Besucher und Mitbewohner: Die Stechmücke

Wir sind nicht allein. Mit und neben uns gibt es zahlreiche andere Lebewesen. Manche sind ständig bei uns, manche tauchen nur als Besucher auf. Aber sie sind da – oder könnten schon bald wieder kommen, nach Hause, in die Kita oder in die Grundschule.

Stechmücken sind äußerst unbeliebte Tiere, denn etliche Arten dieser Insekten können gefährliche Krankheiten übertragen. Zudem weist einiges darauf hin, dass die Tiere künftig auch in Mitteleuropa verstärkt auftreten. Grund genug, sich näher mit ihnen zu befassen.

„…ganz dicht an deinem Ohr…“ 1

Wilhelm Busch goss seinen Ärger über die Stechmücken in ein heiteres Gedicht, doch diese ironische Gelassenheit haben nur die wenigsten von uns. Weder das hohe Sirren, das wir plötzlich kurz vor dem Einschlafen hören, noch die geröteten und juckenden Spuren einer Blutmahlzeit lassen das geringste Verständnis aufkommen. Im Gegenteil – immer sind es die gleichen Fragen, die uns nach solchen Attacken beschäftigen: Warum muss es diese Biester überhaupt geben? Und: Wie kann man sie am besten töten?

Biologen – und Kinder – sind von den Tieren allerdings auch immer wieder fasziniert, denn bei näherer Betrachtung zeigt sich Erstaunliches. So gehören Stechmücken zu den Tieren, die ihre Position auf dem Planeten seit Millionen von Jahren nahezu unverändert behaupten können. Ein rund 79 Millionen Jahre altes Fossil enthält eine in Bernstein eingeschlossene Stechmücke, die sich kaum von ihren heutigen Verwandten unterscheidet.

Quirin, 6 Jahre
Joshua, 5 Jahre

Auch die weltweite Verbreitung spricht für die Widerstands- und Anpassungsfähigkeit dieser Insekten. Man findet sie in den unterschiedlichsten Lebensräumen der Erde. Nur die vereisten Polarregionen und extrem trockene Wüstengebiete sind davon ausgenommen.

Und dann ist da die Sache mit ihrer Ernährung: Stechmücken sind absolute Nahrungsspezialisten. Während ihres Larvenstadiums, das sie in einem Gewässer oder Feuchtbiotop verbringen, ernähren sie sich von Algen und Kleinsttieren. Als fertige Insekten saugen sie pflanzliche Säfte und – Blut.

Am besten eine Blutmahlzeit

Die weiblichen Stechmücken, und nur sie, benötigen nach der Begattung durch die Männchen eine Mahlzeit aus dem Blut von Säugern und Vögeln, um Eier bilden zu können. Zwar können manche Stechmückenweibchen ein Eigelege auch ohne diese besonders proteinhaltige Nahrung produzieren, aber dann ist die Anzahl der Eier stark reduziert.

Zur Aufnahme des Blutes nutzt das Insekt seinen Stechrüssel – ein ungewöhnlich komplexes Instrument. Mit dem aus verschiedenen Mundwerkzeugen gebildeten Stechborstenbündel durchbohrt es die Haut des Wirts, injiziert über einen Kanal des Rüssels Speichel in die Wunde und zapft parallel über einen zweiten Kanal Blut ab. Der Speichel unterstützt den Saugvorgang, denn er reizt das Gewebe, wodurch sich die Blutgefäße erweitern. Außerdem hemmt das Sekret die Blutgerinnung.

Lea, 4 Jahre

Die Tatsache, dass menschliches Blut nur eine von vielen vergleichbaren Nahrungsquellen ist, erklärt die weite Verbreitung der Stechmücken. Wenn wir uns wundern, wovon Stechmücken in den fast menschenleeren Regionen Nordeuropas leben, übersehen wir die großen Bestände von Kleinsäugern wie Lemminge oder Wühlmäuse und die Sumpflandschaften, in denen die Insekten ideale Lebensbedingungen finden – auch ohne Menschen.

Um einen geeigneten Wirtsorganismus zu finden, nutzt das Stechmückenweibchen seinen Wärmesinn, mit dem es die von den Säugern erwärmte Luft wahrnehmen kann. Auch sein Geruchssinn ist sehr gut entwickelt. Labor- und Freilandexperimente zeigten, dass Stechmücken vor allem durch ausgeatmetes Kohlenstoffdioxid und bestimmte Körperdüfte angelockt werden. Vermutlich können die Mücken einen Wirt und seine Entfernung bereits an der Art und Intensität des Geruchs gut bestimmen.

Vom Ei zum fertigen Insekt

Feuchtigkeit und Wärme sind die beiden Hauptfaktoren in der Entwicklung der Stechmücken. Insbesondere Wasser ist unerlässlich, aber bereits kleinste Mengen genügen. Ohnehin legen die Weibchen der meisten Mückenarten ihre Eier am liebsten in stehende, ruhige Gewässer, in denen die Eier, zusammengeklebt wie kleine Schiffchen, auf der Oberfläche schwimmen. Neben kleineren und größeren Pfützen sind Regentonnen und andere mit Wasser gefüllte Gefäße, Gräben, Tümpel und kleine Teiche häufig genutzte Brutstätten. Auch feuchte Felsmulden und Baumhöhlen bieten ausreichend Entwicklungsraum.

Maike, 5 Jahre

Nach wenigen Tagen schlüpfen Larven aus den Eiern. Während ihres Wachstums häuten sie sich vier Mal, bevor sie sich verpuppen. Larven wie Puppen leben im Ruhezustand an der Wasseroberfläche, da sie keine Kiemen besitzen, sondern sich über Atemrohre mit Luft versorgen. Bei Gefahr tauchen sie rasch ab, je nach Art in Form ruckartiger oder strudelnder Bewegungen. Das Puppenstadium ist kurz. Schon nach wenigen Tagen schlüpft die fertige Stechmücke. Insgesamt dauert die Entwicklung bei sommerlichen Temperaturen nur etwa zwei Wochen.

