Das trifft zwar nicht auf die politische Situation in Deutschland, Europa und der Welt zu, aber auf den Kindergarten.
Von den Kinderbewahranstalten und christlichen Kleinkinderschulen, in denen die Kinder mit Beten, Singen, Auswendiglernen frommer Sprüche und Handarbeiten beschäftigt wurden, über die ersten städtischen Kitas in München in den 1920er Jahren bis zu der an den Jahreszeiten und religiösen Festen orientierten Angebots-Pädagogik in den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg im Westen und der curriculumgesteuerten Kindergartenpädagogik im Osten Deutschlands – an der autoritären Grundeinstellung Kindern gegenüber änderte sich wenig.
Doch im Zusammenhang mit der Studentenbewegung von 1968, die zur Gründung antiautoritärer Kinderläden führte, erschütterte der Situationsansatz als rollende, flächendeckende Reform von oben allmählich den Glauben an die uneingeschränkte Vormachtstellung Erwachsener gegenüber Kindern und wurde sicherlich auch aus diesem Grund von Kita-Teams in den neuen Bundesländern übernommen.
Allerdings stellten die Vertreter des Situationsansatzes die gruppenpädagogische Organisation der Kita nicht in Frage, so dass der „neue Wein“ – das neue Bild vom Kind – in „alte Schläuche“ gegossen wurde. Das hatte zwei Konsequenzen: Ein neues Bewusstsein setzt sich in alten Räumen und Strukturen nur langsam oder gar nicht durch: Bastel-, Jahreszeiten- und Angebots-Pädagogik halten sich hartnäckig.
Die Langsamkeit des Prozesses bewirkte aber, dass sich in der Breite etwas veränderte, das auch in die Tiefe ging. Nicht zuletzt, weil sich die Kitas von den 1980er bis in die 2000er Jahre unterhalb des Radarschirms der große Politik befanden, entwickelten sich durch Fortbildung, Fachberatung und in Einzelfällen auch durch die Ausbildung und die Trägervielfalt Strukturen für eine kindorientierte Pädagogik, die der Schule weitgehend fehlen. Das heißt: Es entstand eine Bewegung von unten, deren Kräfte seit dem „PISA-Schock“ insbesondere durch Bildungspläne und Qualitätsentwicklungsverfahren sowie den massiven Ausbau der Plätze für Kinder unter drei Jahren eher gestärkt als unterdrückt wurden.
Einzelpersonen und Gruppen machten sich auf den Weg zu neuen Organisationsformen und kindzentrierteren Inhalten, sei es unter dem Vorzeichen der Reggio-Pädagogik, des Offenen Kindergartens oder der Freinet-Pädagogik. Eine pädagogische „Graswurzelbewegung“ breitete sich aus, die auch deswegen zu Veränderungen führte, weil sie lokal, dezentral, informiert und engagiert agiert. Was ihr fehlt, ist Vernetzung, die zeigt, wie viele Menschen dazugehören, welche Gemeinsamkeiten verbinden und was es für unsere Gesellschaft bedeutet, dass es tausende Orte gibt, an denen Kinder täglich erleben: Wir werden respektiert.
Menschen, die sich für solche Anliegen engagieren, gibt es nicht nur in Deutschland. Deshalb könnte es nützlich sein, der pan-europäischen Bewegung beizutreten, die Yanis Varoufakis gerade in Berlin ins Leben gerufen hat und die sich DiEM25 nennt – Bewegung für Demokratie in Europa: www.diem25.org.
Kontakt: www.hamburgerraumgestaltungskonzept.de oder www.kindundraum.eu
Literaturtipps
Yanis Varoufakis: TIME FOR CHANGE. Wie ich meiner Tochter die Wirtschaft erkläre. Hanser, München 2015
Yanis Varoufakis, Stuart Holland, James K. Galbraith: Bescheidener Vorschlag zur Lösung der Eurokrise. Kunstmann, München 2015