Ene mene muh

Zwei Kitas, zwei Welten, ganz nah beieinander in Berlin-Schöneberg: In der einen gibt’s Bio-Gouda und Sprachförderung, in der anderen Raufereien und Kummer. Karl Grünberg hat in beiden als Praktikant gearbeitet – und miterlebt, wie früh Chancen verteilt werden. Weiter lesen…

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Willkommen konkret

Berliner Bündnis für Kinder geflüchteter Familien

Plakat Herzlich Willkommen
Tine Schulz, Illustration, aus: „Alle da“, Klett Kinderbuch-Verlag

Wer wir sind

In unserem Bündnis arbeiten Menschen aus der frühpädagogischen Praxis und Theorie, aus Verwaltung, Beratung, Therapie, Fort- und Weiterbildung zusammen.

Uns verbindet, dass wir uns für das Wohlergehen und die Rechte aller in Berlin lebenden Kinder engagieren. Das Bündnis konzentriert sich auf Kinder in den ersten sechs Lebensjahren.

Wir setzen uns dafür ein, dass alle Kinder geflüchteter Familien, die sich in Berlin aufhalten, Zugang zu frühkindlicher Bildung, Erziehung und Betreuung erhalten.

Unsere Positionen

1.       Geflüchtete Kinder sind in erster Linie Kinder. Wie alle Kinder haben sie das Recht, in ihrer Entwicklung gestärkt zu werden. Dies gilt in besonderer Weise für Kinder, die jünger als sechs Jahre sind und deren Zugang zu frühkindlicher Bildung, Erziehung und Betreuung bisher erheblich erschwert ist.

2.       Über die Lebensverhältnisse und -erfahrungen von jungen Kindern geflüchteter Familien haben wir zu wenig gesichertes Wissen. Wir wissen zudem nicht, wie sie ihre Erfahrungen verarbeiten. Stattdessen existieren viele Vorurteile, Stereotype und medial vermittelte Bilder. Diesen wollen wir differenzierend und aufklärend entgegen wirken.

3.       Junge Kinder mit Fluchtgeschichte haben die gleichen Grundbedürfnisse wie all ihre Altersgefährt_innen und sind ebenso individuell verschieden wie sie.

4.       Junge Kinder brauchen Normalität im Zusammensein mit anderen Menschen an einem sicheren, anregenden Lebens- und Lernort. Sie brauchen Erwachsene, die ihnen freundlich und feinfühlig begegnen, ihre Kompetenzen erkennen und würdigen, sie vor Ausgrenzung und Abwertung schützen und dafür sorgen, dass sie ihre Potenziale entfalten können.

5.       Wer Kinder stärken will, muss ihre Familien stärken: Geflüchtete Familien brauchen Schutz, Anerkennung und konkrete Möglichkeiten, um selbstbestimmt an der Gesellschaft teilzuhaben. Abwehr und Diskriminierung verletzen die Würde von Eltern und beeinträchtigen ihre Sicherheit und Handlungsfähigkeit gegenüber ihren Kindern.

 

Unsere Forderungen

1.       Bürokratische Hürden, die das Recht der Kinder geflüchteter Familien auf Entwicklung und Bildung negieren und ihren Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz einschränken, müssen abgeschafft werden. Wir fordern, dass jede Kita dabei unterstützt wird, geflüchtete Kinder aufzunehmen. Für die Betreuung von Kindern und ihren Familien mit Fluchterfahrung müssen die Kitas bedarfsgerecht mit Personal und anderen Ressourcen ausgestattet werden.

2.       Jenseits des zivilgesellschaftlichen oder ehrenamtlichen Engagements vieler Berliner_innen sehen wir es als öffentliche Aufgabe, jungen Kindern mit Fluchterfahrungen sichere Lebens- und Lernorte zu verschaffen. Der Zuzug geflüchteter Familien muss in der Jugendhilfeplanung, Wohnungs- und Bauplanung, u. ä. berücksichtigt werden. Die Bezirke müssen bei diesen Aufgaben von Land und Bund umfassend unterstützt werden.