Stechmücken sind nicht nur lästig

Ginge es nur um ein bisschen Blut, könnten wir der Stechmücke halbwegs gelassen begegnen: Die Menge, die uns im Einzelfall abgezapft wird, ist nicht der Rede wert. Zudem verursacht eine Mücke, die uns hierzulande sticht, im Normalfall keine gesundheitlichen Schäden. Aber wir wissen längst, dass dieses Insekt Krankheitserreger übertragen kann, darunter so gefährliche wie den des Dengue-Fiebers und der Malaria. Allerdings wird der Malaria-Erreger ausschließlich durch die Arten der besonders in Südeuropa verbreiteten Fiebermücke (Mückengattung Anopheles) übertragen. Doch es ist kein gutes Zeichen, dass die in Deutschland heimische Stechmückenart Anopheles plumbeus ihr Brutverhalten geändert hat. Wegen ihrer Fähigkeit, den Malariaerreger zu übertragen, ist diese Art gefürchtet. Früher nutzte sie nur Baumhöhlen als Brutplätze. Heute sind ihre Larven nicht selten auch in Regentonnen zu finden. Das heißt: Dieses Insekt hält sich häufiger in menschlicher Nähe auf. 2

Lea Marie, 6 Jahre

Hinzu kommen seit einigen Jahren Stechmückenarten aus subtropischen und tropischen Ländern. Ihr Zuzug wird als Zeichen des Klimawandels gedeutet, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie sich nun auch in Mitteleuropa etablieren. Eine dieser Arten ist die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus), die von Fachleuten zu den 100 invasivsten Arten weltweit gerechnet wird. Seit einigen Jahren ist sie bereits in ganz Italien zu finden und breitet sich auch an der französischen und spanischen Mittelmeerküste aus. Allein sie kann 26 verschiedene und teils gefährliche Viren übertragen. Für die Ausbreitung dieses Insekts ist wohl vor allem der Mensch verantwortlich. Forscher fanden heraus, dass Eier und Larven der Asiatischen Tigermücke mit gebrauchten Reifen – beispielsweise von Militärfahrzeugen – nach Italien gelangten. Der umfangreiche Handel mit Altreifen, die fast immer im Freien gelagert werden, verschafft den Stechmücken ideale Brutplätze.

Eine andere Art, die seit kurzem in Europa auftaucht, ist die Japanische Buschmücke (Aedes japonicus), die auch bei uns als Krankheitsüberträger problematisch werden könnte. Weitere Erkenntnisse und einen Überblick über die Verbreitung blutsaugender Mücken in Deutschland soll ein bundesweites Stechmückenmonitoring 3 ermöglichen. Auf www.mueckenatlas.de gibt es ein Mitmachforum – zum Einsenden und Bestimmen von Mücken – sowie regelmäßig aktualisierte Informationen über die Verbreitung bestimmter Arten in Deutschland.

Schutz vor Stechmücken – Behandlung von Mückenstichen

Trotz der Schwierigkeit, verschiedene Mückenarten unterscheiden und genau bestimmen zu können, sollten wir bedenken: Längst nicht jedes kleine zweiflügelige und vielleicht nur mückenähnliche Insekt ist eine Stechmücke. Schon die allgemeine Benennung ist problematisch. Allzu leicht werden Stechmücken mit anderen Zweiflüglern wie Zuckmücken, kleinen Fliegen oder Wiesenschnaken verwechselt, die völlig harmlos sind, kein Blut saugen und auch sonst eine ganz andere Lebensweise haben. Besonders die langbeinigen Schnaken werden zu Unrecht oft für Stechmücken gehalten. Hinzu kommen die regional unterschiedliche Benennungen. So heißen diese Tiere in Teilen Österreichs Gelsen, in manchen Regionen der Schweiz und Süddeutschlands hingegen Staunzen. Der aus dem Spanischen und Portugiesischen stammende Begriff Moskito (kleine Fliege) ist hierzulande auch oft zu hören. Um Verwechslungen zu vermeiden, sollte generell der Begriff Stechmücke verwendet werden. Damit lassen sich Mückenarten zusammenfassen, die tatsächlich auf eine Blutmahlzeit angewiesen sind und auch sonst eine ähnliche Lebensweise haben. 4

Josef, 6 Jahre

Allerdings gibt es bei uns noch andere Mückenarten, die die Haut durchstechen und Blut saugen, aber eher winzigen Fliegen ähneln. Dazu gehören die Kriebelmücken und die Gnitzen. Auf feuchten Wiesen und Weiden treten sie manchmal massenhaft auf und können vor allem Rindern und Pferden stark zusetzen.

Um uns gegen Stechmücken zu schützen, sollten wir vorbeugende Maßnahmen bevorzugen und darauf achten, dass es im Garten, auf Balkonen und Terrassen möglichst kein stehendes Wasser gibt: Gießkannen sollten wir nach der Verwendung leeren und Planschbecken regelmäßig säubern. Mückengitter oder Moskitonetze halten insbesondere Schlafräume frei von Stechmücken.

Im Freien hilft die richtige Kleidung. Da Mücken dunkle Farben bevorzugen und eng anliegende Stoffe durchstechen können, empfiehlt sich helle, eher locker geschnittene Kleidung, in der wir auch weniger schwitzen – und damit für Mücken weniger attraktiv sind. Zur gezielten Abschreckung der Insekten können wir bestimmte Duftstoffe einsetzen: Gerüche von Geranien, Zitronenmelisse, Zitrone, Rosmarin, Eukalyptus und Lavendel sind den Stechmücken unangenehm. Deshalb sind diese Duftstoffe in verschiedenen Antimücken-Sprays zu finden. Ihre Wirkung hält zwar nicht lange an, aber wenn sie zusätzlich keine künstlichen Insektenschutzmittel enthalten, eignen sie sich für (Klein-)Kinder. Bewährte chemische Mittel gegen Stechmücken sind Icaridin (Autan) und Diethyltoluamid oder DEET (Brum-Brum). Doch bestimmter Nebenwirkungen wegen sollte vor allem Letzteres von schwangeren Frauen, Müttern während der Stillzeit und Kindern unter drei Jahren nicht angewendet werden.

Und wenn es doch zum Stich kommt? Gegen den Juckreiz hilft rasche Kühlung mit einem Eiswürfel oder einer Aloe-Vera-Salbe. Auch Zitronensaft, Essig oder ein Stück zerquetschter Küchenzwiebel lindern die Symptome. Zudem besitzt der Saft der Zwiebel antientzündliche Eigenschaften. Ähnliches gilt für Spitzwegerichblätter.

