geht zu Matteo und will seine Hand nehmen. Matteo zieht sie weg. Linda bleibt neben ihm stehen, sodass Matteo nicht an ihr vorbeikann.

Linda: „Matteo, es geht halt nicht anders. Das müssen wir sauber machen. Ich nehme dich jetzt mit, wenn du nicht kommst.“

Linda hebt Matteo hoch. Er strampelt und weint und schreit immer wieder „Nein!“.

Im Bad angekommen weint Matteo weiter. Linda zieht seine Hose und die Windel aus und macht ihn sauber. Matteo weint dabei. Linda setzt ihn auf die Toilette, aber Matteo steht gleich wieder auf. Linda setzt ihn erneut rauf.

Linda: „Du bleibst jetzt bitte auf der Toilette und schaust, ob noch was kommt. Ich hole eine frische Windel.“

Matteo bleibt sitzen und guckt immer mal wieder zur Tür. Als Linda wieder da ist, schaut er sie mit großen Augen an. Sie hebt ihn von der Toilette und zieht ihm die neue Windel an.

Linda: „So, jetzt müssen wir noch Händewaschen.“

Matteo legt seine Fingerspitzen schnell unters Wasser und trocknet sie an seinem T-Shirt ab. Linda sagt „Hm, hm“, greift dabei nach seinen Händen und zieht sie wieder unter das Wasser. Mit einer Hand hält sie seine Hände fest und mit der anderen seift sie sie ein.

Linda: „So, unser Matteo ist nun wieder frisch. Ab geht’s zum Spielen!“

 

Was passiert da?

Für eine schützende Umgebung sollten die Kinder immer die Möglichkeit haben, aus einer Situation entkommen zu können (2). Das Kind hat in dieser Situation keinen Ausweg. Es wird gegen seinen Willen genommen und gewickelt. Die Situation ist stark grenzverletzend, da die Signale des Widerstandes übergangen werden.

Was sage ich der Kollegin?

Die Erzieherin Linda war gerade dabei, die Wäsche zusammen zu legen. Vielleicht war sie in Gedanken versunken. Dennoch scheint ihr Verhalten keine versehentliche Grenzverletzung zu sein, sondern von unzureichendem Respekt gegenüber Kindern herzurühren (3). In diesen Fällen ist es so schwer wie wichtig einzuschreiten.

Du könntest als außenstehende Person sagen:

„Matteo, möchtest du gerade lieber mit mir in den Flur gehen?“

„Linda, können wir mal bitte kurz unter vier Augen sprechen …?“

„Linda, schau mal, Matteo strampelt und weint gerade. Ich finde das so nicht in Ordnung. Bitte lass ihn mal runter, dann sprechen wir in Ruhe darüber.“

In jedem Fall sollte diese Situation sowohl mit der Kollegin als auch im Team aufgearbeitet werden. Eine positive Teamkultur ist dafür die Grundvoraussetzung.

 

 

Was stattdessen?

Was würdest du tun?

 

B: Matteo hilft Linda beim Wickeln.

Matteo sitzt auf dem Teppich im Gruppenraum und packt konzentriert die bunten Formen in die Spielzeugkiste. Er schaut sich den Stern ganz genau an, zeichnet mit den Fingern jeden Zacken, lässt ihn dann in die Kiste fallen und nimmt das Dreieck in die Hand. Seine Erzieherin, Linda, sitzt am Tisch und legt die Wäsche zusammen. Plötzlich rümpft sie die Nase. Linda beobachtet Matteo eine Weile, während er spielt. Sie setzt sich dazu und spielt mit.

Als Matteo fertig ist, flüstert Linda: „Matteo, es kann sein, dass deine Windel voll ist. Was denkst du? Möchtest du kurz mit mir mitkommen und wir schauen gemeinsam? Vielleicht hast du auch Lust, die Toilette noch einmal auszuprobieren?“

Matteo schüttelt den Kopf und widmet sich wieder seinem Spiel. Linda spielt mit. Eine Weile später steht Matteo auf.

