GEGENGIFT

Den Artikel gibt es hier als PDF: Panorama_#2_2024

wamiki-Hitliste: Alles wird gut

Was singen, tanzen die wamikis beim Herstellen diese Ausgabe?
Tango im Treibsand? I’ll kill her?
Alles wird gut! Hört selbst:

Toxisch weiblich

„Dauernd nehme ich ­Ambivalenzen wahr zwischen dem, was ich will, und ­dem, was ich tue …

Was lauert da in uns weiblich sozialisierten Menschen, dass wir uns immer wieder gegen uns selbst und andere richten?“
Sophia Fritz analysiert ­Weiblichkeit in all ihren ­Facetten und liefert spannende Impulse für ein neues Miteinander.

 

 

 

 

 

 

Wie gelingt Veränderung? Teil 1
Mut zu Fehlern

Dirk von Gehlen plädiert für eine bessere Fehlerkultur: Demnach ist ein Fehler besser,

… wenn du ihn nicht persönlich nimmst,

… du ihn erklären kannst – und das auch tust,

… du draus lernen kannst,

… der Fehler nicht absolut ist,

… du verzeihen kannst,

… du auch schlechtere Fehler akzeptierst.

Wie gelingt Veränderung? Teil 2
10 Sätze, um deine Veränderungs-Fitness zu steigern:

1 Veränderung ist wie Sport. Du wirst besser, wenn du ihn machst. Muskeln schrumpfen, wenn du sie nicht benutzt. Aber sie wachsen, wenn sie ­herausgefordert werden. Trainiere regelmäßig und du stellst fest:

2 Veränderung ist keine Ausnahme, auch wenn es sich so anfühlen mag. Das Leben ist Veränderung. Je mehr du diese gestalten kannst, umso besser!

3 Kultur geht nicht unter, sie geht weiter.

4 Eine wichtige Voraussetzung für Veränderung: deine Fähigkeit zur Selbstreflexion! Frag dich stets: Was wäre, wenn das Gegenteil richtig wäre?

5 Wir suchen ständig nach neuen Lösungen. Auf dieser Grundhaltung basiert ­wissenschaftlicher Fortschritt –
und sie hilft dir, Veränderungen zu gestalten.

6 Die beste Übung: Gegensätze aushalten und die Welt aus einer anderen Perspektive betrachten.

7 Denn: „Bildung ist die Fähigkeit, Dinge aus der Perspektive eines anderen zu betrachten.“ (H. G. Gadamer)
Bilde dich in diesem Sinn weiter!

8 Das größte Privileg einer freien Gesellschaft ist die Möglichkeit, die eigene Meinung zu ändern. Mach davon Gebrauch!
Korrigiere deine Fehler, lerne aus ihnen und versuche, auf neue Gegebenheiten zu reagieren.

9 Wer nicht in der Lage ist, seine Meinung zu ändern, unterschätzt auf dramatische Weise die Komplexität der Welt. (J. Bezos)

10 Vielleicht ist auch das Gegenteil richtig. Finde es heraus!

Foto: table / Photocase

Streiten

Gestritten wird ständig. Im Team, in der Familie, beim Essen, in Talkshows, in Regierungen, bei TikTok. Über Gefühle, Geld, Staatsgrenzen. Und wenn’s dumm läuft, stehen am Ende alle als Verlierer da. Kein Wunder, dass die meisten keinen Bock auf Streit haben. Aber ohne geht’s halt auch nicht, allein schon der Demokratie wegen. Wie also streiten, ohne dass es so verdammt wehtut, sondern vielleicht sogar konstruktiv wird?

Könnt ihr hier erkunden:

 

22 populäre Mythen

Hein de Haas ist einer der führenden Migrationsforscher weltweit. Er weiß, wovon er schreibt, und er tut in seinem Buch nichts anderes, als die vielen Behauptungen, die es über Migration gibt (Welt steht vor Flüchtlingskrise, Ausländer nehmen uns Arbeit weg, Zuwanderung bringt Verbrechen) mit Tatsachen zu konfrontieren, Forschungsergebnissen, Statistiken, Untersuchungen. Was dabei herauskommt (Welt steht nicht vor Flüchtlingskrise, Ausländer nehmen uns nicht die Arbeit weg, Zuwanderung bringt nicht mehr Verbrechen), ist oft nicht das, was Lesende vorher gewusst zu haben meinen. Es ist aber wissenschaftlich gut begründet. Und nicht selten erstaunlich.

