Kinderbuch der Woche: Bilder für Europa

Bücher für Kinder von null bis zu zwölf Jahren und für ihre Erwachsenen – von Gabriela Wenke empfohlen. Jeden Donnerstag bis zur Frankfurter Buchmesse.

2017 rief Markus Weber vom Moritz Verlag Illustratorinnen und Illustratoren auf, ihm Zeichnungen für Europa zu schicken. Wie sie ihre Idee umsetzen, war ihnen freigestellt. Während der Frankfurter Buchmesse 2017 wurden die Bilder in einer Ausstellung präsentiert und später versteigert. Der Erlös ging an die unabhängige Bewegung „Pulse of Europe“.

Europäische Kinderbücher sind schon seit vielen Jahrzehnten Teil des weltweiten Buchmarktes. Oft ist den Vorleserinnen und Vorlesern gar nicht bewusst, aus welchen europäischen Ländern die Illustratoren stammen. Der Brexit könnte nun wie der Ausschluss aus der europäischen Bilderbuchfamilie wirken, befürchtet Axel Scheffler, der seit 36 Jahren in Großbritannien lebt und mit der britischen Autorin Julia Donaldson seinen europa- und weltweit berühmten Grüffelo in die Bilderbuchwelt brachte.

Auf den Buchmessen in Frankfurt, Leipzig und Bologna ist die europäische Idee gerade in den Bildern der Illustratorinnen und Illustratoren vertreten, die man meist ohne Texte versteht. Schon seit vielen Jahrzehnten gleicht der Blick in einen Kinderbuchladen von Spanien bis Norwegen, von Estland bis Groß-Britannien einem Treffen alter Bekannter, die man in der jeweiligen Muttersprache längst kennt. Mit ihren Bildern und kurzen Texten werben Quentin Blake, Polly Dunbar und Chris Riddel, britische Künstler, die zu den Illustratoren der Ausstellung 2017 hinzukamen, weiterhin für ein Vereintes Europa – mit Groß-Britannien.

Axel Scheffler schreibt in seinem Vorwort, dass er immer noch auf das Einsehen der Politik hofft. Und ich hoffe mit vielen anderen, dass dieses Jahr 2019 nicht das Ende einer wunderbaren Chance auf ein vereintes Europa mit sich bringt.

Schauen Sie mit Kindern und Erwachsenen die Texte und Bilder an. Sprechen Sie miteinander über die europäische Idee. Staunen Sie über die Vielfalt und Qualität europäischer Illustratorinnen und Illustratoren. Das wünscht sich

Ihre Gabriela Wenke

 

 

 

Kinderbuch der Woche: Ein starkes Mädchen

Bücher für Kinder von null bis zu zwölf Jahren und für ihre Erwachsenen – von Gabriela Wenke empfohlen. Jeden Donnerstag bis zur Frankfurter Buchmesse.

Billie schaut auf die Welt wie Pippi Langstrumpf. So ähnlich formulierte es eine Rezensentin im Internet. Das irritierte mich, denn Billie ist zwar stark, könnte aber nie ein Pferd mit einer Hand hochheben. Doch ihre emotionalen und seelischen Kräfte sind erstaunlich. Sie schöpft sie aus dem Leben mit ihrer Mutter, die anscheinend wenig geeignet zu sein scheint, einem Kind ein schönes Heim und eine angemessene Erziehung zu geben. Aber sie ist selbstbewusst und lebt mit Billie in einem Kokon aus Zuneigung und Offenheit. Weil sich ihr körperlicher und seelischer Zustand immer stärker verschlechtern, wird Billie vom Jugendamt zu einer Pflegefamilie hoch in den Norden Schwedens geschickt, in einen Ort namens Bokarp.

„Billie alle zusammen“ heißt der dritte Band über ein Ausnahmekind, das ganz ohne „fantastische“ Eigenschaften ein Leben meistert, an dem andere Kinder zerbrochen wäre. Wie ein Naturereignis bricht sie in die Borkarper Familie ein, stellt die richtigen Fragen, kann Wichtiges von Unwichtigem trennen und unbeirrbar beobachten.