Linda: „Hm, also ich habe immer noch das Gefühl, dass deine Windel voll sein könnte. Das ist kein Problem. Es kann nur sein, dass es dir irgendwann ein wenig weh tun oder unangenehm wird. Wollen wir vielleicht ins Bad gehen und ich sehe mal nach? Dann könnte ich dir damit helfen, wenn du möchtest?“

Matteo schaut sie an und guckt in Richtung Flur. Linda streckt ihm ihre Hand zu.

Linda: „Ich hatte gerade noch eine Idee. Wollen wir mal auf dem Weg schauen, ob wir solche Formen entdecken, wie wir im Spiel hatten. Ein großes Viereck ist auf jeden Fall im Bad!“

Matteo nickt und rennt vor in den Flur. Im Bad angekommen zeigt Linda ihm den Spiegel.

Linda: „Magst du gerne nochmal die Toilette ausprobieren oder soll ich dir lieber gleich eine neue Windel machen?“

Matteo klettert hoch, holt eine Windel raus und zieht sich die Hose runter.

Linda: „Du bist ja schnell. Ich zieh mir mal schnell die Handschuhe an und dann geht’s los. Magst du mir mit den Feuchttüchern helfen?“

Linda macht Matteo sauber und begleitet dabei sprachlich, was sie tut. Während Matteo sich anzieht, holt Linda ein paar Badetiere und Schaum aus dem Schrank und füllt eines der Waschbecken mit ein wenig Wasser. Matteo lächelt und beginnt zu spielen.

 

Auflösung

So geht’s:

Wahrnehmen, Würdigen, Wunsch herausfinden, Handlungen erklären und Handlungsrahmen abstecken, Lösung entwickeln.

 

1. Wahrnehmen und verbalisieren

Das Kind schüttelt auf verschiedene Fragen und Angebote hin den Kopf. Die Erzieherin nimmt dies als Zeichen des Widerstandes wahr.

2. Würdigen

Die Erzieherin würdigt den Widerstand, indem sie Interesse dafür signalisiert, was das Kind gerade stattdessen beschäftigt. Sie spielt mit, bis das Kind von selbst aufsteht.

3. Handlungen erklären und Handlungsrahmen abstecken

Die Erzieherin entdramatisiert die Situation einerseits, indem sie sagt: „Hm, also ich habe immer noch das Gefühl, dass deine Windel voll sein könnte. Das ist kein Problem.“ Andererseits macht sie auch auf die unangenehmen Konsequenzen aufmerksam, ohne zu drohen oder zu drängen „Es kann nur sein, dass es dir irgendwann ein wenig weh tut oder unangenehm wird.“

4. Lösung entwickeln, ggf. Unterstützung anbieten und Wunsch herausfinden

Das Kind scheint gerade ein großes Interesse an verschiedenen Formen zu haben und hat sich intensiv mit Formen beschäftigt. Dieses Interesse greift die Erzieherin in ihrem Lösungsvorschlag auf, indem sie sagt:

„Wollen wir vielleicht ins Bad gehen und ich sehe mal nach? Dann könnte ich dir damit helfen, wenn du möchtest?“ Das Kind zögert, die Erzieherin wartet die Reaktion des Kindes ab. Daraufhin nutzt die Erzieherin das Interesse des Kindes als Motivation für die Lösung: „Ich hatte gerade noch eine Idee. Wollen wir mal auf dem Weg schauen, ob wir solche Formen entdecken, wie wir im Spiel hatten? Ein großes Viereck ist auf jeden Fall im Bad!“

3.

Beispiel

Carlo soll schlafen.

Carlo und die anderen Kinder laufen oder krabbeln nach und nach aus dem Badezimmer in den Gruppenraum. Einige Kinder weinen, andere rennen etwas wilder von einer Seite zur anderen Seite des Raums. Carlo tanzt und dreht sich in der Mitte des Raums mit einem Luftballon, der vom Geburtstag am Vormittag noch übrig ist.

 

A: Carlo kommt ins Gitterbett.

Ines: „So, liebe Schmetterlinge, jetzt ist Schlafenszeit. Ab geht’s!“

Ines und Yuliya führen die Kinder alle in den abgedunkelten Raum. Dort liegen einige Schlafkörbe und an der Seite stehen zwei Gitterbetten.