 

 

Wie erkläre ich Kindern Rassismus?

Rassismus ist strukturell und prägt Kinder von klein auf. Josephine Apraku bietet mit ihrem gleichnamigen Buch eine Basis, Kinder antirassistisch zu begleiten: vom Kleinkindalter bis zur Pubertät. Grundlegende Infos, praktische Tipps und ein Glossar der wichtigsten Begriffe runden das Buch ab.

 

Amtszeichen

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Benjamin Sauer setzt sich in seiner Arbeit mit dem Verwaltungsapparat und den darin arbeitenden Menschen auseinander. Jene, die hinter den nüchternen Fassaden, Warteräumen und langen Fluren arbeiten.

Seine Bildserie ist eine Momentaufnahme deutscher Behördenkultur. Sie ist selbst wie ein Gang über lange Behördenflure: Man weiß nie, was sich hinter der nächsten Ecke, der nächsten Türe oder im Stockwerk über einem verbirgt und entdeckt werden möchte.
 

 

 

 

 

 

 

Benjamin Sauer wurde 1978 in Waiblingen geboren und verbrachte große Teile seines Lebens in Baden-Württemberg. In Schwäbisch Hall absolvierte er das Abitur und in Schwäbisch Gmünd das Studium der Kommunikationsgestaltung an der Hochschule für Gestaltung. Er lebt und arbeitet in Berlin.

Info und Kontakt:
www.benjaminsauer.de

Gedicht: Boris Poplawski

Es naht der Morgen,
aber noch ist es Nacht

Ich bin vergiftet, schwimme in den Gischten,
ein zäher Unrat spült mich hoch hinaus,
und ganz allmählich unter mir erlischt schon
die böse Kohlenglut, mein Höllenhaus.

Und an der Pfütze, wo sich Räder winden,
singt eine Diva im Fabrikgeviert,
wie schwer es ist, den rechten Mann zu finden,
wie früh man doch sein schönes Haar verliert.

Über dem Bach voll Hallen und voll Leichen
posaunt die Hupe ungestüm und schrill,
des Abends Bannertuch, das rötlich bleiche,
vom Himmelsfrost ins Album kommen will.

Und im Verglühen des Dezembersommers
ist aus dem zähen Wasser voller Gift
ein riesiges Skelett emporgekommen,
das wachsend sieche Gärten übertrifft.

 

Foto: Screeny/photocase

Giftige Fragen

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Gift ist das Thema des Heftes. Ein Thema mit merkwürdigem Beigeschmack, was wiederum überraschend gut zum Begriff „Gift“ passt. Schmeckt der Tee, den du mir servierst, nicht irgendwie verdächtig? Was verbindet unsere Kultur mit Gift, und was unseren Bildungsbereich? In diesem Text untersuchen wir anhand von sieben Fragen unsere Beziehung zum Gift.

Warum heißt „Gift“ so wie das englische Wort für Geschenk?

„Gift“ ist ein Wort mit harmloser Wurzel. Es entstammt dem Niederdeutschen und ist eine Form von „geben“, die also „Gabe“ bedeutet: Du givst mi wat, un dat is dann Gift. Im Englischen, das sich unter anderem aus Plattdeutsch entwickelt hat, ist diese Form erhalten geblieben, ebenso in der deutschen „Mitgift“. Mit „Gift“ bezeichnete man im Deutschen zunächst jede Form von wohltuender Gabe im Sinne einer Medizin. Weil aber fast jede Arznei bei falscher Dosierung giftig ist, siehe auch den Spruch „Die Dosis macht das Gift“, entwickelte sich die heutige Bedeutung von Gift.

Ist der Giftmord eine Spezialität von Frauen?