3.       Die frühkindliche Forschung muss Wissen über die Belastungen, Stärken und Ressourcen von Kindern geflüchteter Familien generieren. Dieses Wissen bildet die Grundlage für die Erarbeitung von Fortbildungs- und Beratungskonzepten, die Kita-Teams unterstützen, mit geflüchteten Kindern und deren Eltern zu arbeiten.

4.       Von der Erstaufnahmeeinrichtung an muss es in allen Sammelunterkünften anregende Lebens- und Lernbereiche und qualifizierte Fachkräfte geben, die es den jungen Kindern ermöglichen, sich ihre neue Umwelt nach und nach angstfrei und behütet zu erschließen. Gleichzeitig muss die Aufenthaltsdauer der Kinder in den Sammelunterkünften verkürzt werden. Geflüchtete Familien mit Kindern sollen schnellstmöglich und vorrangig in eigene Wohnungen ziehen können.

5.       Die interkulturelle Kompetenzerweiterung von Mitarbeiter_innen in Sammelunterkünften und Ämtern wie auch in Kitas, Familienzentren u. ä. Einrichtungen muss unterstützt werden.

6.       Für die Verständigung mit den Eltern und Kindern müssen Sprachmittler_innen zur Verfügung stehen, die unbürokratisch und bedarfsgerecht eingesetzt werden können. Dafür müssen finanzielle Mittel bereitgestellt werden.

7.       Der besonderen Schutzbedürftigkeit von Kindern mit Behinderungen muss in vollem Umfang Rechnung getragen werden. Ihnen ist schneller und umfassender Zugang zu medizinischer und sozialpädiatrischer Behandlung und Beratung zu ermöglichen. Dem Krankheitsbild entsprechend sind ihnen medizinische Hilfsmittel zu gewähren, die eine Verschlechterung ihres Zustandes verhindern, ihre Entwicklungsmöglichkeiten verbessern und die Familien entlasten.

8.       Um ihre Aufgaben im oben genannten Sinne verantwortungsvoll zu erfüllen, müssen Betreiber von Sammelunterkünften, Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) und Jugendhilfe auf der Basis verbindlicher Standards kooperieren. Ziel ist die bestmögliche Entwicklung der Kinder und die gesellschaftliche Beteiligung ihrer Familien. Diese Standards sind in den Verträgen festzuschreiben und ihre Einhaltung ist in regelmäßigen Abständen von unabhängiger Seite zu überprüfen.

Berlin, 10.7.2015

Erstunterzeichnende – in alphabetischer Reihenfolge

Organisationen: Berliner Kita-Institut für Qualitätsentwicklung (BeKi) und Institut für den Situationsansatz (ISTA) in der Internationalen Akademie Berlin für innovative Pädagogik, Psychologie und Ökonomie gGmbH (INA) / Dachverband Berliner Kinder- und Schülerläden (DaKS) e.V. / Der Paritätische, LV Berlin / Jugendamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin / Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und Migrant_innen (KuB) e.V. / Landeselternausschuss Berliner Kindertagesstätten (LEAK) / Nestwärme – Verein zur Betreuung und Beratung von AIDS-betroffenen Familien, Kindern und Jugendlichen e.V. / RAA Berlin / XENION Psychotherapeutische Beratungsstelle für politisch Verfolgte

Einzelpersonen: Kim Archipova, KoduKu e.V. / Erika Berthold, Redaktion „wamiki“ / Anke Dietrich, Diakonisches Werk Berlin Stadtmitte e.V./ Susanne Hantz, Geschäftsführerin Kindererde gGmbH / Sabine Hermann-Rosenthal, Aufwind Kita-Verbund gGmbH / Dorothee Jacobs, Kreativpädagogik Berlin / Gabriele Koné, Aufwind – Verein für aufsuchende Hilfen zur Erziehung e.V. / Maria Lingens, AWO Landesverband Berlin e. V. / Anne Wihstutz, Professorin an der Evangelischen Hochschule Berlin (EHB) / Hannah Rosenfeld, Erzieherin / Sibylle Rothkegel, Dipl.-Psych, Psych. Psychotherapeutin / Bianca Thiede, Nachbarschaftsheim Schöneberg e.V.

