Demokratie – jein danke!

Ich begann mein Lehramtsstudium hauptsächlich, weil ich als Lehrer etwas anders machen wollte. Ich wusste nicht so genau was, aber irgendetwas musste wohl in meiner Schulzeit gründlich schief gelaufen sein. Ich hätte ja vielleicht ADHS gehabt, aber das gab’s damals noch nicht, wir mussten ja mit so wenig auskommen. Ein kleiner Teil von mir wusste zwar noch, dass ich nicht so falsch sein konnte, wie mir die Schule immer weismachen wollte, aber ein größerer Teil fühlte sich immer unwohl in meiner Haut.

Meine Dozenten bemängelten dann in meinen Studienpraktika meine „kumpelhafte“ Haltung den Kindern gegenüber. Ich wollte ihnen damit zeigen, dass ich auf ihrer Seite stehe. Meine naive Theorie war, dass man nur netter zu den Kindern sein müsste, dann würden sie sich auch schon nach Lehrerwunsch verhalten. Da hielt ich Schule noch für etwas grundsätzlich Wünschenswertes. Das änderte sich dann, als ich Literatur zu anarchistischen Schulversuchen der Vergangenheit in die Hände bekam. Auch die Entschulungsdiskussion der 70er und 80er lebte ich mit Ivan Illich und Everett Reimer in abgegriffenen rororo- Bänden noch einmal nach. Ich lernte eine ganze Reihe Freier Schulen kennen und schloss mit mir folgenden Kompromiss: Wenn schon Schule, dann mit ganz viel Freiheit und Gleichberechtigung, eben liberté und egalité und über kurz oder lang würde sich dann auch die fraternité über einer Tasse Kamillenté einstellen.

An meiner ersten Stelle – einer freier Schule im Aufbau – hatte ich schon ein wenig Gelegenheit, meine neuen Ideen einzubringen. Und ich konnte mich prima gegen meine Kollegen abgrenzen, diese bourgeouisen Reaktionäre! Als die Kinder dann mal im von mir installierten Kinderrat vorhatten, Verstöße durch eine Art Prangersystem im Käfig zu ahnden, musste ich leider eingreifen. Bevor aber mein Weltbild wanken konnte, hatte ich natürlich schon eine Erklärung parat: Die armen Kinder waren natürlich durch ihre bisherige Schulkarriere – alle waren vorher schon auf anderen Schulen gewesen – verdorben. Die unnatürliche, patriarchale Erziehung der Eltern tat ihr Übriges. So dachte ich wirklich, wenn mir auch viele Denkstrukturen erst im Nachhinein bewusst wurden.

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Dann aber kam meine Chance: Nach dieser Stelle durfte ich eine Schule mitgründen und von Anfang an die Bedingungen schaffen, in der sich Kinder in Freiheit normalisieren. Ich musste nur die Ketten der kapitalistischen Verwertungsmaschine von ihnen nehmen und sie würden lernen und sich vertragen und eine neue Rasse von Homo sapiens sapiens sapiens bilden. Nietzsches Übermensch schien zum Greifen nah. Während ich natürlich ein wenig übertreibe, war ich doch wirklich überzeugt, dass Demokratie der entscheidende Faktor des Bildungserfolges dieser Kinder war. Zum Glück ist Realität die härteste Wand, gegen die man laufen kann. Die Kinder erzogen mich wirklich prima. Ich weiß nicht, welche Maßeinheit für den Verschleiß von Nerven angewandt wird, aber ich habe ordentlich Federn gelassen.

Eine Weile nach meinem Ausscheiden aus der Schule begann es dann aber auch mir zu dämmern, was Jesper Juul so treffend in seinen Büchern schreibt: Demokratie beschreibt eine Methodensammlung zur Entscheidungsfindung, nicht mehr und nicht weniger. Sie ist als Bezugssystem zwischen Menschen ungeeignet. Man kann keine demokratische Beziehung zueinander haben. Beziehungen können gut sein oder schlecht, liebevoll oder kalt, zärtlich oder grob.

In der Beziehung liegt der Gestaltungsspielraum des Pädagogen. Aber einfach netter, so wie ich mal vor Jahren dachte, reicht einfach nicht. Man muss umfassend und bewusst eine Beziehung aufbauen, die das Kind genau in seiner Bedürfnislage sieht und unterstützt. Das kann auch bedeuten, dass man gar nicht nett ist und deutliche Worte finden muss, wenn ein Kind Orientierung sucht. Für mich war gerade das sehr schwer, da ich oft Schelte von meinen Lehrern aushalten musste. Es hat mich viel Arbeit an mir gekostet, zu verstehen, dass man sich persönlich abgrenzen kann, ohne einen anderen zu begrenzen.

Zu guter Letzt will ich aber doch noch der Demokratie eine Lanze brechen. Wenn man einmal den Boden der Beziehung vorbereitet hat und der gegenseitige Respekt gegeben ist, dann ist Demokratie das schönste Sahnehäubchen, dass man sich auf seinen Schwarzwaldbecher tun kann. Und je direkter sie ist, desto mehr Kirschen kommen noch drauf. Und die Schokostreusel der Herrschaftsfreiheit erst… mmmh! Guten Appetit!

Foto: Lena Grüber

Sehnsucht

. Halli, hallo… Herzlich willkommen im… Dies ist dein… Du hast jetzt ein eigenes. Wir nennen es Leben. Es soll schön sein. Wir werden alles dafür tun. Du wirst platziert. Gut, gut. Europa, Deutschland, Mädchen, Kaiserschnitt. Gut, gut. Und raus mit dir. Es soll schön sein. Wir werden alles dafür tun. Du wirst platziert. HINSETZEN,…

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Mord aus Liebe (7)

So endete Teil 6: Die alte Frau war ganz verzweifelt, als man ihre Tochter über den Flur trug. Tranner hatte Mühe, sie zum Bleiben zu bewegen. Sie wollte unbedingt zu Elke in die Zelle. Ganz abgesehen davon, dass Schuminski angewiesen hatte, die Frauen separat unterzubringen, hatte Tranner das sichere Gefühl, dass Elke dringend Ruhe brauchte. Auch vor Mutti.