Männer morden mit roher Gewalt, Frauen mit Gift: Uralt ist die Vorstellung, dass vor allem Frauen Giftmörderinnen sind. Die Statistik bestätigt diese These nicht. Denn erstens morden Frauen ohnehin viel seltener als Männer, und zweitens gibt es auch keine besonderen statistischen Auffälligkeiten in Bezug auf die Verwendung von Gift.

Aber woher kommt die Vorstellung?

Sie ist ziemlich alt und wurde wohl vor allem durch literarische Giftmörder­innen geprägt. Erinnern wir uns an die Bibel, in der die erste menschliche „Sie“ – Eva – durch unbedachten Genuss eines toxischen Apfels unseren Aufenthalt im Paradies beendet hat. Eines der wenigen als weiblich bezeichneten Tiere – die Schlange – spielte dabei die Hauptrolle.

Die Vorstellung der Giftmörderin passt gut zu einem ungleichen Bild der Geschlechter, bei der Männer unvergleichlich stark sind – und Frauen nur die Möglichkeit haben, mit List statt mit Stärke zu morden. In Krimis lebt das Bild überraschend oft fort, wo immer wieder der Satz fällt: „Also von der Körperkraft her kommt nur ein Mann als Täter in Frage!“

Ist toxisches Verhalten eine Spezialität von Männern?

Etwas modernere Männer morden nicht mehr, sondern beißen Konkurrent*innen weg, lautet eine weitere Vorstellung rund ums Gift: Ein solches Verhalten wird heute oft mit dem Ausdruck „toxische Männlichkeit“ bezeichnet.

Interessant, dass der Begriff ur­­sprünglich eine leicht abweichende Bedeutung hatte und aus einer progressiven Männerbewegung der Siebziger- oder Achtzigerjahre stammt: Mit „Toxische Männlichkeit“ bezeichneten die Erfinder des Begriffes das klassische Selbstkonzept von Männern, bei dem Gefühle verdrängt und Gesundheitsgefahren ignoriert werden. Indem Männer nach dem Motto „Ein Junge weint nicht“ leben und Alkohol, Nikotin sowie Schlägereien als Ausdruck ihrer Rollenerwartung begreifen, vergiften sie sich selbst — voll „toxisch“.

Inzwischen scheint der Fokus mehr auf den Opfern männlichen Dominanzverhaltens zu liegen, was die Frage aufwirft: Gibt es das Ringen um Macht und Einfluss auch in von Frauen geprägten Arbeitsbereichen wie in der frühen Bildung? Verwenden Erzieherinnen und Lehrerinnen die gleichen ­toxischen Sprüche und Ausgrenzungsmechanismen, die an Männern ausgemacht werden, kaschieren sie diese eventuell besser unter dem Deckmantel, es doch einfach nur gut für alle zu meinen oder machen zu wollen?

Ist heute alles giftig?

Sieht man sich im Lebensmittelladen, beim Möbelgeschäft oder der Drogerie um, hat das Thema Gift eine große, wenn auch unterschwellige Präsenz: Was dort angeboten wird, ist oft „frei von“ allerlei als giftig geltenden Stoffen. Was die Frage aufwirft, ob Produkte ohne angegebene Schadstofffreiheit bei unbedachtem Konsum zu Vergiftungserscheinungen führen könnten? Berechtigte Warnungen von Verbrauchermagazinen haben mittlerweile das Bild erzeugt, dass überall irgendeine Form von Gift drinsteckt: PFAS in der Pfanne und der Outdoorjacke, FODMAPS im Roggenbrot, all die E’s im Joghurt, Weichmacher im Sofa, Radioaktivität im Steinpilz … Vielleicht ist es Folge dieser Vielzahl von Gefährdungen, dass zunehmend auch virtuelle Güter als „giftig“ gebrandmarkt werden: Medien „vergiften“ durch einseitige oder falsche Darstellung das Volk, Computerspiele sind „toxisch“ für die Jugendlichen, kesse Sprüche „vergiften“ sachliche Diskussionen, und jedes *innen am Wortende vergiftet mindestens „den Leser“, vielleicht auch „die Leserin“.

