Vom Ankommen

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Nach der Flucht aus Afrika prasselt die fremde Sprache auf ein dunkelhäutiges Mädchen und seine Tante „wie ein kalter Wasserfall“ ein. Von zu Hause hat das Mädchen eine „alte Decke“ aus seinen eigenen Worten und Geräuschen mitgebracht. Von einem Mädchen im Park lernt es nun langsam die Worte der neuen Sprache und webt sich schließlich aus ihnen eine neue warme Decke.

Eine einfache Geschichte, die nun auf Deutsch und Arabisch vorliegt. Gut, wenn ein Vorleser beide Sprachen kann oder wenn je ein Vorleser die Texte in einer der beiden Sprachen Satz für Satz und Seite für Seite vorliest. Dabei könnten deutsche Kinder ein paar arabische Sätze lernen.

Die hinreißenden Bilder fangen die Bewegungslust und Anmut der Mädchen ein. Das neue Land könnte Deutschland sein, ist aber Australien, doch die Probleme und ihre Lösungen sind hier wie dort die gleichen.

In diesem Jahr kam das Buch in einer Broschur-Ausgabe mit Unterstützung der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung noch einmal auf den Markt – und zwar auf Deutsch und Arabisch.

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wamiki-Tipp: Kobald, I./Blackwood, F.: Zuhause kann überall sein. Aus dem Englischen von Tatjana Kröll, arabische Übersetzung: Mohammed Abu Ramela und Mohammed Abdulhady. Knesebeck 2016, 32 Seiten, Broschur 8,95 Euro. Ab fünf Jahren

 

Das kleine Ich bin ich

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Ein kleines, buntes Tier weiß nicht, wer oder was es ist, und wird von den anderen Tieren ausgelacht. Doch es gibt nicht auf und findet am Ende zu sich selbst. Die Besonderheit der Geschichte: Man muss sich das Tierchen nähen oder basteln. Die Anleitung steht auf dem Vorsatzblatt.

Der Klassiker aus dem Jahr 1972 erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit. Die gereimte Geschichte in aufwendiger Drei-Klappen-Verarbeitung mit kräftigen Farben – viel bunter als das alte Original – ist nun jeweils und gleichzeitig in Deutsch, Arabisch und Farsi nachzulesen. Eine schöne Idee, mit der man wunderbar arbeiten kann.

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wamiki-Tipp: Lobe, M./Weigel, S.: Das kleine Ich bin ich. Verlag Jungbrunnen 2016, 32 Seiten. Ab drei Jahren

 

Saida aus Marokko

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Das erste Kinderbuch der saudi-arabischen Autorin ist eine Adaption ihres gleichnamigen Spielfilms. Die elfjährige Wadjda ist ein energisches und mutiges Mädchen, das Regeln und Konventionen nicht einfach hinnehmen will. Sie macht sich ihre eigenen Gedanken über das Leben in Riad im Allgemeinen und das von Frauen im Besonderen. Warum darf sie nicht so wie ihr bester Freund Abdullah Fahrrad fahren? Nichts wünscht sie sich sehnlicher als das grüne Fahrrad im Laden um die Ecke. Doch für Mädchen gehört sich das in diesem Land nicht.

Das grüne Fahrrad wird zum Symbol für Rebellion, Freiheit und Gleichberechtigung. Die spannende und berührende Geschichte führt in eine fremde Welt, sie schärft die Wahrnehmung für den arabischen Kulturraum und wirbt um Verständnis und Verstehen.

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wamiki-Tipp: Wimmer, S./Gómez Redondo, S.: Am Tag als Saída zu uns kam. Aus dem Spanischen von Catalina Rojas Hauser. Peter Hammer Verlag 2016, 36 Seiten. Ab sechs Jahren

 

Eine Familie flieht

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Im Mittelpunkt von Kirsten Boies Buch über die Flucht einer Familie aus Syrien stehen Rahaf und ihr Bruder Hassan, heute zehn und neun Jahre alt. Bis vor zwei Jahren wohnten sie in der syrischen Stadt Homs mit den Großeltern, Onkeln, Tanten und jeder Menge Cousins und Cousinen in einem großen Haus. Eines Tages kamen Flugzeuge, die Bomben abwarfen, und Männer, die auf den Straßen kämpften. Menschen blieben am Wegesrand liegen und standen nicht mehr auf. Da beschlossen die Eltern, die Familie in Sicherheit zu bringen. Sie flogen mit den Kindern nach Ägypten und bestiegen ein überfülltes kleines Boot. Das Gepäck hatten ihnen Schlepper abgenommen. Nach acht Tagen landeten sie an einem Ufer, kauften vom letzten Geld etwas zu essen und Fahrkarten nach Frankreich. Sie wollten nach Deutschland. Aus dem Erstaufnahmelager gelangten sie in einen engen Container, in dem sie noch heute wohnen. In der Schule traf Rafah ein Mädchen, das ihr deutsche Wörter beibrachte und ihre Freundin wurde. Es ist noch nicht alles gut, und Rafah hat Heimweh. Aber es wird besser.