Philip, 6 Jahre

Obwohl Forscher auf der ganzen Welt an der Bekämpfung der Stechmücken arbeiten, gibt es kaum Erfolgsmeldungen. In den meisten Ländern wird noch immer DDT eingesetzt, ergänzt durch Insektizid-imprägnierte Moskitonetze. Eine der wenigen Nachrichten, die aufhorchen lassen, stammt aus dem Labor des niederländischen Insektenexperten Bart Knols. Finanziert von der Gates-Stiftung, startete er in Dörfern der Elfenbeinküste ein Experiment: Insekten werden in spezielle Röhren in den Wänden der Wohnhäuser gelockt und dort getötet.5 Ob sich diese Technik der eave tubes bewährt und in größerem Maßstab eingesetzt werden kann, lässt sich noch nicht sagen. Angesichts der Tatsache, dass Stechmücken vor allem in wärmeren Ländern die Tiere sind, die die weitaus meisten Todesfälle verursachen6, aber gegen Gifte wie DDT vielfach resistent wurden, sind neue Ideen und Techniken jedoch unverzichtbar.

Katharina, 6 Jahre

Übrigens: Hierzulande sterben die Stechmücken­männchen im Herbst, während begattete Weibchen an kühlen, feuchten und geschützten Stellen überwintern – nicht nur in Höhlen, sondern auch in Kellerräumen, ­Gartenhäusern und Vieh­ställen. Spätestens damit werden sie zu richtigen Mitbewohnern…

Wellen der Begeisterung

Während die „Wasser-Projekt“-Flut sich in der einen Gruppe der Düsseldorfer Kita „Vorstadtkrokodile“ langsam legt, schlagen die Wellen in der anderen hoch. Dafür sorgen Lucan, der das benachbarte Piratenschiff öfter geentert hatte, und seine Mitstreiter an Bord. Für ihr Spiel brauchen sie Verkleidung, Waffen, einen Schatz und ein großes Schiff. Zum Glück begleiten aufmerksame Erwachsene sie……

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Bedeutet Anerkennung Akzeptanz?

Ich kann mir die Beziehung beider Begriffe auf unterschiedliche Weise denken. Zum einen würde ich sagen: Akzeptanz bezieht sich auf Meinungen von Personen, und Anerkennung meint die gesamte Person. Denn: Man muss eine Person anerkennen, um überhaupt in die Auseinandersetzung gehen zu können, um das, was die Person denkt, akzeptieren zu können oder eben nicht. So verstanden, sind Anerkennung und Akzeptanz unterschiedliche Dinge.

Es besteht aber auch ein Zusammenhang zwischen Anerkennung und Akzeptanz. Erkennst du jemanden als vernünftige erwachsene Person an, dann gibt es – trotz der in Deutschland breit bemessenen Meinungsfreiheit – eine jeweils sehr persönliche Grenze, denn: Wenn eine Person eine bestimmte Menge von Meinungen vertritt, die du nicht akzeptieren kannst, schwindet deine Anerkennung für sie als Person. Und hältst du alles, was sie sagt, für falsch, kannst du sie nicht mehr als Person anerkennen. Du hast mit ihr geredet, ihr zugehört, aber es kommt dir so absurd vor, welche Meinungen sie vertritt, dass du irgendwann sagst: „Das akzeptiere ich nicht.“ Machst du diese Erfahrung oft – und es gibt Leute, die sich ständig jenseits des Akzeptablen äußern –, erkennst du ihnen irgendwann ab, vernünftige Personen zu sein. Mir ist das aber bisher nur ganz selten passiert. Wir sind ja in der Regel immer wieder bereit und darauf angewiesen, Menschen prinzipiell anzuerkennen, obwohl wir viele ihrer Meinungen nicht akzeptieren.

Ich könnte mir die Beziehung zwischen Anerkennung und Akzeptanz aber auch so vorstellen: Akzeptanz und Nicht-Akzeptanz sind beides Formen von Anerkennung. Deine Anerkennung eines anderen Menschen kann sich ja gerade darin niederschlagen, dass du sagst: „Nein, dafür habe ich kein Verständnis“, und ihm deine Meinung zumutest, entgegenstellst. Ingeborg Bachmann hat gesagt: Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar. Diese Zumutung erfordert Mut: Sie anerkennt das Gegenüber und setzt sich daher einer Anstrengung aus. Tust du jedoch so, als würdest du alles akzeptieren, dann verschwimmt die Grenze zwischen Akzeptanz und Nicht-Akzeptanz, wird unsichtbar, und damit schwindet auch die Anerkennung des Gegenüber. Jemanden zu belügen, und sei es in der besten aller Absichten, heißt – so gesehen – immer, ihm Anerkennung zu verweigern.

Ein großer und wichtiger Teil unser Kommunikation ist das Ringen darum, herauszufinden, wie es auf der Welt ist und wie es sein sollte. Das funktioniert nur, wenn ich klar sage, welche Meinungen meines Gegenübers ich akzeptiere, welche nicht – und warum. Nur dann entwickelt sich eine Idee weiter. Sage ich aber: „Alles schön und gut. Du denkst das eine und ich das andere. Es gibt kein Richtig und kein Falsch“, dann gibt es diesen Reibungspunkt nicht, der nur entsteht, wenn es darum geht, herauszufinden wie es wirklich ist, den Reibungspunkt also, an dem sich etwas Neues entwickeln kann. So gesehen, kann es sogar die höchste Form von Anerkennung für eine Person sein, ihre Meinung nicht zu akzeptieren.

Foto: photocase, inkje

Was heißt denn anerkennen?

Bert Lillhold, Autor der Kita-Krimis, arbeitet im Brotberuf als Hausmeister in der Berliner Kita „Kumpelnest“. Wie wird die Arbeit des passionierten Rauchers, Radfahrers und Rettungsschwimmers anerkannt? wamiki traf ihn in seiner Werkstatt und fragte nach.

Herr Lillhold, wird Ihre Arbeit vom pädagogischen Personal anerkannt?

Gute Frage. Was heißt denn Anerkennung? Dass die Frauen mir auf die Schulter klopfen? Nö, machen die nicht.

Erkennen Sie die Arbeit der Erzieherinnen an?

Was heißt denn anerkennen! Ich sehe, wie die ackern und dass sie oft total am Limit sind. Ist ja auch kein Wunder, wenn man sieht, was für Kinder und Familien hier aufkreuzen. Und wenn ich mitkriege, was die Frauen verdienen, dann denke ich… Schließlich ist Geld ja auch ´ne Form von Anerkennung, oder? Darum gehe ich auch manchmal mit auf die Demos.

Was verdienen Sie eigentlich, Herr Lillhold?

Das verrate ich nicht. Für mich reicht’s. Ich fahre eh immer Rad.

Wir haben gehört, dass die Kinder oft zu Ihnen in die Werkstatt kommen. Was bedeutet das für Sie?