Yuliya zu Ines: „Carlo wirkt gerade etwas aufgedreht. Vielleicht tauscht er

heute mit Anni. Was meinst du?“

Ines: „Komm her, Carli. Du darfst heute im großen Bettchen schlafen.“

Ines geht zu Carlo und hebt ihn in das Gitterbett. Carlo setzt sich hin und schaut umher. Dann stellt er sich ans Gitter und zieht an den Stäben.

Ines: „Ja, ja, da kommst du nicht raus, mein Großer. Wir wollen mal heute schauen, dass das klappt mit dem Schlafen, ne? Leg dich mal hin. Ich deck dich zu.“

Yuliya macht leise Musik an und legt sich zu zwei Kindern. Carlo setzt sich hin und guckt zu Ines, die einem anderen Kind den Rücken streichelt.

Ines: „Carli, leg dich hin.“

Carlo stellt sich hin. Ines steht auf und geht zu ihm herüber. Carlo streckt die Arme zu ihr hoch. Ines schüttelt den Kopf und legt ihn wieder hin.

Ines: „Schau mal, Carlo. Heute sitze ich bei der Sammy. Du legst dich schön hin, ja?“

Carlo beginnt zu weinen, stellt sich hin und guckt zu Yuliya, die leise mit zwei Kindern spricht. Er schaut zu Ines. Diese schüttelt den Kopf und gestikuliert, dass Carlo sich wieder hinlegen soll. Carlo weint lauter und rüttelt an den Gitterstäben.

Ines: „Carlo, beruhige dich mal. Ist doch nichts passiert. Alles gut. Du bist einfach nur müde. Schau mal, alle Kinder sind ruhig und wollen schlafen. Komm, ich hol deinen Nucki. Deswegen weinst du wahrscheinlich.“

Ines holt den Schnuller aus Carlos Fach und steckt ihn in seinen Mund. Carlo hört kurz auf zu weinen und spuckt den Schnuller aus.

Ines: „Jetzt hast du ihn verloren. Magst du den Kita-Hasen? Vielleicht hilft der ja.“

Ines zu Yuliya: „Da sieht man mal wieder, wie das zu Hause abläuft, ne? Das gab es damals bei uns nicht. Kannst du dir vorstellen, schon so alt und schläft immer noch die ganze Nacht bei Mama?“

Ines seufzt. Sie steckt den Schnuller wieder in Carlos Mund und gibt ihm den Kuschelhasen. Sie setzt sich neben das Gitterbett.

Ines: „Jetzt ist aber mal gut, Carlo. Jetzt lassen wir mal die anderen schlafen.“

Carlo streckt die Arme durch die Gitterstäbe nach Ines. Ines legt ihn wieder hin und deckt ihn zu. Sie hält seine Hand. Carlo schaut sie an und schluchzt nun etwas leiser.

Ines: „Alles gut, Carli. Das kriegen wir auch noch hin mit dir.“

 

Was passiert da?

Die Erzieherin schränkt das Kind in seiner Bewegungsfreiheit ein, ohne dass Gefahr im Verzug ist. Das Kind wird ohne Ankündigung oder Zustimmung in das Gitterbett gehoben und kommt selbstständig nicht wieder heraus. Signale des Widerstandes und der Kontaktaufnahme werden nicht nur übergangen, sondern aktiv zurückgewiesen. Das Verhalten der Erzieherin ist damit grenzverletzend.

Was sage ich der Kollegin?

Der ursprüngliche Gedanke der Fachkräfte scheint zu sein, dass Carlo im Gitterbett leichter zu Ruhe kommt.

Die Erzieherin Ines nimmt deutlich wahr, dass Carlo Körperkontakt fordert, lehnt das aber bewusst ab. Einem anderen Kind hingegen streichelt sie den Rücken. Die Fachkraft könnte speziell gegen Carlo Antipathien haben. Das sollte unbedingt mit der Kollegin wie im Team besprochen und eine Lösung gefunden werden. Für den Moment könnte die andere Erzieherin sagen:

„Carlo, möchtest du ein bisschen kuscheln? Ich hol dich zu mir, wenn du magst.“

„Ines, ich glaube, so wird das nichts. Lass uns später nochmal darüber sprechen. Wenn du magst, können wir tauschen. Dann geh ich zu Sammy und hole Carlo dazu, wenn er möchte?“

(An die beiden Kinder) „Ihr schlaft ja schon fast. Ich geh mal zu Carlo und Sammy. Wenn ihr wollt, kann Ines sich zu euch legen.“

„Ich glaube, so wird das nichts. Carlo, ich glaube, du möchtest gerade bei Ines sein, oder? Ines, wäre es für dich in Ordnung, wenn du jetzt nochmal übernimmst? Lass uns dann später nochmal in Ruhe reden.“

Was stattdessen?