Wer dieses Buch kennt, wird sich nicht mehr gegen Flüchtlinge wenden. Deutsche und syrische Kinder können die Geschichte gemeinsam lesen – auf Deutsch und Arabisch. Zum Schluss gibt es einige Redewendungen in beiden Sprachen, damit man in Kontakt kommen kann.

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wamiki-Tipp: Boie, K./Birck, J.: Bestimmt wird alles gut. Übersetzung ins Arabische: Mahmoud Hassanein. Klett Kinderbuch 2016, 48 Seiten, 9,95 Euro. Ab sechs Jahren. Bei Onilo gibt es den Text des Buches in einer Whiteboard-Version mit pädagogischem Begleitmaterial:
www.onilo.de

 

This War of Mine

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Es herrscht Krieg. Wer, wo gegen wen kämpft und warum, das ist in diesem Spiel zweitrangig. Soldaten stehen nicht im Vordergrund, sondern diejenigen, die viel zu oft unsichtbar bleiben: die Zivilisten. Einige von ihnen haben den letzten Flüchtlingskonvoi verpasst und müssen nun in der umkämpften Stadt ausharren, bis der Krieg vorbei ist. Bei Tageslicht verschanzt sich die Gruppe in einem verlassenen Haus, um schießwütigen Scharfschützen zu entgehen, sucht im Schutt des Hauses nach brauchbaren Rohstoffen, zimmert aus Brettern Möbel zusammen und zahlt für Nahrung und Medikamente horrende Preise an Schwarzhändler. Nachts ziehen die Überlebenden los, um notgedrungen zu plündern. Schlimmstenfalls müssen sie gegen Soldaten und andere Plünderer kämpfen.

„This War of Mine“ ist ein spannendes, wenn auch beklemmendes Spiel­erlebnis.

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wamiki-Tipp: „This War of Mine“ für PC, PlayStation 4 und Xbox One hat die USK-Kennzeichnung „ab 12 Jahren“.

Mirror’s Edge: Catalyste

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Faith Connors sticht bereits auf den ersten Blick aus der Masse der Videospielhelden heraus: selbstbewusst, weiblich, jedoch nicht sexualisiert. Die junge Asiatin lebt in der dystopischen City of Glass. In dieser blitzsauberen Metropole aus weißem Beton und riesigen Glasfassaden wird Kritik im Keim erstickt, denn die totalitäre Regierung überwacht die Kommunikation der Bürger. Nun kommt Faith ins Spiel: Als sogenannte Runnerin läuft, springt und klettert sie in bester Parkourstradition über die Dächer der Stadt und bringt regierungskritische Nachrichten direkt zum Adressaten. Dabei gerät sie immer wieder in Konflikt mit der privaten Sicherheitsfirma der Stadt, die gezielt Jagd auf Runner macht. Faith verzichtet auf Schusswaffen und setzt sich stattdessen mit schnellen Selbstverteidigungsmanövern zur Wehr. Ein ungewöhnliches Spiel mit einer ungewöhnlichen Heldin.

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wamiki-Tipp: „Mirror’s Edge: Catalyst“ für PC, PlayStation 4 und Xbox One hat die USK-Kennzeichnung „ab 12 Jahren“.

Stardew Valley

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Ein junger Mensch kehrt der Großstadt den Rücken und widmet sich fortan dem idyllischen Bauernhof seines verstorbenen Großvaters. Für ihn beginnt ein neues Leben: mit der Sonne aufstehen, Frühstück machen, die Wettervorhersage anschauen. Felder gießen, im Dreck wühlen, reife Früchte ernten. Die Tiere auf die Weide lassen, Kühe melken, Schafe scheren, Eier sammeln. Fertig? Ab ins Dorf: Saatgut kaufen, Werkzeuge zum Schmied bringen, Mitmenschen begrüßen. Die Sonne neigt sich dem Horizont zu, doch es gibt so viel zu tun: Fische angeln, Holz hacken, kleine Monster in einer stillgelegten Mine besiegen. Ehe der junge Mensch sich versieht, ist es Mitternacht. Schnell ins Bett, Energie tanken für den nächsten Tag.
„Stardew Valley“ lässt die Spieler selbst entscheiden, was sie wann, wie und wo tun möchten. Ein Spiel für Entdecker, Planer und Genießer.