Finde ich gut. Ich bin gern mit Kindern zusammen, wenn ich sie nicht bespielen muss. Die Kids kommen hier rein, gucken zu und wollen alles Mögliche wissen. Manchmal zeige ich ihnen was, lasse sie auch mal hämmern und sägen. Oder wir reparieren was zusammen. Das macht mir Spaß, wenn es nicht zu viele auf einmal sind. In diese kleine Butze dürfen nicht mehr als drei kommen, sonst krieg ich einen Knall.

In Ihre Kita gehen Mädchen und Jungen aus vielen verschiedenen Herkunftsfamilien. Verstehen Sie die Kinder denn?

Wir reden nicht so viel miteinander, sondern machen was. Da klappt es auch mit der Verständigung – zur Not mit Händen und Füßen. Außerdem bin ich selbst ein Flüchtling. Ich komme nämlich aus Sachsen, bin aber nicht traumatisiert. Na, Spaß beiseite!

Finden Sie, dass das Etwas-miteinander-Tun auch was mit Anerkennung zu tun hat?

Na, klar! In dem Moment, in dem ich etwas mit jemandem mache, lasse ich mich ja auf den ein. Egal, ob das nun ein Erwachsener oder ein Kind ist. Wäre es für mich nicht sinnvoll, würde ich abwinken. Wollen die Kinder Quatsch machen – bitte sehr. Aber ohne mich.

Die meisten fragen anfangs vorsichtig, ob sie mal gucken dürfen. Klar, solange sie mir nicht dazwischenfunken und alles durcheinanderbringen. Zugucken können sie gern. Das zeigt: Sie haben Interesse. Irgendwann machen sie dann auch mal mit. Und wenn ich eine rauchen will, gehen wir zusammen raus. Ich rauche ja immer hinterm Schuppen. Das wissen die Kinder. Keins meckert deswegen mit mir. Die mögen mich nämlich.

Manchmal wundere ich mich, wenn die Erzieherinnen sagen: „Dieser Junge ist so schwierig!“ Dann kommt der zu mir, baut was, und ich kapiere überhaupt nicht, was an dem schwierig sein soll.

Kommen auch Mädchen zu Ihnen?

Ja, aber weniger als Jungen. Wenn sie das erste Mal was gesägt haben, kommen sie immer wieder. Manchmal sogar im Prinzessinnenkleid, echt! Finde ich gut.

Sichtlich fühlen Sie sich wohl in der Kita.

Klar. Ich bin der einzige Mann hier und kann was, was die Frauen nicht machen: reparieren und so. Dann sagen sie: „Berti, wenn wir dich nicht hätten!“ Zur Teambesprechung werde ich zwar nur selten eingeladen, aber ich bin kein Quasseltyp. Ist mir also ganz recht so. Manchmal bringt mir eine ein Kaffee oder ein Stück Kuchen rum. Und dass sie weggucken, wenn ich mir eine Kippe anstecke – das ist sowieso die höchste Form von Anerkennung.

Burka und Glatze

In dieser Rubrik klären Michael Fink und Lars Ihlenfeld Rechts-Fragen aus der Welt der Pädagogik. „Wir schaffen das“, sagt Bruni salbungsvoll, doch Ilona entgegnet: „Nee, der Job schafft mich!“ Es ist aber auch ein Stresstag heute: ständiges Gerangel, kleine Verletzungen, und dazwischen bimmelt es ständig an der Tür. Da, schon wieder! „Nicoll, geh du mal!“…

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PEKITA

Rechtspopulismus ist recht populär geworden, wer will da außen vor sein? Wir pädagogischen Fachkräfte jedenfalls nicht. Deshalb lautet das Gebot der Stunde: Wallfahrt zur ersten Einrichtung mit konsequent rechtspopulistischem Pädagogik-Konzept. „PEKITA“ heißt die Einrichtung, an deren deutsch-eichene Tür der Reporter männlich-hart klopft. Weiter lesen

Super Uschi: Zurück in die Zukunft

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Umfrage

 

1. Was war für Dich die innovativste Neuerung in der frühen Bildung in den vergangenen 30 Jahren?

 

2. Was war die größte Enttäuschung der vergangenen 30 Jahre? Was die größte Überraschung?

 

3. Was möchtest Du gern verändern?

Hilde von Balluseck, Prof. Dr.,
Chefredakteurin von fruehe-bildung-online.de, Berlin

1. Am innovativsten war die öffentliche Förderung von Forschungsprojekten zur frühen Bildung. Sie ermöglichte ein verstärktes Augenmerk auf die mit der frühen Bildung zusammenhängenden Fragen, eine höhere Anerkennung der Frühen Bildung in Wissenschaft und Politik, und drittens eine Professionalisierung der Frühen Bildung durch die Akademisierung.

2. Enttäuschungen:

Die föderalistische Struktur führt zu großen Unterschieden in der Qualität der frühen Bildung.

Die Zuordnung von Kita und Grundschule zu unterschiedlichen Systemen lässt sich auch bei hohem Engagement der Professionellen nur ansatzweise überwinden.

Die unterschiedlichen Bezahlungen von Erzieher_innen und Lehrer_innen sind ein Skandal.

Eine Überraschung:

Der Zwischenbericht der Bund-Länder-Kommission „Frühe Bildung weiterentwickeln und finanziell sichern“ vom November letzten Jahres eröffnet die Perspektive eines Bundesqualitätsgesetzes.

3. Als Erstes wünsche ich mir einen Abbau sozialer Unterschiede, d. h. eine Verbesserung der Lebensbedingungen von deutschen und zugewanderten Armen. Das würde die Bildungschancen der Kinder erhöhen und die Arbeit der Fachkräfte erleichtern.

Dann wünsche ich mir gemeinsame Bildungsüberlegungen der entsprechenden Ministerien für Kita und Grundschule und eine Angleichung der Gehälter von Erzieher_innen und Lehrer_innen.

Supervision und Fachberatung sollten für jede Kita finanzierbar sein.

Dolmetscher_innen für jede Kita sind wichtig für die Kontaktaufnahme mit Eltern anderer Muttersprachen als Deutsch. Auch für sie ist eine gesicherte Finanzierung erforderlich.

Die Verbände der Frühen Bildung in Deutschland sollten sich zunächst in Deutschland, dann in der EU zusammentun und wirkungsvoll ihre Stimme erheben, um die Gefahren für Gesundheit und Bildung von Kindern in Kriegs- und Hungergebieten anzuklagen und Verbesserungen zu fordern.