Billie ist nicht naiv. Obwohl sie sich an Gemeinsamkeiten, Nähe und Intimität erinnert, sieht sie bei einem Besuch in Stockholm: Die Mutter ist inzwischen so krank, dass Billie nicht mehr bei ihr leben kann. Und: Billie meint, was sie sagt, sagt, was sie sieht, und besteht nicht darauf, immer Recht zu haben. Ihr realistischer, freundlicher Blick auf die Pflegefamilie öffnet den Eltern und den beiden Kindern die Augen: Nach dem Tod eines kleinen Bruders verfiel die Familie in eine Starre, der sie mit der Aufrechterhaltung von Regeln und familiären Ritualen zu begegnen versucht, was niemandem hilft: Die Tochter präsentiert sich im Internet als eine Art Model und gibt anderen Mädchen Schminktipps; der Sohn zieht sich mit seinen Tonarbeiten ins Gartenhaus zurück; der Vater hält sich an Handball und gesunde Ernährung; die Mutter versucht, sich als Pfarrerin mit Ordnungsregeln gegen die Ungerechtigkeit der Welt zu wehren, die ihr das jüngstes Kind nahm.

Im ersten Band der kleinen Reihe entdecken wir mit dem Großstadtmädchen Billie die Szenerien und Inszenierungen dieser im Schock erstarrten Familie. Billie, die mit ihrer Mutter seit Jahren auf Augenhöhe lebt, durchschaut die Rituale der in ihrem Unglück steckengebliebenen Menschen. Ohne Bosheit weigert sie sich, unsinnige Regeln einzuhalten. Den Kopf voller Rasta-Locken und in Secondhand-Klamotten, sieht sie aus wie ein Gegenentwurf zu den Borkapern, die sich jedoch von Buch zu Buch – der zweite Band heißt „Billie – wer sonst?“ – immer mehr aus ihren verkrusteten Strukturen zu lösen beginnen.

Zwar überlebt die Ehe von Petra und Mange diese Lösung nicht, aber sie führt zur Verbesserung der Beziehungen. Das stellt Billie vor ein neues Problem: Obwohl sie nun in der Familie und in der Schule angekommen ist, will das Jugendamt sie – der Trennung der Eheleute wegen – herausholen. Es braucht einen Großeinsatz von Erwachsenen und Mitschülern, damit Billie bleiben kann, wo sie endlich angekommen ist.

Billie ist eine starke Mädchenfigur, deren Geschichte sich den üblichen Zuordnungen entzieht. Sie ist den Menschen zugewandt, sie reagiert auf Unbekanntes mit Neugier und Offenheit. Ihre Frage ist nicht „Was tut ihr mir an?“, sondern „Wie kann ich euch verstehen – und euch vielleicht sogar helfen?“

Um auf den anfänglichen Vergleich mit Pippi Langstrumpf zurückzukommen: Billie hat den Mut, eigene Antworten zu finden, damit es allen ein bisschen besser geht.

Unbedingt lesen und weitergeben. Das empfiehlt

Gabriela Wenke

 

 

 

 

 

Kinderbuch der Woche: Vermeintlich fremd

Bücher für Kinder von null bis zu zwölf Jahren und für ihre Erwachsenen – von Gabriela Wenke empfohlen. Jeden Donnerstag bis zur Frankfurter Buchmesse.

Bilderbuch

Durch flächige Illustration in starken Farben und kräftigem Strich zieht das Buch die Blicke auf sich. Dunkles Rot und sandiges Gelb, von einer Diagonale getrennt, teilen sich den Titel. Schwarz wirft ein unheimliches Wesen seinen Schatten: „Zorilla“ zieht sich in glänzenden Buchstaben über den Titel. Wir begegnen ihm wieder auf einer in grelles Grün getauchten Straße, wo ihm die Bewohner – Affen, Hunde und andere Tiere – ängstlich hinterherschauen. Im Hafenviertel beäugen die Tiere neugierig bis misstrauisch die kräftige, dunkle Gestalt im schwarzen Mantel, die ihnen unheimlich ist und über die viel geredet wird.

Zorilla redet mit niemandem. Im Schutze der Dunkelheit kauft er sonderbare Dinge ein, aus seinem Haus kommen unheimliche Geräusche. Als ein paar Mutige sich heranschleichen wollen, werden sie von hellen Blitzen und glühender Hitze vertrieben. Alle haben Angst, stellen aber am nächsten Morgen fest, dass Zorilla verschwunden ist.

