Wie sieht die Zukunft des Lernens aus?

In geschlossenen Räumen zuhörend die Zeit absitzen? Die „Scale Free School“ kennt Alternativen.

Das Smartphone vibriert. Lea stellt die Weckfunktion aus und ruft ihren Stundenplan auf, um nach aktuellen Veränderungen zu sehen. Später packt sie ihre Sportsachen, das Smartphone und die Schülerkarte für den Bus ein, mit der sie auch in den Bistros bezahlen kann. Mehr braucht sie nicht, denn alle Unterrichtsmaterialien kann sie übers Smartphone einsehen.

Weil die Sonne scheint, fährt Lea heute mit dem Fahrrad – eine Dauerleihgabe der Schule, damit sie alle Unterrichtsräume, die sich über die Stadt verteilen, unkompliziert erreichen kann. Als sie aufsteigen will, teilt das Smartphone gerade noch rechtzeitig mit, dass Geschichte heute nicht im Städtischen Museum, sondern in einem Raum des Stadttheaters stattfindet. Schade, denkt Lea, denn sie mag die Atmosphäre des Museums, in der historische Ereignisse lebendig werden. Aber im Theater fühlt sie sich auch wohl.

So könnte ein Tag in der „Scale Free School“ beginnen, denn das Schul-Konzept eröffnet die Möglichkeit, Schule anders zu erleben, nämlich ohne ein Schulgebäude mit einer vorgegebenen Struktur. Vielmehr sind es die Lehrerinnen und Lehrer, die Schülerinnen und Schüler, die öffentliche Räume in Lernorte verwandeln. Der regelmäßige Kontakt zu lokalen Akteuren eröffnet die Chance, neue Perspektiven für das Lernen zu erschließen. Lea zum Beispiel entdeckte erst durch die Schule ihr Interesse fürs Theater und nutzte die Möglichkeit, Kontakt zu Theaterleuten aufzunehmen.
Der raumstrategisch neue Ansatz, Schule zu organisieren, stammt aus Großbritannien, genauer gesagt: aus London. Gespräche mit Schülerinnen und Schülern hatten eine Gruppe um den Architekten Indy Johar inspiriert, ein Konzept für die Schulbildung im 21. Jahrhundert zu entwerfen.

In wachsenden Großstädten, in denen die verfügbare Fläche für Schulneubauten knapper wird, muss sich das Bildungsressort darauf einstellen. Deshalb nutzt die „Scale Free School“ vorhandene Ressourcen, zum Beispiel Räume in Theatern oder Museen, definiert Schule nicht mehr als festen Ort, sondern verbreitet sich in der ganzen Stadt. Dadurch verringern sich die Betriebskosten, und Mietaufwendungen entfallen ganz.

Natürlich erfordert der Schulbetrieb eine beachtliche logistische und organisatorische Vorarbeit. Man muss Handlungspartner finden und Regelungen für den Unterricht an verschiedenen Orten treffen. Darüber hinaus ist die erforderliche Ausrüstung aller Schülerinnen und Schüler mit Smartphones – auch jener, die aus sozial schwachen Schichten stammen – kein leicht zu lösendes Problem. Außerdem stellt sich die Frage, ob Kinder nicht doch einen eigenen Bildungsort brauchen, den sie gestalten können und der nur ihnen zur Verfügung steht.

Wie dem auch sei – die „Scale Free School“ bietet Lernmöglichkeiten ohne starre Schulmauern und ist mit ihren neuen Unterrichtsformen ein beweglicher, aktiver Teil der Stadt. Wie praktikabel diese Idee tatsächlich ist, das muss erprobt werden. Indy Johar jedenfalls ist davon überzeugt, dass Bedarf besteht, und sieht der Zukunft dieser Schulform optimistisch entgegen.

Fine Spitz arbeitet als Einzelfallbetreuerin und studiert Soziale Arbeit.

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