______

 

Angelika von der Beek,
Autorin, Fortbildnerin, Dozentin, Hamburg

1. Die innovativste Neuerung seit dem Ende der 80er Jahre war für mich die Entwicklung des Konzepts der offenen Arbeit.

2. Die größte Überraschung seit den 90er Jahren war für mich der bemerkenswert umfangreiche Ausbau der Krippen, getragen von Bund, Ländern, Gemeinden und privaten Trägern, und die große Bereitschaft der Erzieher_innen, sich durch Fort- und Weiterbildung für diese Betreuungsform zu qualifizieren und nicht einfach nur mit der Betreuung von kleinen Kindern ihren Job zu machen.

Eine große unangenehme Überraschung war, wie leicht es sich die staatliche Seite zur Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Krippenplatz machte, Kinder unter drei Jahren in Kindergartengruppen von drei bis sechs Jahren betreuen zu lassen und wie willfährig das von Trägerseite umgesetzt wurde. Beispiele: Kampagne in Rheinland-Pfalz „Mit 2 dabei“ oder die Einrichtung von Regelgruppen in NRW mit 20 Kindern, davon bis zu sechs unter drei Jahren, mit zwei Erzieher_innen, wie vorher, und in den selben Räumen wie die Kindergartengruppen vorher.

Die andere große unangenehme Überraschung war der Aufstieg des Themas „hochbegabte Kinder“ im Kindergarten und damit der „Geländegewinn“ der Psychologen im Kitabereich, die dort vorher im Regelkindergarten keinen Fuß auf den Boden bekommen hatten.

3. Ich wünsche mir a) eine bessere Bezahlung von Erzieher_innen, b) eine bundesweit einheitliche Regelung des Erzieher-Kind-Betreuungsverhältnisses in der Krippe von 1:5 und im Elementarbereich und Hort von 1:10 sowie c) regionale Beratungsstellen für den Neu-, Aus- und Umbau von Krippen, Kindergärten und Horten und eine Verpflichtung der Träger, sich beraten zu lassen!

______

 

Hans Brügelmann, Prof. i. R. Dr.,
Fachreferent im Grundschulverband

1. Mich (hat) beeindruckt, wie ernsthaft die Forderungen der UN-Kinderrechtskonvention in der Frühpädagogik diskutiert werden und dass das Recht von Kindern auf Selbst- und Mitbestimmung den Alltag in KITAs oft stärker prägt als in der Schule.2. Der Fortschritt, auch die Kindergärten als Bildungseinrichtungen zu sehen und zu gestalten, wird immer wieder missverstanden als Auftrag, sie/ sich an schulische Traditionen anzupassen. Leider ist es in Deutschland generell üblich, dass die Bildungseinrichtungen für Ältere versuchen, Anforderungen für die vorhergehende Stufe zu bestimmen, statt den Bildungsgang „von unten nach oben“ zu denken.

3. Ich wünsche mir, dass die berechtigte Forderung nach einer anspruchsvolleren Ausbildung, einer stärkeren Anerkennung und einer angemesseneren Bezahlung der pädagogischen Fachkräfte nicht um den Preis einer formalen Akademisierung erkauft werden muss. Schon die Grundschule hatte darunter zu leiden, dass sich die Hochschulausbildung zunehmend von der Praxis gelöst hat, statt die Reflexion der Praxiserfahrung zum Kern der Ausbildung zu machen.

______

 

Detlef Diskowski,
Erzieher, Kita-Leiter, Fortbildner, Referent, Abteilungsleiter, Berater, Teltow

1. Die Einführung von Bildungsplänen, und dabei die Tatsache, dass (fast überall) nicht die Kompetenzen der Kinder, sondern die Leistungen der Kita bestimmt wurden.

2. Die größte Enttäuschung war, dass bei diesem ersten Schritt verharrt wurde – und falls weitere Schritte gegangen wurden, die Bildungspläne immer weiter aufgebläht wurden, statt sich darauf zu konzentrieren, den KERN zu normieren: Was kann jedes Kind, was kann jedes Elternteil von jeder Kita im jeweiligen Land erwarten? Stattdessen haben sie sich durch den Vollständigkeitsdrang selber entwertet, weil sie dicker, geschwätziger und damit beliebiger wurden. Jede Bindestrich-Pädagogik erhebt den Anspruch auch aufgenommen zu werden, anstatt den gemeinsamen Kern herauszuarbeiten.

Die größte positive Überraschung war, dass der massive Ausbau der Plätze nicht zu Lasten der Strukturqualität gegangen ist. Wir sind doch offenbar stärker, als wir es uns selber beständig einreden.

Die größte negative Überraschung war, dass die massiv unterschiedliche Strukturqualität in Deutschland nicht differenzierter und radikaler zur Kenntnis genommen worden ist, sondern dass undifferenziert geklagt wird. Wenn die Bedingungen aber überall schlecht sind, wenn also 100 Prozent Unterschied in der Personalausstattung nichts ausmacht, dann fehlt eigentlich auch die Begründung für die Notwendigkeit von Verbesserungen.

3. Ich würde gerne die vielen Bundes-, Länder- und Trägermodellprojekte abschaffen, die nicht wirklich etwas modellhaft erproben wollen, was bei Erfolg auch tatsächlich flächendeckend umgesetzt werden soll. Modelle, die nie Regelpraxis werden sollen, sind vergeudete Ressourcen, sie sollten stattdessen in die Verbesserung der Regelstruktur fließen. Ich würde gerne die Produzenten von „neuen“ Modellen, pädagogischen Konzepten, von Bindestrich-Pädagogiken zu einer EIGENEN praktischen Erprobung VOR Veröffentlichung verpflichten. Aus meiner Sicht wird die diagnostizierte Überforderung der Erzieher auch hervorgerufen, weil beständig „neue Säue durchs Dorf getrieben werden“. Wer mehr oder Neues will, muss die Ressourcen benennen oder benennen was überflüssig ist (auch davon gibt es Einiges, was ich abschaffen würde, wie zum Beispiel die Eltern-Erfreuungs-Basteleien).

______

 

Frauke Hildebrandt, Prof. Dr.,
Fachhochschule Potsdam, Autorin

1. Da ist die Wende noch dabei und ich bin aus dem Osten. Also ist die Antwort klar: Der Versuch, ein autoritäres Bildungssystem in ein demokratisches zu verwandeln – und dabei das Menschenbild gleich mit.

2. Dass diese Verwandlung in der Breite so lange dauert, ist die größte Enttäuschung. Und dass sie an manchen Orten durch die Kraft einzelner Menschen so schnell gelingen konnte, die größte Überraschung.

3. Wir brauchen – vor allem im Osten! – mehr Sinn für die Rechte, Teilhabe, Mitbestimmung und das Mitdenken jedes einzelnen Kindes, ob es schon sprechen kann oder nicht.

