Lernen macht glücklich!

Im Rahmen des Festakts zu „100 Jahre ErzieherInnen-Ausbildung in städtischer Hand“, der am 17. 11. 2015 in München stattfand, führten Claudia Spindler und Anna Winner das folgende Fachgespräch

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Claudia Spindler:

Im Jahr 1987 waren Kinderkrippen in den alten Bundesländern das Schmuddelthema der Pädagogik. Lediglich in Ballungszentren wie München fanden sich ein paar Krippen, vorwiegend als sogenannte Nothilfeeinrichtungen. Wer damals Chancen in der Krippenerziehung sah, lief Gefahr, sich in der pädagogischen Welt zu disqualifizieren. Und dennoch gab es in München engagierte Frauen und Männer, denen die Kinder in den Krippen am Herzen lagen. Anna Winner und ich gehörten dazu. Wir holten Kuno Beller, den einzigen Professor für Kleinstkindpädagogik in der Bundesrepublik Deutschland, aus Berlin nach München. Unter seiner Leitung erarbeiteten wir im Projekt „Familie und Krippe“ pädagogische Konzepte, die wir mit den Mitarbeiterinnen und Kindern in den Krippen auch gleich erprobten, denn damals gab es ja keine vorgefertigten Lösungen. Weder für die Eingewöhnung noch  für die Gestaltung von Alltagssituationen, die Partnerschaft mit den Eltern oder die Kooperation im Team. Wir mussten selbst erst mal eine Menge lernen.

Uns verband die Vision, wie Kinder in Krippen lernen, leben, spielen und sich entwickeln könnten. Ein Blick über die Grenzen zeigte, dass diese Vision keine Illusion war: Wir trafen Loris Malaguzzi in Reggio und integrierten Impulse aus der Reggio-Pädagogik in die Münchner Arbeit. Susanna Mantovani, einer Mailänder Wissenschaftlerin, vermittelte uns Erkenntnisse aus der Forschung, die in unser Eingewöhnungskonzept, das Münchner Modell[1], einflossen.

 

Anna Winner:

Ich kam als Quereinsteigerin in das Projekt. Als Psycholinguistin war ich von den Ideen Lev Vygotskijs geprägt. Für ihn gab es keine „vorsprachliche“ Phase: Der Säugling lebt spätestens ab Geburt in einer sprachlichen Welt und spricht, wenn auch nicht mit Worten. Wenige Wochen alte Säuglinge modifizieren ihr Schreien bereits bedeutungsbezogen, obwohl ihnen niemand etwas vorgeschrien hat. Es ist ihre ko-konstruktive Leistung.

Nun kam ich in ein pädagogisches Projekt und entdeckte geistige Verwandtschaft: das Bild vom kompetenten Säugling als Grundlage einer pädagogischen Konzeption und Haltung. Mich faszinierte, dass dieses Bild keine abstrakte wissenschaftliche Theorie blieb. Schon immer arbeitete ich gern empirisch. Jetzt erlebte ich die Kinder in die Praxis und konnte diese Erfahrungen wissenschaftlich reflektieren. So wurde aus Faszination Profession.

 

Claudia Spindler:

Den Prozess von der Faszination über die Neugier und die Beobachtung hin zur professionellen Grundhaltung erlebe ich heute auch bei unseren Studierenden in der Ausbildung.

 

Anna Winner:

Liegt es an diesem Prozess, dass du dich beruflich immer wieder mit dem guten Lernen befasst hast?

 

Claudia Spindler:

Ja, für mich ist es nach wie vor faszinierend, mitzuerleben, wie ein Kind beispielsweise Laufen lernt. Willensstärke, Ausdauer, Kreativität, Problemlösung, konstruktives Verarbeiten von Misserfolgen und endlich das Glück der freien Bewegung! Wenn wir dabei nur die körperliche Seite sehen, fühlen wir uns dem Kind überlegen, denn laufen können wir ja schon. Was viele von uns aber verlernt haben, das ist die Lernkompetenz selbst. Kinder zeigen uns wie es geht! Das fasziniert mich immer wieder und macht mich neugierig.

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Anna Winner:

Und daraus hast du den Schluss gezogen, dass Lernen glücklich macht?

