Auf nach Pädagogien!

Bislang unbekannte Ansätze wie die „Kofferpädagogik“ oder die „Muttipädagogik“ präsentiert die Ausstellung „Pädagogien“, die über www.wasmitkindern.de auszuleihen ist, in Form von Installationen und Bildern. Es macht Spaß, den eigenen pädagogischen Ansatz beim Betrachten zu reflektieren oder neue Konzepte zu erdenken, die das Handeln von Erzieher_innen, Lehrer_innen, Eltern und Fachleuten prägen. Das folgende Glossar (Aus dem Lexikon ungeschriebener pädagogischer Ansätze) möchte dazu anregen.

DER ANSATZ DER SCHWELLEN-PÄDAGOGIK

1. Die besten pädagogischen Ideen hat man morgens in der S-Bahn, zum Beispiel beim Surfen auf: www.kinderirgendwiebeschäftigen.de
2. Klappt der Empfang in der S-Bahn nicht, hat man die besten Ideen auf dem Klo in der Einrichtung.
3. Passiert auch da nichts, sagt man sich: Hey, ich arbeitet eh nach dem ganz offenen Ansatz!

DER ANSATZ DER MUTTI-PÄDAGOGIK

1. Kinder brauchen zum gesunden Aufwachsen ganz viel Wärme und besonders liebevolle Betreuerinnen.
2. Ganz viel Wärme entsteht, wenn man die dicke Jacke anzieht, schön zumacht und nicht vergisst, das Mützchen aufzusetzen, obwohl es draußen gar nicht schneit.
3. Betreuerinnen bleiben besonders liebevoll, wenn man endlich die dicke Jacke anzieht und das Mützchen aufsetzt – wie oft soll ich das noch sagen!!!

DER NOTHELFER-ANSATZ

1. Wir sehen Kinder in einer sich ständig verschlimmernden Welt aufwachsen, in zunehmend verwahrlosenden Familien voller Missachtung, Missgunst und Fehlernährung.
2. Wir erleben überforderte, unzulängliche Pädagogen in verwahrlosten Räumen, unfähig zur Zusammenarbeit mit Mutti oder Vati und zum sensiblen Eingehen auf die lieben Kleinen.
3. Und wir sehen uns: edel, hilfreich und gut.

DER DR. HUBERT FRATZ UND ANNELIESE FRATZ-HALLER-ANSATZ

1. Das Kind mit seinen Bedürfnissen und Potenzialen steht bei uns im Mittelpunkt.
2. Unsere Arbeit zielt darauf ab, dem Kind eine optimal förderliche Umgebung zu verschaffen und es unbeschwert von ungünstigen Einflüssen aufwachsen zu lassen.
3. Mit „das Kind“ ist unsere Marie Charlotte Elisabeth gemeint, mit förderlicher Umgebung Klavierspiel, Ballett und Sophie Eleonore Felizitas, die Tochter unserer Freunde. Mit „ungünstigem Einfluss“ meinen wir schlechte Filme, schlechte Ernährung, Computerspiele und alle anderen Kinder.

DER PRAGMATISCHE ANSATZ IN DER ÜBERSCHULDETEN KOMMUNE

1. Kinder fehlt es heute an Freiräumen, in denen sie selbstgewählten Betätigungen unbeobachtet nachgehen können. Wir schaffen ihnen diesen wertvollen Erfahrungsraum, indem wir für einen extrem niedrigen Betreuerschlüssel sorgen.
2. Im Sinne der Inklusion genießen Kinder mit Behinderungen die gleichen Rechte wie nicht behinderte Kinder. Wir gewähren Gleichheit, indem wir ihnen die schlechten Bedingungen der anderen Kinder nicht länger vorenthalten: Weg mit dem diskriminierenden Extra-Personal!
3. Immer mehr Kinder in unserer Gesellschaft wachsen in Armut auf. Der Bauzustand und das Mobiliar unserer Einrichtungen vermitteln ihnen die von daheim vertraute ranzige Atmosphäre und erleichtern die Eingewöhnung.

DER ANSATZ DER VERLÄSSLICHEN GANZTAGSGRUNDSCHULE

1. Kinder brauchen empathische Lehrerinnen und Lehrer ebenso wie kluge Erzieherinnen und Erzieher, die sich gemeinsam um ihr Wohlergehen kümmern.
2. „Gemeinsam“ heißt ja wohl nicht, dass wir uns mit denen an einen Tisch setzen müssen?
3. Kinder brauchen Pädagogen, die das Einverständnis teilen, dass man mit denen sowieso nicht zusammenarbeiten kann.