______

 

Norbert Hocke,
Leiter des OB Jugendhilfe und Sozialarbeit beim Hauptvorstand der GEW, Berlin/Frankfurt/M.

1. Die Bildungs-und Lerngeschichten sowie die Bildungs-, Erziehungsdienst- und Orientierungspläne haben eine starke Innovation ins Feld gebracht, weil sich dadurch der Blick auf das Kind verändert hat! Es sind eben nicht die Pläne oder die Portfolios an sich, sondern die Sichtweise und der Umgang mit den Kindern, der sich verändert hat.

2. Zur größten Enttäuschung zählt das Festhalten an der alten Ausbildungsstruktur und die Sichtweise, dass wir erst für Kinder ab dem sechsten Lebensjahr eine reflektierte Ausbildung auf Hochschulniveau brauchen.

Überraschung: Wie schnell das System der Tageseinrichtung für Kinder gewachsen ist und ja noch wächst!

Dass die Kolleginnen 2009 und 2014/15 sich so stark für eine bessere Bezahlung eingesetzt und gestreikt haben.

3. Ein Bundeskitagesetz, welches die Strukturqualität regelt und durch den Bund mit jährlich ca. 10 Milliarden Euro finanziert wird!

Neue Ausbildungsstruktur gestalten: Fachschulen und Hochschulen zusammenführen.

______

 

Axel Jansa, Prof. Dr.,
Hochschule Esslingen, Autor

1. Die Einführung der kindheitspädagogischen Studiengänge ab 2004 und die Festlegung der Berufsbezeichnung „Staatlich anerkannte/r Kindheitspädagoge / Kindheitspädagogin“ 2011, natürlich auch die nacheinander erfolgten Rechtsansprüche auf einen Kindergarten- und einen Krippenplatz.2. Die größte Enttäuschung? Dass es in Deutschland immer noch Parteien gibt, die mit „Herdprämien“ Kinder und Frauen an selbigen fesseln möchten? Dass parallel zu den Rechtsansprüchen keine angemessenen Ressourcen zum Ausbau der Plätze zur Verfügung gestellt wurden.

Die größte Überraschung? Dass sich Frau Schwesig gegenüber mächtigen CDU- und CSU-Ministern doch immer mal wieder mit einer fortschrittlichen Kinder- und Familienpolitik behaupten kann, in dieser Frau liegt bildungspolitische Zukunft!

Dass Erzieherinnen und Erzieher trotz der unzureichenden Bezahlung und der verhältnismäßig schlechten gesellschaftlichen Anerkennung ihrer Arbeit ein sehr hohes Engagement in der Weiterbildung haben und sie auch einen nicht unerheblichen Anteil der Studierenden in den Kindheitspädagogik-Studiengängen stellen.

3. Dass wir uns dem schwedischen sozialstaatlichen Modell der Selbstverständlichkeit weiblicher Erwerbstätigkeit, der geförderten Vereinbarkeit von Beruf und Familie unter anderem durch eine flächendeckende, hochwertige staatliche Kindertagesbetreuung annähern.

______

 

Frank Jansen,
Geschäftsführer des KTK-Bundesverbandes, Freiburg/Berlin

1. Dass sich das Thema Kita als Dienstleistungsorganisation nach anfänglichem Aufschrei dennoch etabliert hat;

die Einführung von Bildungsplänen;

die Etablierung von QM-Systemen;

dass wir uns länderübergreifend mehr oder weniger auf ein ganzheitliches Bildungsverständnis verständigt haben;

der nun vorliegende Zwischenbericht von Bund und Ländern, in dem erstmals gemeinsame Qualitätsziele formuliert sind.

2. Dass aus dem Zwischenbericht ein „Bundesqualitätsentwicklungsgesetz“ und kein Bundesqualitätsgesetz hervorgeht;

Bildungspläne vielfach nicht verbindlich sind und nur in einem Bundesland konsequent evaluiert werden;

dass wir immer noch ein Fachberatungsverständnis diskutieren, das auf Freiwilligkeit beruht;

dass die Definition von multiprofessionellen Teams nach wie vor auf sozialpädagogische/pädagogische Berufe reduziert wird…

3. Bei allem Respekt vor dem Föderalismus ein wenig mehr Bundeskompetenz im Bereich der Bildung schaffen!

______

 

Helen Knauf, Prof. Dr,
Hochschule Fulda

1. Das iPad. Weil es ganz neue und vielfältige Bildungs- und Kommunikationschancen für ALLE Kinder, Fachkräfte und Eltern in Kitas eröffnet.

2. Die Akademisierung der frühpädagogischen Fachkräfte.

Weil sie so halbherzig angegangen wurde.

3. k. A.

______

 

Udo Lange,
Erzieher, Dipl. Sozialpädagoge, Spielraumplaner und Baukünstler, Fortbildner, Autor, Freiburg i. Brsg.

1. Die Entdeckung des Waldkindergartens

2. Meine größte Enttäuschung?

Dass wir noch immer über Chancengerechtigkeit und verlässliche Bildungsstandards diskutieren müssen.

Die größte Überraschung?

Dass trotz reformbedürftiger Rahmenbedingungen und mangelnder gesellschaftlicher Anerkennung sich begeisterungsfähige Menschen finden, die das System Kindergarten mit verantwortungsvollem Engagement und viel Herzblut füllen.

3. Mehr Gelassenheit und Mut zum Wilden Denken…

Mehr Widerstand gegen bürokratische Bevormundung und akademischen Nonsens…

Mehr Künstler, Handwerker und Weltenbummler in die Kitas…

______

 

Gerlinde Lill, Dr.,
Beraterin, Fortbildnerin und Netzwerkerin

1. Die wichtigste Veränderung liegt für mich im neuen Bildungsverständnis: Bildung kann man nicht „machen“, Bildung ist der Prozess der Kinder. Und: Kinder müssen nicht motiviert werden, sie sind es von Anfang an. Sie wollen sich entwickeln, alles können, was die Großen können, selbstständig und wirksam sein. Dafür strengen sie sich an, bleiben hartnäckig an ihren Vorhaben, kooperieren mit anderen, kommunizieren mit den Ausdrucksmitteln, die sie zur Verfügung haben. Alle, in jedem Alter. Das ist ein Paradigmenwechsel.

