Der Renner: Kochen und Backen

Als mein achtjähriger Sohn mit großen Augen vor mir stand und mich nun schon zum dritten Mal in diesem Monat fragte, wie lange es noch dauert, bis er in die 3. Klasse kommt, wunderte ich mich doch ein wenig und sagte: „Es dauert noch fast ein halbes Jahr.“ Seine Enttäuschung war ihm anzusehen. „Was muss man machen, um eine Klasse zu überspringen?“ wollte er wissen.

Mein Sohn ist ein äußerst lebhafter Junge. Als seine Lehrerin in der 1. Klasse verkündete, sie habe Arbeitsblätter mitgebracht, sei sich aber nicht sicher, ob sie für alle Kinder reichen, schnellte seine kleine, schmutzige Hand in die Höhe. Irritiert hielt die Lehrerin inne: „Ja, was möchtest du?“ „Ich verzichte freiwillig“, sagte er mit ernster Miene. Darüber war ich so amüsiert wie entsetzt, denn das spiegelte seine Haltung zu jeglicher Fleißarbeit mit Papier und Stift deutlich wider. Darum klang die Idee, eine Klasse zu überspringen, aus seinem Munde irgendwie seltsam, und ich wurde hellhörig. „Warum möchtest du denn so gern in die 3. Klasse gehen?“ fragte ich ihn. „ Weil ich dann endlich kochen und backen kann“, antwortete er.

„Kochen und Backen“ ist an unserer Schule wohl der beliebteste Kurs – vor allem bei den Jungen. Weil der Andrang so groß war, gab es in einem Jahr sogar zwei Kurse, kurzerhand „Kochen und Backen“ und „Backen und Kochen“ genannt. Die Schule hat nämlich eine eigene Gastronomie-Abteilung mit vier Köchen und dem verheißungsvollen Namen „Genuss“. Tagtäglich werden Kinder und Lehrer von diesen vier Köchen mit zwei Mahlzeiten in Bioqualität verwöhnt. Wir alle genießen diese Auszeit zwischen den Stunden, die sich durch die langen Pausen auch tatsächlich so anfühlt.

genuss

Klassenfahrten sind für unsere Kinder eine Herausforderung, wenn es ums Essen geht. Kritisch inspizieren sie die Teller und fragen die Damen an der Ausgabe, ob es sich um Biofleisch handelt, was in der Regel nicht der Fall ist. Das Essen wird skeptisch beäugt, und unsere Köche bekommen sehnsuchtsvolle Ansichtskarten aus den Ferienorten.

Dass Kochen und Backen in all unseren Projekten und Unterrichtsideen vorkommt, versteht sich von selbst: von britischen Spezialitäten im Rahmen unseres „English day“ über Weihnachtsplätzchen und gebrannte Mandeln für den Weihnachtsmarkt bis zu Schneewittchens Apfel in unserer Märchenwerkstatt. Es wird gewogen und abgemessen, Rezepte werden ausgetauscht und Speisekarten geschrieben.

Besonders auffällig ist die Präsenz der männlichen Schüler. Wie kommt das? Liegt es an den tollen Köchen oder der coolen Musik, die lautstark aus der Küche schallt? Sind es die männlichen Vorbilder, die als heimliche Gender-Pädagogen erreichen, worum andere Leute mühsam kämpfen? Oder ist es ganz einfach das gute Essen, das Kochen und Backen als Tugenden in den Selbstbildern von Jungen verankert? Ich jedenfalls genieße es sehr, dass zumindest das Backen bei uns zu Hause eine rein männliche Domäne wurde. Für unsere beiden Söhne ist es selbstverständlich, dass Papa mit ihnen Plätzchen bäckt.

bringt in ihre Arbeit als Pädagogin an einer Schule mit reformpädagogischem Ansatz Erfahrungen aus den Bereichen Theaterplastik, Bühnen- und Szenenbild ein. Besonders durch die Verbindung der Fächer Mathematik und Kunst entstehen spielerische Ideen für ein handlungs- und erlebnisorientiertes Lernen.

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