 

Claudia Spindler:

Ja, denn Lernen verändert. Es verändert Strukturen des Denkens, des Handelns, des Verhaltens, der Emotionen und damit die ganze Person.

Der Lernprozess ist ein Schöpfungsprozess. Durch Lernen erschaffen wir ein neues Bild der Welt und ein neues Bild von uns selbst. Wie dieses Bild von der Welt und von uns selbst genau aussieht, das ist allerdings unvorhersehbar. Wir können versuchen, uns vorzustellen, wie es wäre, japanisch sprechen zu können. Diese Vorstellung entspringt aus unserer heutigen Sicht, aus unserem heutigen Sein. Das Lernen aber eröffnet uns die japanische Welt, wir werden uns als japanisch Sprechende, Denkende, Handelnde und Fühlende verändert haben – und das können wir uns nicht vorstellen.

Flow, Freude, Glück und Sinnerleben entsteht durch das Kreative, Schöpferische des Lernens. Lernen heißt, sich immer wieder neu zu er-finden, immer wieder Verborgenes in und an sich zu entdecken. Die Welt und wir selbst sind nach einem geglückten Lernprozess nicht mehr dieselben. Also passen Sie auf, was Sie lernen wollen, es kann gefährlich werden!

Das Abenteuer Lernen ist ergebnisoffen und deshalb nur bedingt steuerbar. Das gilt lebenslang. Deshalb betreffen diese Überlegungen nicht nur das kindliche Lernen, sondern auch das Lernen Jugendlicher und Erwachsener. In einer älter werdenden Gesellschaft wird es immer wichtiger, durch Lernen Sinn und Glück zu erleben. Das Leben bleibt spannend, solange wir lernen.

 

Anna Winner:

Warum fällt es dennoch schwer, Lernen als Glück zu begreifen?

 

Claudia Spindler:

Mir ist aufgefallen, dass in der Pädagogik missverständliche Begriffe verwendet werden, wenn es ums Lernen geht: Wir sprechen von Wissenserweiterung oder Kompetenzzuwachs, wir sammeln Lernerfahrungen und Wissen an, vergrößern unsere Verhaltensrepertoires.

Diese Begriffe suggerieren Summe. Lernen ist aber kein summarisches Anhäufen von Wissen, Fertigkeiten und Haltungen, sondern aus konstruktivistischer Sicht ein persönlichkeitsstrukturierender und persönlichkeitsverändernder Prozess. Theoretisch ist das nicht neu. Unser Sprachgebrauch verrät aber, dass diese Erkenntnisse in der pädagogischen Grundhaltung nicht verankert sind.

Anders ausgedrückt: Durch Lernen erhält unser Leben eine andere Färbung, unsere Lebensmelodie verändert sich. Im Lernprozess entwickeln wir die unverwechselbare Choreografie unseres Lebens.

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Anna Winner:

Ich glaube, dass der kompetente Säugling, der kompetente Mensch auch in der Psychologie nicht immer wahrgenommen wird. Immer noch wird das Kind als Mängelwesen und Entwicklung als ein Prozess im Sinne von „höher, schneller, weiter“ verstanden. Vygotskij dagegen bezeichnet Entwicklung als einen Prozess, in dem auf jeder Stufe etwas qualitativ Neues entsteht. Menschen werden also nicht besser, sie werden anders gut. So ist auch Inklusion denkbar – als Kooperation, weil wir von allen Menschen lernen können.

Aber wir müssen auch sehen: Nicht jedes Lernen macht glücklich.

 

Claudia Spindler:

Keine Freude macht Lernen, wenn es um die bloße Erfüllung von Rollenerwartungen geht, die für das Individuum nicht stimmig sind, wenn es sich lediglich an Erwartungen anpassen soll. Es entsteht eine Diskrepanz zwischen dem Bild, das das Individuum von sich selbst hat, und dem Weltbild.

Lernen macht nicht unglücklich, aber der Druck, Lernergebnisse produzieren zu müssen, schon. Vokabeln lernen macht nicht glücklich, aber das Erlebnis, plötzlich einen fremdsprachigen Text zu verstehen, schon. Das eine ist summarisches, das andere qualitatives Lernen. Beides ergänzt sich im günstigen Fall. Einseitig summarisches Lernen hingegen frustriert die Lernmotivation. Hier gilt es, Balance zu halten. Wenn wir das Laufen lernende Kind beobachten, können wir sehen, wie es dieses Gleichgewicht erreicht: Es mutet sich genauso viel zu, dass die Freude überwiegt, und gönnt sich Pausen, um danach mit neuem Eifer den nächsten Schritt zu tun.

