Bayern: Fachlich – Stark – Verbunden

Der Verband Kitafachkräfte Bayern

Hier gibts den Artikel als PDF: PraxisPower_Landesverbaende_#3_2021

Ein Interview mit Lisa Pfeiffer – zweite Vorsitzende im Landesverband Bayern

1. Warum habt ihr einen Kitafachverband gegründet? Was waren die Auslöser?

Als wir hörten, dass pädagogisches Personal in Rheinland-Pfalz einen Verband für Fachkräfte gegründet hat, dachten wir: Wow! Gibt es so etwas schon in Bayern? Nein, gibt es nicht, fanden wir bald heraus. Warum eigentlich nicht, wunderten wir uns und beschlossen: Wenn es noch keinen Verband für uns gibt, dann machen halt wir das! Ja – wir! Und zwar jetzt! Warum? Wir haben keine Lobby, das zeigt sich immer wieder. Es reicht. Wir fühlen uns als Fachkräfte aus der Praxis nicht vertreten. Deshalb schaffen wir uns die Lobby, die wir bisher nicht haben. Wir wollen ein Mitspracherecht für unsere Berufsgruppen und wir wollen unsere Praxiserfahrungen in der Konsequenz anerkannt wissen.

2. Welche Themen liegen euch am Herzen? Was wollt ihr wie verändern?

Bei den Gewerkschaften geht es eher um Tariferhöhungen, die sind natürlich wichtig! Uns geht es primär um die Verbesserung der Rahmenbedingungen, der Arbeitsbedingungen insgesamt. Es liegt so viel im Argen! Wir möchten den Personalschlüssel erhöhen. Es gibt viel zu wenig pädagogisches Personal für zu viele Kinder. Die Gruppen müssen verkleinert werden. Allein der Lautstärkepegel ist eine Zumutung für Kinder und Erwachsene.

Wir brauchen die notwendige Zeit zum Arbeiten – also auch verpflichtende Verfügungszeiten und Freistellungen von Leitungen und Stellvertretungen für ihre Leitungsarbeit. Der Beruf muss mehr anerkannt werden.

Wir müssen Aufklärungsarbeit in der Gesellschaft leisten – für das, was Kinder für ihre gute Entwicklung tatsächlich brauchen. Und für das, was wir selbst als Berufsgruppe brauchen, um diesen wunderbaren Beruf verantwortungsvoll ausüben zu können.

Wie wir unsere Vorhaben angehen wollen?

Sehr viel über Öffentlichkeitsarbeit, Aufklärung!

Außenstehenden wird immer wieder signalisiert: Die Kinder sind in der Kita gut aufgehoben, werden super gefördert und das soziale Miteinander ist unverzichtbar. Stimmt alles, es funktioniert in der Praxis aber doch nur, wenn die Rahmenbedingungen stimmen, gutes Personal da und die Ausbildung tatsächlich gut ist.

Wir wollen uns nicht nur beschweren, sondern gemeinsam Lösungen erarbeiten. Deshalb treffen wir uns mit Presse und Politik. Zum Beispiel mit Landtagsabgeordneten. Fortlaufende Berichte dazu findet ihr auf der Homepage: https://www.verband-kitafachkraefte-bayern.de/vereinsarbeit.

Wir möchten unsere Mitglieder in die Arbeit aktiv einbeziehen, sie fragen, wie es bei ihnen in der Praxis konkret vor Ort ausschaut. Wie kann es sein, dass viel zu oft über unsere Köpfe hinweg entschieden wird? Dabei gibt es so viele kompetente pädagogische Fachkräfte. Warum wird dieses ungeheure Knowhow übersehen? Wir möchten diese Potenziale, unsere Stärken, miteinander verbinden!

Fachlich – stark – verbunden ist so eine Art Leitidee für unseren Verband:

Fachlich – wir argumentieren mit der hohen Fachlichkeit, die uns als pädagogische Fachkräfte verbindet. Wir sind selbst vom Fach, wissen, was in der Praxis läuft. Wir kennen den Alltag, die Schwierigkeiten. Und wir legen Wert darauf, unsere Ziele und Forderungen wissenschaftlich zu begründen, die Studien der Bertelsmann Stiftung zum Beispiel sind ein Schatz.

Beides – unsere umfangreichen praktischen Erfahrungen und die enge Zusammenarbeit mit Expert*innen, deren Meinung und Studien wir als fundierte Grundlage für die Forderungen an Politik und Gesellschaft verwenden, legen den Grundstein für unsere Arbeit.