Was würdest du tun?

 

B: Carlo macht seinen Mittagsschlaf.

Ines: „Oh, wie schön. Da können wir doch gleich mittanzen.“

Yuliya: „Applaus, Applaus, für den lustigen Tanz! Einmal verbeugen fürs Publikum!“

Die Kinder verbeugen sich und Ines lacht mit.

Ines: „So, dann fliegen wir Schmetterlinge mal in den Schlafraum. Nach dem ganzen Tanzen bin ich müde. Das war aber schön.“

Die Kinder und Erzieherinnen gehen in den Schlafraum. Die Jalousien sind oben und mehrere Matten liegen bereit.

Yuliya: „So, dann schaut mal, ob ihr heute eine Decke haben wollt und wer mag, kann sein Kuscheltier, Schnuffeltuch oder Nucki aus dem Körbchen holen. Wenn ihr alles habt, sucht ihr einen Platz aus.“

Die Kinder holen ihre Sachen und setzen oder legen sich hin. Es ist ein wenig chaotisch, aber irgendwann hat jedes Kind seinen Platz gefunden.

Yuliya: „So, ich würde heute es mal so halb dunkel machen, damit wir es ein bisschen gemütlicher haben. Ist das für alle so ok?“

Carlo schüttelt den Kopf und kuschelt sich zu Ines.

Yuliya: „Oh, Carlo möchte es heute doch lieber hell haben. Ist das für alle ok? Wir können ja auch später schauen, ob wir es dunkler machen wollen.“

Ines: „Carlo, magst du erstmal noch ein wenig mit mir kuscheln? Komm, ich setz mich zu dir. Ah, ich sehe, du hast Fuchsi heute gar nicht mit. Oh je. Magst du heute unseren Hasi nehmen? Der ist ja zum Glück immer da, wenn es einen Notfall gibt.“

Carlo nickt und Ines holt den Kita-Hasen aus dem Schrank. Carlo legt sich hin und Ines setzt sich dazu. Er nimmt Ines Hand zu seinem Rücken.

Ines: „Soll ich dich ein wenig streicheln zum Einschlafen? Das mach ich gern.“

 

Auflösung

So geht’s:

Wahrnehmen, Würdigen, Wunsch herausfinden, Handlungen erklären und Handlungsrahmen abstecken, Lösung entwickeln.

 

1. Wahrnehmen, verbalisieren und Wunsch herausfinden

Auf die Frage der Erzieherin hin, ob die Kinder es dunkel haben möchten, schüttelt ein Kind den Kopf. Die Erzieherin greift dies auf. Sie interpretiert direkt, dass das Kind es lieber hell haben möchte, was zu stimmen scheint.

2. Würdigen

Die Erzieherin würdigt den Widerstand, indem sie den Wunsch des Kindes in Absprache mit den anderen Kindern ermöglicht.

3. Handlungsrahmen abstecken und 4. Lösung entwickeln, ggf. Unterstützung anbieten

Die Erzieherin erklärt schon mit der Frage, warum sie es dunkler machen möchte: Es soll gemütlich sein. Sie hält offen, eventuell später doch noch den Raum etwas abzudunkeln, wenn es für alle Kinder in Ordnung ist.

 

Quellen / Literatur zur weiteren Recherche

1 „Die UN-Kinderrechtskonvention“. https://www.unicef.de/informieren/ueber-uns/fuer-kinderrechte/un-kinderrechtskonvention, zugegriffen
19. August 2021.

2 „SGB VIII“. https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_8/, zugegriffen
19. August 2021.

3 J. Maywald, Gewalt durch pädagogische Fachkräfte verhindern: die Kita als sicherer Ort für Kinder. Freiburg Basel Wien: Herder, 2019.