 

Anna Winner:

Bildung braucht Pausen, ein Innehalten. Das sehe ich auch so, und ich glaube, das können wir von Kindern wieder lernen. Lernen bedeutet ja nicht vormachen und nachmachen, sondern gemeinsam etwas entdecken.

In der Reggio-Pädagogik gibt es die Metapher von den drei Erziehern. Besonders bekannt wurde der dritte Erzieher, der Raum. Weniger bekannt und explizit benannt werden die ersten beiden. Als zweiter Erzieher gelten in Reggio die erwachsenen Fachkräfte. Der erste Erzieher sind die Kinder, die Gleichaltrigen, die Peer-Group. Auf diesen Aspekt möchte ich näher eingehen, weil er gegenwärtig oft vernachlässigt wird, wenn man über Bildung und Lernen spricht. Die öffentlichen frei zugänglichen Orte, an denen sich Kinder und Jugendliche treffen können, werden in unseren Gesellschaften immer mehr verbaut oder kommerziellen Interessen unterworfen. Bei aller zum Teil auch berechtigten Kritik an den Kindertageseinrichtungen sind es doch die Krippen, Kindergärten, Kinderzentren, Horte und Jugendtreffs, in denen sich Kinder und Jugendliche mit Gleichaltrigen treffen und voneinander lernen können.

Wie leicht Erwachsene Gefahr laufen, ihre Bedeutung für die Erziehung zu überschätzen, zeigen die Rezensionen der Experimente mit Rhesusaffen, die Harry Harlow in den 1950er Jahren in den USA unternahm.[2] Harlow trennte junge Rhesusaffen von ihren Eltern und steckte sie einzeln in Käfige mit Ersatzeltern aus Draht und Fell. Die Drahtmütter gaben Milch, während die Fellväter nur eine kuschelige Oberfläche zu bieten hatten. Die Äffchen bevorzugten die Fellväter und gingen nur zu den Drahtmüttern, wenn der Hunger sie trieb. Im adulten Zustand waren diese Rhesusaffen in ihrem Verhalten sehr auffällig und oft nicht einmal in der Lage zu kopulieren.

Diese Ergebnisse sind bekannt und werden in vielen Lehrbüchern aufgeführt. Weniger populär sind dagegen die Forschungsergebnisse zur Bedeutung der Peer-Group. Das Ehe- und Forscherpaar Harlow hatte nämlich erkannt, dass es den jungen Affen nicht nur die Eltern, sondern auch die gesamte weitere natürliche Umgebung geraubt hatte. Also veränderten die Harlows den Versuchsaufbau, ließen die Äffchen eine Stunde am Tag mit Gleichaltrigen zusammen sein und stellten fest: Diese Affen zeigten im adulten Zustand kaum Auffälligkeiten. Sichtlich kompensierten die Gleichaltrigen die Sozialisationsdefizite.

 

Claudia Spindler:

Also braucht es die Erwachsenen gar nicht?

 

Anna Winner:

Nein, so weit würde ich nicht gehen. Erwachsene haben die Verantwortung für Kinder. Sie schaffen den sicheren Rahmen für die Begegnungen der Kinder miteinander – gerade auch in den Kindertageseinrichtungen – und sind in vielerlei Hinsicht unverzichtbar. Aber um gut lernen zu können, brauchen Kinder auch Gleichaltrige. Eine Forschungsarbeit belegt dies für den Erstspracherwerb: 2013 veröffentlichte Juliane Stude ihre Ergebnisse unter dem Titel „Kinder sprechen über Sprache. Eine Untersuchung zu interaktiven Ressourcen des frühen Erwerbs metasprachlicher Kompetenzen“. Grundlage ihrer Untersuchung waren Gespräche in Kindertageseinrichtungen, die Erzieherinnen mit Kindern und Kinder miteinander führten. Juliane Stude zählte die Häufigkeit metasprachlicher Äußerungen in den sprachlichen Referenzbereichen Pragmatik, Semantik und formale Aspekte von Sprache. Die Häufigkeitsverteilung zeigt, dass sich die Kinder, wenn sie über Sprache sprechen, überwiegend auf die Referenzbereiche Pragmatik (63,60 Prozent) und Semantik (32,9 Prozent) beziehen, aber nur in einem Fall auf formale Aspekte von Sprache (3,5 Prozent), obwohl es gerade die formalen Aspekte sind, auf die Erwachsene besonders viel Wert legen.