Stark – wir tun uns zusammen, wir machen uns stark für pädagogische Fachkräfte und alle, die es noch werden wollen und wir wachsen – in jeder Beziehung.

Verbunden – wir fühlen uns mit zahlreichen Fachkräften aus der frühen Bildung verbunden. Die häufig ähnlichen Ausganssituationen bringen es mit sich, dass wir für gleiche Ziele kämpfen. Wir vernetzen uns mit Politik, mit Presse, mit Trägern, mit allen Zuständigen….

Wie die Reaktionen auf unser Vorhaben sind?

Am häufigsten hören wir: „Total super! Die Gründung war überfällig. Wir wollten schon lange etwas ändern, wussten nur nicht wie…“. Einige hatten schon Brandbriefe geschrieben und sich meist über die Antworten geärgert, denn diese sind oft allgemein gehalten, wer soll sich da ernst genommen fühlen? All das führt dazu, dass wir uns jetzt zusammentun, denn gemeinsam können wir viel mehr erreichen… Die Gewerkschaften zum Beispiel haben ihre Perspektive, wir haben unsere. Und es gibt so viel gemeinsam zu verändern, dass Platz für jeden von uns ist.

Jacqueline Fleßa, Heilerziehungspflegerin, Fachwirtin im Erziehungswesen, Leiterin und dritte Vorsitzende im Verband
Lisa Pfeiffer, Erzieherin und Fachkraft für systemische Elternarbeit, zweite Vorsitzende im Verband
Veronika Lindner, Erzieherin und Kindheitspädagogin, erste Vorsitzende im Verband

 

 

Lisa Pfeiffer

 

Womit hast du 2021 aufgehört?

Mich über die Arbeits- und Rahmenbedingungen in der Arbeit nur zu beschweren. Mit diesem Man-hätte-könnte-sollte…

Womit hast du 2021 anfangen?

Ich bin dazu übergegangen zu sagen: Ja, ich kann und ich mach jetzt.

Seit 15 Jahren arbeite ich in dem Beruf, ich liebe meinen Beruf und doch wurde ich mit der Zeit immer unzufriedener. Ich wusste, ich könnte viel mehr. Es ist unheimlich frustrierend, auf Grund von schlechten Rahmenbedingungen und schlechter Politik nicht das für die Kinder leisten zu können, was ich möchte. Vor zwei Jahren bin ich Mama geworden, das war nochmal eine andere Perspektive. Ich dachte mir: Wenn ich es bisher nicht für mich selbst schaffe, so muss ich es doch für die Kinder tun, die alle – jedes Kind für sich – eine gute Bildung und Betreuung verdienen.

Als ich von der Gründung in Rheinland-Pfalz hörte, dachte ich: Wow, warum ist da bisher keine/r draufgekommen? Ich schau mir das an und mache mit, wenn es etwas Gutes ist. Nun bin ich eine von den drei Vorsitzenden.

Abhauen oder bleiben?

Ganz klar: Bleiben und kämpfen, nicht mehr im Beruf resignieren, uns kritisch reflektieren. Wir packen gern an, sind es gewohnt, die Kita am Laufen zu halten. Aus unserem Wunsch heraus, Gutes zu tun, vergessen wir aber zu oft, an uns selbst zu denken. Die Kollegin oder der Kollege ist mit der kompletten Gruppe mal wieder drei Wochen allein! Geht doch! Aber wollen wir, dass es so immer weiterläuft? Irgendwie und nicht qualitativ hochwertig? Was können wir verantworten? Und was nicht mehr?

Bitte ergänze den Satz: Wenn ich die Bundes­familienministerin wäre, dann …

würde ich mir ernsthafte Gedanken über die negativen Auswirkungen auf Kinder und die Gesellschaft machen, wenn sich tatsächlich im Kitabereich nicht bald etwas ändern wird.

Bitte ergänze den Satz: Es ist an der Zeit, …

nein längst überfällig, dass wir uns miteinander solidarisieren.

Es ist an der Zeit, sich aktiv für dringend notwendige Veränderungen einzusetzen, unserem Verband beizutreten, den Kindern wirklich mit ihren individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden, diese oft gesagten Worte mit Leben zu erfüllen. Ich bin sehr dankbar, dabei mitwirken zu dürfen und freue mich auf eine gelungene Zusammenarbeit mit allen Beteiligten.

 

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