„Was ist geschehen?“ fragen sie sich, als sie in Zorillas Haus eine riesige Wanne, einen Schmelzofen und andere seltsame Dinge finden. „Hätten sie nur einmal den Zorilla gefragt“, heißt es in der Mitte des Buches, in der nur der Schatten Zorillas über die Seiten ragt.

Dann erzählt Jutta Bücker, „was auch geschah“: Ein schwarzer Marder tanzt allein und voller Fernweh in seinem Zimmer, baut sich schließlich aus all dem geschmolzenen Glas eine riesige Flasche, so groß, dass er sich hineinsetzen und dahin schwimmen kann, wo es offensichtlich einen anderen oder eine andere seiner Art gibt.

Die wunderschönen, emotionalen Bilder zeigen im ersten Teil die Angst, das Schattendunkel des Zorilla und die furchterregenden Fratzen der anderen Figuren, die ihn zu verfolgen scheinen. Im zweiten Teil sind die Bilder voller Heiterkeit und Leichtigkeit, voller Sehnsucht nach Sonne, Wärme und voller Freude, als Zorilla sich schließlich wie eine Flaschenpost ins Meer, in die Welt wirft. Das sollte man sich mit Kindern unbedingt zu Gemüte führen und vor Augen halten, findet Gabriela Wenke

 

 

 

100 Gedichte für Kinder

Kinderbuch

Gedichte sind ja eher nicht praktisch, sondern poetisch. Aber das Buch „Sieben Ziegen fliegen durch die Nacht“ mit 100 neuen Gedichten deutschsprachiger Autorinnen und Autoren ist sehr praktisch: Knallrot, so dass man es nicht übersehen und immer wiederfinden kann. Ein bisschen elastisch und nicht zu groß, so dass es in einen kleinen Rucksack passt, zum Mitnehmen und Rumtragen. Auf diese Weise hat man immer ein Gedicht zur Hand. Uwe Gutzschhahn, der nicht nur für sein Lebenswerk als Übersetzer den Deutschen Jugendliteratur Preis erhalten hat, sondern Autor und insbesondere Lyriker ist, hat die 100 neuen Kindergedichte gesammelt, in denen viel Humor, Witz und Schabernack zu finden ist. Das sollte Erwachsene ermutigen, auch mal ein Gedicht vorzutragen. Und mit 100 Gedichten kann man 20 Wochen Tag für Tag bestücken – a poem a day, keeps the Nachhilfelehrer away –, bis jedes Kind selbst so dichten kann wie Gerhard Rühm:

verunglücktes abzählgedicht;

eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben,

acht, neun, zehen — eine fehlt

Die restlichen 99 Gedichte möge sich die geneigte Leserin, der amüsierte Leser selbst anschauen – nebst der wagemutig-farbenfrohen Bilder von Sabine Kranz.

100 Gedichte sind ein guter Beginn für ein poetisches 2019!

Gastfreundschaft

Bilderbuch

„Ein Sturm zieht auf, ein Sturm zieht auf!“ Die Waldbewohner verrammeln ihre Häuser, gefüllt mit Vorräten, Wärme und Licht. Sie machen es sich gemütlich. Da kommen Großer Bruder Bär und sein kleiner Bruder. Misstrauisch aus Gucklöchern beäugt, bitten sie höflich um Einlass. Ihnen ist kalt, sie haben Hunger, und sie haben Angst im Dunkeln. Aber niemand lässt sie ein. „Der Platz reicht schon für uns kaum aus. Geht weiter bis zum nächsten Haus.“ Nur Kleiner Fuchs läuft ihnen nach und bringt ihnen eine Laterne.

Abgewiesen landen sie auf einem eisigen Hügel. Doch sie haben Glück: Es beginnt zu schneien. Wie man aus Schnee Höhlen baut, das wissen die Bären. Als Familie Fuchs aus ihrer zusammenbrechenden Höhle fliehen muss, findet sie bei ihnen Unterschlupf.