Was hat das mit der Bedeutung der Peer-Group zu tun? Dies verdeutlicht ein weiteres Ergebnis. Stude stellte fest: „Kinder werden nicht auch, sondern gerade in Abwesenheit von Erwachsenen metasprachlich tätig.“[3] Und diese Äußerungen sind komplexer.

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Claudia Spindler:

Aber Kinder brauchen doch Erwachsene als Sprachmodelle.

 

Anna Winner:

Ja, unbestritten. Aber eben nicht nur. Das liegt an dem ko-konstruktiven Charakter von Lernprozessen, auch beim Spracherwerb. Kinder ahmen ja nicht nur das sprachliche Verhalten der Erwachsenen nach. Sie müssen dieses Verhalten pragmatisch filtern, denn sie können in viele Fettnäpfchen treten, wenn sie Erwachsene nachahmen.

Ihre Ergebnisse erklärt Stude damit, dass die Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern asymmetrisch sind, während sie zwischen Kindern prinzipiell symmetrisch sind. „Für Interaktionen unter Kindern ist charakteristisch, dass das prinzipiell symmetrische Rollenverhältnis der Beteiligten jederzeit durch eine exponierte Position einzelner Kinder in eine vorübergehende Asymmetrie überführt werden kann. Wer sich jeweils durchsetzt, ist nicht vorab festgelegt, sondern wird kompetitiv ausgehandelt.“[4] Für diese Aushandlungsprozesse braucht es eine Sprache, die Kinder von Erwachsenen zwar vorgelebt bekommen, ihnen gegenüber aber nicht einsetzen können. Die Interaktion mit Gleichaltrigen ist also das Übungsfeld für Sprachkompetenz, und Sprachkompetenz ist die Voraussetzung, um im Spiel mit Gleichaltrigen handlungsfähig zu sein. Im Vordergrund stehen aber pragmatische und semantische Kompetenzen.

Um noch einmal auf unserem Ausgangspunkt zurückzukommen. Auch Kinder im Alter bis zu drei Jahren brauchen Gleichaltrige. Das verdeutlichen Kornelia Schneider und Wiebke Wüstenberg: „Kinder in den ersten drei Lebensjahren, besonders wenn sie sich gut kennen und regelmäßig treffen, suchen Kontakt, imitieren einander, entwickeln eigene Spiele und animieren sich zu mehr und qualitativ neuen Erfahrungen. Ein Kind allein würde lange nicht so viel laufen, hüpfen, hinfallen, aufstehen, tanzen, singen und Dinge untersuchen. Das Lernen voneinander ist ein ganzheitlicher Prozess und berührt gleichzeitig emotionale, soziale, kognitive und physische Bereiche ihrer Entwicklung.“[5]

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Claudia Spindler:

Wir können die Erkenntnisse über die Bedeutung der Peers für Kinder auch auf uns beziehen:

Wenn wir mit Kindern eine Schneeballschlacht machen, sind wir nicht mehr zehn Jahre alt, sondern erwachsen. Wir sind auch keine Studierenden, wenn wir partnerschaftliche und partizipative Lehrmethoden praktizieren, sondern Lehrende. Dies schließt uns gewissermaßen aus der Lerngruppe aus, der wir doch gern angehören würden. Selbstverständlich haben wir unsere Strategien, um mit dieser Situation umzugehen. Frank McCourt hat dies in seinem Roman „Tag und Nacht und auch im Sommer“[6] wunderbar beschrieben. Jede Lehrkraft findet ihre eigene Balance zwischen Nähe und Distanz zu den Studierenden – aber jeweils für sich allein. Hier zeigen uns Kinder ebenfalls, wie es gehen könnte: Auch wir brauchen unsere Peers!

