Äußerste Konsequenzen

„Das wird Folgen haben!“ Auf eine unbedachte Falschhandlung folgt nun etwas ganz und gar Unerwünschtes. Zum Beispiel das heilige Donnerwetter oder der letzte Zapfenstreich. „Folgen“ heißt auf Latein nämlich „consequere“. Und daraus entstand in letzter Konsequenz unser heutiger Rubrikengast, die „Konsequenz“.

Manche Berufsgruppen lieben die ­Konsequenz besonders.

Gute Lehrer, heißt es gemeinhin, sind nicht streng, sondern einfach konsequent. „Was ist der Unterschied zwischen streng und konsequent?“ geben wir neugierig in die Google-Zeile ein, und die Suchmaschine hält Antworten parat, die viel über unseren Gebrauch von Fremdwörtern aussagen: „Streng“ verrät kritische Persönlichkeitseigenschaften und hat damit einen bestimmten Beigeschmack. Siehe auch: „Deine Socken riechen aber streng, mein Freund.“

Das Wort „Konsequenz“ hingegen kommt absolut objektiv daher, schon seines lateinischen Ursprungs wegen. Das erhöht den ehemals „strengen“ Lehrer zum Durchsetzer allgemeingültiger Gesetze, dem wir logischerweise nicht widersprechen möchten. Auch unser Beispielsatz profitiert deutlich vom Latein: „Mein Freund, deine Socken riechen aber konsequent.“

Juristen lieben die Konsequenz ebenfalls. Deshalb dominiert das Wort dort, wo Lehrer und Juristen in großer Anzahl zusammenkommen: in der Politik. Hier wird Konsequenz vor allem gefordert; für das Umsetzen sind meist andere Leute zuständig. Oder es wird auf Konsequenzen verwiesen, die sich quasi von selbst einstellen, nämlich die „logischen“ Konsequenzen, die andere Leute leider immer übersehen. Die sind dann „inkonsequent“.

Typisch für unseren Sprachgebrauch ist, dass wir unseren Rubrikengast wie sein Gegenwort gerne als Beschreibung eines Persönlichkeitsmerkmals verwenden: Jemand ist entweder konsequent oder inkonsequent – sozusagen „konsequent inkonsequent“.

Konsequent ist man meist selbst, was auch daran liegen könnte, dass man den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung nur bei den eigenen Taten im Blick hat. Inkonsequent hingegen sind die anderen: Fremde Eltern gehen inkonsequent mit ihren Kindern um, wenn sie deren Quengelei an der Supermarktkasse mit dem Kauf von Lollys belohnen, statt konsequent „Nein!“ zu sagen. Wir müssen dann die Konsequenzen tragen und unserem Quengel­kind auch einen Lolly kaufen, weil es uns sonst für total streng hält.

Richtig konsequent sind Politiker, die unsere Anliegen durchsetzen, statt auf Kompromisse einzugehen, während die ähnlich handelnden Vertreter der Gegenseite uns als verbohrt und verstockt erscheinen. So sehr wir für Konsequenz sind, stört sie uns jedoch, wenn sie auf uns angewendet wird: „Können Sie nicht mal ’ne Ausnahme machen, Herr Verkehrspolizist?“ „Man muss auch mal fünfe grade sein lassen“, finden wir, wenn wir keine Lust auf eine Auseinandersetzung haben. Aber drückt der Kollege ein Auge zu, schreiten wir ein: „Man muss auch mal konsequent auftreten. Ich dachte, wir hätten uns darüber geeinigt?“

Oft ist von „klaren“ Konsequenzen die Rede. Das heißt aber noch lange nicht, dass klar ist, worin die Konsequenzen eigentlich bestehen. Im Gegenteil: Je unbestimmter eine Konsequenz ist, desto höher ist ihr Drohpotential: „Jetzt kannst du was erleben!“ Au weia…

Das gilt übrigens auch für Zuschreibungen, die uns klar machen, wie sich Konsequenzen anfühlen, zum Beispiel „spürbar“. Noch schlimmer sind „bittere“ Konsequenzen. „Saure“, „salzige“ oder „süße“ gibt es hingegen nicht, doch „scharfe“, „eiserne“ oder gar „hammerharte“, in jedem Fall „schwere“ Konsequenzen hat so mancher Tunichtgut schon tragen oder ziehen müssen. Da hat es die begangene Untat leichter: Sie darf selbst die schwersten Konsequenzen „nach sich ziehen“, vielleicht an einem rissfesten Stahlseil.

Apropos „schwerst“: Der Superlativ hat es unserem Rubrikengast sichtlich angetan. Vielleicht, weil er die konsequenteste Steigerung von Adjektiven ist.

Eher selten ist von der „äußersten“ Konsequenz die Rede. Da drängt sich uns sofort das Bild einer Reihe wie Dominosteine hintereinandergestellten Zwischenkonsequenzen auf, die konsequent nacheinander umfallen:

Ende Banane!

Foto: suze, photocase

Michael Fink ist Autor und Fortbildner.

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