Ohne Regeln kommt kein Mensch aus. Nachdem du mit regelgerechter Schädellage auf die Welt gekommen bist, erwartet dich im Regelfall ein geregelter Tagesablauf – vielleicht mit regelmäßiger Brustmahlzeit.
Bald schon fährst du im nach Normen und Regeln gebauten Kinderwagen über Pflaster mit Regelquerschnitt. Auf der Regelschule lernst du die Regelfunktion, diverse unregelmäßige Verben und die Rechtschreibregeln kennen. Im Sportunterricht lernst du Spielregeln für verschiedene Ballspiele, wenn du nicht gerade nach Einsetzen der Regel mit bedauerlichen Regelschmerzen zu Hause bleibst. Steht nach der Schulzeit ein Studium an: Besser, du absolvierst es in der Regelstudienzeit, um den BAFöG-Regelsatz zu erhalten. Nimmst du irgendwann eine schöne Tätigkeit mit der Regelarbeitszeit von 38,5 Stunden auf, dürften es laut Faustregel noch etwa 40 Jahre dauern, bis du die Regelaltersrente einstreichst. Wahrscheinlich wohnst du dann – Höhepunkt deines geregelten Lebens – schon lange in einem Reihenhaus mit Regeldachneigung.
Vielleicht möchtest du aber lieber zu den Menschen gehören, die die Regeln bestimmen – in der Politik oder im Top-Unternehmen. Pass auf, dass du nicht in der Regelinsolvenz landest oder bei Verstößen gegen die Spielregeln – im Bankenwesen war kürzlich häufig davon die Rede – ertappt wirst, denn auf die Regelverjährung wartet man bei einigen Straftaten lange.
Du hast keine Lust auf eine regelmäßige Beschäftigung? Kriegst das einfach nicht geregelt? Weist du den Hartz-4-Regelbedarf nach, wird dir vielleicht der Regelhöchstsatz gezahlt, einschließlich des Regeltarifs deiner Krankenkasse. Aber nicht lange. Dir egal – du pfeifst sowieso auf jede Benimm-, Anstands-, Verkehrs- und Grundregel? Sei gewarnt: Jemand wie du landet bisweilen im Maßregelvollzug!
Ob mit Regelmaß oder in Regellosigkeit gelebt: Jedes Leben geht mal zu Ende. Vielleicht blühen dir noch einige Jahre mit Regelsatz Pflegestufe 2, bevor sich bei der Bestattung die Frage stellt: Nach abendländischer (mit Sarg) oder islamischer Regel (ohne)? Wie dem auch sei – schließlich stehst du vor einem Rauschebart, der dich streng fragt: „Hast du auch nach meinen Regeln gelebt?“
Woher kommt das Wort „Regel“? Regula sagten die Römer zur Richtschnur – nicht der moralischen, sondern der, die dem Maurer zeigt, ob die Wand gerade ist. Die frühen Christen übertrugen die Bedeutung, als sie beschlossen, nicht allein weltlichen Gesetzen zu gehorchen, sondern „inneren Regeln“ zu folgen – besonders
im Kloster mit seinen strengen Ordensregeln.
Nach wie vor sind Regeln keine vorgegebenen Vorschriften, sondern selbst gefundene Vereinbarungen, die sich negativ („Das lassen wir!“) oder positiv („Dieses Verhalten wollen wir einüben!“) auswirken können. Verkehrsregeln nützen genauso wenig wie Schulregeln, wenn sie nicht gemeinsam diskutiert, beschlossen und eingehalten werden. So ist das auch mit den Regeln, „die Kinder brauchen“. Oder waren eigentlich Grenzen gemeint?
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