Außerschulische Einrichtungen erfüllen heute diese Bedingung: Erzieherinnen arbeiten im Team. Das ist eine Errungenschaft, deren Bedeutung wir fast vergessen haben. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich vor vielen Jahren in eine Krippe kam, in der eine Kinderkrankenschwester allein für acht Säuglinge zuständig war.

Auch in der Ausbildung begann man in den vergangenen Jahren, Strukturen für die Teamarbeit von Studierenden zu schaffen. Auf Seiten der Lehrenden gibt es, vorsichtig formuliert, Ansätze. Ich hatte das Glück, mit einer Kollegin der Münchner Fachakademie Fortbildungen für Anleiterinnen anzubieten. Dabei waren wir immer zu zweit und konnten jede Einheit gemeinsam reflektieren. Diese Konstellation birgt unschätzbare Vorteile für die ganze Lerngemeinschaft.

Viele Fachakademien befassen sich mit der Teambildung. Die Kolleginnen arbeiten punktuell zusammen, bei Projekt- und Lernfeldtagen, also in Sonderveranstaltungen. Im Alltag bleibt die Einsamkeit aber bestehen. Deshalb wünsche ich mir eine systematische Verankerung der Teamarbeit im regulären Unterricht.

 

Anna Winner:

Versuchen wir ein Resümee: 100 Jahre Ausbildung, eine lange Zeit. Das Beständigste an ihr ist diese Bereitschaft, sich zu verändern. Ein Motor dafür ist sicher die fachliche Kooperation mit der Praxis. Immer wieder stellt sich der Ausbildung und der Praxis die Frage, was Kinder und Jugendliche mit ihren individuellen Bedürfnissen, Lernausgangslagen und Ressourcen brauchen, um sinnerfüllt lernen zu können und sich zu eigenständigen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu entwickeln. Die Suche nach Antworten unter den jeweiligen gesellschaftlichen Bedingungen, auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und vor dem Hintergrund den eigene Ansprüchen an Qualität führten und führen Lehrende an den Fachakademien immer wieder in den Konflikt zwischen Realität und Ideal. Diese Diskrepanz ist oft schmerzhaft und manchmal kaum zu ertragen, wie ein Blick in die Geschichte zeigt. Dass dieser Konflikt dennoch nicht zur Resignation, innerer Kündigung oder zum Aufgeben führt, sondern Energie freisetzt und die Ausbildung immer wieder zu Selbstreflexion, Innovation und Entwicklung treibt, dass sie also jung geblieben ist, das liegt sicher auch an der Vision, Kindern sinnerfülltes Lernen für ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

In den letzten 100 Jahren waren viele Herausforderungen zu meistern. Allein die letzten beiden Jahrzehnte scheinen wie im Zeitraffer vergangen zu sein. Vielfältige Familienformen, Inklusion, Kinderarmut, Kolonialisierung von Kindheit, Migration und Flucht, neue Medien, Reichtum, institutionelle Ressourcen, Umweltverschmutzung und Krieg, plurale Gesellschaften und individuelle Lebensentwürfe…

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Claudia Spindler:

Diese Herausforderungen werfen neue Fragen in neuer Qualität auf und lassen uns nach fachlich begründeten Antworten suchen. In den letzten 100 Jahren gab es viele Reformen in der Erzieherinnen-Ausbildung. An einige möchte ich erinnern: die Theorie-Praxis-Verzahnung, das Teamteaching, die Kleinstkindpädagogik, das Schulpraktikum, innovative Modelle der Leistungsbewertung, die Lernfeldorientierung mit ihrer Forderung, die Isolation einzelner Fächer aufzubrechen, und einiges mehr. Wir haben keine fertigen Lösungen, wollen aber ermutigen, immer wieder neue Fragen, Herausforderungen und Probleme als Teil unserer pädagogischen Arbeit wahrzunehmen.

 

Fotos: „Schöne Kiesel”, so heißt die Bildgeschichte aus Reggio Emilia in diesem Beitrag. Zwei-und dreijährige
Kinder aus der Kinderkrippe „Panda” hantieren mit Kieselsteinen, ordnen diese in individuellen Kompositionen
an, kommentieren ihre Erfindungen, stellen sie nebeneinander, fügen neues Material hinzu. WOW – eine
Komposition der Gruppe entsteht! (Mehr: Ideen bilden. Erscheint im 2. Quartal)

 

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