Es ist ein großes Glück, wenn man einen guten Freund wie Berkan hat, der in der Nähe wohnt und in der Schule neben einem sitzt. Es ist ein großes Unglück, wenn man wegziehen soll, weil das Haus angeblich zu klein geworden ist. Als würden Häuser schrumpfen! Das sieht Hendrik nicht ein. Er zieht nicht um. Basta!
Weil keiner ihn versteht, packt er den Koffer und haut ab. Er will zu Berkan. Aber der hat Stress mit seinem Vater, weil er das große Bett künftig nicht mit seiner offenbar dementen Uroma teilen will. Also packt er ein paar Sachen in Hendriks Koffer, und beide ziehen mit dem sperrigen Gepäckstück los.
Doch Abhauen erweist sich als schwierig. Die Jungen kennen sich nicht aus und wissen nicht, wohin. Sie bekommen Hunger und Durst. Und sie haben kein Geld. Aber schlau sind sie schon. Sie sehen Kinder mit Instrumenten zum „Aperitif Konzert“ strömen und stellen sich vor, dass es dort Aperitif-Häppchen geben wird. Doch vor dem Essen kommt das Konzert. Berkan ist von der Musik völlig fasziniert, während Hendrik ungeduldig und nervös wird. Tatsächlich gibt es hinterher Brötchen. Weil die Jungen jetzt schon geübte Ausreißer sind, sorgen sie vor und stecken sich ein paar Brötchen in die Tasche.
Schließlich landen sie in einer Gegend, die ihnen fremd ist. Da sehen sie ein singendes Mädchen auf einer Kirchentreppe. Berkan kennt das Lied und spricht das Mädchen auf Türkisch an. Es stellt sich heraus, dass Pia aus einer kurdischen Familie stammt, die wegen des Krieges aus dem Irak floh und in die Türkei gelangte. Dort wollte man keine Kurden. Und in Belgien, wo die Geschichte spielt, darf die Familie auch nicht bleiben. Mit anderen Flüchtlingen lebt sie nun in der Kirche. Berkan muss alles übersetzen, was Pia erzählt. Auch dass ihr Vater und andere Männer in der Kirche nichts mehr essen. Sie wollen hungern, bis sie Papiere bekommen und bleiben dürfen.
Die Jungen verstehen das mit den Papieren nicht recht. Pia sagt, sie brauchen Papiere und eine Wohnung, sonst müssen sie zurück – dahin, wo sie auch niemand will. Da fällt Hendrik ein, dass er ein Haus zu viel hat: das neue, größere Haus, in das seine Familie ziehen will. Er aber nicht. Also bietet er es Pia an.
Zu dritt machen die Kinder sich auf den Weg, können das Haus aber nicht finden. Unterwegs erleben sie Abenteuer: von der Rettung eines kleinen Hundes bis zur freundlichen Hilfe eines Taxifahrers. Schließlich finden sie das Haus doch. Aber es ist nicht leer. Hendriks Vater hat mit dem Umzug schon angefangen. Die drei heimlichen Beobachter sehen, wie er telefoniert und davonstürmt, weil inzwischen eine Fahndung nach den Kindern läuft.
Mit Hilfe der Polizei kommen Eltern und Kinder wieder zusammen. Hendrik wird der Umzug durch das Versprechen erleichtert, dass er in seiner alten Schule und bei Berkan bleiben darf. Ob Pias Familie geholfen wird, bleibt offen. Auch Berkans Problem bleibt ungelöst. Pia tröstet es, dass sie das Hündchen behalten darf. Berkan ist froh, dass ihn die Mutter vor dem Zorn des Vaters bewahrt. Alle drei scheinen ein wenig Zuversicht gewonnen zu haben.
Die berührende Geschichte bleibt ganz auf der Ebene der Kinder. Sieben- oder Achtjährige können sie selbst lesen; sie eignet sich aber auch zum Vorlesen in Gruppen und Klassen. Marian de Smet trifft einen Ton, der Kindern Mut macht, und bewahrt eine hoffnungsvolle Leichtigkeit des Seins. Ich empfehle das Buch allen Bibliotheken, in die Kinder kommen, besonders auch die in den Schulen, und allen Erwachsenen zum Verschenken. Mein Tipp: Unbedingt selbst lesen, bevor man es weitergibt.
wamiki-Tipp: Marian de Smet: Hendrik zieht nicht um. Illustrationen von Mattias De Leeuw. Aus dem Niederländischen von Andrea Kluitmann. 128 Seiten, 12,95 Euro, ab 8 Jahren