Ist überall Gift drin, wo früher reine Natur war?

Nein, wenn überhaupt ist das heutige Gift subtiler unter uns. In der Zeit schlechter Heizungen war die Innenraumluft voller Feinstaub; die Fabriken vergifteten ungestört Fluss und Luft; aus Armut wurden schimmlige Speisen oder gar als potentiell giftig geltende Pilze verzehrt. Die Gefahren durch Gifte in unserer Wohlstandsgesellschaft sind dazu – und im Vergleich zum Alltagsleben in wirklich armen Ländern! – lächerlich gering.

Mögen Kinder Gift?

Wer im Rollenspielraum zuschaut, wie Kinder die Kernszenen aus Schneewittchen nachspielen, könnte den Eindruck bekommen. Es macht großen Spaß, erst mit hämischem Gesichtsausdruck Apfelsaft mit Puderzucker zu verrühren, das Mixgetränk jemand anderen anzubieten, der es dann gierig trinkt, um plötzlich mit weichen Knien und einem Schrei umzukippen: „Ich wurde vergiftet!“

Kinder begegnen dem Thema nicht nur im Märchen, sondern wohl auch in den zahllosen Warnungen heutiger Eltern, irgendetwas könne bei aller Verführungskraft „schädlich“ sein: Ein Eis zu viel, zu lange aufbleiben, drei Minuten das falsche Video sehen … „ist nicht gut für dich“. Ob solche Warnungen bei Kindern das Bild einer giftigen Welt hinterlassen?

Besonders bedenklich könnten sich solche Gift-Warnungen auswirken, wo gerade beim Thema Essen Kindern als Alternative zu „schädlichen“ Leckereien Speisen angeraten werden, die diese intuitiv für schädlich halten: Nach Ansicht vieler Ernährungswissenschaftler *innen verweigern Kinder den Genuss von Brokkoli, Rosenkohl und Co vor allem, weil sie deren Farbe oder Bitterkeit evolutionsbedingt als „giftig“ assoziieren.

Können wir uns „detoxen“?

Gut, dass es Gegengifte aller Art gibt! Das Teeregal in der Drogerie bietet reichhaltige Angebote an „Detox“-Produkten, die genauso wie der Verzicht auf Handys beim „Digital Detox“ Entgiftung versprechen, indem man angeblich aufgenommene Giftstoffe ausschwemmt. Auch die Achtsamkeitswelle der letzten Jahre kann man getrost als Antwort auf das Grundgefühl sehen, dass Gift überall in uns und in unserem Umfeld steckt.

Eigentlich kann man die Sache mit dem Gift auf einen einfachen Nenner bringen: Hinter dem Gift steckt wie einst bei Eva, der Schlange und dem Apfel im Paradies die Verlockung, der man unbedacht auf den Leim gegangen ist. „Gift“ heißt: Etwas sieht gut und lecker aus oder fühlt sich lustbringend an; hinterlässt aber schwere Schäden. Darüber nachzudenken, kann in einer Zeit drohender Klimakatastrophe und wachsenden Rechtsextremismus niemals schlecht sein. Suchen wir das Gegengift!

Bilderrätsel

Welchen Begriff aus der Pädagogik haben wir im übertragenen Sinn collagiert? Die Buchstaben in den hellen Kästchen ergeben
den Lösungsbegriff. Unter Ausschluss des Rechtsweges verlosen wir 10 x das Buch „Wilde Tiere in der Kita“ von Herbert Österreicher.

PS: In Heft 5/2023 suchten wir den Begriff: Tischkultur.
Die Redaktion gratuliert allen Gewinnerinnen und Gewinnern.

Bild: Marie Parakenings

 

Schickt eure Lösung per Post an:
wamiki. Was mit Kindern GmbH
Kreuzstr. 4 ∫ 13187 Berlin
oder per E-Mail an: info@wamiki.de
Stichwort: Bilderrätsel.
Einsendeschluss ist der 1. Mai 2024.