„In einer Nacht ohne Ende

Und ohne Mondenschein

Öffneten zwei Fremde

Ihr notdürftiges Heim.“

Die kleine Geschichte wird in lyrisch-rhythmischer Sprache erzählt, in Reimen, die die Suche beschreiben. Tiere als handelnde Personen – das Buch könnte schon 100 Jahre alt sein. Trotzdem oder gerade deswegen bringt es das Thema „Gastfreundschaft“ bezaubernd auf den Punkt, das für viele Gemeinschaften überlebenswichtig war und ist. Mit lebhaftem Strich, ausdrucksstarken Figuren und einer Sprache, die sich fast von allein vorliest, überzeugt das Buch ebenfalls.

Farben der Wut

Bilderbuch

Eine Bildgeschichte über die Wut eines Kindes: Vom „fröhlichen Vögelchen“ verwandelt es sich in eine „runzlige Rübe“, wenn der Zorn es packt. Was ihn so in Wut versetzen kann, schildert der kleine Ich-Erzähler, begleitet von Bildern, die ihn in einer rosaroten familiären Idylle zeigen: Vater, Mutter und Kind – breit lächelnd.

Aber wenn das Kind nur noch will und will und will, sagen die Eltern „Nein“ und verharren inmitten des kindlichen Wutanfalls aus allen Rottönen in zurückhaltendem Weiß. Erst als sich das Gefühlsgewitter gelegt hat und der Junge wieder ein bisschen denken kann, fällt ihm ein, was die Eltern immer sagen: dass sie nicht gut hören können, wenn sie jemand anschreit, und dass die Leute sich voneinander entfernen, wenn sie zu laut zu sind. Als der Junge sich beruhigt hat, erinnert er sich, dass Mama ihn liebhat und dass ihr Weiß seinem Rot näherkommt, bis die Welt rosarot ist.

Ein schneller, explodierender Strich und explosive Farben zeigen die Gefühle des Kindes und auch den Punkt, an dem es „zurückrudert“, sich beruhigt und seine Gedanken wiedereinsetzen. Geradezu beneidenswert vorbildlich begleiten die Eltern das Kind durch die große Wut, indem sie sich zurückziehen, abwarten und für ihr Kind da sind, als es wieder „weiß“ sehen kann.

Die in Wort und Bild überzeugend erzählte Geschichte von der großen Wut, aus der einem – bitte! – jemand heraushelfen möge, ist auch ein Ratgeber für Eltern, ganz ruhig und „weiß“ zu bleiben, schon um sich auf die rosaroten Momente danach freuen zu können.

Kinderbuch der Woche: Wolf, Ente und Maus

Eine kurze Geschichte für kluge Kinder und Philosophen

Eines Morgens trifft eine Maus einen Wolf, der sie frisst. Damit ist die Geschichte jedoch nicht beendet, denn der Wolf hat die Maus lebend verschlungen.

Mit ihrem lauten Klagen stört die Maus eine Mitbewohnerin im Wolfsbauch, nämlich die Ente, die schlafen will. Weil die Maus erklärt, es sei draußen Morgen, bietet die Ente erst einmal Frühstück an: gedeckter Tisch, Stühle, Tischtuch, Marmelade. „Du wirst dich wundern, was man in einem Wolf so alles finden kann“, sagt die Maus zufrieden und erzählt, sie habe draußen immer Angst gehabt, von einem Wolf gefressen zu werden. Die Sorge habe sie nun nicht mehr. Das überzeugt die Maus. Höflich fragt sie, ob sie bleiben darf. Klar – und das feiern die beiden mit Wein und Leckereien, so dass dem Wolf ganz schlecht wird. Das lockt einen Jäger an, doch der schießt daneben. Aber der arme Wolf ist so fertig, dass er nicht fliehen kann. Aus seinem Maul blasen Maus und Ente zur Attacke und vertreiben den Jäger. Der dankbare Wolf will sich bei den beiden revanchieren: Sie haben einen Wunsch frei. Natürlich wünschen sie sich, im Wolfsbauch wohnen bleiben zu dürfen. Seitdem heult der Wolf nachts immer den Mond an.