4 Bundesgerichtshof, XII ZB 149/16. 2016. Online. Verfügbar unter: https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2016&nr=76862&linked=bes&Blank=1&file=dokument.pdf

5 Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter, „Handlungsleitlinien zur Umsetzung des Bundeskinderschutzgesetzes im Arbeitsfeld der betriebserlaubnispflichtigen Einrichtungen nach § 45 SGB VIII“, Göttingen, 2013.

6 J. Strohmaler und J. Herchet, „Handreichung: Meldung besonderer Ereignisse und Entwicklungen gemäß § 47 SGB VIII“, Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg Dezernat Jugend – Landesjugendamt, 2020.

7 Senatsverwaltung für Bildung, und Wissenschaft und Forschung, „Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung Empfehlungen zur Umsetzung nach § 8 a SGB VIII“, Berlin, 2007. Zugegriffen: 8. Juni 2022. Online. Verfügbar unter: https://www.berlin.de/sen/jugend/familie-und-kinder/kinderschutz/fachinfo/schutzauftrag-kindeswohlgefaehrdung.pdf

8 „Kinderrechte in der Kita. Für Fachkräfte des frühkindlichen Bildungsbereichs“, Deutsches Kinderhilfswerk e.V. https://shop.dkhw.de/de/kinderrechte-artikel/211-kinderrechte-in-der-kita.html, zugegriffen
10. August 2022.

9 U. Enders, „Missbrauch durch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus Institutionen“, 2003. Online. Verfügbar unter: http://www.zartbitter.de/0/Eltern_und_Fachleute/6060_missbrauch_in_Institutionen.pdf

10 Enders, Kossatz, Kelke, und Eberhardt, „Zur Differenzierung zwischen Grenzverletzungen, Übergriffen und strafrechtlich relevanten Formen der Gewalt im pädagogischen Alltag“, Zartbitter e.V., 2010. http://www.zartbitter.de/gegen_sexuellen_missbrauch/Fachinformationen/6005_missbrauch_in_der_schule.php (zugegriffen 31. Mai 2022).

11 Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, „Sexueller Kindesmissbrauch in Einrichtungen. Was ist im Verdachtsfall zu tun?“, Berlin, 2021. Zugegriffen: 13. Juni 2022. Online. Verfügbar unter: https://www.bmj.de/SharedDocs/Publikationen/DE/Verdacht_Kindesmissbrauch_Einrichtung.pdf?__blob=publicationFile&v=13

Foto: Thomas Evans/unsplash

Essen und Mahlzeiten

„Wir haben ein Kinderrestaurant eingeführt. Bei den Nest-Kindern gehen die Erzieher:innen mit. Bei den Großen gibt es eine Magnettafel. Sind die Magnete alle, dann sind die Tische besetzt. Die Kinder warten, bis die Magnete, die je nach Tisch farblich gekennzeichnet sind, wieder an der Tafel hängen und holen sich Geschirr und Besteck selbst. Da ist…

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BiKA-Studie, Selbstcheck und No-Gos

Mit Kinder essen und trinken – aber wie?

Im Sommer 2021 erschien die bundesweite Studie „Beteiligung von Kindern im Kita-Alltag“, die Fachhochschule Potsdam und die Universität Graz hatten sie im Auftrag des Bundesfamilienministeriums erstellt. Ein Team aus Wissenschaftlerinnen hatte Alltagssituationen in 89 Kitas und Krippen offen gefilmt und ausgewertet.

Vor allem beim Essen beobachteten die Forscherinnen immer wieder „grenzüberschreitenden Körperkontakt“ und nicht angemessenes Verhalten der pädagogischen Fachkräfte: Sie schoben etwa den Stuhl samt Kind so nah an den Tisch, dass das Kind den Oberkörper kaum bewegen konnte. Andere stellten den Teller auf dem Lätzchen ab, ebenfalls um zu verhindern, dass sich die Kinder beim Essen zu viel bewegen. In rund 30 % der zehnminütigen Essenssequenzen beobachteten die Forscherinnen solche Vorfälle ein- bis viermal. In 16 % der Situationen sogar noch öfter. Lediglich in einem Fünftel der ausgewerteten Spielsituationen und 11 % der Essenssequenzen beobachteten die Forscherinnen überhaupt kein grenz­überschreitendes Verhalten.