DER ANSATZ DER INITIATIVE „MEHR NATURWISSENSCHAFT IN KINDERGÄRTEN“

1. Kinder sind kleine Forscher, die mit ihren Fragen die Geheimnisse der Natur ergründen wollen.
2. Ein unergründliches Geheimnis ist uns großen Forschern allerdings, warum manche Kinder immer so dumme Fragen stellen.
3. Forscher werde ich stets im Tonfall, wenn ich merke, dass mir bei meinen ausführlichen Erklärungen niemand zuhört.

 

Noch mehr pädagogische Grundannahmen, die leider nicht ins Heft gepasst haben:

 

Der „Kleine Global Player“-Ansatz der City-Elterninitiativkita

1. „Hundert Sprachen hat das Kind“, heißt es in der Reggio-Pädagogik. Sehr löblich! Wir beginnen zunächst mit Englisch, Mandarin-Chinesisch, Französisch und Schwedisch. Nach der Krippen-Zeit erweitern wir das Repertoire an Sprachen.
2. „Kinder sind Gäste, die nach dem Weg fragen“, sagte Astrid Lindgren. Wir setzen das um! Mutti fährt sie überall hin, denn sie hat ja den geräumigen SUV und tagsüber viel Zeit.
3. „Um ein Kind zu erziehen, braucht man ein ganzes Dorf“, weiß man in Afrika. Wie klug! Zwar ist ausreichend Personal kostspielig – aber das ist unser Kind uns schon wert.

Der musikorientierte Ansatz der Claus-Clawitter-Klassik-Kita

1. Wohlklingend wie eine gepflegte Stradivari, der Ausnahmegeiger Jung Chin Wu das Adagio von Albinoni entlockt, ist das Konzept der musikorientierten Kita unter der Schirmherrschaft von Stardirigent Claus Clawitter.
2. Umgesetzt wird das Konzept so irdisch, dass es dem entspricht, was Klein Lasse dem Instrument tagtäglich an Tönen entlockt: schröks, quietsch, knirsch.

Der pädagogische Ansatz von Dr. Hubert Wursteder, CSU-Familienpolitiker

1. Friah, do woar d´Muata ollweil dahoam, wamma aus d´Schul hoamkemma sind. Dös woar a scheene Zeit.
2. Heutzutage, da wollen unsere Frauen selbst a weng Geld verdienen, da bauen wir denen an Kindergoartn, und da passen´s dann andere Frauen auf dera Kinder auf – für an kloanen Obolus.
3. Inzwischen, da wollen die Frauen dort aber ein Gehalt hoam. Was dös kostet! I denk mir fei scho: Da hätt mia die Frauen doch besser zuhause lassn können. Käm billiger.
4. Dafür hoam mia ja dös Betreuungsgeld erfunden. Wenn i allerdings dran denk, dass dös jetzt auch die Homos beantragen können, wo der oane Vater dahoam bleibt, derweil der andere Vater im Frisier-Salon arbeitet – pfui Deifi!

Der Ansatz der erprobten Talkshow-Zuschauer

1. Kinder werden heute erst total verwöhnt und dann auf dem Gymnasium – ohne Abitur wird man ja nichts mehr – mit furchtbar viel Lernstoff gequält.
2. Kinder brauchen Liebe, klare Grenzen und ganz viel Schreibschrift, am besten mit schwierigen Schnörkeln, um die Handmotorik zu verbessern.
3. Schwedische Schulen beweisen, wie grandios es französischen Eltern gelingt, ihren Kindern mit russischer Strenge beizukommen – oder waren es Schweizer? Die Türken waren es jedenfalls nicht.
4. Kurz: Unser Bildungssystem muss offenbar – sagen ja auch Experten wie dieser Schauspieler da – dringend reformiert werden! Kerninhalt dieser Reform muss sein, dass sämtliche Bildungsreformen der letzten 150 Jahre konsequent zurückgezogen werden.
Und was ist dein Ansatz? Welche Ansätze kennst du noch? Bitte an: redaktion@wamiki.de

 

Michael Fink ist Autor und Fortbildner.

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