Seit Jona im Bauch des Wals gelandet war, hat sich niemand jemals Gedanken darüber gemacht, wie es dem Wal damit erging. Zwar waren die Größenverhältnisse anders – doch Jona war schon ein großer Brocken für jemanden, der sonst nur Krill frisst. Aber das ist eine andere Geschichte…

Die Geschichte „Der Wolf, die Ente und die Maus“ ist vorwiegend in Brauntönen mit gebrochenem Weiß gehalten. Ein wenig Rot, Orange und Grün gibt es nur im Bauch des Wolfes. Jon Klassen braucht nicht viele Farben und auch nur wenige, sehr abstrahierende Bilder, um die Geschichten zu erzählen. Trotzdem verstehen Große und Kleine sie auf wunderbare Weise.

 

Das Kinderbuch der Woche: Spielwörter und Wörterspiele

Bücher für Kinder von null bis zu zwölf Jahren und für ihre Erwachsenen – von Gabriela Wenke empfohlen. Jeden Donnerstag bis zur Frankfurter Buchmesse 2019!

 

Schon im Vorwort sagt Christoph Niemann, dass Zeichnen und Schreiben für ihn eng verbunden sind. Das macht den Witz der 352 Seiten voller Wörter und Zeichnungen aus. Auf Seite 9 steht nur das Wörtchen „ich“. Darüber ein äußerst reduziertes, lächelndes Gesicht, das sich in einem Rechteck spiegelt.

Manche Zeichnungen stehen allein auf einer Seite. Zum Beispiel ein Mann. Auf der Seite gegenüber ist ein Junge zu sehen, in der gleichen Kleidung wie der Mann, aber sie ist dem Jungen viel zu groß. So interpretiert und deutet Christoph Niemann das Wort „Mann“.

Es macht Spaß, das dicke Buch durchzublättern, wenn man schon lesen und sich Seite für Seite den Zusammenhang zwischen Wort und Bild erschließen kann. Liest jemand die Wörter vor, können jüngere Kinder die Zusammenhänge beim Blättern leicht entschlüsseln und ganz nebenbei sogar ein wenig Lesen lernen: Bilder und Wörter lesen.

Je nach Temperament und Sprachgefühl werden Kinder, die die Geduld haben, verlockt, sich dicke Wälzer wirklich anzuschauen, und finden jede Menge Ideen zu Zeichnungen und Wörtern. Wer weiß, worauf sie dabei kommen…

 

Das Kinderbuch der Woche: Baby in See-Not

Bücher für Kinder von null bis zu zwölf Jahren und für ihre Erwachsenen – von Gabriela Wenke empfohlen. Jeden Donnerstag bis zur Frankfurter Buchmesse 2019!

Die Geschichte vom Baby, das aus großer Gefahr gerettet wird, spielt in alten Zeiten, als an menschenleeren Stränden Jungen in langen Badeanzügen Drachen fliegen ließen. Strandhäuschen aus Stoff standen im Sand, an der Uferpromenade bildeten weiße Villen den Hintergrund – wie auf alten Postkarten.
Niemand merkt, dass ein hochrädriger Kinderwagen ins Rollen kommt. Strandhäuschen und Liegestühle sind verlassen; die Jungen laufen dem Drachen hinterher. Das Baby in seinem Wagen haben sie vergessen.
Da rollt der Wagen ins Meer und wird von den Wellen erfasst. Das Baby findet das ebenso lustig und wie die Lieblingsspielsachen, die mit an Bord sind. Sie geben dem Baby das Fläschchen.
Doch der Wind wird immer stärker! Panda und Puppe passen auf das Baby auf, der alte Hase ist seekrank. Das Meer braust, ein Sturm zieht auf. Verzweifelt versuchen Puppe, Panda und Hase, den Wagen über Wasser zu halten. Nach dem Sturm beruhigen sie sich, lassen sich trocknen, spielen und essen.
Als es Abend wird, nimmt der Wagen wieder Fahrt auf. Ein riesiger Fisch zieht ihn zum mondbeschienenen Strand. Panda und Hase trommeln alle Spielsachen des kleinen Badeortes zusammen, die den Kinderwagen mit vereinten Kräften in Sicherheit bringen.
Endlich stürmen Menschen mit Taschenlampen herbei. Unbemerkt stehen die Spielsachen in dunklen Ecken und schauen dem Treiben zu.
Wogende Wellen, lebhaft bewegte Kinder und Spielsachen in klaren Farben machen diese aufregende Geschichte zu einem bunten Abenteuer, das gut endet und wirkt, als wäre es vor 100 Jahren gemalt worden.