Wann ist Assistenz übergriffig?

Vor allem junge Kinder brauchen oft Unterstützung beim Essen, also Assistenz. Eine Assistenz-Handlung ist vor allem dann übergriffig, wenn das Kind gar keine Unterstützung braucht oder haben möchte. Ein Beispiel kann sein, dass es gefüttert wird, obwohl es eigentlich allein üben möchte, mit Besteck zu essen. Oder wenn einem Kind ungefragt ein Gegenstand aus der Hand genommen wird, beispielsweise eine Wasserflasche. Unangemessen wäre auch, einem Kind nicht zu helfen, das Unterstützung braucht und möchte.

Interagieren?

Worüber reden bei Tisch?

Das gemeinsame Essen ist mehr als nur Nahrungsaufnahme, es ist eine soziale Situation. Die Essenssituation ist eine wunderbare Möglichkeit, um gemeinsam ins Gespräch zu kommen, sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern.

Spiegeln

Eigene Handlungen sprachlich zu begleiten, macht sie nachvollziehbar, schenkt Wörter und bietet Möglichkeiten zum Anknüpfen. Die Handlung der Kinder wertfrei in Worte zu fassen, also sie zu spiegeln, hilft außerdem dabei Fremd- und Selbstwahrnehmung miteinander abzugleichen, ins Gespräch zu kommen und kurze Wartezeiten zu überbrücken: „Lara nimmt sich gerade Kartoffeln.“ „Samuel hält dir die Wasserflasche hin.“ „Ich fülle die Schüssel mit Salat auf.“

Linking-Up

Linking-Up bedeutet, die Sprachhandlung eines Kindes für ein anderes Kind zu übersetzen. Auf diese Weise können die Kinder lernen, sich gegenseitig besser zu verstehen. Ganz nebenbei werden auch Sprechgelegenheiten geschaffen. Wichtig dabei ist sicherzugehen, dass die Aussage des Kindes richtig verstanden wurde und sie wertfrei wieder zu geben: „Medina hat gerade ‚Kartoffeln ‘ gesagt. Medina, möchtest du gerne Kartoffeln haben?“ (Medina nickt.) „Alex, schau mal, Medina möchte auch gerne die Kartoffeln haben.“

An Erfahrungen anknüpfen

Essen ist etwas ganz Persönliches.

Jeder Mensch hat seinen eigenen individuellen Geschmack, auch als Kind schon. An Erfahrungen anzuknüpfen, macht sowohl die Individualität als auch die Gemeinsamkeiten deutlich. „Wir essen zu Hause auch oft Nudeln, ihr auch?“ „Welchen Nachtisch esst ihr eigentlich am liebsten?“

Partizipation ermöglichen?

Partizipation zu ermöglichen bedeutet, ein Kind etwas tun zu lassen, dass es tun kann und will. Dies gilt insbesondere bei der Selbstbestimmung über ureigene Angelegenheiten wie beim Essen.

 

 

Checkliste für dich und dein Team
 
Mit Kindern essen und trinken

 

Vor dem Essen

Information: Gibt es einen für Kinder lesbaren Essensplan?
Berücksichtigung von Kinderwünschen: Haben die Kinder Wahlmöglichkeiten beim Essen? Fließen Wünsche der Kinder in den Menüplan ein?
Tisch decken: Decken die Kinder den Tisch? Werden Essen und Getränke so platziert, dass die Kinder selbstbestimmt an Schüsseln und Kannen herankommen? Steht den Kindern angemessenes Besteck zur Verfügung?
Platzwahl: Können die Kinder einen Platz wählen?

