Woher stammt eigentlich die Wendung „auf dem roten Teppich“?

Rot hat es in sich – nicht nur bei der Auslegware. Der rote Teppich, mit dessen Ausrollen man einem Gast Ehre erweist, verdankt seine Farbe wohl der Seltenheit rotfärbender Materialien. Er steht in der Tradition roter Gewänder, die schon im alten Ägypten Göttern zugeschrieben wurden.

Im römischen Reich stand nur dem Kaiser ein roter Umhang zu, der mit Hilfe eines sehr kostbaren Farbstoffs gefärbt wurde: das Drüsensekret der Purpurschnecke. Fortan blieb Purpur lange die Farbe der Könige und ging auf die Teppichbahnen über, die hohem Besuch bis heute zu Füßen gelegt werden.

Dass Verkehrsschilder rote Ränder haben, rote Ampeln „Stopp“ sagen und Schranken rot-weiß lackiert sind, hat mit der Signalwirkung der Farbe Rot zu tun. Genauso stark ist auch die Signalwirkung von Grün. Deshalb treten beide Farben schon lange als Pärchen auf – etwa bei Seezeichen: Backbord rot, Steuerbord grün.

Nicht immer warnt Rot. Autos und Züge haben vorn helle, weiße Lichter, während die ungefährliche Rückseite rot beleuchtet ist. Die „rote Laterne“ hält der Letzte in der Hand, zum Beispiel der Abstiegskandidat in der Bundesliga. Die Rolle als Schlusslicht hat Rot, weil es durch seine Färbung schwächer, schummeriger wirkt als Weißlicht. Deshalb war rotes Licht auch namensgebend für das „Rotlichtviertel“ samt seiner Etablissements.

Roter Teppich

Rot zieht an, in sexueller Hinsicht wie bei der Nahrungssuche. Viele Beeren sind rot. Diese Kontrastfarbe zu all dem Grün der Umgebung verschafft ihnen evolutionäre Vorteile. Andererseits: Viele Beerenfresser unter den Säugetieren sind farbenblind – wie übrigens auch 10 Prozent aller Jungen und Männer – und folgen daher bei der Beeren-Pirsch eher dem Geruch. Genauso geht es den Bienen: Sie erkennen kein Rot und fliegen eher auf weiße und blaue Blüten.

Die meisten Menschen und ihre äffischen Verwandten reagieren jedoch auf Rot, bevorzugen nicht nur rote Früchte, sondern nehmen gerötete Körperstellen beieinander als erotischen Reiz wahr. Man denke nur an knallroten Lippenstift, Nagellack und an den Pavian-Popo.

Auf die Ampel geht ein längst in unserem Wortschatz beheimatetes Fußball-Accessoire zurück: die Rote Karte. Es gibt sie seit 1966. Im Spiel England gegen Argentinien ignorierte der betroffene Spieler den mündlich ausgesprochenen Platzverweis eines deutschen Schiedsrichters damals fast 10 Minuten lang: „Hab ich gar nicht gehört!“ Deshalb entwickelte man eine deutlich zu erkennende optische Anzeige für Platzverweise und Verwarnungen. Nichts eignete sich auf einem grünen Feld besser als das komplementäre Rot.
Studien auf Fußballplätzen belegen, dass Rot sogar beim Siegen hilft. Teams im roten Dress sind statistisch erfolgreicher als Spieler in anderen Farben. Sieht der Fußballer also rot, muss er reumütig vom Platz oder sich dem roten Gegner wacker stellen.

Die Redewendung „Ich sehe rot“ wiederum geht auf den Stierkampf zurück, auf das rote Tuch des Toreros, die Muleta, mit dem er den Stier reizt. Zwar sind alle Rinder farbenblind und ärgern sich wahrscheinlich nur über das Rascheln des Tuchs, das ursprünglich weiß war. Rot wurde es, weil es sich bei einem so blutigen Spektakel ohnehin in dieser Weise verfärben würde.

Ja, die Welt der Farbsymbolik ist voller Rätsel und Widersprüche: Wieso trägt jemand, der schamvoll errötet, genau jene Farbe im Gesicht, die Gegnern angeblich Angst macht? Wieso kann man rot vor Wut, aber im gleichen Moment grün vor Eifersucht und gelb vor Neid sein? Weil man eine rabenschwarze Seele hat? Und wieso wird einem manchmal einfach alles zu bunt?

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Michael Fink ist Autor und Fortbildner.

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