Das Lied von der Ausnahme

Hier gibts den Artikel als PDF: Das Lied von der Ausnahme_#5_2020

Der kleine Fritz aus Trusetal

verschmähte einst beim Mittagsmahl

im Eintopf alle Möhren.

Der Rest der Elefantengruppe

löffelte eifrig seine Suppe,

ließ sich davon nicht stören.

Doch die Erzieher krähten:

„Ja, wenn das alle täten?“

 

Die Annabell aus Haselünne

sprach ernst: „Ich bleib heut lieber drünne.“

Zur schönsten Rausgehzeit!

„Ich glaube wohl, ich hör nicht recht“,

sprach schwer erzürnt Frau Lieberknecht:

„Mein Fräulein, tut mir leid!

Denn wenn das alle machten,

wer wär dann noch im Gachten?“

 

Die Karolin aus Lüntenbeck,

die lief auf Socken ziemlich keck

durch’s Außenspielgelände.

Die andren Kinder dachten sich:

Das wäre höchstens was für mich,

wenn mir ein Schuh verschwände.

Doch die Erzieher bellten:

„Soll jeder sich erkälten?“

 

Der Adalbert aus Bacharach

verkündete: „Ich bleibe wach,

statt mittags stets zu schlafen.“

Doch Dörte knurrte: „Sei jetzt brav,

und mache deinen Mittagsschlaf.

Zwar will ich ungern strafen,

doch weiß ich, wohin’s führte,

wenn ich’s erlauben würde:

Am Ende wär ganz Bacharach

mittags ständig wach!“

 

Ein Praktikant in Byhleguhre

sprach zu den Kindern: „Hier im Flure

bau’n wir ein Haus aus Pappen.“

Die Kinder waren fix dabei.

„Momentchen“, sagte Hauswart Frey,

„det dürfte so nich klappen.

Wat, wenn sich jeda traute

und auf dem Fluchtweg baute?“

 

Die Isabel aus Iserlohn,

saß in der Schule manchmal schon

ganz gerne unterm Tisch.

Die andren Kinder riefen: „Cool!“

Und saßen lieber auf dem Stuhl.

Frau Nolte sprach: „So nich!“

Und murmelte, dass Inklusion

auch Grenzen hat in Iserlohn.

 

 

Dem Kinderhaus in Mechernich

gönnte man einen Neuanstrich.

Ausschließlich in Pastell.

Die Meisengruppe sagte sich:

„Das ist uns viel zu puschelig.

Wir hätten’s lieber grell.“

Der Bürgermeister sprach: „Ihr spinnt!

Auch eure Räume werden mint.

Setz ich jetzt keinen Riegel vor,

würd unsere Welt multi-color!“

 

Die Cosima aus Santewitt,

die brachte in die Kita mit

zwei eigne Teddybären.

Sprach Kerstin: „Was, wenn jeder käme,

und sich sein Kuscheltier mitnähme?

Da müssen wir uns wehren.

Wenn wir nicht konfiszieren,

ersticken wir in Tieren!“

 

Foto: Miss X, Photocase

Michael Fink ist Autor und Fortbildner.

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