 

Beim gemeinsamen Essen

Sitzgelegenheiten: Sind die Kinder fixiert oder können sie sich bewegen (Lätzchen unter den Teller geklemmt, Befestigungen in den Stühlen, Platzierung der Stühle)?
Bewegungsfreiheit und Zugehörigkeit: Ist der Abstand zwischen den Kindern angemessen? Sitzt eine Fachkraft mit am Tisch? Können die Kinder alle Bestandteile des Essens sehen (und riechen), bevor der Teller gefüllt wird? Haben die Kinder die Wahl, was auf ihren Teller kommt? Können sich die Kinder selbst Essen nehmen?
Eröffnungsritual: Wie lange warten Kinder, bis das Essen beginnt?
Berücksichtigung individueller Bedürfnisse: Entscheiden alle Kinder, ob, was und wie viel sie nehmen/bekommen? Nehmen sich die Kinder selbst nach? Müssen sie aufessen? Müssen die Kinder kosten (Kostehappen)? Gibt es Bedingungen für den Nachtisch?
Angemessenheit der Unterstützung: Bekommen die Kinder Hilfe, wenn sie Unterstützung benötigen? Bekommen sie nur so viel Hilfe, wie sie auch benötigen? Essen die Kinder selbstbestimmt, wenn sie Besteck handhaben können? Wie wird
mit Kindern umgegangen, die „bekleckert“ sind?
Umgang mit Malheuren: Werden Zwischenfälle durch die Fachkraft verbal erklärend begleitet?
Hilft sie den Kindern, ihre Emotionen zu regulieren, diese zu erkennen und zu benennen?
Gestaltung der Situation: Essen Fachkräfte mit? Essen sie das Gleiche wie die Kinder?
Tischklima: Werden ungezwungene, anregende Tischgespräche geführt?

 

Nach dem Essen

Dürfen Kinder selbst entscheiden, wann sie vom Tisch aufstehen?
Werden die Kinder nie (!) zum Aufessen gezwungen?
Darf die Fachkraft dem Kind beim eigenständigen Säubern assistieren?
Achtet sie hierbei immer auf die verbalen und ­­nonverbalen Signale des Kindes?
Wartet die Fachkraft immer auf die Zustimmung des Kindes?
Dürfen Kinder, die früher mit dem Essen fertig sind, spielen oder etwas anderes tun?
Hierfür bietet sich eine Spielkiste oder -ecke im Essensraum an.
Sollte keine Fachkraft zur Verfügung stehen, um dem Kind beim Säubern zu assistieren, kann dem Kind eine kleine Waschstation mit einem warmen, nassen Lappen im Essensraum zur Verfügung gestellt werden. Ein Spiegel kann als Unterstützung dienen.
Können Kinder beim Aufräumen helfen?
Sie müssen es nicht!
Können Kinder helfen, die Tische abzuwischen?
Warten Fachkräfte und Kinder mit dem Aufräumen oder Hochstellen der Stühle bis alle Kinder fertig sind?

 

selbstCheck

Wie assistiere ich jungen Kindern?

So kann ich mich selbst überprüfen:

Geht der Assistenzbedarf vom Kind aus?
Gibt es ein Signal des Kindes?

Zum Beispiel: Sucht das Kind nach Augenkontakt, streckt Arme aus, hält mir Gegenstände entgegen, bittet verbal um Hilfe…

Signalisiere ich dem Kind meine eigene Wahrnehmung über seine Handlungsabsicht und damit verbundene Herausforderungen?

Zum Beispiel: „Du möchtest das abschneiden. Oder?“, „Das ist schwierig, nicht wahr?“

Biete ich dem Kind meine Assistenz verbal an?

Zum Beispiel: „Soll ich dir helfen? … den Reis auftun? … das Papier festhalten, wenn du schneidest?“

Warte ich die Zustimmung des Kindes ab?
Kann das Kind wirklich ablehnen?
Kann ich auf nonverbale Assistenz (z. B. den Löffel des Kindes führen) verzichten und ausschließlich durch verbale Assistenz weiterhelfen?

Zum Beispiel: „Wenn du den Teller mit einer Hand festhältst, bekommst du die Kartoffel vielleicht auf den Löffel.“

Assistiere ich dem Kind wirklich oder tue ich etwas, das das Kind selbst tun will?

Lasse ich das „Werkzeug“ des Kindes in dessen Hand oder nehme ich einen Gegenstand weg, um die Handlung selbst auszuführen?

Breche ich sogar eine vom Kind begonnene Handlung durch meine Assistenz ab?