Wunderbarerweise passt das Streben von Kindern nach Autonomie und Zugehörigkeit zu den Bildungszielen einer demokratischen Gesellschaft: Selbstbestimmung und Eigenverantwortung sind Basiskompetenzen, für die Bildungseinrichtungen Erfahrungsfelder bieten können (und sollen). Die Bildungspläne und -programme der Länder, so unterschiedlich sie auch sind, bauen alle auf diesen Grundgedanken auf.

Die praktisch wirksamste Veränderung ist, was daraus für pädagogische Professionalität folgt: Weg von der Dominanz der Erwachsenen, die entscheiden, was für Kinder „das Beste“ ist, hin zum Recht der Kinder, über ihren Körper, ihre Beziehungen, ihre Zeit (und anderes mehr) selbst zu bestimmen und ihrer inneren Motivation zu folgen. Weg von den erzieherischen Absichten, hin zur Unterstützung eigenmotivierter Bildungsprozesse. Weg von vordefinierten Lernräumen, hin zu einem Lebensort, den alle gemeinsam nach ihren Wünschen gestalten und verändern.

2. Meine größte Enttäuschung hängt mit Punkt 1 zusammen: Ich habe gedacht (gehofft), dass die Erkenntnisse der Frühpädagogik, der Hirnforschung und vor allem die Praxiserfahrungen zu flächendeckenden Wandlungsprozessen im Denken und Handeln der (nun so genannten) Fachkräfte führen würde. Das war leider nicht der Fall.

Eigentlich ist das kein Wunder. Denn das alte Muster „Alles Gute kommt von oben“ hat sich in Bezug auf die Erwachsenen unverdrossen gehalten. Es wird eingetrichtert und abgeprüft, sie werden umgeschult und umgepolt, es wird implementiert und evaluiert, was das Zeug hält – sogar beim Thema Partizipation. So wird sich ein Umdenken und Umhandeln schwer erreichen lassen. Denn was für Kinder gilt, gilt auch für Erwachsene: Bildung ist ein eigenmotivierter Prozess – oder geht schief.

Die größte Überraschung haben mir einige Teams und Kolleginnen in den neuen Bundesländern beschert, die sich mit enormer Freude und Energie daran gemacht haben, ihre Arbeitsweisen Schritt für Schritt zu verändern und Kindern (und sich selbst) neue Erfahrungen zu ermöglichen.

3. Die Fülle von bürokratischen Anforderungen reduzieren (zum Beispiel die elenden Beobachtungs- und Dokumentationsvorgaben). Dann bestünde die Chance, dass die verbreitete schlechte Stimmung sich verbesserte, weil die Praktikerinnen ihre Zeit den Kindern, den Eltern und sich gegenseitig schenken könnten…

Die unverdrossene Ausrichtung der Bildungseinrichtung Kita auf die Bildungseinrichtung Schule – statt umgekehrt. Auch dabei hat sich gezeigt: Es verändert sich nur, was man selbst und mit anderen zusammen anpackt.

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Foto: photocase, EzraPortent

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Kirstenmalzwei

… sind Kirsten Ehrhardt und Kirsten Jakob. Beide haben Kinder mit Behinderung und sind in Elterninitiativen für Inklusion in Baden-Württemberg aktiv. So erleben und hören sie eine Menge Inklusives und weniger Inklusives. Darüber schreiben sie jede Woche auf ihrem Blog:

Schnuppern

Heute ist Schnuppertag im Kindergarten. Die Mutter ist glücklich, denn es ist eine inklusive Einrichtung. Schon einige Kinder mit Down-Syndrom waren dort. Fotos von ihnen hängen eingerahmt im Flur. Lachende lustige Kinder. Auch das mädchen ist mit dem Down-Syndrom geboren worden.

Die Erzieherin nimmt es freundlich in Empfang. Die Mutter geht nach Hause. Als sie mittags wieder kommt, sitzt das Mädchen mit einem Stück Knete in der Hand in einer Ecke. Die Erzieherin schaut nicht mehr ganz so freundlich. Sie erzählt: Das Mädchen sei ja sehr still. Sehr misstrauisch. Habe nichts mitmachen wollen. Habe um sich geschlagen, als die anderen es in den Kreis holen wollten. Habe schließlich ganz allein für sich gemalt. Allerdings nur Krickelkrakel. Und gelächelt: kein einziges Mal.

Die Mutter nickt. Sie kennt ihre Tochter schließlich gut.

„Wir haben uns hier eigentlich bei der Inklusion auf Kinder mit Down-Syndrom spezialisiert“, sagt die Erzieherin, „weil die immer so reizend sind. Aber ich spreche mal mit dem Team. Vielleicht können wir bei Ihrer Tochter auch mal eine Ausnahme machen.“

 

Raus

Und raus jetzt!

Widerwillig rollt er dann immer aus dem Klassenzimmer in den Raum, der „Differenzierungsraum“ heißt. Manchmal heißt er auch „Inklusionsraum“.

„Ich will hierbleiben bei meinen Freunden“, sagt
der junge heute. „Aber im kleinen Raum kannst Du Dich viel besser konzentrieren“, sagt die Sonderpädagogin, „hier ist es viel zu laut für Dich!“

„Mir ist es nicht zu laut“, murmelt er und bleibt einfach sitzen. Zwischen all den fröhlich schwatzenden Kindern.

„Aber ICH kann mich hier nicht konzentrieren!“, ruft die Sonderpädagogin laut.

Er rollt mit den Augen. Und stellt die Bremse an seinem Rollstuhl noch ein bisschen fester.

 

Bärchen

Heute gibt es das Diktat zurück. Alle schauen aufgeregt, welche Zensur sie bekommen haben. Sein bester Freund kommt zu ihm: „Und was hast Du?“

Er hält ihm das Blatt hin. Einen langen Text hat er nicht geschrieben. Dafür alle Namen der Klassenkameraden.

Alle richtig geschrieben. „Janis“ hatte er besonders lange geübt. Unter den Wörtern sind drei Bärchen aufgestempelt. Breit grinsende Bärchen.

„Hä“, sagt sein Freund, „was issen das für’n Scheiß?“

Er zuckt mit den Achseln. Ein anderer Junge kommt dazu.

Auch er schaut sich das Blatt an: „Du hast doch alles richtig“, sagt er, „dafür müsstest Du eine 1 bekommen.“

„Wart mal `nen Moment“, sagt sein Freund. Sie warten, bis die Lehrerin sich umdreht. Heute bringt er stolz seine erste „1“ mit nach Hause. Groß und rot steht sie unter drei grinsenden Bärchen. Mit einer ziemlich unleserlichen und krakeligen Unterschrift. Wie Unterschriften halt so aussehen.