Inklusions-Alltag

Erfurt, im Mai 2015: Aufregung herrscht in den Kitas „Sommersprosse“ und „Farbenklecks“, denn übermorgen wird Einweihung gefeiert. Besser: das Ende der lang anhaltenden Renovierungsarbeiten, in deren Zuge die beiden Kitas endgültig zusammenwuchsen – bei vollem Betrieb. Das war Inklusion pur und unter verschärften Bedingungen. Erfahrungen im Umgang mit dem Einschließen von Unterschieden hatten die Team-Mitglieder allerdings schon gemacht – in vielen Bereichen und Situationen.

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Was? Inklusion? Ohne mich!

„Inklusion ist ein rotes Tuch bei uns. Diese Mehrarbeit! Darauf hat niemand Lust. Aber wir müssen das ja machen. Ist vorgeschrieben.“ Weiter lesen…

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Wort-Check: Inklusion

Inklusion – do mache mer mit! Aber wir Wortklauber haben die Pflicht, den Begriff in unserer Stiftung Wörter-Test gründlich untersuchen zu lassen. Das taten wir – und hätten ihn beinahe aus dem Verkehr gezogen. Warum?

Inklusion stammt aus dem Lateinischen, der Ex-Lieblingssprache des Schreibtischtäters, ist dem praktischen Pädagogen, seiner Kollegin und dem Gros der Eltern zwar nicht mehr ganz unbekannt, aber was das Wort genau bedeutet, erschließt sich nur einer kleinen, exklusiven Minderheit. Der Rest ist automatisch ausgeschlossen.

Was Inklusion bedeutet, erklärt uns der altsprachlich kompetente Pädagoge so: Den Wortstamm „clus“ kenne man schließlich von der Klausur, der kleinen Klause, der Klaustrophobie und sogar vom Klosett. Einschließen heißt das also. Wir schlucken. Alle ins Kämmerchen sperren – ist das schon Inklusion? Wir grübeln. War die DDR, so gesehen, ein perfekter Inklusionsstaat, der selbst die paar Dissidenten großzügig inkludierte?

Man verstehe ihn wohl absichtlich miss, erwidert der Latein-Pädagoge. Einschließen sei schließlich im übertragenen Sinne gemeint, und Inklusion bilde den Gegensatz zu Exklusion, weil keiner mehr ausgeschlossen werden solle. Wir nicken.

Es gehe übrigens um eine Präzisierung von Integration, erklärt der Pädagoge. Das heiße zwar übersetzt auch, jemanden zum Teil einer Gruppe zu machen. Aber der Unterschied sei: Bei Inklusion müsse niemand mehr zum Teil der Gruppe gemacht werden, denn er sei bereits inbegriffen.

Wir sind entzückt. Nach all den Jahren des Bemühens um Integration sind nun tatsächlich alle Teil der Gruppe. Doch: Ist das vielleicht der Grund, warum viele Verantwortliche wenig finanzielles Engagement für Inklusion zeigen? Weil das Ziel längst erreicht ist? Der Pädagoge rümpft die Nase und lässt uns wissen: Inklusion sei eine Vision von einer Gesellschaft, in der man niemanden mehr integrieren müsse, weil sowieso jeder inkludiert sei. Diese Vision müsse man leben…

…indem man Menschen nicht mehr integriere, sondern inkludiere? Jetzt schaut uns der Pädagoge genervt an: Inkludieren sei keine aktiv zu betreibende Tätigkeit, sondern ein passives Geschehen-Lassen. Entweder sei man inkludiert oder nicht. Man könne sich nicht selbst inkludieren. Außer auf dem Klo. Kinder mit besonderem Unterstützungsbedarf benötigten gewiss besondere Hilfe oder Förderung – aber eben ganz anders als in den alten Sonder-, Hilfs- und Förderschulen. Deswegen spreche man heute auch nicht mehr vom Integrationskind, denn – wenn überhaupt – seien alle in der Gruppe Inklusionskinder.