Assistiere ich nur genau so viel, dass das Kind einen möglichst großen Teil seiner Handlungsabsicht selbst umsetzen kann?

Zum Beispiel, indem ich einen Gegenstand nur festhalte, damit er nicht verrutscht oder umkippt; dem Kind einen Gegenstand reiche; die Hand des Kindes in der Bewegung unterstütze…?

Begleite ich die Handlung des Kindes sowie meine eigenen Assistenzhandlungen sprachlich?

Zum Beispiel: „Du gießt dir ein und ich halte mal die Kanne so von unten.“

Würdige ich im Anschluss die Handlung des Kindes, ohne zu bewerten?

Zum Beispiel: „Siehst du, da hast du dir eingegossen, jetzt ist der Becher voll und du kannst trinken.“

 

 

Selbstcheck

Wie gestalte ich Inter­aktionen mit Kindern NICHT?

So kann ich mich selbst überprüfen:

Attribuiere ich Misserfolge des Kindes auf das Kind?

Zum Beispiel: „Siehst du, jetzt ist es heruntergefallen, weil du immer so herumzappelst.“

Dramatisiere oder sanktioniere ich Malheure bzw. Missgeschicke, unterstelle ich bösen Willen?
Beschäme ich das Kind?

Zum Beispiel: „Puh, hier stinkt’s aber. Ich glaube, der T. hat volle Windeln.“

Spreche ich sarkastisch oder ironisch
mit dem Kind?

Zum Beispiel: „Na das hast du ja wieder ganz toll hingekriegt.“

Spreche ich in Gegenwart des Kindes
in der dritten Person über das Kind zu einer anderen Person?

Zum Beispiel: „Der K. haut heute aber rein!“

Frage ich die Kinder zunächst nach Ideen oder Wünschen, handle dann aber doch anders, und zwar ohne Begründung?
Ignoriere ich von Kindern geäußerte Ideen, Emotionen, Bedürfnisse und Wünsche?
Bagatellisiere ich Bedürfnisse oder Emotionen?

Zum Beispiel: „Tut doch gar nicht weh“, „Das ist doch nicht eklig!“

Bin ich parteiisch, bevorzuge oder benachteilige ich einzelne Kinder?
Reagiere ich nicht immer bei Ausgrenzung und Diskriminierung unter Kindern?
Reagiere ich auf die Kontaktaufnahme eines Kindes unangemessen?

Zum Beispiel: genervt, gelangweilt, übergehe das Kind…?

Stelle ich Dinge ohne Begründung außer Reichweite der Kinder, obwohl diese den Gegenstand haben möchten?
Unterbreche ich abrupt eine vom Kind initiierte Handlung? Ohne Gefahr im Verzug.
Verbiete ich eine vom Kind initiierte Handlung? Ohne Gefahr im Verzug.
Dulde ich keinen Widerspruch oder setze ich meinen eigenen Willen ohne Begründung gegen den Willen des Kindes durch?
Rufe, schreie oder brülle ich?
Habe ich unangemessenen Körperkontakt oder werde sogar übergriffig?

Zum Beispiel indem ich: • das Kind ohne Zustimmung hochnehme und / oder wegtrage? • ohne Ankündigung in die Windel bzw. Hosen schaue? • ohne Ankündigung die Nase putze oder das Gesicht abwische?

Schränke ich das Kind ohne Gefahr im Verzug in seiner Bewegungsfreiheit ein?

Zum Beispiel indem ich: • das Kind am Arm (…) festhalte? • das Kind am Aufstehen hindere? • das Lätzchen unter dem Teller fixiere? • einen Stuhl so
an den Tisch schiebe, dass das Kind nicht allein aufstehen kann?

 

 

Auffällige Befunde

Wer entscheidet, wann, was, wie viel und mit wem Kinder essen und trinken? Frauke Hildebrandt berichtet von persönlichen Erfahrungen und einigen Ergebnissen der BiKA-Studie BiKA – was? Was untersucht die BiKA-Studie? Im BMFSFJ-Projekt „Beteiligung im Kita-Alltag“ (BiKA) haben wir uns typische Partizipationssituationen angesehen, und zwar in 89 Krippen und Krippenbereichen in Kitas deutschlandweit. Neben Spielen…

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