 

Elternabend

„Das wäre doch schön“, sagt ein Vater beim Elternabend, „wenn sich die Inklusionseltern einmal vorstellen.“

Stille.

Niemand meldet sich.

Nicht der Vater, der von Geburt an nur eine Niere hat.

Auch nicht die Mutter, die seit langem schon in psychiatrischer Behandlung ist.

Auch nicht der Vater, der inzwischen mit einem anderen Vater zusammenlebt.

Und auch nicht die Mutter des Kindes, das nach der Trennung der Eltern wieder jede Nacht ins Bett macht.

Und auch nicht die Eltern des Jungen, der schon mit drei Jahren fließend lesen konnte.

Und auch nicht die Mutter des mädchens.

Schließlich einigt man sich.

Alle Eltern stellen sich einmal kurz vor.

Und jeder erzählt über sich und seine Familie, was er möchte.

 

Gruppen

Ein großer Runder Tisch.

Es geht um Inklusion in der ersten Klasse.

Die müsse man „gruppenbezogen“ umsetzen, zitiert der Schulrat aus dem Gesetz.

Auf der einen Seite sitzen die Eltern der Kinder mit Behinderung, die für die eine Gruppe in der einen ersten Klasse vorgesehen sind.

Auf der anderen Seite sitzen die Eltern der Kinder mit Behinderung, die für die andere Gruppe in der anderen ersten Klasse vorgesehen sind.

Die Eltern der Kinder ohne Behinderung sind nicht eingeladen. Sie melden ihre Kinder einfach ganz normal im Sekretariat an.

Am Ende der Sitzung nicken alle Eltern. Der Schulrat ist erleichtert.

Er hat seine „Gruppenlösungen“ unter Dach und Fach.

Die Direktorin steht auf.

„So“, sagt sie energisch und fröhlich, „heute haben wir aber das letzte Mal von irgendwelchen Gruppen gesprochen. Ich habe hier an meiner Schule nur Klassen und Kinder. Herzlich willkommen!“

 

Nachruf: Hildegard Wies

Geboren am 18. November 1946  Gestorben am 24. Januar 2017

 

Wir können Hildegard Wies – Erzieherin, Kita-Leiterin in Neunkirchen und Fortbildnerin – nicht mehr treffen, nicht mehr mit ihr sprechen. Das ist traurig. Sie fehlt uns.

Hildegard hatte ein erfülltes Leben. Sie hat Menschen miteinander verbunden, angeregt und ermutigt. Vorbild bleibt sie vielen von uns, weil sie Verständnis für Lebenswege, Lebensfragen und Lebenswirrnis hatte. Dass sie auch viel Lebenslust hatte, machte sie besonders liebenswert.

Über ihre Arbeit berichtete Hildegard gern, weil sie diese Arbeit liebte.
Auch schwierigen Themen stellte sie sich. So bleibt sie uns in Erinnerung.

„Tod“ ist schon ein besonderes Thema. Es hat eine andere Tiefe als zum Beispiel das Thema „Zeit“. Dass Eltern und Mitarbeiterinnen sich bei so einem Thema Sorgen machten oder verwundert waren, verstand ich, denn ich hatte keine Ahnung, was in deren Biografien eine Rolle spielte, womit sie gerade beschäftigt waren und weshalb sie womöglich an Grenzen stießen. Sie zeigten es mir durch Anfragen oder Zurückschrecken.

Mir ging es ja nicht anders. Als mein Vater gestorben war, konnte ich nicht trauern. Aber als ein Kind ein Bilderbuch vorgelesen haben wollte, das von Tod handelt, konnte ich auf einmal nicht mehr weiterlesen, weil mir die Tränen kamen. Später fragte ich die Kolleginnen, wer in solchen Fällen einspringen könnte. „Tod“ ist nun mal ein existenzielles Thema. Doch nicht das einzige.

Existenzielle Themen kamen schon vor, als ich noch eine junge Leiterin war. Ich gehöre zur 68er Generation und war eine Bewunderin der Kinderladen-Bewegung, denn ich hatte in meiner Kindheit schwarze Pädagogik pur „genossen“. Das Kind endlich in all seinen Bedürfnissen sehen! Das war für mich eine Offenbarung, und ich gab mir Mühe, meine eigenen Kinder antiautoritär zu erziehen. In dieser Zeit wurden viele Kindergärten freizügiger. Auch wir.

Eines Tages fragte ein Kind im Morgenkreis, den es damals noch gab: „Wie geht das denn mit dem Kinderkriegen?“ Die Erzieherin der Gruppe war hochschwanger und dachte: Jetzt muss ich die Wahrheit sagen.

Die Kinder wurden abgeholt. Beim Mittagessen erzählten sie zu Hause, wie das mit dem Kinderzeugen ist, in allen Einzelheiten. „Was?! Und das in einem Katholischen Kindergarten!“ Mein Telefon klingelte unentwegt. Die Kollegin wurde angegriffen und war am Boden zerstört. Wir trösteten sie, und ich sagte: „Du warst so mutig! Wir überlegen jetzt, wie wir es beim nächsten Mal anders und besser hinkriegen. Man muss die Wahrheit sagen. Aber man muss sie nicht immer sofort sagen. Man kann auch sagen: Weißt du, das ist so ein wichtiges Thema, darüber muss ich erst mal nachdenken, denn ich merke, dass es mir nicht leicht fällt. Darf ich darüber noch einen Tag lang nachdenken?“ Auf diese Weise hätte die Kollegin sich Rat holen können. Sie sagte, es sei für sie eine Mutprobe gewesen. Ausgerechnet vor 25 Kindern und im Morgenkreis…“

 

Wir bauen eine neue Stadt

Ein visionärer Blick auf die Zukunft der Pädagogik oder ein Beitrag über das Selbstverständliche, das alles andere als selbstverständlich ist: Drei Wochen Mini-München Mit ungefähr 1500 Kindern warten wir morgens vor den Zenith-Hallen in München Freimann darauf, reingelassen zu werden. Bis Mittag wird man fast 2500 Kinder zählen. In den nächsten drei Wochen will ich…

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Großmütter

Großeltern lieben ihre Enkel vorbehaltlos, einfach nur, weil sie da sind. Es entsteht ein emotionales Nest, ein Zwischenraum, in dem Erziehungsziele nur peripher eine Rolle spielen. Müssen und Sollen, Lob und Tadel scheinen für den Moment ausgehebelt. Omas und Opas dürfen ihre Enkel verwöhnen, ihnen Dinge durchgehen lassen, die daheim anders laufen. Diese oft bedingungslose…

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