Das pädagogische Wir

Pädagogik aufräumen:

Pädagogik lebt von Ritualen, heißt es. Erzieher, Lehrer und *innen machen alles Mögliche, weil es nun mal derzeit üblich oder sogar vorgeschrieben ist. Egal, ob es Sinn hat oder nicht. Sinnvoll ist es aber auf jeden Fall, ab und zu auszumisten. Deswegen stellt diese Rubrik pädagogische Gewohnheiten aufs Tapet und fragt ganz ergebnisoffen: Ist das päda­gogische Kunst, oder kann das weg?

Das pädagogische Wir

Keine Ausdrücke verwenden! Nicht in der Garderobe toben! Warten, bis man dran ist: In jedem Kindergarten gibt wichtige Regeln und manchmal vielleicht auch ein paar unwichtige. Dass diese Regeln für alle Kinder gut sind, sagt das pädagogische Wir. Wie freundlich und selbstverständlich das klingt: „Wir verwenden keine Ausdrücke!“ „Wir toben nicht in der Garderobe!“ „Wir warten, bis wir dran sind!“

Leider hört man dieses nette Wir meist, wenn es nicht ganz stimmt, weil jemand gegen eine der Regeln verstößt: „Jara, wir verwenden keine Ausdrücke!“ Doch die Wir-Form weist eine sprachliche Doppeldeutigkeit auf. Wir heißt im Deutschen einerseits: „Ich, du und alle anderen“, andererseits aber auch „Ich und alle andern – außer dir!“ Wenn Jara gerade „Kakamann“ gesagt hat, wechselt die tadelnde Erzieherin blitzschnell von der ersten zur zweiten Bedeutung. Statt „Das machen wir nicht“ heißt es plötzlich: „WIR verwenden keine Ausdrücke. DU schon“. Das klingt wie: „Du gehörst nicht dazu.“

Ist das nur ein sprachliches Problem? Nein. Wer die Einhaltung von Regeln anmahnt, sollte vermeiden, Personen wegen eines Regelverstoßes auszugrenzen, denn das macht die Sache eher schlimmer. Außerdem suggeriert manches „Wir“ ein Einvernehmen, das es gar nicht gibt: Die meisten Kinder haben kein Problem mit dem Toben in Garderoben, die ErzieherInnen schon. Wir gegen wir.

Was kann man tun, um die Einhaltung von Regeln anzumahnen? Präzise bleiben und benennen, wer „Wir“ ist. „Wir alle mögen es nicht, mit Ausdrücken benannt zu werden. Wir Erzieherinnen finden es gefährlich, wenn ihr Kinder hier tobt.“ So können wir Erwachsene dazu beitragen, dass alle über notwendige und fragwürdige Regeln ins Gespräch kommen.

Und die Welt, sie fliegt hoch

Jugendbuch

Draußen, wo Juri nicht ist, ist Sommer. Die anderen sind im Freibad oder im Eiscafé. Er fürchtet sich vor der Welt. Wie ein Komet schlägt da eine Whatsapp-Nachricht ein. „Hallo, ist da jemand?“, fragt Ava. Ava und er kennen sich aus der Grundschule, jetzt hat Ava Hausarrest, „wegen einer Sache“. Die eine darf nicht raus – der andere will nicht. Zwischen diesen Polen entwickelt die Autorin Sarah Jäger ein exzellentes Spiel aus Selbstdarstellung und Selbsterkenntnis. Dafür bedient sie sich einer Form, die so jugendnah und zeitgemäß wie ungewöhnlich ist: Der Roman besteht ausschließlich aus Kurznachrichten. Bald sprechen Ava und Juri immer offener an, was sie umtreibt. Sie nehmen ihren Abflug ins eigene Leben in Angriff. Ab zwölf Jahren.

Aaah, diese Menschen!

Bilderbuch

In der aktuellen Flut von Rettet-die-Welt-Büchern für Kinder und Jugendliche fällt ein Buch durch Witz auf: „Aaah, diese Menschen!“ von Miro Poferl. Darin diskutiert eine Vogelfamilie die Frage: Sind alle Menschen nur schädlich und unnütz? Oder machen sie auch etwas gut? Während die Vogeleltern noch schimpfen und dem Vogelkind schlecht wird, beginnt Menschenkind Mika einen Dachgarten anzulegen … Miro Poferl zeigt uns die Welt der Menschen aus umgekehrter Sicht. Sie regt an, den Blick auch auf Positives zu wenden und Stärken zu nutzen. Ab vier Jahren.