Alles ist möglich

Die Struktur des Alphabets – sie steht unerschütterlich fest. Jeder Buchstabe nimmt seinen angestammten Platz ein und folgt dem vorhergehenden. Die Themen dieses Alphabets der Kindheit dagegen wählte ich frei und subjektiv. Ich bin mir sicher, dass jeder von Ihnen eine andere, ebenso eigensinnige, ebenso subjektive Auswahl treffen würde. Jeder von uns trägt sein eigenes Wörterbuch der Kindheit in sich, gespeist von seinen persönlichen Erfahrungen und Neigungen. Eine Anleitung, wie das Alphabet der Kindheit zu lesen sei, gibt es nicht. Seine 26 Buchstaben, jeder für sich einzigartig in Wesen und Gestalt, sind unsere treuen Begleiter. Sie schaffen das Gerüst und den Rahmen, der uns Orientierung gibt beim Durchwandern der Kindheit. Es liegt ganz an Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ob Sie diese abschreiten von A bis Z, so wie Sie es damals als Kind in der Schule gelernt haben, oder ob Sie nach eigenem Begehren zwischen den Buchstaben herumspazieren wie in einem wilden Garten. Alles ist möglich.

Helge-Ulrike Hyams

Machtspiele

Bilderbuch

„Hier kommt keiner durch!“ – Das Medium Buch wird Teil der Geschichte, die Mitte der Doppelseite zur unsichtbaren Grenze, die nicht überschritten werden darf. Ein Aufpasser hindert die immer bunter werdende Menge, von der linken auf die rechte Buchseite zu wechseln, die blütenweiß und leer bleibt. Den Grund für seine Aufgabe hinterfragt er nicht, er führt sie gewissenhaft aus, auch als er von den Menschen mit immer drängenderen Fragen nach dem Sinn des Ganzen konfrontiert wird. Schließlich löst sich ein Ball aus der Menge, hopst nach rechts, und da gibt es kein Halten mehr: Die ganze Schar stürmt hinterher.

Die konzeptionelle Idee dieses stringent strukturierten Bilderbuchs ist mit einfachen bildnerischen Mitteln umgesetzt. Die Filzstiftzeichnungen geben ihm eine aus dem Rahmen fallende Ästhetik. Text gibt es in diesem Buch kaum; das wenige, das gesprochen wird, steht in farbigen Sprechblasen. Dafür verstecken sich in dem Gewimmel umso mehr Erzählanlässe. Denn das, was auf den ersten Blick ungeordnet wirkt, folgt einer eigenen Logik. Jede der 62 Figuren erhält einen eigenen Charakter und erzählt eine eigene Geschichte. Das Thema des Buches, der Umgang mit Autoritäten, ist universell und umfasst das Verhalten auf dem Schulhof ebenso wie politische Dimensionen. Diese Zusammenhänge greift das Buch auf witzige und ungewöhnliche Weise auf. Ausgezeichnet mit dem Deutschen Kinder-und Jugendliteraturpreis 2017.

Versteckspiele

Bilderbuch

„Hast du meine Schwester gesehn? Sie ist größer als ich. Und sie hat blaue Augen.“ Ein kleiner Junge sucht seine große Schwester. Er weiß genau, wie sie aussieht und was sie anhat. Er nimmt uns mit auf seine Suche und fragt jeden, der ihm begegnet. Aber halt! Ist das wirklich ein Hund hinter dieser Mauer dort? Oder etwa ein grüner Drache? Hinter jeder Seite dieses Buches verbirgt sich etwas ganz Anderes, als wir zunächst zu sehen glauben. Schließlich findet der kleine Junge seine Schwester, aber nur mit der Hilfe des Betrachters!

Es ist eine Suche zwischen Ernst und Spiel, zwischen dem Alltag im Leben eines kleinen Kindes und dem Theaterspiel größerer Kinder. Suchen, Finden und Entdecken werden auf drei Ebenen initiiert und angeregt. Auf der Ebene des Theaterspiels größerer Kinder für Kleine, auf der Ebene des frühen Versteckspiels kleiner Kinder und auf der Ebene des Formenspiels. Ein Klappbilderbuch voller Überraschungen, mit farbenfrohen, expressiven Bildern von Joke van Leeuwen.