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wamiki-Tipp: „Stardew Valley“ ist online über Steam und GOG.com erhältlich. Das Spiel hat (noch) keine Alterseinstufung.

PINA SCHAUKELT – Was kleine Kinder brauchen

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Als am 8. März diesen Jahres in der gut gefüllten Urania in Berlin der Abspann von „Pina schaukelt“ der Regisseurin Heide Breitel lief, setzte lang anhaltender Beifall ein.

Wir hatten hier mit vielen anderen gemeinsam etwas gesehen, was ich als ein Ereignis der besonderen Art bezeichnen will: 90 Minuten lang schauten mehrere hundert Erwachsene gebannt vier Kleinstkindern zu, und ab und zu auch ihren Erzieher_innen. In einem Film fast ohne Handlung. Und das war keine Minute langweilig.
Nein, das war so spannend, so erkenntnisreich und gleichzeitig so unterhaltend, dass wir wussten – diesen Film wollen wir in unser Verlagsprogramm aufnehmen! Den müssen viel mehr Menschen sehen, als es die wenigen Kinoaufführungen ermöglichen. Nicht nur alle Kita-Erzieher_innen, sondern auch alle Väter und Mütter in diesem Land. Eigentlich alle, die Verantwortung für die Betreuung, Bildung und Erziehung von Kindern tragen. Größenwahn? Sicher! Also warum?

Weil der Film einerseits die Lernfähigkeit, Entdeckerfreude und Gestaltungslust der anfänglich zehn Monate alten Protagonisten authentisch einfängt und sie achtzehn Monate lang auf ihrem Weg geduldig beobachtet und anteilnehmend begleitet. Und weil er gleichzeitig die gelungene Beziehung dieser Kinder mit ihren Erzieher_innen zeigt. Eine Beziehung, die von Aufmerksamkeit, Zugewandtheit und vor allem von tiefem, stabilen Vertrauen gekennzeichnet ist und jeden Tag wieder neu geknüpft wird. Ihnen, den Kindern und Erzieher_innen, dabei zuzusehen ist für mich das eigentliche Highlight des Filmes.

Der Neurobiologe Gerald Hüther, der im Produktionsprozess des Films beratend involviert war, beschreibt in seinem lesenswerten Beitrag zum Film diese besondere Rolle der Erzieher_innen: „Es ist nicht leicht, Kinder zu begleiten, ohne sie zu Objekten von Erwartungen, Bewertungen, Belehrungen oder irgendwelcher Fördermaßnahmen zu machen. Dazu bedarf es eben der besonderen inneren Einstellung oder Haltung der jeweiligen Bezugspersonen, mit der Voraussetzung, dass ein Kind kein Objekt ist, sondern als gestaltendes, lernfähiges und erkennendes Subjekt wahrzunehmen ist. (…) Der Film von Heide Breitel lässt erleben, (…) wie diese Entwicklungen möglich werden.“

Sehen Sie selbst! Hier geht es zum Trailer des Films. Der Film ist ab sofort in unserem Shop bestellbar (HIER)!

Geschichte ohne Ende

Preisverdächtig. Nominiert für den Deutschen Kinder-und Jugendliteraturpreis 2016

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Schon auf dem Titelbild stolpert man in diese textlose Bildgeschichte hinein. Ohne Worte schleichen, flattern, hüpfen, trampeln und krabbeln Tiere des brasilianischen Urwalds nacheinander durch das Pappbilderbuch. Der Autor pinselt schwarze Piktogramme auf braunen Karton und lässt die Szenerie wirken wie einen quirligen Tanz des Lebens. Doch dann taucht eine Hand auf, die rote Farbe an den Fingern hat. Sie gehört dem sagenumwobenen Wesen Curupira, das die Tiere und Pflanzen des Urwalds beschützt. Es zeichnet allen Tieren Ornamente auf Panzer, Federn und Fell und malt den Bäumen und Pflanzen rote Blätter.

Die Geschichte ohne Ende erzählt vom Kreislauf der Natur, vom Sonnenaufgang bis zur Nacht. Durch einen hohlen Baum am Ende des Buchs gelangen die Tiere über ein Loch in der Umschlagseite wieder zurück zum Anfang der Geschichte, und sie beginnt von neuem. Die schematischen Darstellungen fordern zum Erraten und Benennen der einzelnen Tiere auf und machen auch ohne das Wissen um den mythologischen Hintergrund neugierig auf eine fremde Welt. Denn Pimentel greift die klare und reduzierte Bildsprache lateinamerikanischer Kunst auf und vermittelt damit die Sicht auf eine andere Kultur. Ab 2.