Ich bin hier!

Bilderbuch

Als ein Fluss die Stadt unter Wasser setzt, wird Jona, die gerade im Bürogebäude ihres Vaters spielt, dort vergessen – mehrere Tage lang sitzt sie fest, zwischen Aktenschränken und Drehstühlen. Aber Jona verfällt nicht in Panik und auch nicht in Selbstmitleid, im Gegenteil. Ihr Entdeckergeist verwandelt das graue Hochhaus in einen Ort voller Überraschungen. Mit Jona hat Joke van Leeuwen eine Figur geschaffen, die mit ihrem Mut, ihrer Neugier und ihrer besonderen Art zu denken an Pippi Langstrumpf und Ronja Räubertochter erinnert. Weniger frech vielleicht, aber mindestens genauso tapfer. Das Buch ist eine Heldenreise, die Kindern, und vor allem jungen Mädchen, Mut macht. Ab acht Jahren.

Das Klugscheißerchen

Kinderbuch

Ein echtes Klugscheißerchen weiß immer am besten Bescheid!

Tina und Theo Theufel sind geschlagen mit Eltern, die keinen Hund haben, aber ständig Rote Beete essen wollen. Außerdem wissen sie immer alles besser. Also die Eltern. Die Kinder auch. Der Apfel fällt schließlich nicht weit vom Stamm. Aber Theo und Tina geben wenigstens zu, dass sie Klugscheißer sind. Mama und Papa streiten es ab. Das ist natürlich absolut lächerlich. Vor Kurzem sind die Theufels umgezogen in ein altes Haus mit einem Dachboden voller Abenteuer. Obwohl Spielen auf dem Dachboden nicht gerne gesehen ist, machen Tina und Theo nichts lieber als das. Und außerdem machen die Kinder auf dem Dachboden eine seltsame Entdeckung: In einer Bücherkiste haust ein kleines Männchen mit großer Klappe. Ein waschechtes Klugscheißerchen, das behauptet, nur für seinesgleichen sichtbar zu sein! Und eines ist sicher: „Ein wirklich echter Klugscheißer zu sein, ist harte Arbeit! Man muss Bescheid wissen, man muss auf Zack sein, man muss sich unerbittlich der Korrektheit verpflichten.“ Ab sechs Jahren.

Luise

Bilderbuch

In seinem Bilderbuch „Luise“ verflüssigt der Illustrator Nikolaus Heidelbach die Grenze zwischen Tier- und ­Menschenwelten. Als Luise, ein kleiner Oktopus, eines von 55 Kindern ihrer Krakenmutter, nach den Sommer­ferien aus dem Meer zu ihrem menschlichen Freund Louis in eine ziemlich rheinisch aussehende Stadt zieht, macht sich die Mama Sorgen. Und verlässt ebenso nonchalant die See, um sich auf die Suche zu machen. Die gravitätische Oktopusdame reist durch Heidelbachs majestätisch gemalte Landschaften, in denen sie gelegentlich mit den Wolken verschwimmt. Als sie bei Louis zu Hause am Kaffee­tisch sitzt, fragt Louis‘ Mutter: „,Haben Sie eigentlich einen Mann?‘ ,Nein‘, sagt Luises Mama, „und Sie?‘ ,Nicht mehr‘, sagt Louis‘ Mama, ,er ist mit einer Robbe durchgebrannt.'“ Da sage noch jemand, die Übergänge zwischen den Tier- und Menschenwelten seien nicht fließend. Nichts ist ohne Hintersinn in Heidelbachs Welt. Weshalb es nur einleuchtet, dass die je acht Arme von Luise und ihrer Mutter nicht nur zum Schwimmen und Kuchenessen gut sind. Sie eignen sich auch hervorragend zum Händchenhalten. Ab vier Jahren.