InklusionWortklauber

Aha. Da fällt uns die Annonce ein, die wir kürzlich im Netz fanden: „Wir suchen Menschen mit Beeinträchtigung für unsere Inklusions-Prunksitzung“, verlautbarte ein Gymnasium. Braucht man für eine glaubwürdige Inklusions-Prunksitzung denn überhaupt Menschen mit Beeinträchtigung, wenn auch Menschen ohne Beeinträchtigung inkludiert sind? Ist es möglicherweise okay, wenn man in der Grundschule um die Ecke erleichtert feststellt: „Bei uns klappt Inklusion prima, weil wir bisher keine behinderten Kinder aufnehmen mussten.“ Und was sollen wir von der Erzieherin Bärbel halten, die ihre Gruppe ermahnte: „Ab morgen kommt die Lotti zu uns, die sabbert manchmal. Aber dann sagt bitte keiner Iiih, denn die kann nichts dafür. Die ist ein I-Kind.“

Wahrscheinlich muss man dem Begriff Inklusion ein Motto als Erklärung voran- oder nachstellen, zum Beispiel: Vielfalt als Chance. Andererseits: Bei jedem Fußballspiel erlebt man, wie viele Chancen ungenutzt bleiben. Und heißt der Aktienfond, dem man sein sauer Erspartes anvertraut hat, „Chance“, dann kann man sicher sein, dass das Geld bald weg ist. Hätte man doch bloß das Modell „Garant“ genommen!

Ach, wir wollen nicht negativ denken, sondern „Chance“ so verstehen: Wir probieren jetzt Vielfalt aus, und wenn es damit nicht klappt, nehmen wir als nächstes Einheitlichkeit oder Einfalt.

Beliebt ist auch der Slogan „Gemeinsam sind wir stark“. Klingt gut in Kinderohren, aber nicht immer: „Gemeinsam fühlt ihr euch stark? Pfui! Drei gegen einen – das ist unfair!“

Dem Motto „Es ist gut, verschieden zu sein“, das ein Ex-Bundespräsident unter die Leute brachte, stimmen wir hingegen vorbehaltlos zu – auch weil es darüber hinwegtröstet, dass der Mann in diesem Jahr selbst verschieden ist.

Wir wägen ab: Inklusion ist letztlich ein Begriff voller Nachteile. Kaum jemand versteht ihn, und vermutlich wird er es neben den vielen anderen Fachwörtern schwer haben, sich durchzusetzen. Es sei denn, wir inkludieren den armen Begriff sofort.

 

 

Bestätigen Ausnahmen die Regel?

„Kein Bier vor vier“, sagt Otto beim Frühstück und setzt sogleich das Glas an, denn: Ausnahmen bestätigen die Regel. Der Satz mit der Ausnahme von der Regel gehört zweifelsohne zu den universell einsetzbaren Sprichwörtern, aber wie viel Wahrheit liegt in ihm? Und worauf bezieht er sich bloß? Weiter lesen

Das ist so kindisch!

„Wann wirst du endlich groß? Das ist sooo kindisch! Du bist nun wirklich zu alt für so was … Du brauchst mir gar nicht zu widersprechen! Du hast noch keine Erfahrung. Dafür bist du noch zu klein.“ So spricht der Adultismus. Daniela Stegemann deckt Widersprüche auf und wirft einen adultismuskritischen Blick auf Regeln. Weiter lesen…

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