 

Das Mädchen Wadjda

Preisverdächtig. Nominiert für den Deutschen Kinder-und Jugendliteraturpreis 2016

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Das erste Kinderbuch der saudi-arabischen Autorin ist eine Adaption ihres gleichnamigen Spielfilms. Die elfjährige Wadjda ist ein energisches und mutiges Mädchen, das Regeln und Konventionen nicht einfach hinnehmen will. Sie macht sich ihre eigenen Gedanken über das Leben in Riad im Allgemeinen und das von Frauen im Besonderen. Warum darf sie nicht so wie ihr bester Freund Abdullah Fahrrad fahren? Nichts wünscht sie sich sehnlicher als das grüne Fahrrad im Laden um die Ecke. Doch für Mädchen gehört sich das in diesem Land nicht.

Ein Leben in engen Grenzen, Einblicke in die Problematik der Zweitfrau, die Stellung des Mannes in der arabischen Welt – die Autorin weiß, wovon sie schreibt. Das grüne Fahrrad wird zum Symbol für Rebellion, Freiheit und Gleichberechtigung. Die spannende und berührende Geschichte führt in eine fremde Welt, sie schärft die Wahrnehmung für den arabischen Kulturraum und wirbt um Verständnis und Verstehen. Sie zeigt, was Freiheit meint und wie wichtig es ist, sie zu verteidigen. Ab 11.

 

 

Der Hinundhering

Preisverdächtig. Nominiert für den Deutschen Kinder-und Jugendliteraturpreis 2016

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In den Gedichten von Christian Morgenstern, Karl Valentin, Joachim Ringelnatz, Ernst Jandl bis hin zu Heinz Erhardt, Michael Ende und Otto Waalkes geht es primär um eines: Nonsens. Jedes der Gedichte fordert zum Schmunzeln oder Lachen heraus, verlockt dazu, sich auf Sprachspiele einzulassen, Widersprüche und Doppeldeutigkeiten zu durchschauen. Die spielerische Leichtigkeit der Texte ist dabei oft mit subversiven Elementen verbunden, wenn Regeln und Normen gebrochen werden. Die Anthologie vereint Texte bekannter und weniger bekannter Dichter, streift die Literaturgeschichte, aber auch die Populärkultur. Dem Herausgeber Uwe-Michael Gutzschhahn gelingt damit eine ebenso lehrreiche wie unterhaltsame Zusammenstellung, die vom Rhythmus und Klang der Sprache zeugt. Besonders machen diesen Band auch dessen außergewöhnliche Haptik und Optik. Sabine Wilharm ist es gelungen, den Nonsens-Gedichten Illustrationen beiseite zu stellen, die ebenso absurd und spielerisch sind wie diese und mit den Versen in einen einzigartigen Dialog treten. Ab 6.

 

 

Das Herz des Affen

Preisverdächtig: Nominiert für den Deutschen Kinder-und Jugendliteraturpreis 2016

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Der kleine Affe lebt glücklich und zufrieden in seinem Feigenbaum neben dem Fluss. Im Fluss wohnen der Krokodilmann und seine Frau. Weil diese unbedingt das Herz des Affen besitzen möchte, macht sich der Krokodilmann auf, den Affen zu fangen. Mit einer List lockt er ihn von seinem Feigenbaum – aber mit einer List entkommt der Affe wieder.

Anja Mikolajetz erzählt ihre Version eines Volksmärchens aus Myanmar, in dem es um Eifersucht und Neid, soziales Zusammenleben und die Macht der eigenen Entscheidung geht. Die Moral von der Geschichte fällt dreigeteilt aus, wie auch jede der drei Figuren ein eigenes Schicksal hat. Während das Krokodilpaar durch Neid und Unvernunft in die Einsamkeit getrieben wird, springt der Affe als lustiger Spaßmacher weiter von Ast zu Ast.

Mikolajetz zeichnet in einer ebenso einfachen wie klaren Formensprache. Mit dicken, expressiven Strichen umrahmt sie Figuren und Umgebung, wobei jede Doppelseite als Diptychon angelegt ist. Durch diese klare Einfachheit wird das Buch zu einem Betrachtungsvergnügen schon für kleinere Kinder, wohingegen der Text auch noch weit nach dem Lesenlernen nachdenklich stimmt. Ab 4.