Vorsicht, Fake-Pädagogik!

Überall werden wir betrogen und belogen – sehen wir nur in unseren pädagogischen Spam-Mail-Container: „Halo ich bin Señor Cifuentes de Sola. Ish habe erfahren dass sie haben einzigartige Kind mit incredibile Intellegencia. Ish ihnen anbieten zu bringen diese Chico in meine Kindergarten conceptioniert nach Ansatz der vereehrte Señora Montezorio! Du nur mussen zahlen cliccekleine Gebuhre von 250000000 Mio Dollar auf la mia Conto Segreto! Wenn du nicht mitmache, dann…“

Nein, das wollen wir gar nicht zu Ende lesen. Wir leiden schon genug unter all den Schreckensnachrichten über Fake-Pädagogiken, denen immer mehr gutgläubige Erziehende auf den Leim gehen. Lesen Sie sich nur mal die Polizeiberichte in ihrem pädagogischen Käseblatt durch:

„Einer besonders infamen Masche sind offenbar zahlreiche Kindereinrichtungen auf den Leim gegangen. So gaben sich Mitarbeiter eines ‚Hauses der Forschen Kleinen ‘ als Naturwissenschaftler aus und ließen die Kinder sinnlose, entwürdigende Vulkanexperimente durchführen. Später kam heraus, dass die Spitzbuben es auf die Geldreserven des Bildungsministeriums abgesehen hatten und offenbar schon jahrelang ein Leben in Saus und Braus…“ Schnell weiterblättern!

„Guten Tag, Sie haben einen Satz Eipetts für ihr Haus gewonnen!“ Wer so begrüßt wird, noch dazu von angeblichen Vertretern der deutschen Bildungswirtschaft, sollte Bedacht walten lassen. Nicht so das Team der Kita „Villa Bunterkunt“ im niedersächsischen Dangast. Hellhörig wurden die Frauen auch nicht, als ihnen die angeblichen Pädagogen das Blaue vom Himmel versprachen: voll digitalisierte Bildungsangebote, von Lernpsychologen entwickelte Apps für die lieben Kleinen. Natürlich entpuppten diese Angebote sich nach kurzer Zeit als ultra-öde Lernspiele im Zahlenraum von Eins bis Zwei, aber da waren die Herren längst weitergezogen.

„Ich bin immer noch schockiert“, empört sich die kurz vor der Rente stehende Lehrerin Amalie über eine „Luxus-Fortbildungsreise ins Pädagogen-Glück“, die sich als schnöde Abzocke entpuppte. „Besuchen Sie eine der weltweit größten Bildungsveranstaltungen und erleben Sie hochkarätige Experten in unseren prachtvollen Hallen“, stand in dem Reiseprospekt. Die „Luxusreise“ führte Amalie und ihr Kollegium in eine hässliche deutsche Großstadt, an deren Rand zugige Hallen aufgebaut waren, voller Stände mit quietschbunten Nippes. „Erst als der Referent bei der von uns gebuchten Fortbildung plötzlich verlangte, statt einer Vorstellungsrunde geradezu entwürdigende Bewegungen zu Rolfs Schulweg-Hitparade zu machen, wurde mir der Betrug klar.“

„Endlich genau wissen, was Kinder brauchen“, war den Erzieherinnen Hanne und Isabel versprochen worden. Das Konzept klang super: Easy in der Ecke sitzen, den Kindern zuschauen, ab und zu Kreuzchen machen und vielleicht auch mal ein Foto schießen…“, hatten die Herren von einem „sozialwissenschaftlichen Institut“ erklärt. „Ich hätte stutzig werden müssen, als dann Tonnen von diesen Bögen ins Haus flatterten“, sagt Isabel selbstkritisch und berichtet von einem verwirrenden Einschätz-Verfahren, das sie nächtelang mit dem Ausfüllen und Sortieren von Listen beschäftigt. „Die Kinder beobachten? Keine Zeit. Ich sehe sie ja höchstens mal durch die Lochung in den Einschätzskalen-Zusammenfassungsbögen“, beschwert sie sich, bevor sie wieder in dem Wust unangekreuzter Skalen versinkt.

„Für mich klang das wie ein Zauberwort“, erinnert Waltraut sich an den Tag, an dem ein Herr von einem sogenannten Landesbildungsministerium bei ihr vorsprach. Das angeblich kostenfreie Inklusions-Konzept ermögliche es ihr, versprach der Mann, die OECD-Ansprüche an das deutsche Bildungssystem auf eigene Faust umsetzen zu können. „Ich ganz allein? Da hätte ich stutzig werden müssen“, seufzt Waltraud. „Stattdessen habe ich auf eigene Rechnung Material beschafft, Überstunden ohne Ende gemacht, und als ich mich beschwerte, salbaderte der Kerl von ‚nachzujustierendem Personalbedarf ‘ und ‚gebundenen Händen ‘. Irgendwann tauchte er gar nicht mehr auf.

„Landesbildungsminister kann sich heutzutage jeder nennen“, warnen Fachleute. „Diese nicht geschützte Bezeichnung ruft natürlich jede Menge Scharlatane auf den Plan.“ Sie raten, sich Nachweise über pädagogische Ausbildungen zeigen zu lassen und sich weder von Sätzen wie „Ich habe selbst Kinder“ oder vorgezeigten Parteibüchern angeblich bildungssachkundiger Organisationen wie CDU oder SPD beeindrucken zu lassen.

Doch es gibt auch Hoffnung. Pädagogik-Hauptkommissar Fröbelstein stellte letzte Woche ein umfangreiches Paket von Prüf-Software vor, mit deren Hilfe es möglich ist, gefälschte Pädagogiken zu entlarven. Sehen Sie selbst: „Dieser angebliche Reggio-Kindergarten gleicht bis ins Detail dem italienischen Originalkonzept, und weder Kinder noch Eltern oder neue Kolleginnen könnten erkennen, dass es sich um eine raffinierte Fälschung handelt – vom Remida-Anbau bis zum Fördern der 100 Sprachen des Kindes.“

Sekundenschnell entlarvt der „Concept-Detector“ durch lautes Piepen dem menschlichen Auge nicht wahrnehmbare Fehler wie die Verwendung halbtransparenter Remida-Materialien außerhalb des Leuchttischs. „Das würde Loris Malassori und Maria Monteguzzi sofort über­zeugen“, findet Fröbelstein. Da piept das Gerät schon wieder…

 

Foto: Masur/wikimedia

Michael Fink ist Autor und Fortbildner.

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