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Stärke

Teuer muss nicht sein, aber kreativ! Dem Motto „Was für wenig Geld“ folgend, wandert Michael Fink durch Billigläden und inspiziert Baumarkt-Sonderangebotsregale, um nach Dingen zu suchen, die kaum etwas kosten, aber Kinder anregen, so richtig süße, kleine Forscher oder Künstler zu werden und dabei auch noch zu spielen. Diesmal war unser Autor im Lebensmittel-Supermarkt. Weiter lesen

Das Lied der Bäume

  1. Den Ort erkunden Im Stadtpark gibt es einen besonderen Ort. 18 riesige Bäume bilden einen großen Kreis, eine Art natürliches Stonehenge. Mit ihren langen Zweigen scheinen die Bäume einander an den Händen zu halten. Die Kinder erforschen diesen kreisförmigen Raum: Sie laufen ihn ab, zählen dabei laut die Bäume und berühren sie mit…

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Duftgarten. Wie man Rosenparfüm herstellt

Wahrnehmbar, doch nicht greifbar. Alltägliche Dinge, doch voller Wunder – Parfüms sind Boten aus der Welt, die uns auf vergängliche, schwankende Weise einladen, „zuzuhören“. Die exotische Natur des Parfüms bietet an, dem Duft zu folgen, sie führt wie nichts anderes zum Frieden zwischen den Sprachen der Wissenschaft und der Poesie. Wenn sie auch zum Gegenstand…

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Weiblich und gehörlos, aber stark

Die 14-jährige Leila steht an der Haltestelle und wartet auf den Bus. Plötzlich fühlt sie sich  beobachtet. Ein Mann, dessen Blicke ein unangenehmes Gefühl in ihr auslösen, nähert sich ihr langsam und spricht sie an. Sie versucht, von seinen Lippen abzulesen, was er sagt, denn sie kann ihn nicht hören. Will er nach der Uhrzeit…

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Jedem Menschen eine Stimme geben

Eigentlich singen wir immer – auch wenn wir sprechen. Aber sprechen wir auch, wenn wir singen? Warum werden dem Singen Wirkungen nachgesagt, die über das Sprechen hinausgehen? Und macht Singen wirklich glücklich? Claudia Jirka gibt Antwort. Weiter lesen…

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Vom Zauber der gleichen Wellenlänge

Resonanz – achten Sie in Ihrem Arbeitsalltag darauf? Auf diese Frage erntet Christa Möllers in Fortbildungen meist erstaunte bis zweifelnde Blicke: Haben wir nicht schon genug mit Beobachtung, Lerngeschichten und Dialog zu tun? Die Autorin macht sich auf die Suche nach den Schwingungen, die zwischen Kindern und Erwachsenen entstehen können und achtsames Miteinander begründen. Sie…

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10 Fragen an Berit von Chrzanowski-Wien und Ute Müller

Berit von Chrzanowski-Wien, Kita Erfurt                                   Ute Müller, Kita Erfurt

 

 

Wann sind Sie glücklich?

Berit: Jeden Tag, denn ich habe Freude am Leben, liebe meine Familie und mache meine Arbeit gern.

Ute: Wenn ich von Kindern umgeben bin und mich von ihnen bereichern lassen kann.

Was regt Sie auf?

Berit: Teflonbeschichtete Erzieherinnen und Erzieher.

Ute: Ich bemühe mich, mich nicht aufzuregen.

Was fällt Ihnen ein, wenn Sie an Ihre Kindheit denken?

Berit: Behütet, aber ungezwungen sein.

Ute: Draußen sein, viele Freunde und keine Erwachsenen in der Nähe.

Hatten Sie als Kind ein Idol?

Berit: Meine Mutter und George Michael, ein Popstar.

Ute: Ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemanden angehimmelt habe.

Was können Sie von Kindern lernen?

Berit: Zum Beispiel Fragen stellen.

Ute: Jung bleiben und unbeschwert sein.

Was schätzen Sie an einem Menschen am meisten?

Berit: Ehrlichkeit, Offenheit und Herzlichkeit.

Ute: Humor.

Was können Sie am besten?

Berit: Organisieren. Und ich kann gut mit Kindern umgehen.

Ute: Löcher in die Luft starren und das genießen.

Was können Sie überhaupt nicht?

Berit: Gitarre spielen.

Ute: Nein sagen.

Auf welchen Gegenstand könnten Sie verzichten?

Berit: Auf die Uhr.

Ute: Auf den Wagenheber und die Personenwaage.

Was wäre für Sie eine berufliche Alternative?

Berit: Hebamme.

Ute: Es gab keine.

 

Wo ist Zuhause?

„Um die hier kümmert sich niemand. Ich will das tun. Natürlich ist das vollkommen unrealistisch und verrückt. Natürlich.“ so sagt es Marina Naprushkina.
Jeden Tag neue Schlagzeilen über Menschen mit Fluchterfahrung. Da, wo die Medien im schnelllebigen Tagesgeschäft darüber berichten, aber letztlich das Thema nicht analytisch angehen können, setzt die Performance-Künstlerin, Autorin und Aktivistin Marina Naprushkina mit Engagement und einem hochaktuellen Buch neue Akzente. Weiter lesen